[1076] Die Schönheit des Lebens [Giada, Liviu]

[Dezember '22]
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Giada Salvaza Rossi
Lasombra
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Re: [1076] Die Schönheit des Lebens [Giada, Liviu]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Der Aschene Pakt von San Donato? Ein interessanter Gedanke.” Giada begann, die Figuren auf dem Brett wieder neu aufzureihen.

“Ich glaube jedoch nicht, dass ausgerechnet er ein klarer Hinweis für den Rang und Stand innerhalb der Gesellschaft in Genua ist. Er war sehr, sehr vieles, vor allem aber ein Ende des Blutvergießens und der Stillebrüche auf den Straßen von Genua.”

“Nein, auch wenn gewiss Blut und Familie einen Einfluss auf Stand und Rang in der Gesellschaft haben, fließt noch so vieles mehr hinein. Das ist auch, was ich den werten Vincente zu lehren trachte.”
Mit einem Finger strich sie die geraden Linien auf dem Schachbrett entlang, an denen sich die Schwarzen und Weißen Felder miteinander abwechselten.

“Gewiss, es gibt ein Grundgerüst. Eine Art Fundament. Dorthinein könnte wohl die Ordnung zwischen den hohen und niederen Clans zählen. Doch selbst diese ist nicht vollständig fest: In einer Domäne, in welcher ein Nosferatu Fürst wäre, hätte seine Familie eine andere Stellung als in einer, in der die Nosferatu verfehmt wären. Ein weiteres Beispiel: In Byzanz gibt es das uralte Triumvirat der Familien der Michaeliten, das der Drachen und das der Könige. Für eine lange Zeit galten allein diese drei Geblüter als “hohe Clans” dort, alle übrigen als nieder. Es gibt Domänen, in welchen die Banu Haqim hoch angesehen sind oder gar als Richter außerhalb solcher Zuteilungen stehen. Es gibt Domänen, in welchen sich allein Kinder Sets über andere erheben und ein Geblüt sich mit Opfergaben an jenen Götzen Set einen Stand erkaufen kann. Und so weiter und so fort.”

Sie wischte mit den Fingern sacht über das Brett als würde sie die Grenzen selbst verwischen. “Hier in Genua ist eben diese Ordnung, welche Ihr nun wohl kennt. Doch dort hinein spielt durchaus, wie sich die Vertreter der Familien zeigten. Und für den einzelnen Vertreter zählen noch unzählige weitere Dinge. Sein Betragen und sein Auftreten, seine Pflichten, seine Ehren, seine Taten und Errungenschaften für Genua, die Gunst der Weißen Prinzessin und - wohl ein wenig verborgener, doch gewiss nicht ohne Gewicht - die Gunst des Schwarzen Seneschalls.”

“Dann zählt so vieles weiteres hinein: Was wurde den Mächtigen der Domäne über Einzelne zugetragen? Was wurde zur Wahrheit gemacht? Wer hat Mißfallen bei wem erregt? Wem wurde vergeben und wem nicht?”

“Daneben gibt es die kurzzeitigen Einflüsse: Die Gastgeberin eines Abends wie zum Beispiel ein Schachturnier hat eine Sonderstellung und oftmals auch die Hausgewalt. Für die Dauer ihrer Gastgeberschaft könnte sie höher in Rang und Stand sein als es sonst üblich wäre - oder aber wenigstens doch die Gesetze von Haus und Hausrecht führen und eine Achtung für ihre gesellschaftlichen Bestrebgungen verdienen. Sofern sie sie verdient, natürlich.”

Giada lächelte schmal.
“Dazu kommen noch weitere Verschränkungen. Ein Beispiel wäre jener mißliche Zwist, welchen Ihr und der werte Gabriel Ducas zur Schau stellten. Ihr habt wahrscheinlich beide an Ansehen verloren, dass Ihr ihn so habt ausarten lassen… und womöglich beide gewonnen, dass Ihr ihn auch beendet habt ohne das Gesicht zu verlieren. Solcherlei wird gesehen. Jemand, der sich dagegen ständig aus allem herauszuhalten sucht und blass für sich zurückgezogen bleibt, könnte auf der anderen Hand schwerer angreifbar erscheinen, ist jedoch tatsächlich blass, womöglich mit geringerem Einfluss und geringerem Ansehen.”

Giada begann, die vorige, ordentliche Aufstellung der Figuren auf dem Brett durcheinander zu setzen. Sie verschob eine Figur in eine andere Reihe, setzte eine mehr nach vorn, eine andere nach hinten.


“Jemand wie der werte Nubis, welcher sich durch seine …geistige Zerrüttung selbst vom Schachturnier entfernt hat, zeigte offen Schwäche und wird im Ansehen sicherlich nicht unangetastet geblieben sein. Jemand wie Ihr, der sich redlich im Sinne der Wünsche des Prinzen müht und dies weithin sichtbar macht, wird sicherlich einen Aufstieg gemacht haben und machen.”

Weiter und weiter verschob sie die Figuren, die anfangs so klar aufgereiht gewesen waren, schwarz und weiß, Bauern und Hofstaat, vom Höchsten bis zum Geringsten.


“Und immer noch weiteres fließt ein: Eine Mailänderin, wie ich, muss sich solche Worte wie die von Iulia Cornelia anhören, als sie sowohl in Furcht als auch in Ablehnung oder gar Spott von ‘Mailänder Methoden’ sprach. Der Name des Fürsten von Mailand in meiner Ahnenlinie räumt mir unverrückbar einen Platz in Rang und Status ein, doch ich könnte nicht so wie Ihr einen Vasallenschwur leisten, denn ich habe bereits einen geleistet und kann nicht Diener zweier Herren sein.”

“...und so weiter und so fort. Es endet nie, es geht stets feiner und feiner und feiner. Es ist ein sich beständig entwickelndes Geflecht aus Beziehung, Macht, Ansehen, Nutzen, Taten, Worten, Gerüchten, Lügen, Wahrheiten.”
Nun zog sie langsam die Hände vom Schachbrett zurück.

“Vielleicht ist es tatsächlich ein wenig wie das Schachspiel. Die Grundregeln erscheinen so einfach und klar. Doch die wahre Meisterschaft ist schier unendlich komplex. Alles, was ich tun kann, wenn ich den werten Vincente zu lehren versuche, ist wohl, mit den Grundlagen zu beginnen und ihm die Sinne für all die Feinheiten zu schärfen, die es geben kann.”
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Liviu Cosma
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Re: [1076] Die Schönheit des Lebens [Giada, Liviu]

Beitrag von Liviu Cosma »

Liviu nickt anerkennend ihrer Person zu
„Der werte Vincent kann sich glücklich schätzen eure Unterstützung zu haben und wird mit eurer Hilfe viel erreichen können. Genauso wie ihr und eure Familie auf meine Hilfe zählen könnt. Ich habe selten so eine wissbegierige Person erlebt wie der werte Vincent.“

Dann lacht er kurz auf „Nein Schach ist wesentlich einfacher und der Wert der Figuren ändert sich nur wenn ein Bauer das Ende des Spielfeldes erreicht. Während viele Feinheiten sich von Abend zu Abend ändern oder nur einem ausgewählten Kreis bekannt sind. Dieses Wissen wird dabei wie ein Schatz gehütet und nur sehr teuer weitergegeben.“

„Was den Streit angeht so ist das Ganze von der Harpyie in die Wege geleitet worden und am Ende hat sie mir ihre Hilfe für eine angebliche Rache angeboten. Das Ganze sollte während des Kunst Wettbewerbes stattfinden und auf ein solches schamlosen Angebote gehe ich nicht ein. Es war alles sehr plump organisiert und es zeigte mir wie gering ihre Meinung über meine Person oder über meine Familie ist. Ansonsten hätte sie sich besser vorbereitet. Gleichzeitig zeigt es mir, aber auch dass ich von ihrer Seite nicht zu erwarten habe.“
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1076] Die Schönheit des Lebens [Giada, Liviu]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Giada neigte den Kopf ein wenig. Dass sie und wie sie mit der Harpyie selbst aneinander geraten war, war spätestens seit diesem Schachwettbewerb kein Geheimnis, auch wenn diese Sache zwischen ihr und Iulia Cornelia wahrscheinlich mehr als eine Ebene besaß und es trotz allem irgendwie gelungen war, den Zwist innerhalb der geschliffenen Bahnen der Etikette zu halten.

“Es ist wohl weise, nicht allzu leicht auf das zarte Lächeln und die reine Unschuld eines weißen Seidengewandes herein zu fallen”, sagte die Magistra dann langsam. “Der wohlwerten Iulia Cornelias schärfste Waffe ist nicht einfach nur ihre Abstammung und die daraus abgeleitete Gunst des höchst verehrten Prinzen.”

Und plötzlich lächelte Giada. “Doch wem sage ich das. Gerade Ihr werdet wissen, dass die allerschönsten Rosen zugleich die schärfsten Dornen haben. Denn wie sonst hätte sich ihre Schönheit sonst geschützt?”
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Liviu Cosma
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Re: [1076] Die Schönheit des Lebens [Giada, Liviu]

Beitrag von Liviu Cosma »

„Ihr seid zu gütig und ich bedanke mich vielmals für die außergewöhnliche Partie. Ich stehe euch jederzeit für eine weitere Partie zu Verfügung! Falls ihr noch andere Liebhaber des Spiels kennt, so würde ich mich freuen, wenn ihr mich als Spieler weiterempfehlen könntet. Bisher hatte ich das Vergnügen eine Partie mit dem werten Gabriel, dem wohlwerten Toma, dem wohlwerten Arash, der wohlwerten Angelique und mit euch teilen zu dürfen.“

Er nickt ihr noch einmal sehr respektvoll und tief zu.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1076] Die Schönheit des Lebens [Giada, Liviu]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Giada hob ihre rechte Augenbraue bei der Aufzählung dieser Namen. Es wirkte aufmerksam - sie selbst suchte auch ständig neue Spieler. Zugleich hatte es durchaus Bedeutung, wen Liviu nannte und vor allem wie er sie benannte.
Giada war keine Harpyie und würde wohl bei der derzeitigen politischen Lage Genuas und Mailands kein solches oder irgendein anderes Amt in Genua bekleiden. So konnte sie diese Worte Livius und seine Art einfach als das aufnehmen, was sie waren.

"Ich danke Euch ebenso, werter Liviu Cosma", sagte sie. "Das will ich gern tun und Euch bitten, es im Gegenzug ähnlich zu halten. In Gesprächen und Treffen wie diesen entwickeln wir unsere Gesellschaft im Kleinen fort und halten auf ein größeres Ganzes zu, welches uns von Verrohung und blinder Gewalt trennen soll."

Sie neigte dazu einmal den Kopf und nahm dann ihren Abschied von dem Toreador.


Liviu und Giada treffen einander zu einem Gespräch und Schachspiel wieder so wie sie es schon seit ein paar Jahren vorgehabt hatten. Liviu berichtet von seinen Tätigkeiten und Giada bietet ihm auch Unterstützung im Gegenzug dabei an. Auch wenn Giada das Schachspiel verliert, scheint sie dem Toreador durchaus gewogen zu sein. Beide trennen sich nach einigem Philosophieren über die Gesellschaft wieder voneinander.
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