[1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Wenn die Sonne hinter das Appenningebirge sinkt, kriechen die Verdammten aus ihren Löchern. Dies sind ihre Geschichten.
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Allegra Aldighieri
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Re: [1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

"Ach, erziehen." Die Kappadokierin winkt ab. "Die Leute vom Hof sind so flatterhaft, sie würden mir davon rennen wenn ich anfangen würde sie erziehen zu wollen.

Zum Glück sind das nur... Geschäftspartner zum... verteilen. Zwei gehen, vier neue kommen, ganz normaler Lauf der Dinge."


Sie blickt ein wenig eindringlicher.

"Gibt auch Leute, mit denen man länger zu tun hat. Intensiver. Aber an denen erzieh' ich auch nich viel rum. Such sie mir danach aus, ob es Leute wär'n, mit denen ich bereit wär' die Ewigkeit zu teilen. Un' so benandle ich sie auch, als Gefährten und Freunde, nicht als Knechte und Mägde die ich rumscheuche. Un' das hat sich bisher für mich immer ausgezahlt, un' auch für meine Gefährten."

'Melinoe' lächelt sacht, als Vincente ins Stammeln gerät, und streicht sich demonstrativ über ihren gewölbten Bauch.

"Natürlich ist das möglich. Ich bin eine junge Frau, verheiratet mit einem treu sorgenden Gemahl - und wir haben schon lange und oft versucht, das zu erreichen, wofür Mann und Weib zusammengeführt werden. Glücklicherweise hat es endlich geklappt, und ich darf endlich Mutter werden."

Sie redet dabei ein wenig lauter, als sie müsste, so als wollte sie überhört werden von den zufälligen Passanten, die an diesem tristen Abend auf dem Hof der Wunder unterwegs sind.
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Vincente Carlos
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Re: [1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Vincente Carlos »

„Ja“, er nickte, „Manche sind gegen bestimmte Wünsche und … Anweisungen resistent. Die sind sich ihrer selbst so gewahr, dass eine Einflussnahme wenig Erfolg hat.“ Er schüttelte kurz den Kopf, als ihm der nachfolgende Gedanke kam: „Vielleicht sind sie uns damit näher als sie ahnen könnten.“

„Ja, das mit den Gefährten und Freunden kann ich nur unterschreiben“, bestätigte er. „Ich würde meine Begleiter durch die Nacht auch nicht tauschen wollen.“

„Nun, ich beglückwünsche euch, dass die“, er stockte kurz, sichtlich etwas unwohl über den Geschlechtsakt anderer zu sprechen,“....Empfängnis gelungen und es nun bald soweit ist. Ich nehme an anlässlich der Geburt wird es ein Fest geben“, fragte er ganz unschuldig.

Während sie so weiter ihre Runden drehten und er ihr lauschte, kam er noch einmal auf ein anderes Thema zu sprechen. „Ihr“, er blickte kurz auf die Menschen, die vielleicht Bruchstücke ihres Gesprächs mitbekommen könnten und senkte die Stimme etwas, „unterstützten euren Gemahl sicherlich bei seinen Geschäften?“ Er wartete die Antwort ab, bevor er hinzufügte: „Ich wäre an einer Erweiterung meines Wissens interessiert. Ich würde gerne etwas über Zahlen lernen. Könnt ihr mir damit vielleicht helfen? Oder euer Gemahl?“
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Allegra Aldighieri
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Re: [1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

"Naja, was heißt Fest? Falls Gott es so will, dass mein Nachwuchs und ich selbst die Geburt überleben, wird es natürlich eine Taufe geben." Etwas listig fügt sie hinzu: "Natürlich bräuchte ich dann auch einen Taufpaten, der für meine Brut einsteht und versichert, sie im Glauben aufzuzieh'n, für den Fall dass ich nich mehr bin un' auch mein Gemahl nich mehr einspring'n kann.

Würde normalerweise einfach meine beste Freundin frag'n - aber die is ne jüdische Jungfer un' würde nich akzeptiert, außer sie würde heiraten un' konvertier'n."


Interessiert beobachtet 'Melinoe' die Reaktion Vincentes auf diese Information. Hätte er wie so viele Genoesen Vorbehalte gegen die Töchter Israels? Würde er es begrüßen wenn sie durch einen guten Ehemann den Weg zu unserem Herrn und Erlöser finden würde? Oder hätte er eine ganz andere Meinung zu ihr und ihrem Einfluss auf 'Melinoe'?

"Freilich unterstütze ich meinen guten Gemahl. - Wo genau würd'n wir beginn'n? Bei den I'en und V'en und X'en? Beim Gebrauch des Abakus? Zahl'n lag'n mir eigentlich schon immer. Besser jedenfalls als das lateinische Alphabet, habe meine ersten Schreibversuche mit dem α un' Ω gemacht, un' beides lag mir immer einfacher. Auch, weil ich beide zu Lebzeit'n mehr gebraucht habe."
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Vincente Carlos
Lasombra
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Re: [1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Vincente Carlos »

Kurz dachte er, sie hätte Taube gesagt. Man hörte eben immer, was man hören wollte. Aber das würde keinen Sinn ergeben. Zumindest hoffte er das.

Er beschloss nachzufragen: „Taufe, sagt ihr?“ Wie so oft zeigte sich Verwirrung auf seinem Gesicht, wenn es um religiöse Dinge ging. „Was genau soll das sein?“ Er verzog etwas den Mund. „Diese Christen scheinen ja ständig in Angst zu leben, wenn man schon für Ersatz sorgt – nur für den Fall der Fälle, dass ein solcher Fall wie der Tod beider Elternteile eintreten könnte. Ein Kind hat doch dann sicher erstmal ganz andere Sorgen als das Seelenheil, oder etwa nicht?“

Sein Gesicht blieb neutral, als Melinoe von ihrer Freundin sprach. Mit dem Begriff jüdisch wusste er nichts anzufangen – und ein Teil von ihm kam nicht umhin sich zu fragen, ob es sich dabei um eine Art Geschmacksrichtung handeln würde wie bei Wein.

„Die... äh … jüdischen werden also von den Christen nicht akzeptiert? Ich muss gestehen, dass ich mich in den Gruppierungen nicht auskenne.“ Er zuckte mit den Achseln. Zumindest war ihm nicht fremd, wenn sich Nachbarn oder Nachbardörfern bekriegten, warum sollte es da bei Weltanschauungen anders sein.

Als das Gespräch zu den verschiedenen möglichen Anfänge der Lehrstunden kam, musste er eine Weile nachdenken. Schließlich antwortete er, auch ein wenig verdutzt: „Das Alphabet hat man mich schon gelernt, aber was haben die Buchstaben daraus denn mit Zahlen zu tun?“ Seine Brauen bildeten ein kleines V. „Ein ..A..bakusss... ist mir bisher nicht untergekommen, zumindest nicht das ich wüsste.“ Er fuhr sich mit der Zunge zwischen Lippen und Zähnen entlang, als wolle er dort ein verkeiltes Nahrungsstück dezent hervorzupuhlen, bevor er noch genötigt war die Finger zu benutzen. Schließlich gab er zu „Ich habe hinsichtlich Zahlen noch keine Ausbildung genossen. Ich kann einfache Bestellungen tätigen und die richtigen Münzen heraussuchen, solange es nicht zu viele sind. Aber ich kann … keine Reihen mit ihnen füllen wie es mitunter die großen Händler zu tun pflegen – oder die Steuereintreiber.“
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Allegra Aldighieri
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Re: [1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Allegras Augen weiten sich entsetzt, als Vincente von 'diesen Christen' als einer fremden Gruppe spricht:

"Um Himmels Willen, sagt das nicht so laut!

Dann seid ihr weder Christ, noch Yehud, wenn ihr diese Gruppe nicht einmal kennt? Seid ihr am Ende Mohammedaner?"


Nachdenklich spielt die Kappadozianerin mit einer vorwitzigen Locke.

"Ich denke, bei Eurer Bildung ist noch mehr im Argen, als bloß die Kunst der Mathematik. Sehr viel grundlegenderes.

Wenn ich Euch in die Welt der Zahlen einführe, benötige ich einen ganz klitzekleinen Gefallen."
Sie machte eine kurze Pause. "Sucht den verehrten Ferrucio auf und lasst Euch auch in Glaubensdingen unterweisen. Unwissenheit ist sehr gefährlich, bei einer solchen Sache die so viele Herzen bewegt. Ich stelle Euch dazu auch gerne den Kontakt her."
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