Staub und Sterne[Ball, Melissa]

[Matteo]

"Der sehr verehrte Ahn Lydiadas, der Blutjäger." Wiederholte Matteo sich selbst berichtigend, er hätte Melissa in privatem Rahmen als weniger förmlich eingeschätzt. Hatte er sich geirrt oder lagen die Gründe dafür tiefer?

"Oh, dann ist es ja gut. Ich schätze ein sehr verehrter Ahn und Blutjäger macht sich nicht die Hände mit Gerüchten und Lügen um einen Neugeborenen schmutzig. Daher schien es mir naheliegend zunächst die Kainitin zu fragen die ihn beherbergte. Nun, da ihr damit nichts zu tun hattet werde ich weitersuchen. Bestimmt gab und gibt es so einige die sich einem so einflussreichen und alten Kainiten andienen würden...
Und ich werde ihn oder sie finden, denn im Dreck zu wühlen hinterlässt Spuren. Immer."

Dabei ging es anscheinend wirklich nicht nur um seine persönliche Agenda, der Richtigstellung der Andeutung des Blutjägers, sondern auch um den Dienst an der Domäne, ein höheres Ziel.

"So gerne ich auch die persönlichen Gründe für diese Diskreditierung erfahren würde, so geht es doch um Wichtigeres. Die Ermittlungsarbeit. Wer auch immer Lydiadas geholfen hat könnte viel zur Aufklärung aller Anschuldigungen beitragen."

[Melissa]

"Sich im Dreck wälzen auch", fügte Melissa seiner Warnung hinzu. Ein spitzes, wissendes Lächeln umspielte ihre Züge.
Dann wurde sie wieder nüchterner, konzentrierte sich auf den Toreador in der heutigen Nacht, statt auf die vergangene.
"Ich bin sicher die Liktoren werden das in sie gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen und die Anschuldigungen eines Ahnen gegen eine Reihe von Ancillae mit aller gebotener Sorgfalt untersuchen. Aus eigener Hand weiß ich, dass die Liktoren Genuas ihre Pflicht stets tadellos erfüllen."
Ihr Tonfall war sarkastisch. Mit keinem Haar schien sie daran zu glauben, dass die Liktoren der Wahrheit eine Chance geben würden. Dennoch blieb sie höflich, behielt das Lächeln im Gesicht und verriet mit keiner Regung die Lüge.
Einen Moment lang überlegte sie, musterte ihn mit einer gewissen Neugier, so als schwirrte ihr eine Vielzahl von Fragen im Kopf herum, von denen sie nur eine stellen durfte.

Offenbar entschied sie sich für eine davon, denn sie öffnete ihr Schlangenmaul erneut und heraus kamen folgende Worte:
"Ihr scheint mir recht besessen von meinem sehr verehrten Gast zu sein. Erst fordert ihr ihn wegen einer - haltlosen und erstunkenen, wie ich sicher bin - Lüge fast zum Duell, dann setzt ihr meinem kleinen Bruder diesen Floh ins Ohr, er hätte mich dazu gezwungen, Brimir anzuklagen, und heute fragt ihr mich selbst über ihn aus, als ob ich eine Kreatur verstehen könnte, die seit den Zeiten der römischen Kaiser auf dieser Erde wandelt."
Ihre Gründe für diese Wahl blieben ihre eigenen.

[Matteo]

"Eurem Sarkasmus zum Trotz, wir werden unsere Vasallenpflicht erfüllen und unsere hochverehrte Herrin und die Domäne schützen. Mit allen Mitteln soweit es mich betrifft."

Ernsthafigkeit vertieb jegliches zuvor vorhandene Lächeln bei jenen Worten, ehe es danach erneut erstrahlte.

"Euer sehr verehrter Gast ist zwar sehr faszinierend, aber für meine Aufgabe gar nicht so sehr von Interesse. Ebensowenig fragte ich euch über ihn aus werte Melissa und entweder hat euer Clansbruder meine Worte nicht richtig interpretiert oder ihr die seinen. Ganz sicher wurdet ihr nicht gezwungen die Anklage zu übernehmen, das wäre doch auch überhaupt nicht nötig nicht wahr? Nein, ich weiß, dass ihr nicht herrin über euch selbst wart, ich sah die Zeichen. Einem Unkundigen vielleicht nicht offensichtlich, lag euer Geist doch in fremder Hand. Zumindest für eine kurze Zeit während des Prozesses."

Tatsächlich war eine Hauch Mitleid in seiner Stimme, er wusste um diese Kraft und wie sie wirkte. Selbst wenn er wenig Sympathie für sie im Augenblick empfand, die Kraft war grausam und wer könnte grausamer sein als ein Schatten der schon die Dunkelheit des kaiserlichen Roms durchstreift hatte?

[Melissa]

Eine Wandlung fand in Melissens Gesicht statt, die nur schwer zu beschreiben war.
Aber sie war spürbar. Spürbar in der Kälte, die sie ausstrahlte; in dem verächtlichen Ausdruck ihrer Augen; in dem Ekel in ihren Mundwinkeln. Unweigerlich war man daran erinnert, dass ein Raubtier hinter der Fassade steckte, die Melissa mit so großer Kunst aufrecht zu erhalten versuchte.

"Bezweckt ihr dann irgendetwas mit euren Fragen oder gefällt es euch schlicht, mir mit Andeutungen den Abend zu ruinieren?", fragte sie, betont ruhig.
"Meine Gäste dagegen - wie auch die Inhalte meines Kopfes - sind allein meine Angelegenheit und die meines Brüderchens. Eure Vergangenheit dagegen ist euer Problem. Nun, und das von Fregosi, schätze ich. Genau wie die Traditionsbrüche der Vasallen unserer Herrin euer Problem sind und das der stolzen Recken, die ihr zu euren Kollegen zählen müsst. "
Einen Moment zögerte sie, wieder wie überlegend, dann fügt sie mit einer Spur Ehrlichkeit an:
"Ich wünsche euch viel Glück bei eurer Aufgabe, ihr werdet es brauchen bei diesen Holzköpfen."

[Matteo]

"Aber natürlich." Beantwortete Matteo vielseitig lächelnd und mit einem Hauch Ironie ihre Fragen und Kommentare. Bezog sich seine Antwort auf einen, mehrere oder keinen davon? Schwer zu sagen.

"Dann werde ich euch nun verlassen und wünsche euch noch eine heitere Nacht. Die Pflicht ruft und wie ihr sagtet, sie ist keine leichte."

Der Liktor jedenfalls erhob sich und nickte Melissa zu wie üblich unter Gleichgestellten. Dann verließ er das Arbeitszimmer ihres Dieners.

[Melissa]

Matteo bittet Melissa um ein privates Gespräch.
Nach einer kurzen Unterbrechung und etwas Vorgeplänkel kommt das Gespräch schließlich auf die Anschuldigungen des Lydiadas bei Hofe. Melissa drückt Matteo ihr vollstes Vertrauen aus, dass die Liktoren diese zur Zufriedenheit aller aufklären werden - ohne ihre Hilfe.
Matteo geht, noch ohne seinen versprochenen Tanz eingelöst zu haben.
[closed][/closed]