[1088] Jägerinnen [Agnellina, Angelique]

[Angelique]

Angelique setzte mehrfach an zu antworten, aber der sonst so eloquenten kleinen Vampirin versagte die Stimme.

Und doch konnte man am Ende etwas Gehauchtes hören, während ein rosa Film aus zurückgehalten Tränen die großen Augen überzog:

"Geliebt ..."

[Agnellina]

Ganz ruhig und präsent blieb die Gangrel hocken. Sie machte keine Anstalten zu menschlichen Regungen, bei denen man das Kind wohl einfach in den Arm genommen hätte. Ihre Augen wirkten warm und ein Anflug von Mitleid war zu erkennen, wenngleich es mit Misstrauen rang und sie Ausschau nach Anzeichen von Schauspiel hielt*.
Aber allein ließ sie den fremden Vampir auch nicht und es zeichnete sich kein Hohn oder Spott bei ihr ab.
Sie schwieg eine Weile, ohne dass sie eine unangenehme Stille entstehen ließ.

„Ich kann dir zwei Dinge anbieten. Offene Ohren und geschlossene Lippen.“, sagte sie und legte demonstrativ den Zeigefinger auf ihre Lippen. Sie würde zuhören und schweigen, wenn Angelique dies wollte.

Spoiler!

*Gefühle erkennen / durchschauen: 2 Erfolge

[Angelique]

Angelique nickte. "Das ist ein Angebot, das ich gerne annehme. Aber das wäre eine sehr lange Geschichte und sollte in anderen Nächten erzählt werden."

Sie lächelte wieder etwas. "Du hast bestimmt auch Geschichten zu erzählen. Ich höre gerne Geschichten der Gangrel oder vielmehr über die Gegenden, aus denen sie stammen und wie ihre sterblichen Verwandten sind. Oder die Tiere, mit denen sie befreundet sind."

[Agnellina]

„Wir werden laufen.“, sagte sie bestimmt. „In einer anderen Nacht. Wir werden laufen und wir werden rasten.“

Ihren Blick nach konnte oder wollte Agnellina den Mutmaßungen über Gangrelgeschichten nicht folgen. Vielleicht lag es auch an der Themenwahl oder Angeliques Formulierung dazu.
Ihre Lippen wisperten in den grünen Rest der Blume wieder die stummen Worte, bevor sie von dieser Blume wie von denen davor abließ. Rasch nahm sie die nächste und ihre Finger zupften sanft den farbigen Schmuck ab.

„Du warst auf Wanderschaft, hast du gesagt. Das heißt, du kommst außerhalb der Stadt zurecht?“, fragte sie versichernd nach.

[Angelique]

"Ja, ich komme schon zurecht. Normalerweise plane ich meinen Weg und benutze belebte Straßen, wenn ich nicht jagen muss, aber ich denke, wenn ich vorher speise, wird das kein Problem sein.

Du kannst mir die Natur zeigen und erklären. Ich habe nicht wie die meisten Sterblichen Angst vor dem giftigen Miasma der Wälder oder der Unordnung der Wildnis mit seinen Raubtieren und Feen. Ich mag sie sogar. Ich glaube sogar, dass da ein geheimes System zugrunde liegt, dass wir Städter nur nicht verstehen."

[Agnellina]

Tief und langsam ausatmend seufzte Agnellina.
Sie widmete sich erst ihrem Ritual, bevor sie wieder auf Angelique und ihre Vorstellungen und Wünsche einging. Die letzte Blume, die sie zurückbehalten hatte, war von winzig kleine, hellviolette Lippenblüten zwischen dunkelgrünen nahezu nadelförmigen Blättern. Sie zupfte jedes kleine Mäulchen einzeln ab und der Wind trug die schweigenden Blütenmünder nicht weit weg.
Als sie den Rosmarinzweig ins Meer befördert hatte, roch sie kurz an ihren Fingern und schnupperte nach dem aromatischen Duft, welchen der kleine Zweig mit seinen Frühlingsblüten und Blättern an ihren Fingern hinterlassen hatte.
Acht Blumen hatte sie zerpflückt und an Wind und Meer übergeben, die neunte unversehrt auf den Boden gelegt und letztlich Angelique geschenkt. Nun hatte sie die Hände frei.

„Ich weiß nicht, ob ich dir was erklären kann. Aber du kannst gern fragen.“

Noch immer an ihren Fingern nach dem haftenden Geruchsspuren witternd stand sie wieder auf.

[Angelique]

"Vielleicht, wenn wir in der Wildnis sind. Zeigen ist immer besser als sagen.

Ich hätte ja auch früher besser zuhören sollen, als Brimir oder der Kult der Jagd mir versuchten, diese Dinge zu erklären."

Das kleine Mädchen lächelte freundlich und optimistisch.
"Aber es ist für uns ja nie zu spät zu lernen. Und ich freue mich auf neue Erfahrungen."

[Agnellina]

„Dann werden wir sehen. Ich bin gespannt, was du wissen möchtest und ob ich dir etwas zeigen kann. Vielleicht erinnerst du dich auch an etwas, was sie dich lehren wollten. Ich würde gern sehen, was die meinen dir mitgegeben haben.“

Agnellina wischte die Finger kurz an ihrem Tuch am Bauch ab und roch dann erneut an ihnen.

„Es bleibt einfach kleben. Wenn man es braucht, ist es so flüchtig. Wenn man es nicht darauf anlegt, bleibt es so lange an einem haften.“, murmelte sie ganz bei sich und ihrer Wahrnehmung der Geruchsspuren.

„Ich warte auf dich, im Wald wo Fluss und Weg sich erneut begegnen.“

Sie wartete noch eine endgültige Zusage oder eine eventuelle Veränderung der Wünsche ab. So hatte sie dem kindlichen Vampir zuvor auch eine zweite Möglichkeit angeboten, bei welcher dieser nicht allein fern der Stadt einen Weg finden musste. Doch die Gangrel schien nun die kleine Landzunge unter dem Turm verlassen zu wollen.

[Angelique]

"So werden wir es machen", sagte Angelique schlicht und winkte kurz fröhlich lächelnd, wie es ein kleines Mädchen tun würde.

Dann hüpfte und lief sie in Richtung des Turms, traumwandlerisch sicher die Felsen und den gewundenen Weg navigierend.
Alsbald verschwand sie darin wie ein kleiner, blasser Geist und die bewaffneten Wächter schlossen die Pforte.

Die Gangrel war wieder allein in der Nacht.

[Agnellina]

Zusammenfassung:
Ein stilles Ablegen von Blumen zum Gedenken an jenem Ort, der ursprünglich als Treffpunkt mit Liviu Cosma auserkoren war, wird gar nicht so still, als Agnellina von Angelique dabei beobachtet und angesprochen wird. Das autarke Mondkind und die junge Gangrel unterhalten sich lange und über vielfältige Themen, bis sie schließlich ein erneutes Wiedersehen verabreden.