[1056] Peripetie [Achilla, (SL)]

[Juni '21]
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Signora Achilla
Nosferatu
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Re: [1056] Peripetie [Achilla, SL]

Beitrag von Signora Achilla »

So wie man einen wilden Köter fängt. Genau so sprachen sie. Warfen ihr tote Beute hin, mit totem Blut, um sie hervorzulocken. Und dann? Einsperren und auf einen der Plätze zerren, um sie im Sonnenlicht zu Asche zu verbrennen? Was für eine letzte Schau.

Beatrice hatte immer gewusst, dass sie ein hässliches Ende nehmen würde. Sie hatte es sich öfter ausgemalt: Abgestochen in einer dunklen Seitengasse. Erschlagen nach einem unbequemen Auftritt. Von irgendwelchen Clansgeschäften eingeholt und in den Händen der Nosferatu zerbrochen wie trockener Reisig.

Aber dies? Nein. Sie äugte zu der Leiche herüber. Nach dem Feiern war ihr eigener, verfallender Leib voll mit Blut. Und das dort? Leichenblut war für Leichenfresser und die höchste Not. Stattdessen zog sie eine Maske aus ihrer Schürze. Die war nicht schön sondern aus schrumpligem Leder. Sie war für Fälle wie diesen, wenn sie irgend etwas aufziehen musste, damit ihr nicht das Fleisch von den Knochen fiel. Vor allem aber hatte dieses Lederstück keine Löcher für Mund und Nase. Sie musste nicht atmen und damit nun konnte sie es auch nicht mehr. Es war eine Maske für die Stille, für das Überleben und für das Vergessen.

Die Kammer, in der sie hockte, war halboffen zur Küche und genau dahin kroch sie nun. Lautlos, wertloser noch als irgendein Köter, abscheulich wie die Kakerlaken, über die die Männer lachten. Abscheulich genug, dass die Welt ihren Blick abwendete und die Menschen mit ihr.

Wie viele Jahrzehnte hatte sie hier verbracht? Vier? Schwer zu sagen, es war immer irgendwo in Clavicula gewesen. Doch hier hatte sie den Brand überlebt. Hier hatte sie neu aufgebaut, hier hatte sie so viele Feste gefeiert, so viele Menschen an sich vorbeiziehen sehen. Hier hatte sie ihre Liebsten umarmt, manche zum letzten Mal, Tränen vergossen, im Rausch getanzt, sich fast bis zum Wahnsinn gelacht.

Sie kannte den Ort besser als die faulende Rückseite ihrer Hände. Nun kroch sie aus der Abfallklappe der Küche hinaus in den Hinterhof. Der alte Karren stand dort, mit dem sie einst in die Stadt gekommen war. Das war am Anfang dieses Jahrhunderts gewesen, oder? Zahlen, Zahlen… . Mittlerweile war der Karren angesengt, hatte keine Räder mehr und war ein Schlafplatz für alle, die zum Schlafen nicht mehr in die Schänke passten. Um ihn her stand das Gerümpel des Theaters, regensicher mit den Zeltplanen darüber - und das war der Grund, weshalb sie hierhin kroch. Mit etwas Glück waren wenig Löcher im Tuch.

Und nun? Hinein nach Clavicula, in die Gassen, die zu eng waren, dass das Licht bis hinab reichte. In die Hinterhöfe, Winkel und Nischen, den Tag überleben. Und dann?
Weg.

Die Erkenntnis reifte kalt und bitter in ihr. Genua hätte ihr eine Heimat sein sollen. Doch sein Prinz hasste sie, ihr eigener Ahn, der sie eingeladen hatte, hatte sie an den Schattenprinzen verkauft. So billig war ein Leben, eh? Selbst ein unsterbliches. Nosferatu waren billig, bring’ ein Dutzend und vielleicht überlebt einer. So war die Welt eben gemacht und so wie Beatrice diese Gedanken dachte, wurde ihr leichter ums Herz. Gedanken wie diese waren nicht neu.
Weg also. Wohin? Eine Reise war bereits vorbereitet, der Preis ausgemacht. Vielleicht war es Zeit, dem stolzen Genua den Rücken zu kehren, wenn sie überleben wollte.

Aus dem Abfall griff Achilla sich ein paar Handvoll alter Asche und Dreck. Genug für eine Vampirleiche? Hoffentlich. Sie würde sie irgendwo in der Nähe inszenieren müssen, wenn sich die Gelegenheit gab. Und dann? Zurück in die große Stille, vor der ihr graute. Dorthin, wohin man gehen musste, wenn sonst kein Ort blieb, für die Verborgenen.
Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen. (Seneca)
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La Cronista
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Re: [1056] Peripetie [Achilla, SL]

Beitrag von La Cronista »

Und so machte sie ihre Pläne. Das Schicksal hatte andere für sie gehabt. Die Männer dort drinn hatten andere für sie und sie würden nicht schön sein, wenn sie sie fanden, nein sicher nicht. Das waren die Kannibalen gewesen, die Menschenfresser und Beatrice...Achilla wusste was aus ihren Menschen geworden war. Dass vermutlich keiner mehr übrig war. Dass sie zu Futter wurden, wie die Ratten im Rinnstein dieses Sesterie sie nun mal alle waren.

Gab es Gründe hier zu bleiben? Sicher. Gab es welche zu gehen. Auch. Und so kroch sie erst unter die alten Planen und Tücher, schlief bis die Sonne verschwunden war und niemand sah sie da. Niemand bemerkte sie. So wie ihr Leben in der Nacht immer gewesen war. Sie war niemand und würde das immer sein. Doch manchmal interessierte sich auch jemand für einen niemand und dann musste man weg. Sie überlebte. Für jetzt, doch das war nicht mehr ihr zuhause.

So kroch sie hervor als der Mond sich über Genua erhob. Sie hörte das Gelächter aus dem Gasthaus und ein immer lauter werdendes Cresendo als es zu ärgerlichem Geschrei kam.

Sie blickte jedoch nicht zurück. Sie wurde nicht gefunden. Vielleicht würde sie das nie.
Doch der Weg wurde nicht einfacher. Der Tod lauerte hinter jeder Ecke und all ihre Hilfe war zu Blut und Tod geworden.
Vielleicht würde sie niemals ankommen. Dachte sie und in dem Moment ging die Hintertür des Gasthaus auf.
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La Cronista
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Re: [1056] Peripetie [Achilla, (SL)]

Beitrag von La Cronista »



Zusammenfassung:

Achilla begibt sich zu einer Einladung Mario Testos. Die Lage und Stimmung ist angespannt. Man weiss nicht was man vom jeweils anderen erwarten kann. Nachdem die Nosferatu sich darauf einließ allein zu ihm zu gehen in sein Zimmer, ergibt sich jedoch ein lohnender Handel für beide. Zufrieden trennen sie sich wieder und der Abend endet in einer ausgelassenen Feier auf dem Hof der Wunder.
Nur um dann von dem Geruch von Blut geweckt zu werden. Achilla kriecht unter den Dielen ihrer Schänke in Sicherheit. Ungesehen und ungehört von den Eindringlingen darüber und flüchtet durch die Küche in den Hinterhof, nachdem sie sehen musste wie einer ihrer geliebten Schauspieler wie ein Stück Fleisch ihr als Köder hingeworfen wurde. Die Sonne steht noch am Himmel und sie muss sich verstecken. Dann kroch sie weiter voran. Die Dunkelheit umarmend, als hinter ihr Männer in den Hof traten. Konnte sie entkommen oder war das ihr Ende? Dort in dem lausigen Hinterhof in dem sie begonnen hatte. Der erste Ort den sie sich aufgebaut hatte...
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