[1092] Im Varenna-Tal [Agnellina, Tankred (SL)]

Wenn die Sonne hinter das Appenningebirge sinkt, kriechen die Verdammten aus ihren Löchern. Dies sind ihre Geschichten.
Antworten
Benutzeravatar
Agnellina
Gangrel
Beiträge: 468
Registriert: Mi 2. Aug 2023, 22:00

[1092] Im Varenna-Tal [Agnellina, Tankred (SL)]

Beitrag von Agnellina »

Nordwestlich von Genua und in etwa auf halbem Wege zwischen der Stadt und Voltori erstreckt sich eine alte Handelsstraße, die durch das wunderschöne Varenna-Tal führt. Das angenehme Klima und die Formation der umliegenden Erhebungen sorgen dafür, dass sich der Winter hier niemals wirklich einnisten kann, sondern sein Reich lieber weiter oben im Gebirge beherrscht. Die immergrünen Wälder sind von vielen Eichen geprägt, welche aber aufgrund ihrer Lage vor der Holzgier der Schiffsbauer gegchützt eine längere Lebenserwartung hatten, als so manches Kainskind.

Nicht weit von Varenna-Bach entfernt, der sich aus verschiedenen Flüssen speist und sowohl gutes Trinkwasser als auch segensreiche Wasserkraft für viele Mühlräder in den Süden trägt, unter einer dieser Eichen wartete Agnellina auf Tankred.
Es war ein Ort, der für Agnellina Ruhe und Schönheit besaß. Menschliche Behausungen waren nicht in der Nähe. Dennoch war der Ort voller Leben. Die Erntemonate hatten ihre reichen Gaben auch über diesen Flecken Wald ausgeschüttet und der Herbst hatte seine Farben in das Laub der Eichen und Laubbäume getupft. Die Gangrel vertrieb sich die Wartezeit mit einer Beschäftigung. Sie hockte am Boden und las Eicheln auf. Die guten, geschlossenen, festen Früchte warf sie in einen Sack, die anderen ließ sie zurück auf den Boden fallen. Bereits beim Anheben der Fruchtkörper fühlte sie oftmals, ob sie in Ordnung waren und so würden bei einer späteren Wasserprobe wohl nur wenige schlechte Früchte aussortiert werden müssen. Kleine Wundergaben der Natur. Gekocht ein köstliches Gemüse, gemahlen ein kräftiges Mehl, geröstet eine duftende Grundlage für ein heißes Gebräu. Eine vielseitige Nahrung aus dem Schoß der Natur. Nichts für den ewigen Hunger, doch eine Beschäftigung für Agnellina, die für sie sinnvoll war. Es vertrieb ihr die Wartezeit, fokussierte ihre Gedanken und füllte ihren Beutel. Gleichzeitig hielt sie ihre Sinne wach. Sie lauschte mit gespitzten Ohren in die Nacht und wartete.
Benutzeravatar
I Tarocchi
Erzähler
Beiträge: 1567
Registriert: Sa 7. Mai 2022, 13:28

Re: [1092] Im Varenna-Tal [Agnellina, Tankred (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

Es war ein Vorbote Tankreds, auf den Agnellina zuerst aufmerksam wurde: Ein graubrauner, großer und langbeiniger Jagdhund. Mit gelben Augen starrte er in Agnellinas Richtung, witterte und wich scheu wieder von ihr weg. Nur Sekunden später war er wieder da, in einer völlig anderen Richtung - wie ein Geist im Wald erschien er, bis klar wurde, dass es wohl in Wahrheit verschiedene Hunde waren.
Bis dann konnte man schon die Geräusche von Hufen hören: ein Pferd, das sich seinen Weg am Bach entlang suchte. Tankred hatte abgesessen, als das Gelände unwegsamer geworden war und ging dem Pferd voraus. Ein weiterer Hund folgte ihm und dem Tier und sah den beiden anderen zum Verwechseln ähnlich so wie es manchmal kam, wenn Hunde aus dem gleichen Wurf stammten.

Der Nosferatu ging schwerfällig: er zog sein eines Bein nach und auch seine Rüstung machte ihn nicht eben leichtfüßiger. Doch er trug sie wie eine zweite Haut und war wohl auch nicht sonderlich zimperlich. Für Agnellina würde es wohl recht klar erscheinen, dass er und die Hunde miteinander sprachen. Die drei - oder mit Tankred vier - bewegten sich zu koordiniert, zu sehr wie ein natürliches Jagdrudel, so dass die Verbindung zwischen ihnen für jemanden wie Agnellina sicherlich deutlich war.
Vielleicht war auch das der Grund, weshalb Tankred recht sicher auf Agnellinas Standort zuhielt. Mit einer Hand am Sattel des Pferdes hob er die andere wie zum Gruß in ihre Richtung.
Benutzeravatar
Agnellina
Gangrel
Beiträge: 468
Registriert: Mi 2. Aug 2023, 22:00

Re: [1092] Im Varenna-Tal [Agnellina, Tankred (SL)]

Beitrag von Agnellina »

Sie sah den Hund und hielt inne. Agnellina wandte den Kopf, als er in der anderen Richtung wieder auftauchte. Mit langsamen Bewegungen warf sie die letzte Hand voll Eicheln in den Sack und schnürte ihn zu. Mit einem leisen Schnaufen brachte sie einen Gruß für das Tier hervor. Sie korrigierte den Laut noch einmal, als sie begriff, dass es mehrere Tiere waren. Sie stand auf und blieb wartend stehen.

Als sich der Nosferatu näherte, senkte sie den Kopf und knickste leicht. „Wohlwerter Tankred.“ Kurz legte sie den Kopf fragend schief. „Wohlwerter Liktor?“, korrigierte sie sich mit deutlich fragendem Ton, doch sie war sich nicht sicher, ob das besser war. Gewisse Unklarheiten in der städtischen Etikette traten bei der Gangrel noch immer auf. Ihre Bewegungen hingegen waren im Lauf der Jahre besser und viel flüssiger geworden, hatten das linkische, tapsige verloren. Die Verneigung hatte die richtige Tiefe, die Eigenheit des Knicksens hatte sich harmonisch in den Ablauf gefügt, sodass der Abkömmling Ennoias das Zeremoniell mit einer gewissen, respektvollen Eleganz vollführte. Dass sie dieses Mal nicht von Hektik oder Angst erfüllt mit einem akuten Problem im Elysium vor ihm stand, mochte zur Ruhe beitragen.

„Ich hoffe, Ihr habt gut und ereignislos hergefunden. Zunächst möchte ich Euch gern um eine Erklärung bitten, um eine Unstimmigkeit aus der Welt schaffen zu können. Dies wäre mir sehr wichtig. Über die Blutsdiener und auch über die Menschen möchte ich danach mit Euch sprechen. Ist Euch das recht?“
Antworten

Zurück zu „Forenspiele“