[1056] Peripetie [Achilla, (SL)]

[Juni '21]
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La Cronista
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Re: [1056] Peripetie [Achilla, SL]

Beitrag von La Cronista »

Testo lächelte breit sein lückenhaftes Grinsen und hustete einmal mit viel Belag im Hals so wie es klang.

"He. Ja. Direkt zum Punkt. Gut. Gut. Isch weiss. Bin verdammt alt geworden. Is ne Schande. Sach wenn des rausfinden kannst...würd gern wissn warum er ging. War ich nich mehr gut genug?" Für einen Moment konnte man in dem runzligen verhärmten Gesicht einen Hauch von Hilflosigkeit sehen wie ihn Kinder hatten. Kinder die sich nach der Aufmerksamkeit der Eltern sehnten und sich immer fragten ob was sie taten gut genug war dafür.
Doch es war nur einen MOment und dann grinste er wieder so selbstüberzeugt von sich wie er war.
"So oder so. Hast recht. Muss untertauchen. Is kein Problem. Kann jemand anderes sein und einen der Jungen finden der tut was ich ihm sage. Mein Name is was wert hier. Wird es immer sein. Niemand wird dir mehr Probleme machen am Hof und in meiner Gegend. Un gleichzeitig sind die Schauergeschichten über euch gute Mittel um jemanden Angst zu machen, nich? Können hier voneinander profitieren. Du lässt hin und wieder jemanden verschwinden...bringt dir ja auch was..." Er hob die Hand wie um zu sagen: Das ist was ich biete. "Nimmstes also an? Hab ja keine Zeit mehr."
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Signora Achilla
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Re: [1056] Peripetie [Achilla, SL]

Beitrag von Signora Achilla »

“Wenn welche so alt und mächtig werden wie er, dann wird’s schwer, ihre Gründe zu verstehen.” Sie zuckte mit den Schultern. “Vielleicht finden wir’s raus, du und ich. Ich will’s genauso wissen wie du. Und ich hab’ wenigstens ein paar Spuren, auch wenn’s alles nicht recht zueinander passt. Halb habe ich gehofft, du wüsstest was.”
Sie seufzte einmal, vielleicht auf ihre Weise so schwer und mitgenommen von dem, was die letzten Jahre und Jahrzehnte bedeutet hatten, wie er. Dass der alte Testo nichts wußte, ließ eine weitere Fährte kalt werden.

“Aber klagen hilft nicht, eh? ‘s gibt Geschäfte zu machen, und Gewinn. Was du vorschlägst, klingt gut und handfest. Solang das Gerede über solche wie mich nicht laut wird, ist’s auch recht. Es gibt solche wie mich, die jagen alles und alle, die zu laut werden - und das braucht keiner von uns.”
Die Signora begann, sich den einen Handschuh auszuziehen. Eine Handvoll Motten stob auf, als sie ihren Ärmel zurück schob. Die Haut darunter war dünn und brüchig wie Pergament, das Fleisch darunter schien zu zerfallen und doch besaß es zugleich eine unheilige, unmögliche Kraft.
“Das ist ein Handel, den wir mit Blut besiegeln, eh?”
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La Cronista
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Re: [1056] Peripetie [Achilla, SL]

Beitrag von La Cronista »

Testo hob beschwichtigend die Hände.
"Natürlich. Natürlich nichts genaues zu dir oder deiner Art. Nur vage Geshichten. Ein bisschen Grusel ohne dass es dich trifft. Kann dich ja auch nicht risikieren, wa?"

Als Achilla ihren Handschuh auszog blickte der alte Mann gierig darauf und nickte eifrig.
"Blut ha. Ja kann dir auch meines geben, aber so funktioniert das nich, ne? Also dann?"

Er bedeutete Achilla eine Geste fortzufahren und sie die nun immer noch aussah wie ein kerniger Mann, ließ die Fänge ausfahren ohne dass die Maske dadurch fiel und schlug sich die Fänge in das eigenen Handgelenk.

Es war fast wie in altes Pergament beißen. Kaum weich oder feucht und doch drang dann aus den feinen Löchern nach und nach dunkles Blut hervor. Dicker als das der Menschen und dunkler.

Sie bt es ihm an und er nahm es.
Und so banden sie sich aneinander. Zwei Seelen, die so verschieden waren und doch gleich in ihrer niederen Herkunft und dem Leben in der Gosse.

Testo lächelte seelig und zufrieden.
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Signora Achilla
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Re: [1056] Peripetie [Achilla, SL]

Beitrag von Signora Achilla »

Es war stets ein eigenartiges Gefühl, wenn ein anderer das Blut aus ihren Adern sog. Etwas in ihr rebellierte dann, wollte die Macht und das Leben nicht hergeben. Und ein anderer Teil jubilierte, denn die Stärke wuchs auf diese Art wie ein Schwarm Motten, der sich ausbreitete.
Ja, sie war grundverschieden von dem alten Mann. Und dann doch genau dasselbe, in derselben Scheiße, knietief und schlimmer. Es konnte gut sein, dass er älter war als sie. Dass er mehr Leute auf dem Gewissen hatte als sie. Dass er mehr gesehen, mehr gekostet, mehr getan hatte als sie.
Ha! Und eben das war, was all dies so gut machte. Insgeheim scherte sich Achilla keinen Deut um den Reichtum. Sie bekam davon sogar recht viel und verprasste es mit vollen Händen, weil es keinen Sinn hatte, sich daran fest zu halten. Das war ein Geheimnis, das die wenigsten kannten. Es war auch eines, das die Seele unendlich frei, das Herz unglaublich leicht und das Leben um so vieles köstlicher machte. Oder wie auch immer man diese Existenz nennen sollte.

Und so lächelte auch sie. Nein, mit diesem Mann würden die Nächte nicht lang oder langweilig werden. Er war einer von der Sorte Menschen, die am hellsten brannten. Vielleicht war er nicht schön, vielleicht war er ein Mörder, ein Verbrecher, hatte die schwärzeste Seele - doch einen wie ihn gab es nur sehr, sehr selten.
Dies, so dachte sich die Signora, war eine gute Wahl gewesen.
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Signora Achilla
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Re: [1056] Peripetie [Achilla, SL]

Beitrag von Signora Achilla »

Ein wenig später dann brach sie wieder auf. Es galt, die eigenen Leute zu beruhigen. Die Nerven lagen blank, die Messer waren scharf. Das war das Gefühl, dass in dieser Nacht noch wer sterben musste, irgendwo in einer Gasse, weil zuviel Gewalt in der Luft lag, weil er etwas blödes gesagt hatte, weil er was zu Essen in der Tasche hatte oder ein Paar Stiefel an den Füßen.

Die Signora hielt die Menschen selten auf, wenn sie taten, was sie taten. Sie konnten Heilige sein und Teufel, strahlend schön und abstoßend hässlich. Sie liebte all die Gegensätze, die schillernden Farben, den Geschmack all ihrer Träume und Sehnsüchte. Doch in dieser Nacht wollte sie kein Blutvergießen. In dieser Nacht wollte sie feiern, lachen und tanzen!

Und so rief sie die Leute zusammen, selbst Sylvia. Achilla hatte immer noch irgendwo ein bisschen etwas zur Seite gelegt, das zu verprassen, zu versaufen, zu rauchen oder zu essen war und genau heute war eine Nacht, um solche Vorräte hervor zu suchen und den Hof der Wunder in all seiner schillernden Pracht erblühen zu lassen.
Auf zum Hof der Wunder!
Zuletzt geändert von Signora Achilla am So 27. Jun 2021, 18:40, insgesamt 1-mal geändert.
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La Cronista
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Re: [1056] Peripetie [Achilla, SL]

Beitrag von La Cronista »

Es war eine gute Nacht gewesen. Eine profitable. Vieles konnte daraus entstehen. Sie hatte nun Macht und Einfluss sondergleichen im Sesterie. Nicht dass sie es brauchte, doch es bedeutete auch Sicherheit in gewissen Kreisen. Was könnte schief gehen? Konnte es nicht noch besser werden oder war dies der Punkt an dem es vom Berge nur noch hinab ging?

Die Freude war hoch gewesen, die Erwartungen und Träume ebenfalls. Von ihr. Von Testo.
So ging sie schlafen nach der Feier der restlichen Nacht in der sie und ihre Leute den Hof der Wunder neu eingeweiht hatten. In der noch ausgelassen getanzt und getrunken wurde. Das Leben fühlte sich gut an.

Es war der Geruch von Blut, dieses Lebens, der sie dann weckte und das bleierne Gefühl, dass es noch zu früh war.
Der Sog der Totenruhe der sie zurück zog, entgegen dem Tier in ihrer Brust dass aufbegehrte und sich erheben wollte.
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Signora Achilla
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Re: [1056] Peripetie [Achilla, SL]

Beitrag von Signora Achilla »

Scheiße. Wann immer sie so früh aus dem traumlosen Schlaf gerissen wurde, brannte es. Nicht immer wortwörtlich, doch manchmal sogar das. Sie erinnerte sich an das Meer aus Flammen, das Clavicula einst verzehrt hatte.

Leise, leise, leise kroch sie von ihrem Ruheplatz fort. Es war als würde ihre eigene Angst jeden Laut aus ihrem brüchigen Körper verschlucken. Wo war sie? Unter den Bodendielen der Schänke. Man konnte es nicht wirklich einen Keller nennen. Es sollte nach billigem Wein, Pisse, Rausch, Schweiß, Staub, Menschen, Tieren und Gossendreck stinken. Stattdessen… Blut!

Sie duckte sich tief und noch ein wenig tiefer. Ruhig, nur ruhig. Die Welt sollte an ihr vorüberziehen, die Gefahr an ihr vorüberziehen. War es Gefahr? Oder war nur einer abgestochen worden? Es wäre nicht das erste Mal, dort oben. Doch um das herauszufinden, musste sie mehr erfahren. Lautlos kroch sie unter den Dielen entlang. Wo floss das Blut?

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Re: [1056] Peripetie [Achilla, SL]

Beitrag von La Cronista »

Ohja sie kannte dieses Gefühl. Das Gefühl der Gefahr. Dass etwas nicht stimmte. Nicht stimmen konnte wenn sie am Tage aus dem Schlaf geweckt wurde, doch was war es gewesen? Allein das Blut? Immerhin roch es nicht nach Rauch.
Die Erinnerung an die verhängnisvollen Nächte als es über ihr brannte waren noch nicht so fern. Doch diesmal war da immerhin kein Rauch. Es war eindeutig Blut. Blut dass durch die Ritzen der Dielen tropfte. Sie konnte es ganz klar riechen und als sie dem näher kroch tropfte es in ihr Gesicht. lauwarm und doch noch so köstlich, leckte sie es von ihren Wangen und ließ es direkt auf die Zunge tropfen. Sie wollten mehr. Die Bestie in ihnen wollte mehr und hatte Hunger.
Da war noch mehr. Sie konnte es riechen. Über den Brettern breitete es sich aus, das köstliche Leben.

Sie wollte es haben.

Doch da waren auch Geräusche. Schritte über ihr, schleifende Geräusche über den Boden. Ein knackendes Geräusch.
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Signora Achilla
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Re: [1056] Peripetie [Achilla, SL]

Beitrag von Signora Achilla »

Sie hatte sich ihrem Hunger nie in den Weg gestellt, wenn nicht das pure Überleben daran hing. Doch dies? Das konnte sehr gut das pure Überleben sein. Sie leckte sich das Blut von den Wangen und Lippen, spürte die Maden und Insekten, die dort in ihrem fauligen Fleisch zu wimmeln begannen.
Sie kroch ein Stück weiter, duckte sich von dem Knacken und Knarzen fort. Waren das Schritte? Brachte jemand dort oben ihre Leute um? Was war geschehen?

Ihr Ausstieg war eines der Bodenbretter, die weiter hinten waren, im Lager der Schänke, wo es dunkel, staubig und voller Ratten war. Es war halboffen zur Küche, schräg unter der Holztreppe gelegen, von wo regelmäßig Dreck herunter rieselte. Hier standen ein paar Fässer, manchmal auch Säcke mit Zwiebeln, Kohl oder was auch immer es gerade für die Menschen zu beißen gab.
Das Brett war schwer, aber lose. Manchmal versteckten sie hier unten Sachen, die kühl bleiben mussten oder nicht gesehen werden sollten - oder beides. Achilla hob das Brett langsam und lautlos mit ihren Schultern an, um so aus ihrem Versteck zu kriechen und sehen, was es hier oben zu sehen gab. Nur langsam, langsam, dass sie keine Blicke auf sich ziehen musste.
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Re: [1056] Peripetie [Achilla, SL]

Beitrag von La Cronista »

Im Lager war es leer und dunkel. Es roch nach Staub, Schinken, Wein und Holz ...und Blut. Weiterhin Blut. Auch wenn die Ursache des Geruches nicht genau in diesem Raum lag. Das konnte sie riechen. Es kam von draußen aus dem Schankraum, doch da war Licht, es drang unter der Ritze der Tür hindurch und ließ zwei untote Herzen in ihrer Brust schlagen. Das eine das nach dem Blut gierte und die Quelle unbedingt aufsuchen und aussaugen wollte und jenes das sich jedoch so sehr vor dem Licht fürchtete, dass es sich keinen Millimeter weiter vor traute.

Sie hatte gute Platz in der hintersten Ecke des Lagers, hinter den Regalen. Kauerte sich dort zusammen und wartete, wartete und wusste gar nicht worauf oder wie lange. Es war ein plötzlicher Knall der sie wieder aufschreckte, das Tier in ihr aufschreckte. War sie wieder eingeschlafen?

Da roch es wieder nach Blut und sie konnte sehen wie jemand einen Körper in den Lagerraum warf. Aufgerissen, aufgebrochen, so sah er aus. Der Bauch und Brustraum aufgeschnitten. Blut sickerte nur noch schwach und dickflüssig aus dem Leib hervor, doch es ließ sie dennoch danach gieren.

Derjenige der den Körper dort abgeladen hatte trat wieder hinaus, doch ließ die Tür offen stehen. Das Licht war schwächer als zuvor, doch noch immer verhinderte es den Weg nach draußen. Doch entfernt davon im Schatten lag der blutende Körper.

"Dieser verdammte Abschaum ist wie Kakerlaken. Können sich echt gut verstecken." fluchte eine Stimme draußen im Raum und lachte dann. Mehrere lachten. Von woanders erklang Gewimmer.
Gesperrt

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