[1090] Schwesterherzen [Angelique, Roya]

[Roya]

Royas Augen wanderten kurz über das Elysium, als Angelique so offen über ihre Blutskraft des Irrsinns gesprochen hatte, doch sie machte keine Anstalten, sie aufzuhalten oder zu korrigieren. Allerdings war es auch so schwer zu sagen, wann die Malkavianerin tatsächlich mit diesen auf ihrem Gegenüber ruhte, waren sie stets mehr oder weniger in Bewegung. „Du bist kein Weib.“ Ihre Feststellung klang nicht absprechend, denn vielmehr betonte es eine gänzlich andere, tiefere Ebene. „Mehr.“ Nachdenklich betrachtete sie Angelique. „Anders. Nichts?!“

[Angelique]

"In seiner Vorstellung bin ich ein Weib. Und in meiner auch. Ich bin nicht plötzlich zu einem Hermaphroditen oder Neutrum geworden, als ich gewandelt wurde. Kain ist ein Mann und Lilith eine Frau.
Außer bei den Drachen wie Toma ist das wohl immer noch ein leicht erkennbares Merkmal. Es gibt Löwen und Löwinnen, Wölfe und Fähen und jedes andere Tier ist in Männlein und Weiblein unterteilt.

Nur, weil ich keine Kinder bekommen kann, macht mich das nicht weniger zur Frau. Manche Frauen sind zu jung dazu, andere zu alt oder einfach unfruchtbar, trotzdem sind sie Frauen.

Fang nicht an, mir das zu nehmen, wofür unser Geschlecht als minderwertig betrachtet wird und mach mich den Männern gleich, bevor du diese edle Ansicht nicht den Autoritäten des Möderbauerns gelehrt hast.
Ich versuche seit Jahrzehnten, den Mädchen und Frauen Bildung jenseits der Klöster beizubringen, um etwas zu ändern. Schwing bitte nicht solche Reden, mögen sie noch so wahr sein, bevor du nicht Ähnliches geleistet hast."

Wie üblich war Angelique emotional in ihrer Rede, aber sehr leise. Sie traute dem Elysium aus leidvoller Erfahrung wahrscheinlich noch weniger, als es Roya offenbar tat.

Etwas ruhiger und resignierter fuhr sie fort: "Ich versuche, mir vorzustellen, wie Amazonen herrschen würden oder was wäre, wenn Lilith und nicht Kain das Maß aller Dinge in unserer Gesellschaft wäre. Aber wahrscheinlich wäre unser Geschlecht nicht einen Deut besser als die Männer, wenn wir die Macht hätten.
Die Lehren weiser Frauen entziehen sich meinem geistigen Griff wie flüchtige Nebel in der Morgensonne, so gründlich haben Kirche und die Kainiten der Weiber Weisheit aus den Aufzeichnungen getilgt und durch ihren Machismo ersetzt."

[Roya]

Roya musterte Angelique, die so offen über Lilith sprach. „Das sind gefährliche Gedanken. An so einem Ort.“ Ihre grauen Augen gingen an ihrem Gegenüber vorbei und musterten die Tafel, an welcher sie wusste, dass die Traditionen Kains niedergeschrieben standen, bevor sie zurückblickte. „In so einer Domäne.“ Die Malkavianerin schwieg für einen Moment, als sie ihrer ernsten Aussage den nötigen Wirkungsraum einräumte.

„Du sagst, du würdest als minderwertig betrachtet?! Doch die unsterbliche Gesellschaft unterscheidet nicht im Rang, ob du einst eine Frau oder ein Mann warst. Oder?! Sie kennt nur wem du geboren wurdest. Oder was du erreicht hast. Wem du dienst oder auch wer deine Vorfahren sind. Und so vieles mehr. Doch nicht, welches Geschlecht du bist. Oder geboren wurdest. So ich denke, euer Streit ruht auf sterblichen Konflikten.“ Unschlüssig zuckte sie mit den Schultern, als sie über den Ursprung dessen nur raten konnte.

[Angelique]

"Schöner Gedanke, aber so wie die Hierarchie aus Meriten und Herkunft ein Spiegel der sterblichen Gesellschaft ist - und wir waren ja alle mal Sterbliche - so haben wir auch all die Vorstellungen über Mann und Frau in die Unsterblichkeit mitgenommen und spiegeln sie wider.

Das war in alten Zeiten vielleicht anders, wie ich bei Brimir und anderen Barbaren gelernt habe und Frauen galten viel mehr und konnten mehr erreichen, sodass die Alten unter uns sich nicht unter die neuen Regeln völlig unterwerfen und du recht haben magst, dass zumindest vordergründig Gleichheit der Geschlechter herrscht, da auch Männer nachkommen zeugen können.

Trotzdem denke ich, sterbliche Konflikte werden mit der Umarmiung der Nacht nicht ausgelöscht wie das Atmen oder Essen. Und da die Mehrzahl von Amtsträgern junge Vampire sind, die noch nicht deine Weisheit erlangt haben, tragen sie diese Vorurteile in die Gesellschaft der Nacht hinein und vergiften sie."

Sie grinste schief. "Und ja, du hast recht, auch ich unterliege dem. Mein Verstand sagt mir, ich müsse das mächtige Blut von, sagen wir, Allegra als adlig und überlegen ansehen. Aber mein Herz sieht nicht des Kappadokiers Intellekt und Weiheit, die sie in die Nacht geholt hat, sondern nur die Geilheit, die ein hübscher, verlotterter Dummkopf in einem närrischen Weisen ausgelöst haben muss, als dieser Kretin zu einem Mitglied der Hohen Häuser wurde."

Die Kleine seufzte. "Da muss ich noch an mir arbeiten. In ein paar Jahrzehnten mag selbst diese läufige, diebische Hündin zu einem weisen Weib werden."

[Roya]

„Welches Haus hoch ist, ist nicht überall gleich. Nein.“ Die Erklärung der Malkavianerin klang trotz der rauen Stimme weich, bevor sie mit den Schultern zuckte. „Und wer weiß, wozu Allegra dienen soll. Sie ist nicht ohne Grund Teil unserer Welt. Auch wenn es sich dir noch nicht erschließen mag. Möglich auch, sie ist eine Prüfung. Für dich. Um an ihr zu wachsen.“ Roya wog unschlüssig ihren Kopf hin und her. „Oder du fühlst dich älter, mächtiger denn sie. So dein Innerstes weiß, du hast keinen Grund mehr, sie als über dir stehend zu sehen. Anzuerkennen.“ Sie ließ die Überlegung für einen Moment so stehen, bevor sie Schulterzuckend fortfuhr. „So sie sagten, du seist eine Autarkis. So, weshalb interessiert es dich überhaupt noch, was die Gesellschaft dir vorschreiben möchte?! Du kannst machen was du möchtest. Für richtig hältst. Was dein Herz dir sagt.“ Ihre Hand legte sich auf die Stelle ab, an der dereinst Royas eigenes geschlagen hatte.

[Angelique]

"Anarchie meinen die, denke ich, nicht, wenn sie mich zur Autarkis erklären. Ich soll eher ihrer Regeln achten, ohne die Rechte dabei zu haben, die diese Regeln beinhalten.
Und hier sind nun mal die Hohen Häuser klar definiert."

Angelique machte eine wegwerfende Handbewegung. "Allegra interessiert mich nicht. Sie soll mich in Ruhe lassen und ich lasse sie in Ruhe. Keine Spione, kein Kindervergiften, kein Ermorden meiner Söldner und sie kann meinethalben ewig leben oder in nächsten Moment in Asche zerfallen. Sie wäre mir mehr egal als jede Ratte auf einem meiner Schiffe. Lästig und ekelhaft, aber wie du sagst, Teil meiner Welt.
Wenn du sie sehen solltest, sag ihr das ruhig. Vielleicht aber ohne den Rattenvergleich."

[Roya]

„Du redest oft von ihr. Dafür, dass du sagst, sie sei dir egal.“ Roya schenkte Angelique ein mütterlich wirkendes Lächeln. Dann zuckte sie mit den Schultern. „So du keine Rechte hast, weshalb solltest du dich dann noch an andere Regeln halten? Außer die, die dir Aurore auferlegt? Wo ist der Nutzen? Für dich. Oder möchtest du dich aussöhnen? Mit denen, die dich zur Autarkis erklärten? Wieder ein Teil der Gesellschaft werden?“

[Angelique]

"Es hat nicht nur Nachteile, Autarkis zu sein. Ich muss aber erst meinen Weg finden und was das alles für mich im Einzelnen und großem Ganzen bedeutet,

Ich bin auf alle Fälle jetzt nur noch GOtt und Aurore verantwortlich. Das sollte ich wirklich als Chance sehen.
Und vielleicht auch auf meine Berufung konzentrieren.

Sag Bescheid, wenn du ein Orakel benötigst. Du bekommst Rabatt als Ex-Familie."

[Roya]

Roya nickte verstehend und versichernd. „Ich werde es mir merken.“ Sie machte eine kurze Sprechpause, bevor sie mit einem zögerlichen Lächeln ergänzte. „Zur Zeit, ich frage mich mehr, wie ich diese Zeichen lesen soll. Je. Oder gar verstehen.“ Ihre Finger deuteten in Richtung der vielen Aushänge, während sich ihr Kopf abwägend von links nach rechts und wieder zurückbewegte. „So ja.“

[Angelique]

"Du willst die lateinische Schrift erlernen? Verstehe ich dich richtig? Das kann ich dir beibringen, wenn du möchtest.
Ich kann nicht garantieren, dass die Urheber der Aushänge sie selbst verstanden haben."