[1042] Wir tragen alle eine Maske [Achilla, Galeno]

[November '20]
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Nubis
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Re: [1042] Wir tragen alle eine Maske [Achilla, Galeno]

Beitrag von Nubis »

"Nun, dann wäre es wichtig zu erfahren, was euch fremd ist und was ich euch tatsächlich beibringen könnte. Vielleicht sind wir uns aber in den grundlegenden Erfahrungen sogar recht ähnlich...schliesslich sind wir doch noch nur Neugeborene."

Er blickte kurz die Hände von Achilla an, fuhr mit den freien Fingern etwas auf der Haut entlang, nur stets ein paar Millimeter, fast nicht spürbar, ausser dass sich die Kälte leicht verlagerte.

"Habt ihr eine Idee? Wie könnte man eure Lektionen am besten wahr nehmen? Oder was erwartet ihr von mir? Was gedenkt ihr zu lernen? Was denkt ihr, unterscheidet euch so von mir? Was ihr nicht erfahren oder gelernt habt?"
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Signora Achilla
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Re: [1042] Wir tragen alle eine Maske [Achilla, Galeno]

Beitrag von Signora Achilla »

“Ah… wir beide sind durch das geformt, was uns Lehre und Lehrer im Leben und auch danach war, nicht wahr?”, begann die Signora da. Ihre Erleichterung darüber, dass Galeno wieder wohlauf schien, war leicht genug zu erkennen.

“Und ich glaube wohl, dass meine Lehren ein wenig rauer und gröber waren. Bildung und Kunst, vor allem aber das feine Geflecht von Wissen und Macht, Etikette und Benimm, Gehorsam und Befehl… . Ha.” Sie schnalzte einmal mit der Zunge, was einen merkwürdigen, trockenen Laut hinter der Maske ergab.

“Ich glaube wohl, dass es dies Geflecht überall gibt, doch es ist anders geartet, dort wo und wie Ihr verkehrt. Und ich will mehr von den Dingen wissen wie ein hoher Herr wie Ihr sie erfährt. Ihr werdet verstehen, dass eine Frau von meinem Blut und an Orten wie diesem hier einen gänzlich, gänzlich anderen Blick auf die Welt bekommt. Doch das heißt nicht, dass ich blind bin für das übrige! Es ist nur so unendlich schwer, den Blick über die eigenen Grenzen zu werfen ohne sogleich zurückgeworfen zu sein. Es geziemt sich nicht, für eine Frau, für Gauklervolk, für niederes Blut, für ungebildeten Pöbel ...und was für Kostüme und Rollen man mir wohl noch anhängen will.”
Sie neigte den Kopf ein wenig. “Es ist nicht so, dass ich meinen Stand verlassen will oder kann. Doch ich will mehr erfahren und meinen Blick erweitern.”
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Nubis
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Re: [1042] Wir tragen alle eine Maske [Achilla, Galeno]

Beitrag von Nubis »

„Könnt ihr nicht?“ warf er fragend ein und lachte kurz.
„Dass ihr meint, ich sei von hohem Stand, mag in diesem Leben stimmen, doch dann nur, weil ich wohl diese Maske sehr gut nach Aussen hin trage. Meine Herkunft ist eine sehr einfache, eine sogar, die eine der untersten ist. Ohne leibliche Familie, doch mit dem Segen Gottes in die Hand derer gelegt, die ihm dienen und somit nicht den Wirren der rauen Strassen ausgeliefert. Dennoch ein Leben ohne Wohlstand und blauem Blut...“

Er schloss die Augen kurz.
„Ihr habt die Unendlichkeit vor euch, genug Zeit, um euch erheben zu können. Ihr müsst nur die richtige Maske erschaffen und lernen sie zu tragen. Der erste Schritt ist schon getan, der Blick über die Mauern, die einen umgeben, die hoch erscheinen, unüberwindlich gar, aber uns ist es gegeben, dass wir sie überspringen können. Es wird dauern und anstrengend, doch es wird möglich sein.“

Er blickte sie ernst an.
„Doch ich empfehle ein Schnuppern, denn so interessant und aufregend das Leben der Hohen für so manchen erscheint, umso mehr gibt man auch eigene Freiheiten auf, begibt sich in Gespinste aus Intrigen und Macht und kann schneller fallen, als einem lieb ist. Nicht für jeden ist dieses Leben geschaffen und so mancher mag daran zerbrechen...“

Er legte den Kopf leicht schief und überlegte. „So soll ich euch beispielsweise etwas Bildung zugestehen? Das Lesen und Schreiben zum Beispiel? Oder wollt ihr etwas anderes?
Ich dagegen werde mich zwar bald von den Menschen lösen, bald...in unserer Rechnung der Zeit, doch ich will das Gesellschaftliche nicht missen, die Emotionen ergründen wollen...sehen, wie Gespräche angenehmer gestaltet werden können, wie aufeinander eingegangen werden kann.“
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Signora Achilla
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Re: [1042] Wir tragen alle eine Maske [Achilla, Galeno]

Beitrag von Signora Achilla »

“Allein diese Empfehlung von Euch, dies, was Ihr ‘Schnuppern’ nennt, ist von gutem Wert”, meinte die Signora darauf. “Und eben das ist, was ich suche. Und ich kann schwerlich mehr: Mein Stand ist eben mein Stand und ich will mir nicht anmaßen, was nicht das Meine ist.”

Sie neigte den Kopf ein wenig und fügte verschmitzt hinzu: “Ich kann auch recht gut leiden, was ich bin. Nichts ist ohne seine hässlichen Seiten. Sich damit auszusöhnen, das ist eine Kunst, die einem schwere Lasten von der Seele nimmt. Es sogar zur Tugend zu machen, zur Waffe oder zum Werkzeug, das ist die Blüte eben dieser Kunst.”

Damit neigte Achilla sich etwas vor um Galeno interessiert anzusehen. “Es gibt verschiedene Arten, die Ewigkeit zu überdauern. Wir sind nicht länger Menschen und können uns nicht auf immerdar der Illusion hingeben, es sei anders und ein Herz schlüge noch in unserer Brust. Einige entzünden sich am Feuer des Glaubens, um nicht in der Nacht zu verlöschen. Ist das nicht, weshalb der verehrte Ferrucio so geachtet und zugleich auch gefürchtet ist? Andere suchen Halt in Struktur und rigider Ordnung, im Auf und Ab von Macht und Dienen, fest verankert durch die Last der Krone und die Obhut all der Untergebenen und Untertanen… .”

Hier machte sie eine kleine Pause, überlegte wohl, wie sie die nächsten Worte recht setzen konnte. “Ich denke viel über diese Dinge nach”, offenbarte sie dann. “Es gibt noch viele mehr Arten als nur diese und vielleicht muss am Ende jeder von uns seinen eigenen Pfad durch die Dunkelheit finden. Doch ich glaube, dass in diesem Wissen der Schlüssel zur Erkenntnis über unsere Seelen liegt, über unsere Natur. Und darum glaube ich wohl, dass Euer und auch mein Bestreben, mehr von der Art zu lernen, wie andere ihre Nächte verbringen, gut und wertvoll ist.”
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Nubis
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Re: [1042] Wir tragen alle eine Maske [Achilla, Galeno]

Beitrag von Nubis »

"Hm... ich sprach dabei aus Erfahrung...eine, die nicht jeder so machen muss. Manches Mal treiben sich die Gedanken umher, ob das alte Leben nicht das Bessere gewesen sein könnte...gerade, wenn man doch ein unterschiedliches zum jetzigen hatte. Und ja, alles hat seine schlechten, hässlichen Seiten und man muss mit ihnen klar kommen oder aber dies Leben zerstört das eigene Selbst...zerfrisst es von innen heraus. Wenn man auch die hässlichen Seiten nicht lieben kann. Manches Mal kann man sie auch lieben lernen...."

Er zuckte mit den Schultern.
"Ihr scheint dies geschafft zu haben. Ich kannte jemanden, der dies nicht geschafft hatte und daran zerbrochen war...ein Elend, dies mit anzusehen."
Er schüttelte mit dem Kopf.
"Die Wege, die vor uns liegen und die wir zu begehen versuchen, sind interessant, ja...doch ist nicht jeder für jeden geschaffen...nicht mal ansatzweise und bei manchen zu schnuppern dürfte sich als sehr gefährlich herausstellen...denke ich. Nicht dass man selbst sich plötzlich verliert und dem Biest die Möglichkeit eröffnet, gänzlich die Oberhand zu gewinnen."

Ernst und zugleich fragend sah er die Nosferatu an und schien kurz über etwas zu grübeln.
"Welcher ist euer Weg der Erkenntnis, wenn ich fragen darf? Mir wurde einst gesagt, dass eine eures Blutes einem Weg des Wissens folgt oder folgte. Dieser aber nicht jener war, den ich beschritt. Einer, der mehr mit dem Tier im Einklang lag, vermute ich.... Wollt ihr mir einen Hinweis geben? Mag dies dem euren entsprechen? Oder welcher Natur ist der eure?"
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Signora Achilla
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Re: [1042] Wir tragen alle eine Maske [Achilla, Galeno]

Beitrag von Signora Achilla »

Achilla blinzelte einige Male mit diesem Vorschlag Galenos. Etwas knisterte hinter ihrer Maske wie trockenes Pergament, das bricht.
“Ohhh”, machte sie, langgezogen und verzückt. “Unbedingt…! Lasst uns raten! Ihr habt eine Frage in diese Richtung, nach Pfad und Natur, Art und Weltsicht. Und ich muss sie so gut beantworten wie ich kann. Und dann bin ich an der Reihe, mit einer ebensolchen Frage an Euch, für eine ebensolche Antwort!”

Damit kehrte sie wieder zu ihrem ursprünglichen Platz zurück, nicht länger in Sorge um ihren Gast, und setzte sich zurecht. Eine unheilige Neugier und ganz sicher auch einfach Freude an einem solchen Spiel ließ ihre milchig toten Augen fast lebendig glänzen.
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Re: [1042] Wir tragen alle eine Maske [Achilla, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Er würde daraus vielleicht mehr Erkenntnisse gewinnen, als erwartet. Also nickte er.

"Nun gut. versuchen wir es," ein wenig Misstrauen war in der Stimme zu hören. Schliesslich konnte so ein Spiel auch nach hinten los gehen und er mehr verraten, als ihm lieb war und im Gegenzug nahezu nichts erhalten. Würde Achilla solch ein Spiel spielen?

"Was ist der Kerninhalt eures Pfades, also worum wird sich dabei bemüht, welche Grundmoral liegt ihm inne?"
Es war im Grunde eine Frage, nur mehrmals formuliert, um klar zu machen, was er wollte. Hoffentlich verstand dies Achilla. Aber sie war auch nicht dumm...
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Signora Achilla
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Re: [1042] Wir tragen alle eine Maske [Achilla, Galeno]

Beitrag von Signora Achilla »

Darauf legte Achilla ihren Zeigefinger an das hölzerne Kinn der Maske, nachdenklich und ernsthaft. Oh, ihr gefiel das Spiel. Spiele wie dieses zeigten Seiten der Mitspieler, die diese sonst schwer zeigen konnten: Angst und Mißtrauen, Zögerlichkeit, Schwermut, Wagemut, eisernen Willen, Wankelmut, Stärke und Schwäche, so viele Dinge, die den anderen erst zu einem Ganzen machten.

“Eine Grundmoral? Das ist schwer, denn ich glaube wohl, es ist eine Freiheit von ebensolchen”, antwortete sie dann. “Es liegt eine Erkenntnis darin: Wir sind nicht länger Mensch, nicht länger lebendig, nicht länger ein Teil der Tagwelt, auch wenn unsere Taten ihre Schatten in den Tag werfen müssen.”

Nun legte sie Hände links und rechts auf ihre Knie, zupfte das Kleid etwas zurecht und gab dann kokett eine Frage zurück: “Was ist das Ziel Eures Pfades? Wohin soll er Euch führen, irgendwann, auch wenn Ihr dieses Ziel vielleicht niemals erreicht?”
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Re: [1042] Wir tragen alle eine Maske [Achilla, Galeno]

Beitrag von Nubis »

"Eure Grundmoral deckt sich mit vielen Wegen. Schliesslich sind jene, die menschlicher sein wollen auch jene, die sich dadurch vom Mensch abheben...sind kein Teil der Tagwelt..."
Er legte den Kopf leicht schief, deutlich machend, dass diese Antwort dzwar schon Wissen beinhaltete, mit dem er etwas anfangen könnte, doch auch an Detail mangeln liess.

So antwortete er ihr mit seiner Auslegung seines Weges.
"Er soll mich zu Erkenntnissen führen, oder sich diesen bedienen, um Möglichkeiten zu erkennen und diese zu ergreifen..."

Er blickte zum Ausgang und überlegte kurz.
"Ich denke, so langsam neigt sich die Nacht dem Ende zu und ich möchte eure Gastfreundschaft nicht überziehen. Gern sehe ich euch ein ander Mal und vielleicht setzen wir dies hier fort. Kann man euch stets am Hof der Wunder erreichen? Oder soll ein Bote andere Möglichkeiten finden?"
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Re: [1042] Wir tragen alle eine Maske [Achilla, Galeno]

Beitrag von Signora Achilla »

“Ja, lasst uns dies und unser Spiel fortsetzen”, meinte die Signora. “Es wäre mir eine Freude, sicherlich ist es lehrreich und vor allem ist es mir Inspiration. Alter Zwist oder nicht: Dies, heute, war mir mehr als willkommen.”
Sie erhob sich, um Galeno angemessen zu verabschieden und ihn auch wieder zurück zum Hof der Wunder zu geleiten.

“Am Hof der Wunder könnt Ihr fast immer einen der meinen finden”, meinte sie. “Fragt nach Maestro Mauricio, das wird Euren Boten auf die richtige Fährte bringen. Oder nennt mir die Art, wie ich Euch erreichen soll, dass es genehm und behutsam genug ist.”
Sie neigte den Kopf ein wenig auf die Seite. “Ich hoffe auch, dass es alsbald ein Elysium für uns alle geben mag, das nicht durch den Blick und das Wissen von solchen entweiht ist, die sich zu unseren Jägern aufschwingen wollen.”


Galeno besucht den Hof der Wunder und trifft auf Achilla, die ihn zunächst nicht erkennt. Doch als die ersten Mißverständnisse aus dem Weg geräumt sind, kommen die beiden an einem ruhigeren Ort innerhalb von Clavicula ins Gespräch. Galeno erfährt eine Vision. Achilla und er schließen eine Abmachung zur gegenseitigen Lehre und beginnen sogleich mit einem Rätselraten über die Philosophie und den Pfad des jeweils anderen.
Sie verabreden sich, sich später erneut zu treffen.
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