[1083] Video meliora proboque [Amalric, Aurore (SL)]

[I Tarocchi]

“Du irrst”, erwiderte Aurore in kühler Klarheit. Doch mit einem Lächeln gab sie ihm auch eine Erklärung, die andere vielleicht nie erhalten hätten.
“Du trägst eine Krone”, sagte sie ihm und ihre schlanke, weiße Hand legte sich auf einen Köpfe der brüllenden Löwen, die ihren Thron auf ihren Schultern trugen. “Durch dein Blut bist du bestimmt, zu herrschen, zu führen und zu leiten.”

Dann hob sie die Hand und machte eine Geste wie einen Segen oder als überließe sie ihm in der Tat eine Gabe: “Ich gebe dir die Gelegenheit, zu beweisen, dass du deines Blutes und deines Wortes würdig bist. Nicht nur ich soll dies sehen sondern auch die übrigen um dich hier an meinem Hof.”
Nun beugte sie sich auf ihrem Thron ein wenig vor und zum ersten Mal schien ihr Blick auch genau und insbesondere über die Rüstung zu gleiten, die er trug.

“Ich will, dass du eine Truppe rekrutierst, ausrüstest und ausbildest, die meine Domäne schützen wird und ein deutliches Zeichen sendet: An meine sterbliche Herde, dass sie starke Beschützer hat. An meinen nächtlichen Hof: Dass wir nicht nur auf See eine Macht sind. An meine Feinde: Dass meine Grenzen nicht leichtfertig überschritten werden dürfen.”

Sie lehnte sich auf ihrem Platz zurück. “Zweihundert Mann, als Reiter unter dem gräflichen Banner. Wenn du deine Aufgabe erfüllt hast und gut erfüllt hast, dann wirst auch du es sein, der die Geschicke dieser Reiter in der Hand hält und sie gebrauchen wird, um meine Domäne zu schützen.”

“Du hast so viel Zeit wie du benötigst, doch deine beiden Beweise hast du erst vollbracht, wenn du diese Aufgabe erfüllt hast. Solange du jedoch an dieser Aufgabe arbeitest, bist du ein Gast in meiner Domäne. Du darfst in ihr verweilen und jagen. Du darfst fünf Sterbliche durch Blut zu deinen Dienern machen. Du musst die Domänen darin achten und ebenso ihre Herren, denen ich sie gestattet habe: Burgus ist eine Domäne von Benedetto, der Westen Mascharanas ist der alleinige Jagdgrund von Ilario, die geweihte Kirche San Genesio ist eine Domäne von Macario. Das Casteletto und mein Anwesen hier, die Villa Illuminata, gehören mir allein.”

All dies erklärte Aurore in einer geschäftsmäßigen Kühle. Es ging um Pflichten, um Gesetze, um Grenzen. Doch als sie endete, lächelte sie wieder.
“Du hast gesagt, dass du bereit bist, Dinge zu tun, vor denen andere zurückschrecken, um dein Wort zu halten”, sagte sie leise. Es klang sanft und kurz machte die Weiße Prinzessin mit ihren beiden Händen eine leichte, zarte Geste wie um zu zeigen, dass sie tatsächlich rein waren. Kein Blut klebte daran.

“Ich sage dir, dass ich bereit bin, dir eine Heimat zu geben, wenn du deine Worte von heute Nacht wahr machst.”

[Amalric du Salemi]

Amalric zeigte Einsicht, sie hatte recht mit dem, was sie da sprach, doch war sein Thron nicht aus Holz, Gestein oder Stahl, es war sein Ross und dieser Thron war an der Front beheimatet.

Dann machte Aurore ihre Geste des Segens, von da an verging für Amalric alles wie in Zeitlupe. Über ihre Lippen flossen kühle Worte, für sie geschäftsmäßig, doch für Amalric waren es bedeutsame Worte, göttliche Worte. Eine Segnung die durch den ganzen Körper des Panzerreiters floß, ein Erzengel dem soeben die Möglichkeit geboten wurde aufzusteigen. Eine Möglichkeit, sich einen Namen zu machen, ein eigenes Vermächtnis zu schaffen und nicht mehr im Schatten seiner Ahnenreihe stehen zu müssen. Viel mehr selbst der Grund zu werden, weswegen andere Aufhorchen würden, wenn sie seinen Namen hören. Feindlichen Kriegern bis ins Knochenmark zu gehen, wissend was es bedeuten würde, wenn das trampelnde berittene Heer des Amalric du Salemi gen Horizont zu hören war, bevor es zu sehen war. Todbringend im Namen der weißen Prinzessin.

Sich in dieser Ehre badend, neigte Amalric seinen Kopf, seine Panzerung klapperten musizierend während er sich, in seiner Wahrnehmung weiterhin in Zeitlupe, auf ein Knie fallen ließ. So verweilte er da wie ein Knappe vor seinem Ritterschlag, dann sprach er.

“Habt dank höchst verehrte Aurore… eure Majestät.. die Nacht wird kommen in der ich nicht mehr für mich allein vor euch zu Knie gehe, sondern im Namen für ein berittenes Heer, mit dem ich euch dienen werde.. schützend für das Eure.. Todbringend für eure Feinde..”

Amalric verweilte in dieser Haltung, weiterhin kniend und mit geneigtem Kopf, sodass seine braunen Locken ihm ins Gesicht fielen. Seine Worte lagen schwer in diesen Räumlichkeiten, es waren Worte voller Bedeutung. Vor allem aber war es sein Wort, welches er ihr hiermit nun schlussendlich gab.

[I Tarocchi]

"Dann soll es so sein. Es ist mein Wunsch, dass du diesen Trupp aus Genuesen und Menschen dieser Gegend aushebst. Die, die alle anderen anspornen, schützen und bewahren, die sollen aus der Mitte der Menschen hier kommen. Genua und seine Bewohner, sterblich oder nicht, sollen mit Stolz auf sich und diese Stadt blicken können. Dieser Glanz, dieser Wert, dieser Stolz - das wird dein Werk werden."

Mit diesen Worten hatte Aurore sich in fließender Bewegung langsam erhoben. Nun trat sie langsam nach vorn und dann auch von dem Podest herunter, auf welchem der Löwenthron von Genua stand. Fast lautlos waren ihre Schritte in den weichen, ledernen Sandalen. Leicht wie ein Lufthauch war die sachte Berührung, als sie mit ihren Fingerspitzen erst Amalrics Schulter und dann sein Haupt berührte. Für einen Moment hielt sie inne. Ihr Blick ruhte auf ihm als wollte sie sich tatsächlich einprägen, was und wen sie dort sah. Als wäre er nicht nur einer aus einem schier endlosen Strom an Neugeborenen, die vor ihr knieten. Als wäre er Kraft seines Blutes in ihren Augen diesen Blick wahrhaftig wert.

Dann trat sie an ihm vorbei. "Erhebe dich. Tu dein Werk. Und berichte mir von Zeit zu Zeit. Gern höre ich von dem, was sich in meiner Domäne zuträgt." Und da war sie wieder, diese beinahe mädchenhafte Leichtigkeit von zuvor. Es war so schrecklich einfach, die zarte Gestalt der Weißen Prinzessin für harmlos zu halten. Als wäre sie vollkommen unbeschwert von Zeit, Macht oder Blut, ließ sie Amalric in der Halle zurück.
Falls er noch Fragen hatte, würde er diese wohl dem Allesfresser stellen müssen.

[Seresa]

Zusammenfassung:
Aurore empfing Amalric persönlich, als dieser neu in ihre Domäne eingereist war. Er durfte sich ihr vorstellen und sie unterhielten sich über sein Hiersein, bevor Aurore ihm eine Aufgabe übertrug und er sich für diese Nacht zurückziehen durfte.