[Fluff] Im Frieden begraben die Söhne ihre Väter, im Kriege aber der Vater die Söhne [Iulia]

Geschichten über Monster

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Iulia Cornelia
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[Fluff] Im Frieden begraben die Söhne ihre Väter, im Kriege aber der Vater die Söhne [Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

„Im Frieden begraben die Söhne ihre Väter, im Kriege aber der Vater die Söhne.“, schrieb Jemand einst, doch wie ist es wohl wirklich, wenn deine Existenz endet und du über Nacht Teil des Krieges geworden bist. Einem, für den du selbst nichts kannst und der doch droht, dich und deine ganze Familie auszulöschen. Wie weit bist du selbst dann bereit zu gehen? Wo sind die eigenen Grenzen? Und so du sie kennst oder glaubst zu kennen, würdest du diese freiwillig überwinden? Höher, schneller, weiterfliegen, als wie du Küken es dir je geträumt hättest? Wieviel würdest du riskieren, auf dich nehmen, für das Überleben der Familie? Für dein eigenes?! Würdest du dein eigenes Dasein opfern, um die deinen zu schützen?! Und wann ist zu viel, einfach doch zu viel…

Begraben. Es war das erste Mal, dass ich diesem Umstand überhaupt ausgesetzt war. Und ich verabscheute es zutiefst! Es war nicht einmal der Schmutz, der Geruch oder gar die Feuchte, die mich daran störte, hatte ich schließlich eine schützende Schicht Leder, die meinen Körper umgab. Von der Tatsache ganz zu schweigen, dass ich in meiner Jugend bereits weit schlimmeres an diesem kleben hatte. Nein, vielmehr war es die Erde selbst, die mich wie eine kalte Decke mit aller Kraft zu Boden drückte.

Ich wollte aufspringen, aufschreien und mich lauthals darüber beschweren was ihnen einfiel! Dass sie es gefälligst unterlassen sollen! Doch ich schwieg, denn ich war gerade so der gleißenden Sonne entkommen. Einem Blutbad ohne Zweifel. Dem Bruch der Stille. Also biss ich die Zähne zusammen, hielt den Mund und schluckte meine Verärgerung herunter, als sich die Dunkelheit über mich legte. Unwissend, ob es für mich überhaupt noch einmal ein neues morgen geben würde oder gar geben sollte.

Ich existierte noch immer, als ich am Abend darauf erwachte. Ein Zustand, welchen ich sowohl einer launischen Schicksalsgöttin verdanken mochte als auch einem Monster, welches andere Pläne mit mir hatte. Mein Dolch war noch immer bei mir, was mir zumindest ein wenig falsche Sicherheit schenkte. Auch meine Rüstung und der Schild, auch wenn sie zu groß waren. Improvisiert. Denn Niemand hatte mich hierauf vorbereitet oder gar hiervor gewarnt. Doch das Loch im Rücken meiner Kleidung war Beweis genug dafür, dass sie zu allem entschlossen waren. Zu tun was nötig war, so ich nicht kooperierte. Also gehorchte ich. Vorerst. Denn noch wusste ich nicht, wer mein großzügiger Gastgeber wirklich war.

Ich hätte kämpfen sollen, hatte mein Erzeuger mir später zu verstehen gegeben. Oder vielmehr vorgeworfen. Einerlei der Traditionen, die ich wohl als Kind damit gebrochen hätte. Es wäre laut ihr besser gewesen, so ich am Ende in Starre gelegen hätte. Er hätte so weniger schnell Informationen aus mir herausbekommen. Doch wäre es tatsächlich besser gewesen?! Oder hätte es letztlich nicht nur dafür gesorgt, dass er mich öffentlichkeitswirksam vernichtet hätte, wie ihr einstiges Kind, welches geglaubt hatte, sich ihm und seinen Wünschen verweigern zu müssen. Gar Verweigern zu können.

Doch ich verstand sie. Ihre gerechte Verärgerung. Ihre bittere Enttäuschung. Ihren kalten Blick, der strafend auf mir lag und dafür sorgte, dass ich mich innerlich zu einer Kugel zusammenrollen wollte, wohlwissend, dass es mich nicht im Geringsten schützen würde. Ich gestand ihr alles. Was ich getan, aber auch unterlassen hatte und auch weshalb. Selbst meinen eigenen Hochmut gestand ich ein. Ich verbarg nichts vor ihr. Hatte keinen Grund dafür. Ich legte ihr aus freien Stücken alles offen und mich selbst ihr zu Füßen. Sie war meine Familie. Meine Göttin. Und ihrem Richtspruch über mein weiteres Dasein beugte ich mich widerstandslos, in der stillen Hoffnung ihrer Gnade trotz meines Versagens würdig zu sein.

Ich fragte mich später oft, wo wohl der Punkt gewesen wäre, an dem ich anders handeln hätte sollen. Wo mein tatsächlicher Fehler gewesen war. Was ich anders hätte machen müssen. Am Ende hatte ich nur noch versucht Zeit zu schinden. Meinem Erzeuger damit eine kleine Chance zu erkaufen. Doch es war nicht genug und alles änderte sich, als dieser zweite Lasombra ins Lager gekommen war. Er hatte sich als Giacomo di Nicolo vorgestellt und ich erinnerte mich daran, ihn damals auf dem Fest gesehen zu haben. Der Nachfahre Acacias, der wie auch sie, sich zu Lydiadas Linie bekannte, und diesen Prinz von Genua nannte.

„Wir müssen sofort aufbrechen und nach Genua zurückkehren. Es gab unerwartete Entwicklungen. Besorgniserregende Entwicklungen.“, hatte er uns zu verstehen gegeben. Mir und dem anderen Lasombra, der mich mit seinen sechs Wächtern auf Pferden gejagt und schließlich gestellt hatte. „Es wird eine Zusammenkunft geben. Morgen Nacht schon. Es ist der ausdrückliche Wille unseres höchstverehrten Herrn, dass wir dann vor Ort sind. Bis dahin ist unser Gast mit äußerster Zuvorkommenheit zu behandeln. Vorausgesetzt ihr bevorzugt es Gast zu bleiben Iulia Cornelia.“, ließ er mir die Wahl. Doch war es wirklich eine Wahl, die ich hatte?! Es klang nicht so. Er wusste bereits wer ich war und ich hatte die Alternative die in seinen Worten mitschwang mehr als eindeutig genug verstanden.

Ich hörte mir selbst distanziert zu, wie ich seine Annahme bestätigte, indem ich mich kurz vorstellte und dann letztlich zustimmte: „Ich bevorzuge es der Einladung, wie es sich geziemt, gesittet nachkommen zu dürfen.“ Und so fügte ich mich, anstatt ein aufmüpfiger Gast zu sein. Kam zu ihm. Vor ihn. Vor jenes alte, grausame Wesen, welches die Jahrhunderte überdauert hatte. Die Kammer, in der es saß, war klein und das einzige Licht, welches den Raum nicht einmal im Ansatz erleuchtete, war jene beinahe winzige Kerze, im Kampf gegen die alles umschlingende Dunkelheit, die den Ort ausfüllte, in welchen ich nun schreiten sollte.

War es tapfer, ohne zu zögern hineinzuschreiten? Oder wusste ich schlicht, dass ich ohnehin keine Wahl hatte? Dass es für mich keinen anderen Weg gab? Zumindest keinen, in der meine Vernichtung nicht ein größerer Bestandteil meiner unmittelbaren Zukunft gewesen wäre. Und so senkte ich demütig meinen Blick, mein Haupt, meine Knie und schließlich meinen gesamten Körper vor ihm, als ich mich schweigend flach vor ihm zu Füßen legte. Mich ihm unterwarf. Mich ihm auslieferte. „Auf die Füße.“, befahl er, bevor er meinte: „Du kennst das Spiel ja.“ Doch kannte ich es wirklich?! Ich war ein Kind, dass in einen Krieg geworfen worden war, als Spielball der Mächtigen. Ich war nichts im Vergleich zu ihnen. Und doch bildete ich mir mit nicht einmal einem Vierteljahrhundert auf dieser Welt ein, ich könnte mich vor jemandem so viel Mächtigeren und Erfahreneren herausreden.

Ich konnte es nicht. Und nach und nach brach ich, wie auch mein Widerstand, während hunderte kleiner Splitter, krabbelnder Wesenheiten oder auch nur Lichtspielereien, sich auf mich stürzten. Die sich erbarmungslos auf meinen Schatten warfen und daran knabberten, herumrissen und ganze Stücke herausrissen, um diese zu konsumieren. Es war ein geradezu abartiger Anblick. Und dann, als es ganz tief in mir zu kribbeln begann, fragte er mich: „Spürst du wie sie deine Seele konsumieren?“

Ja, ich spürte es. Spürte sie?! Fühlte mich völlig hilflos gegen etwas, von dem ich nicht einmal wusste was es überhaupt war. „Was zum Henker!“ formten meine Lippen einen tonlosen Fluch, während ich diese Dinger mit blanken Entsetzen betrachtete und doch zugleich in bizarrer Weise von dem völlig verstörenden Schauspiel beeindruckt war. Ekel und Faszination hielten sich die Waage, während ich selbst um Fassung rang, doch schenkte er mir nicht die Möglichkeit, sie völlig zu erlangen. Stattdessen tröpfelten seine Worte weiter wie todbringendes Gift in meinen verwirrten Geist.

„Ich nutze dieses Mittel sonst zur restlosen Auslöschung von Infernalisten. Bei dir mache ich eine Ausnahme, da ich nicht die Zeit habe den Wortspielchen der Ventrue Achtung entgegenzubringen.“, drohte er mir weiter und ich erstarrte zur Salzsäule. Er machte mir Angst und ich spürte, wie mein Innerstes dieses Gefühl hasste. Also widmete ich mich ihm. Bat ihn, ersuchte ihn darum, aufzuhören. Versicherte ihm, dass ich mich ihm nicht länger verweigern will, noch werde. Ich brach ein. Stück für Stück. Mit jedem Wort das ich sprach etwas mehr. Doch er hörte nicht auf. Ließ die Wesenheiten weiter meinen Schatten fressen.

Ich spürte wie meinem Innersten missfiel, was er tat und so redete ich weiter. Erzählte mehr und mehr. Beantwortete seine Fragen so gut ich es eben wusste, bevor ich ihn erneut darum ersuchte von mir abzulassen. Doch er tat es nicht. Nicht einmal als ich ihn als das anerkannte, was er zu werden gedachte oder behauptete zu sein. Und je mehr Zeit verging, umso mehr von meinem Schatten, fiel den Kreaturen im Raum zum Opfer. Als ich ihm alles gesagt hatte und nicht mehr als ein Viertel meines Schattens noch verblieben war, verblieb ich stumm. Doch er endete nicht. Und ich spürte, wie meine Fangzähne ausfuhren und sich mein Kiefer verkrampfte.

Ich wusste, dass ich auf Gedeih und Verderb seinem Wort, Willen und Wohlwollen ausgeliefert sein würde. Hatte dies bereits akzeptiert, als ich mit den Häschern freiwillig mitgegangen war. Zwar war mein ganzer Körper mehr als angespannt, doch ich geduldete mich demütig auf seine nächsten Worte, Schritte oder gar Taten. Ich hatte Respekt oder sogar Ehrfurcht vor ihm, doch ich sprach kein weiteres Wort mehr. Stellte keine weitere Frage darüber, was nun mit mir geschehen würde, noch äußerte ich gar eine Bitte darüber mich zu schonen oder gar zu verschonen. Was nun weiter mit mir passieren würde, lag nicht länger in meiner Hand. Oder doch?

Dann hielt er unvermittelt inne. Klopfte sich den Staub ab und gebot mit seiner Hand den Wesenheiten zu erstarren. Keinen Zweifel daran aufkommen lassend, dass das Spiel weitergehen würde, wenn er seine Hand bewegen würde. „Du bist nicht das Kind welches ich von Aurore erwartet hätte. Welche ist deine Via?“, ließ er mich wissen, während er mich abschätzend betrachtete. Meine ausgefahrenen Fangzähne. Ich schloss meine Augen, auf seine Frage hin und es dauerte einen Moment, bis ich mich wieder gefangen hatte. Dankbar über die Pause, auch wenn sie womöglich nur von kurzer Dauer sein mochte.

Und so beantwortete ich ihm folgsam seine weiteren Fragen. Sang für ihn, weil es für mich leichter fiel, als zu sprechen. „Du bist gut mit der Stimme. Wie ein Singvogel. Ich kann solches Talent anerkennen.“, stellte er fest und nickte mir abermals zu. Diesmal anerkennend. Und seit dem Zeitpunkt, an dem jene gieren Wesenheiten begonnen hatten, meinem Schatten zu nagen, fand so etwas wie ein vorsichtiges, leichtes Lächeln auf meine Lippen zurück, als ich dankend seine Anerkennung entgegennahm.

Er gebot mir: „Du übertagst heute hier, als Teil der Verhandlungsmasse. Verhalte dich ruhig, ich lasse dir etwas zum lesen bringen. Morgen nach dem Erwachen singst du mir dann ein Lied. Dann sehen wir wie wir weiter verfahren.“ Ich nickte verstehend und ließ mich schweigsam auf den Boden gleiten, ihm stumm den Respekt erweisend, der ihm zustand.

In keinem einzigen Moment überlegte ich, ob ich zu fliehen versuchen sollte, denn ich spürte die innere Gewissheit, es hätte meine Vernichtung bedeutet. Stattdessen ließ ich mich fügsam auf das Zimmer geleiten, welches meine Ruhestätte für den Tag darstellen sollte und war überrascht, als er mir dann wirklich etwas zum Lesen hatte bringen lassen. Es waren nur wenige Stunden später, als der Krieg enden sollte und ich fragte mich lange, was es gewesen sein mochte, was der Prinz in jener Nacht wohl gegen mein Dasein getauscht hatte. Doch ich getraute mich nie, jene Frage tatsächlich offen auszusprechen. Bis jetzt.
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