[Fluff] Leichenfresser [Davide]

Geschichten über Monster

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Davide
Gangrel
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[Fluff] Leichenfresser [Davide]

Beitrag von Davide »

Kaum hatte er die Zähne in ihrem bleiches Fleisch versenkte erfüllte ein Geschmack nach Galle und Verwesung seinen Mund. Das Blut war zäh wie Honig. Bereits halb geronnen und kalt. Es war erniedrigend. Als ließe man einen Bauern aus dem Schweinetrog auf allen Vieren Abfall fressen. Es stillte den Hunger. Aber es ließ einen bitteren Geschmack auf der Zunge zurück der sich in seine Erinnerung einätzte wie Säure. Er hatte sich entschieden sich selbst zu demütigen um den Rest an Menschlichkeit der ihm geblieben war zusammenzuhalten.
Es hätte Gelegenheiten gegeben. Sie waren zahlreicher denn je. Denn immer mehr halb verhungerte Gestalten durchstreiften allein auf der Suche nach Wild die Wälder. Menschen am Rande des Hungertodes. Leichte Beute. Niemand würde Anstoß an ihrem Verschwinden nehmen. Niemand würde über ihr Sterben verwundert sein wenn man sie fand. Und keiner würde ihnen ein Wort von dem glauben was sie im Hungerdilirium faselten wenn sie überlebten. WENN sie überlebten. Er hatte darüber nachgedacht. Hatte sie belauert. Hatte einen von ihnen bereits den Arm von hinten um die Brust gelegt und seine Finger im Haar vergraben um ihm den Kopf zur Seite zu drücken. Aber er hatte es nicht getan. Er hatte es nicht tun können. Denn ihm war in dem Moment als er den Puls unter der Haut seiner Beute gespürt hatte... So schwach und müde… bewusst geworden, dass er ihn höchst wahrscheinlich töten würde. Dass dieser ausgemergelte Körper dem Blutverlust nicht gewachsen war.
Ein Schaudern kroch seinen Nacken hinab als er sich daran zurückerinnerte. An jene langen quälenden Sekunden als er im stummen Zwiespalt ausgeharrt und mit seinem Hunger gerungen hatte. Mit dem Tier dass kein Gewissen kannte und keine Beute entkommen ließ wenn es trinken wollte. Ihm war als könnte er den tonlosen Aufschrei noch immer in sich widerhallen hören mit dem er sich diesem Instinkt entgegengestellt hatte. Er wollte das nicht tun. Er wollte nicht so sein. Er war kein Biest. Kein Monster. Er konnte diese Instinkte zügeln. Er musste. Denn wenn er ihnen Raum ließ, dann würden sie sein Mensch sein nach und nach aufzehren, so wie sich Geduld und Wille aufzehrten.
Er hatte den Mann von sich gestoßen und war zurück in die Dunkelheit geflohen. Die selbe Dunkelheit in der er kurz zuvor noch ein stolzer Jäger gelauert hatte. Ein Raubtier das nun als Getriebener in ihre schwarze Umarmung zurückkehrte.
Zwei Nächte lang hatte er ausgeharrt. Hatte gegen den Drang angekämpft. Den Durst unterdrückt. Dann hatte es ihn wieder fort von der Herde getrieben. Dante hatte es gespürt. Er hatte einen feineren Sinn dafür als Assunta, die zu loyal, zu treu war um ihm die Zähne zu zeigen. Der Maremmano allerdings, eigenständiger und unabhängiger, hatte das Nackenfell gesträubt und ihn angeknurrt. Ein untrügliches Zeichen dafür wie dünn der Faden seiner Selbstbeherrschung geworden war. Wie wenig Kontrolle er hatte. Er konnte sich selbst belügen. Aber nicht den Spürsinn seines Hundes.
Er hatte sie vor der Köhlerhütte gefunden. Eine junge Frau in einem Ruß und Blut beschmierten Leinenkleid. Neben ihr ein leerer Weidenkorb der unter einem schweren Stiefel zertreten worden war. Wer auch immer sie erschlagen hatte war noch nicht lange fort. Lange genug dass ihr Körper auszukühlen begann, ihre Glieder aber noch nicht steif geworden waren. Sie hatte dagelegen wie eine Puppe. Leblos. Bleich. Die offenen Augen blicklos und glasig wie blaue Perlen. Wieder hatte er gezögert. Doch diesmal war es ein Ringen der anderen Art gewesen. Ein Ringen mit Ekel, Abscheu und nicht zuletzt mit Stolz.
War er nicht besser als das hier…
Sollte er sich nicht mehr wert sein als das hier…
Und doch hatte er es letztendlich getan. Er hatte ihren toten Körper aufgehoben, sie ins Innere der leeren Hütte getragen und sie auf das Strohlager gebettet. Dann hatte er von ihr getrunken. Ihre kalte Vita heruntergewürgt wie saure Milch. Und sie hatte seinen Hunger besänftigt. In dieser Nacht war er eine Abscheulichkeit gewesen. Eine lange tote Kreatur die Leichen fraß um sich an ihre unheilige Existenz zu klammern. Und doch hatte es ihn davor bewahrt etwas noch Abscheulicheres zu werden. Er mochte wie der Bauer vor dem Schweinetrog knien. Aber er war kein Mörder. Und als er die Decke über ihr leeres Gesicht gelegt hatte um ihr irgendeine Form von Würde zurückzugeben, da wusste er dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Und mit dieser Erkenntnis kam auch ein Funken seiner eigenen Würde zu ihm zurück.
"Beware of Davide: Dem schwarzen Widder der Nacht."
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