[1079] Bauer, Phrenorgos und Psychorgos im Schatten des Turmes [Allegra, Paolo]

[März '23]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Allegra Aldighieri
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Re: [1079] Bauer, Phrenorgos und Psychorgos im Schatten des Turmes [Allegra, Paolo]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Allegra lächelt, froh darum einmal nicht die Schülerin zu sein die gehorsam und lernbegierig zu ihrem Lehrmeister aufschaut.

"Zum Schweigen bringen wäre zu viel gesagt.

Die apatheia, die Herangehensweise das Tier zu unterdrücken, ist mehr wie ein Burgtor, das bei einem Ungeübten wie ein morsches Türchen ist, das der laueste Wind eindrückt. Durch Arbeit an sich selbst kann man es aber sie aber verstärken, so wie man ein Burgtor verstärken kann mit besserem Holz, zusätzlichen Querbalken und Portculli. Es kann sehr viel stärkeren Kräften sehr viel länger widerstehen widerstehen, aber irgendwann bricht es dennoch.

Für effektiver halte ich die Herangehensweise des mesotes - "Nichts im Übermaß", die Goldene Mitte - die versucht mit dem Tier in Einklang zu sein. Anstatt steif wie ein Burgtor zu sein, das schließlich bricht und splittert, ist man als Mesotiker wie Wasser - biegsam und beweglich, mit dem Fluß gehend, ohne jemals vollends zu brechen wie es selbst dem gefestigsten Apathiker geschehen kann..."


Die Kappadozianerin kommt bei der Beschreibung der mesotes immer mehr in Fahrt und blickt Paolo intensiv aber freudig-begeistert an. Zumindest würde ihr Leichenstarren so etwas wie Begeisterung bei einer weniger leichenhaften Kainitin ausdrücken.
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Paolo
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Re: [1079] Bauer, Phrenorgos und Psychorgos im Schatten des Turmes [Allegra, Paolo]

Beitrag von Paolo »

"Mit dem Tier im Einklang." Paolo hatte ganz aufmerksam zugehört und schaute interessiert. "ich verstehe was ihr meint. Ich wusste nicht, dass es direkt Konzepte dafür gibt mit der Bestie in uns umzugehen, aber es macht Sinn, dass sich Kainiten darüber Gedanken gemacht haben. Bei all den Jahrhunderten. Es klingt also so, als würdet ihr es vorziehen mit dem Tier in Einklang zu leben. Wie seid ihr dazu gekommen?"
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Allegra Aldighieri
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Re: [1079] Bauer, Phrenorgos und Psychorgos im Schatten des Turmes [Allegra, Paolo]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

"Nun, wie ich Euch schon erzählt habe, handle ich mit hellenischen Curios. Eines der Curios, das mir in die Hände fiel, war ein Fragment einer von Euripides' Schriften. Das war ein hellenischer Schreiber von Theaterstücken, aber Stücken in denen viel Weisheit steckt. Tatsächlich habe ich erwogen, dieses Stück in die gemeine Sprache zu übertragen und auf die Bühne zu bringen, aber... Nun, Ihr habt mitbekommen wie es dem armen Adamo erging. Vielleicht in ein paar Jahren, wenn die mit so viel Mißgunst verbundene Erinnerung an den unglückseligen Herrn des Theaters verblasst ist.

Das Stück beschreibt den Konflikt zwischen dem sterblichen König Pentheus, Vertreter der Apatheia, und dem halbgöttlichen Dionysus, Vertreter der Mesotes. Pentheus ist ein sehr aufgeblasener Mann, herrschsüchtig und einengend, der versucht Dionysus und seine Jünger festzusetzen. Dionysus bedient sich des Tiers und reitet die Welle, um aus seinem Gefängnis auszubrechen und Pentheus' Palast niederzureißen.

Pentheus' eigene Mutter schließt sich Dionysus' Schar an. In seiner Herrschsucht entsendet der Apathiker seine Schergen, um seine eigene Mutter festzusetzen, aber sie und ihre Mitjüngerinnen können das Tier entfesseln und reiten, um die Schergen und ihre Pferde mit bloßen Händen in Stücke zu reißen.

Schließlich entschließt sich Pentheus, Dionysus' Schar eigenhändig auszuspionieren. Er verkleidet sich äußerlich als weibliche Mesotenikerin, aber innerlich ist er immer noch der männliche Apathiker, der ersucht Dionysus' Schar zu beherrschen und in Ketten zu legen, und wird als solcher enttarnt. Erneut das Tier reitend reißt die Schar ihn mit bloßen Händen in Stücke, und trägt seinen blutigen abgerissenen Kopf an einem Stock als Trophäe in einem Triumphzug durch die Stadt."


Ihr Leichenstarren hält an, aber ihre Stimme wird bei der Nacherzählung immer freudiger und eindringlicher.

"Diese Erzählung beschreibt den Oudos Thyrsophoros, den Pfad derer, die den efeugekränzten Stab der Jüngerinnen Dionysus' tragen. Natürlich nur im übertragenen Sinne - zum einen gibt es auch viele männliche Ahänger, zum anderen wird kein echter fassbarer Thyrsos zu Ehren Dionysus' getragen wie in klassischen Zeiten. Dionysus ist nur als Allegorie dafür zu verstehen mit dem Tier in Einklang zu sein, nicht als ein Objekt von Verehrung und Opfergaben."

Allegra wirft einen andächtigen Blick auf ihre 'Septuaginta', die hellenische Ausgabe des Alten Testaments, und tätschelt sie deutlich sichtbar.

"Aber es liegt nicht an mir, den Pfad der Thyrsosträger anzupreisen. Ich suche keine Sklaven, um ihnen gewaltsam ein Bekenntnis abzupressen, oder Lakaien die mir nach dem Mund reden, wie es bei den Anhängern gewisser anderer Oudoi der Fall ist - herrschsüchtigen Oudoi, die auch mit Rute und Peitsche rekrutieren und denen einen Lippenbekenntnis von schmerzgekrümmten Lippen genügt. Solche oberflächlichen und aufgezwungenen Bekenntnisse wären mir so zuwider wie Pentheus' Verkleidung als weibliche Jüngerin.
Ich spreche als freie Kainitin zu anderen freien Kainiten, und möchte dass diese sich ihre eigene Meinung bilden. Ohne Fesseln, ohne Ketten, ohne Rute, ohne Denkverbote, ohne Denkgebote.
Alles andere wäre ein Verstoß gegen das oberste Gebot des Oudos Thyrsophoros - dass der eigene Wille Gesetz sei."
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Paolo
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Re: [1079] Bauer, Phrenorgos und Psychorgos im Schatten des Turmes [Allegra, Paolo]

Beitrag von Paolo »

"Diese Geschichte hat euch also so beeindruckt, dass ihr dass Tier reiten wolltet? Aber von wem habt ihr erfahren, dass es die Wege gibt, die alle so herrliche Namen haben? Und wie habt ihr es geschafft mit dem Tier so zu verfahren? Ich kann mir kaum vorstellen, dass man es von irgendwas überzeugen kann. Es ist doch...reine Wut und Hunger?"

Paolo sah sich um, ob sich ihnen jemand nähern würde oder sie immer noch frei sprechen konnten.
"Es ist nicht der beste Ort für solche Gespräche. Vielleicht könne wir uns einmal im Eylsium darüber unterhalten?"
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Allegra Aldighieri
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Re: [1079] Bauer, Phrenorgos und Psychorgos im Schatten des Turmes [Allegra, Paolo]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Die Kappadozianerin lächelt freundlich.

"Ich würde euch belügen, wenn ich sagen würde dass es so einfach wäre, dass man eines Nachts aufsteht, beschließt eine Geschichte zu lesen und sich dann zu sagen 'Ha, genauso mache ich es jetzt auch!'

Die meisten Neugeborenen, sich selbst überlassen, sind naturgemäß der apatheia zugetan und versuchen, das Tier Tag und Nacht zu unterdrücken - mit furchtbaren Folgen, wenn es siegt, da sie keine Übung darin haben es zu reiten.
Die mesotes verlangt es, diesen jahre-, wenn nicht jahrzehntelang gewohnten Schutzschild komplett herunterzufahren - und dann wie Wasser zu sein, um flexibel auf das Tier zu reagieren und es zu reiten, nicht wie die Apathiker ein hülfloser Spielball des tosenden Sturms zu werden, wenn er erst einmal losbricht. Ich hatte Glück, diesen Schritt als Küken unter meinem Erzeuger vollziehen zu können - bereits Freigesprochene ziehen sich besser eine Weile zurück und fordern das Tier in einer kontrollierten Umgebung heraus, bis sie sich wieder in die kainitische Gesellschaft mischen."


Sie folgt Paolo's Blick in die Umgebung.

"Aber ja, wir sollten das Thema andernorts vertiefen.
Ich empfehle euch dabei, Euch an mich zu halten. Anhänger anderer Oudoi neigen dazu, einen vor die Wahl zu stellen ein Glaubensbruder zu werden oder den Schädel eingeschlagen zu bekommen. Wir Thyrsosträger wollen nur Leute, die sich uns aus freien Stücken und mit festem Entschluss anschließen, als freie Männer und Frauen, aufrecht auf den eigenen Füßen stehend."


Sie bietet ihre Hand an, mit noch breiterem Lächeln.

"Es würde mich sehr freuen, wenn Ihr eines Nachts zu diesen Reihen gehören würdet, werter Paolo. Wir beide und alle meine Brüder und Schwestern im dionysischen Reigen auf Augenhöhe, nicht als Meisterin und Knecht, nichts als Lehnsherrin und Vasall, sondern als Freunde und Geschwister im Geiste, nicht als aufgezwungenes Bekenntnis, sondern aus freien Stücken."
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Paolo
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Re: [1079] Bauer, Phrenorgos und Psychorgos im Schatten des Turmes [Allegra, Paolo]

Beitrag von Paolo »

Paolo schaute neugierig und erfreut. Das waren immerhin schöne Worte die eine Gemeinschaft beschrieben. Eine die geradezu fantastisch war. Wer war schon wirklich auf Augenhöhe zueinander, unter den Menschen oder unter den Kainiten. Er wusste auch, dass es nicht so einfach sein würde.

"Ihr seid gütig und gern will ich euren Worten glauben, dass so etwas gelingen kann, aber ihr solltet euch noch keine zu großen Hoffnungen machen. Was es aber mit diesen Pfaden auf sich hat, das will ich gern weiter ergründen."

"Wo treibt ihr euch gemeinhin herum, wo man euch wiedersehen könnte?"
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Allegra Aldighieri
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Re: [1079] Bauer, Phrenorgos und Psychorgos im Schatten des Turmes [Allegra, Paolo]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

"Versucht am besten, im Elysium eine Nachricht für mich zu hinterlassen. Das ist der sicherste Weg.

Ansonsten geht zum Hof der Wunder und erkundigt Euch nach hellenischen Curios. Die ersten zwei, drei Händler werden versuchen Euch Schund andrehen. Lasst euch nicht abspeisen, sondern fragt nach der griechischen Jungfer mit der Lockenpracht und dem farbenprächtigen Gewand, die das richtige Zeug hat."




Allegra und Paolo begegnen sich zufällig in der Nähe von Angeliques Turm. Die beiden unterhalten sich über Pfade. Allegra gibt sich zunächst als Anhängerin der Menschlichkeit aus, preist dann aber einen instinkt-basierten Pfad an.
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