[1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

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Seresa
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Seresa »

„Es ist einfacher für sie.“

Seresa nickte leicht zustimmend.

„Wer sollte es ihnen auch verübeln?! Das Gefühl von Hilflosigkeit und Machtlosigkeit zu erdulden ist niemals einfach. Keiner vermag dies lange aushalten, ohne daran zu Grunde zu gehen. Zumal, wer würde freiwillig leiden wollen, wenn es ein Versprechen auf schnellen Erfolg gäbe?! Auf schnelle Linderung?!“

Die Brujah zuckte leicht mit den Schultern.
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Sousanna
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Die Ravnos nickte ruhig, schien noch etwas erwidern zu wollen, doch in diesem Augenblick kehrte Tiziano zurück.
In seinen Armen trug der Kettenhund alles, was er sich wohl hatte ausdenken können, das man zum Schreiben brauchen konnte. Auch wenn ein winziger Schnitt über seiner Wange prangte, grinste er doch auf eine triumphierende Weise gehässig.

"Wir haben alles bekommen", erstattete er Bericht und platzierte seine Beute auf dem Bett. "Die Übergabe ist nicht sonderlich reibungslos abgelaufen, aber" Er grinste ausnehmend dreckig und krempelte sich seinen Ärmel hoch, an dem dezent etwas Blut verschmiert war. "Alles in allem war unser Geschäftspartner sehr kooperativ."
Zufrieden nickte die Hehlerin, nachdem ihr Blick kurz die Waren inspiziert und offensichtlich für ausreichend befunden hatte und verabschiedete den Ghul schließlich mit anerkennenden Worten und einem Kuss.

Da er sich getrollt hatte, deutete sie einladend auf das Sammelsurium von Tinte, Schreibfedern und allem weiteren, das sich beschränkte Geister wie ihre Kettenhunde es vermutlich waren als wichtige Utensilien zum Schreiben vorstellen konnten. "Nehmt euch, was ihr braucht."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
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Friedrich Hölderlin
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Seresa
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Seresa »

Seresas Blick war kurz auf den Ärmel Tizianos gewandert. Was auch immer Seresa in diesem Moment dachte, sie behielt es für sich und senkte stattdessen den Kopf und den Blick. Hatte man sich je gefragt, warum sich Seresa schwer tat mit unverfänglicher Plauderei, so zeigte sich gerade jetzt, weshalb. Sie schien es gewohnt zu sein, viel mitzubekommen und doch nichts zu fragen. Denn zu fragen bedeutete auch immer Antworten zu erhalten, die man mitunter nicht hören oder garnicht erst wissen wollte.

Als Tiziano gegangen war näherte sich Seresa erneut dem Bett und wählte die benötigten Materialien aus. Dann nahm sie eine der Kerzen und platzierte sie auf dem Boden, bevor sie sich daneben kniete und die Materialien ordentlich vor ihr auf den Boden anordnete. Kaum mehr als zehn Wimpernschläge waren vergangen, bevor sie zu Sousanna aufblickte und der Ravnos zunickte.

„Beginnt, so es Euch beliebt.“
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Sousanna
Ravnos
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Zwar mochte Tiziano nicht unbedingt intelligenter wirken als ein Kohlkopf, doch er bemerkte den Blick der Brujah - und er wäre nicht der Schoßhund einer Wanderin, hätte er nicht entsprechend regiert. Mit einem Grinsen, das im besten Falle als prahlerisch, im schlechtesten Falle auf widerwärtige Weise anzüglich wirken konnte, vollführte er die Bewegung des Hochkrempeln des Ärmels, ehe er sich von dannen machte. Reumütig war dieser Blutsdiener wohl kaum über die Taten, die ihm seine Herrin auferlegte. Vermutlich entsprach sie nur voll und ganz seinem Naturell.

Sousanna unterdessen tat so, als würde sie die Blicke nicht bemerken, sondern spielte gedankenverloren mit einem Stückchen Siegelwachs. Ließ es immer und immer wieder durch ihre Finger huschen, zeigte wie geschickt die schlanken Finger sein konnten, wenn sie es wollte.
Einen Augenblick lang sammelte sie sich, ehe mit ruhiger, gefasster Stimme zu diktieren begann: "Werter Fabacus, Werte Franziska, beinahe zehn Jahre ist unser letztes Treffen nun her. Ich hoffe die letzten Jahre haben eure Geschäfte erblühen lassen und Gold in eure Taschen gespühlt. Was ich nun von euch erbitte, ist verhältnismäßig gering. Nur eine Information, die teuer bezahlt werden wird..."
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Seresa
Brujah
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Seresa »

Seresa hatte den Blick starr auf das Pergament vor sich gerichtet, während die Spitze der Feder leise darüber kratzte. Wieder und wieder tunkte Seresa in die Tinte, während sie Zeichen an Zeichen reihte. Die Brujah wirkte konzentriert, während sie das schrieb, was Sousanna ihr weiter diktiert hatte.

Sousanna wanderte auf und ab, wie einer dieser gestreiften Wölfe, die sie in ihrer Heimat gesehen hatte. Unruhe strahlte von ihr aus, als tanze sie gerade an einer Klippe, die ihr den Tod bringen konnte. Immer wieder schien sie Worte hinzufügen zu wollen, die ihre Lippen gerade um ein Haar nicht verlassen wollten. Dann verharrte sie kurz und biss die vollen Lippen ungeduldig zusammen. Ihre Mundwinkel zuckten gereizt und einmal schien beinahe ein unwilliges Fauchen darüber ihre Kehle verlassen zu wollen.

Als Seresa merkte, wie die Ravnos unruhig wurde, hielt Seresa für einen Moment inne.

„Sousanna.“

Die Stimme der Brujah wirkte unerwartet warm und gutmütig. Seresa legte ihre Feder ab, während sie zur Ravnos aufblickte.

„Bitte.“

Seresa schwieg für einen kurzen Moment.

„Ich bin hier, um für Euch zu schreiben.“

Es schien, als wollte Seresa die Worte ´für Euch´ betonen, während sie noch immer in ihrer Haltung zwischen Sitzen und Knien verweilte.

„Ich bin hier als Eure Schreiberin, Sousanna. Eure Dienerin, wenn Ihr so wollt. Die Erfahrung zeigt, dass es Nächte geben wird, an welchen ich mehr Zeit und Euer Verständnis dafür benötigen werde. Ebenso wird es womöglich Nächte geben, in denen Derjenige, welcher die Worte spricht Zeit benötigen wird. Fühlt Euch frei diese Zeit zu nehmen, wann immer Ihr sie benötigen solltet. Ordnet Eure Gedanken und Gefühle, denn jedes einzelne Wort ist von Bedeutung. Wo es steht und ob es steht. Kein Wort sollte ohne Bedacht gewählt werden und keines sollte vergessen werden. Vor allem nicht, wenn es zu Pergament gebracht wird.“

Sie schwieg für einen kurzen Augenblick.

„So Ihr es wünscht, schreibe ich Euch eine überarbeitete Version der Schriftstücke. Das Schreibertum erfordert Geduld, Sousanna, doch es bietet uns zugleich Möglichkeiten.“

Es mochte befremdlich wirken, dass gerade Jemand, dessen Clan für sein aufbrausendes Temperament bekannt war, fast liebevoll von etwas wie Geduld sprach.

„Im Gegensatz zum Gespräch, ist es uns möglich die Worte so anzuordnen, bis sie das aussagen, was wir unserem Gegenüber wahrlich übermitteln wollen. Ich bin nicht hier, um über Euch zu richten, Sousanna, noch um Euch zu be- oder verurteilen. Ich bin hier, um für Euch zu schreiben. Ihr solltet am Ende zufrieden damit sein, was für Worte auf dem Pergament stehen und nicht nur wie schön sie geschrieben sind.“

Seresa verneigte sich leicht vor Sousanna, bevor sie die Feder wieder aufgenommen hatte. Sie würde weiterschreiben oder warten, sollte Sousanna das Gespräch suchen.
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Sousanna
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Es dauerte einen Augenblick, ehe die Ravnos auf ihren eigenen Namen reagierte. Fast schien sie ein wenig in sich selbst gefangen zu sein. Dann gewannen ihre Wange an peinlich berührter Röte. Kurz schüttelte sich ihr hübscher Kopf und ihre Züge verzogen sich zu einem überraschend gequälten Ausdruck.
Dann wandte sie sich zu ihrer Schreiberin um und versuchte ein entschuldigendes Lächeln. So gut sie sonst lächeln konnte, gelang es ihr dieses Mal nicht wirklich.
"Verzeiht mir.", murmelte sie und fasste sich mit einer Hand in die braunen Haar, schien die dunklen Locken bändigen zu wollen, doch gab es wieder auf. "Ich bin für gewöhnlich nicht so zerstreut. Aber heute, sind zu viele Dinge geschehen, die ich bedenken muss. Ich hoffe, ihr habt nicht das Gefühl, ich würde eure Zeit verschwenden."

Offenkundig frustriert ließ sie sich auf das Bett sinken und seufzte tief auf. "Aber ich bin euch dankbar, dass ihr mir die Möglichkeit zur Geduld gebt. Ich habe Hoffnung in dieses Schreiben und zugleich Angst davor.", erklärte sie schließlich leise.
Etwas um ihr Kinn zuckte. Ein trotziger kleiner Muskel trat hervor. Dann schien ein Ruck durch den hübschen Leib zu gehen und sie lächelte wieder. Dieses Mal gelang ihr das Lächeln wieder etwas besser. "Nun gut", begann sie. "Was hilft es, wenn ich euch jetzt mit all meinen Gefühlen belaste? Wir sollten weiter machen."
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Seresa »

„Wie ich bereits sagte, Sousanna, ich bin hier, um für Euch zu schreiben. Bitte seid versichert, ich sehe es nicht als Verschwendung meiner Zeit an.“

Seresa nickte der Ravnos höflich und respektvoll zu.

„Bitte verzeiht, wenn ich Eure Gefühle nicht nachempfinden oder gar verstehen kann. Sofern Ihr darüber sprechen möchtet, um Euren Geist zu klären, bin ich gewillt Euch zuzuhören, Sousanna. Anderenfalls nehmt Euch soviel Zeit, wie Ihr benötigt. Manchmal benötigen die richtigen Worte ihre Zeit, bis sie gefunden werden.“
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Sousanna
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Sie biss die Lippen gequält zusammen und strich sich durchs Haar. Kurz wandte sich ihr Blick zur Decke als suche sie dort nach Antworten auf ihre Fragen.
Dann seufzte sie leise. "Eines Tages vielleicht... Bis jetzt reicht es, dass ihr wisst, dass dieses Schreiben eine Dummheit ist, die mir früher oder später das Herz brechen wird.", murmelte sie leise und senkte den Blick.
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Seresa »

„Eines Tages vielleicht…“

Seresa nickte stumm. Es stand zu viel zwischen den beiden Frauen.

„Bitte lasst Euch sagen, Sousanna, dass die Suche nach Wissen immer ihren Preis hat, der bezahlt werden will. Vor allem, da Wissen uns dazu zwingt die Welt womöglich mit anderen Augen zu sehen. Es ist unsere Entscheidung, ob wir Dinge herausfinden wollen oder nicht. Ob wir uns davor fürchten oder nicht. Die Welt selbst kümmert es nicht, ob wir uns dieser Gefahr stellen wollen oder nicht. Sie lässt uns gewähren. Lässt uns frei wählen. Lässt zu, dass wir verzweifelt die Hände auf die Ohren pressen und unsere Augen verschließen. Uns gänzlich abschotten von ihr und von allen Anderen.“

Die Brujah schwieg für einen kurzen Moment.

„Wenn wir eines Tages jedoch gezwungen werden, eine Entscheidung zu treffen, werden wir es jedoch womöglich bereuen nicht gefragt zu haben. Wenn wir nichts wissen, können wir nicht weise entscheiden. Dann können wir nur raten und hoffen oder beten, dass wir die richtige Entscheidung treffen mögen. Oder gestatten, dass Andere über uns und unser Schicksal entscheiden.“
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Sousanna
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Re: [1003] Bleibende Erinnerungen [Seresa]

Beitrag von Sousanna »

Einen Augenblick lang versank Sousannas Gesicht in ihren Händen. Dennoch war für einen Augenblick die Qual auf ihren Zügen deutlich zu sehen. Eine Pein, die nicht zu dem Gesicht passen wollte, das sonst so oft die Schönheit der Engel widerspiegelte.
Unendliche Augenblicke herrschte Stille, die nur jener verzweifelte Atem der Ravnos durchschnitt. Gehetzt. Wie ein Tier, das man an die Ecke gedrängt hatte und das kaum mehr Ausweg wusste.

Schließlich schaffte sie es den Blick erneut zu heben. Immer noch stand eine Hilflosigkeit darin, die Seresa noch nicht einmal in den Augenblicken des Angriffes wahrgenommen hatte. Und doch war da auch Entschlossenheit.
Ruckartig fuhr sie nach oben, richtete ihren Rock und atmete noch einmal tief durch. "Ihr habt Recht.", erwiderte sie dann und schaffte es mit einem Mal wieder sehr gefasst zu klingen. "Die Entscheidung ist getroffen und ich werde nicht erlauben, dass das Fehlen dieser Information mir die Freiheit zu entscheiden nimmt."
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