Yasmina hatte davon gesprochen wie von einem Geschenk, das in ihm schlummerte – einer Fähigkeit, die alle Kainskinder entwickeln konnten, wenn sie nur lernten, die Welt nicht nur mit sterblichen Sinnen zu betrachten.
"Du siehst, Ivain, aber du erkennst nicht."
Die Worte hatten ihn nicht losgelassen. Sie waren nicht als Vorwurf gemeint gewesen, sondern als Herausforderung. Und Ivain hatte Herausforderungen nie gescheut.
Seine Madonna hatte ihm gegenüber einst angedeutet, dass die wahren Geheimnisse nicht in dem lagen, was er hörte oder roch, sondern in dem, was sich hinter den Fassaden der Welt verbarg. In den Schatten zwischen den Schatten, in der Stille zwischen zwei Atemzügen. Und das sein Blut besonders gesegnet war mit der Gabe diese Welt der Emotionen erlebbar zu machen.
Einen ersten Schritt hatte er schon getan. Er war bereits mit der Schärfung seiner Sinne vertraut. Die Welt offenbarte ihm mehr als den Sterblichen – leise Gespräche, die für andere verloren gingen, den fahlen Geruch von Angst, wenn jemand log, das Gewicht unausgesprochener Worte in der Luft. Doch das genügte ihm nicht.
Jetzt, da er sich in Genua behaupten musste, wurde ihm klar, wie wertvoll diese Gabe war. Jeder Fehlschlag konnte tödlich sein. Er brauchte eine Möglichkeit, seinesgleichen zu erkennen, selbst wenn sie sich geschickt verbargen. Doch ebenso wichtig war es, die Sterblichen zu durchschauen. Was trieb sie an? Was verbargen sie hinter ihren Worten? Waren sie ehrlich, voller Angst oder mit Lügen auf der Zunge?
Doch er hatte keine Lehrmeisterin an seiner Seite. Niemanden, der ihm zeigte, wie man das Netz aus Täuschungen durchdrang. Also blieb ihm nur eines: Übung.
Die erste Herausforderung bestand darin, sich nicht auf das Offensichtliche zu verlassen. Er konnte nicht einfach nach jenen suchen, die sich anders bewegten oder deren Haut zu blass war. Das war zu unsicher. Er musste spüren, was unter der Oberfläche lag.
Also begann er, sich unter die Menschen zu mischen, ließ seinen Blick über sie schweifen, versuchte, mehr zu sehen als nur Gesichter und Gestalten. Gab es eine Unruhe in der Luft, wenn ein Kainit in der Nähe war? Eine Stille, die nicht da sein sollte? Ein Widerhall in seinem Geist?
Gleichzeitig begann er, die Sterblichen genauer zu beobachten. Er hörte nicht nur auf ihre Worte, sondern auf das, was darunter lag. Er versuchte, ihre Stimmungen zu lesen, ihre Emotionen zu fühlen. War das Lächeln eines Kaufmanns aufrichtig, oder verbarg es Ärger? War die Besorgnis einer Magd echt, oder nur gespielt? Wie fühlte sich Angst an, wenn jemand sie verbarg?
Er übte in Tavernen, auf Märkten, in dunklen Gassen. Beobachtete, lauschte, ließ seine Wahrnehmung schweifen. Oft war es schwer, das Echo der Gefühle von seinen eigenen Gedanken zu trennen, doch mit der Zeit begann er, Muster zu erkennen.
Dann, eines Abends, während er durch eine belebte Straße wandelte, geschah es. Der Lärm der Stadt war allgegenwärtig – Stimmen, Schritte, Rufe –, doch plötzlich spürte er etwas. Eine Leere. Eine Stille, wo keine sein sollte. Ein Fleck, der sich von der lebendigen Masse um ihn abhob.
Er konnte es nicht erklären, nicht mit Worten fassen. Aber er wusste: Dort, wenige Schritte entfernt, stand jemand, der nicht lebte.
Er sah nicht sofort hin. Stattdessen ließ er das Gefühl auf sich wirken. Und noch etwas anderes drang zu ihm durch – eine Regung, die nicht aus der Menge kam. Vorsicht. Berechnung. Ein dünner Faden aus Anspannung.
Er drehte sich langsam, ließ seinen Blick über die Straße gleiten, als sei nichts geschehen. Dort stand er – ein Kaufmann, scheinbar in ein Gespräch vertieft. Kein Zeichen von Nervosität, kein Zucken der Hände, keine Unruhe. Doch Ivain spürte sie trotzdem, verborgen unter der Maske der Gelassenheit.
Er kniff die Augen leicht zusammen, konzentrierte sich, ließ seine Wahrnehmung tiefer greifen. Und da war sie – ein flüchtiger, blasser Schimmer, kaum mehr als ein Flackern in der Luft. Die Auren der Lebenden um ihn herum leuchteten mit kräftigen Farben – Rot glühender Zorn, Blau, schwer von Melancholie, Goldene Funken sprühten vor Freude. Doch um diesen Mann war etwas anders. Seine Aura war nicht farblos, nicht leer – aber ihre Töne waren gedämpft, wie mit einem Schleier überzogen.
Das Rot war nicht feurig, sondern stumpf, fast rostig. Das Blau nicht tief, sondern wie verdünnte Tinte. Jede Farbe war da, aber verblasst, als hätte der Tod sie ausgesaugt und nur einen Schatten zurückgelassen.
Ein kaltes Lächeln zog über Ivains Lippen.
Er hatte begonnen, den Schleier zu lüften.
[Fluff/Training]Der Blick hinter den Schleier
Re: [Fluff/Training]Der Blick hinter den Schleier
Ivain hatte begonnen, die Auren der Menschen wahrzunehmen – schimmernde Farben, die ihre Emotionen widerspiegelten. Doch das Erkennen dieser Farben war nur der erste Schritt; ihre Bedeutung zu verstehen, stellte eine weit größere Herausforderung dar.
In den Nächten zog es ihn immer wieder zum Hafen und in die Tavernen Genuas. Dort, inmitten des geschäftigen Treibens, beobachtete er die Menschen. Er sah die leuchtenden Auren um sie herum, doch ihre Bedeutungen blieben ihm oft verborgen. Einmal bemerkte er einen Händler, dessen Aura in einem intensiven Rot pulsierte. War es Zorn? Leidenschaft? Oder vielleicht Aufregung? Ebenso sah er bei einer jungen Frau ein tiefes Blau. Doch ob es Traurigkeit, Ruhe oder etwas anderes bedeutete, konnte er nicht sicher sagen.
Ivain wusste, dass jede Farbe eine Vielzahl von Emotionen repräsentieren konnte und dass der Kontext entscheidend war. Er begann, die Mimik, Gestik und Gespräche der Menschen genauer zu beobachten, um Zusammenhänge zwischen ihren sichtbaren Emotionen und den Farben ihrer Auren herzustellen. Mit der Zeit erkannte er, dass das intensive Rot des Händlers tatsächlich auf Zorn hindeutete, ausgelöst durch einen misslungenen Handel. Das tiefe Blau der jungen Frau spiegelte ihre Traurigkeit wider, nachdem sie eine schlechte Nachricht erhalten hatte.
Durch diese sorgfältige Beobachtung und Analyse entwickelte Ivain allmählich ein tieferes Verständnis für die Bedeutungen der Aurafarben. Er begann, die subtilen Nuancen zu erkennen und die Emotionen der Menschen präziser zu deuten, was ihm in der komplexen Gesellschaft Genuas einen wertvollen Vorteil verschaffen würde.
In den Nächten zog es ihn immer wieder zum Hafen und in die Tavernen Genuas. Dort, inmitten des geschäftigen Treibens, beobachtete er die Menschen. Er sah die leuchtenden Auren um sie herum, doch ihre Bedeutungen blieben ihm oft verborgen. Einmal bemerkte er einen Händler, dessen Aura in einem intensiven Rot pulsierte. War es Zorn? Leidenschaft? Oder vielleicht Aufregung? Ebenso sah er bei einer jungen Frau ein tiefes Blau. Doch ob es Traurigkeit, Ruhe oder etwas anderes bedeutete, konnte er nicht sicher sagen.
Ivain wusste, dass jede Farbe eine Vielzahl von Emotionen repräsentieren konnte und dass der Kontext entscheidend war. Er begann, die Mimik, Gestik und Gespräche der Menschen genauer zu beobachten, um Zusammenhänge zwischen ihren sichtbaren Emotionen und den Farben ihrer Auren herzustellen. Mit der Zeit erkannte er, dass das intensive Rot des Händlers tatsächlich auf Zorn hindeutete, ausgelöst durch einen misslungenen Handel. Das tiefe Blau der jungen Frau spiegelte ihre Traurigkeit wider, nachdem sie eine schlechte Nachricht erhalten hatte.
Durch diese sorgfältige Beobachtung und Analyse entwickelte Ivain allmählich ein tieferes Verständnis für die Bedeutungen der Aurafarben. Er begann, die subtilen Nuancen zu erkennen und die Emotionen der Menschen präziser zu deuten, was ihm in der komplexen Gesellschaft Genuas einen wertvollen Vorteil verschaffen würde.