[1006] Bearbeitung [Sousanna]

[März '18]
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La Vedova
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[1006] Bearbeitung [Sousanna]

Beitrag von La Vedova »

Es war eine schöne warme Nacht im Mai, die Luft klar, der Himmel frei.
Die Ordensfestung hob sich schattenhaft vor den Toren der Stadt auf ihrem Hügel gegen den HImmel ab. Das leise Schnattern der Martinsgänse war zu vernehmen, als der Junge sie zur Seite scheuchte.
Er setzte sich auf das Gatter und wartete. Seine Herrin hatte ihm gesagt, dass bald eine sehr schöne Frau auftauchen würde, die er dann zu ihr bringen sollte.
Also saß er dort, ließ die Beine baumeln und streichelte seine Lieblingsgans, die leise mit dem Schnabel klapperte über das weiße Gefieder.


Einige Nächte zuvor hatte Seinfreda Sou im Badehaus eine Nachricht hinterlassen mit der Einladung, zur Ordensburg zu kommen, um die ausstehende "Sache" zu "regeln".
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Sousanna
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Re: [1006] Bearbeitung [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Eine stille, düstere Freude hatte Sousanna erfüllt, da die Nachricht sie ereilt hatte. Und sogar Tiziano hatte das grausame Lächeln und den bluthungrigen Blick seiner Herrin Schauer über den Rücken gejagt. Nicht, dass dieser schwanzlose Bastard nicht jedes Leid verdient hatte, dafür dass er diesem engelsgleichen Wesen solches Leid angetan hatte, doch er wollte nicht in seiner Haut stecken. Nicht um ein Boot voll Gold. Nicht seit sie einen Boten zur Martinsburg geschickt hatte, um um einen Schmied zu bitten.
Am Schrecklichsten war es, dass sie tatsächlich in jener Nacht außerordentlich gut gelaunt schien. Während sie sich hübsch gemacht hatte, hatte sie sogar eines der alten Lieder ihrer Heimat gesungen und auf dem Weg einem seiner Männer ein Kompliment gemacht. Sogar dieser nutzlose, einarmige Trinker, der seit neuestem mit ihnen herumlungerte, hatte ein Lächeln bekommen.

Und nun schritten sie auf das Gatter zu, auf dem der Bengel saß und seine Beine baumeln ließ. Drei Männer, die ungefähr so harmlos wie zornige Molosser wirkten und denen die Lust auf das Leid anderer aus jeder Pore triefte. Vor ihnen ein vierter Mann, ganz in schwarz gekleidet. Auch er strömte die Aggressivität eines ausgehungerten Raubtiers auch - wenn auch eines erfahreneren Raubtiers. Er schien sich zügeln, ja sogar lächeln zu können. Zumindest, wenn er zu der zierlichen Frau hinunterblickte, die an seinem Arm ging. Dann wurde sein Gesicht weicher, ja beinahe liebevoll.
Sie war ohnehin die eindrucksvollste Erscheinung der kleinen Gruppe. Und das lag nicht nur an dem brüllend roten Kleid, das offensichtlich nicht hier gefertigt war. Sie war schöner, als die meisten Frauen dieser Erde zusammen und wer sie sah, würde vermuten, dass dieses Wesen so unbescholten sein musste, wie kaum ein Mensch. Das braune Haar in einem kunstfertigen Kranz um ebenmäßige Züge geschlungen, so dass der Blick nur auf den zu einem Kuss einladenden Mund fallen könnten. Ein Lächeln außerordentlicher Schönheit lag dort.
Nur ihre großen, braunen Augen verströmten etwas Unheimliches. Das Gefühl, dass diese Frau in rot nicht gekommen war, um Gutes zu tun.
Sousanna, die liebreizende Herzogin der Unterwelt, die Weberin Genuas, war gekommen, um Rache zu nehmen.
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La Vedova
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Re: [1006] Bearbeitung [Sousanna]

Beitrag von La Vedova »

Die Augen des Jungen wurden groß, als diese überirdische Erscheinung den staubigen Weg zur Festung hinauf schritt. Neben ihr verblassten die dunklen Gestalten der Männer. "Oh, heilige Mutter Maria!", flüsterteder Knabe von diesem Anblick übermannt.
Schon war die Gans zeternd zur Seite geworfen, schon war er in einem großen Satz vom Zaun gesprungen und der roten Dame entgegen geeilt. Vor ihr kam er zum Stehen, verbeugte sich tief und machte in einer kindlichen aber dennoch überraschend eleganten Art Anstalten,ihr einen Handkuss zu geben.
"Willkommen, Verehrteste", sprach er mit hoher Knabenstimme "Meine Herrin hatte zwar gesagt, dass eine sehr schöne Frau erwartet würde, doch war sie offenbar wie so oft zurückhaltend in ihren Beschreibungen. Herzlich willkommen, Venus von Genua, ich bringe Euch sofort zu ihr!"

Der Blick des Jungen huschte zu den dunklen Begleitern der Dame. Sie sahen aus wie Henker und böse Waffenknechte aus dem Krieg. Kurz flackerte Furcht in den Augen des jungen Knappen auf, er räusperte sich "Und natürlich auch euch ein herzliches Willkommen...", fügte er etwas lahm hinzu und es war recht deutlich, dass er es sicherlich bevorzugt hätte, nur in Gesellschaft Sousannas den Hügel zu erklimmen.
So aber straffte er seine schmächtige Gestalt und hielt den Herrschaften das Holzgatter auf, damit diese den Weg zur Burg hinauf begehen konnten, der sich dort mit einigen kleinen Wegaltären und Kreuzen besäumt den Hang hinauf schlängelte. Nur wenig Gebüsch wuchs am Wegesrand, doch das Wenige war von den Martinsgänsen zurechtgezupft worden, die wie kleine weiße Sprenkel über den Hang verteilt schliefen und nur jetzt, wo ein Raubtier in ihr Gatter getraten war, ängstlich schnatternd erwachten, flatterten und guten Abstand hielten. An einigen Stellen ragten spitze Holzpflöcke aus der Erde, einzelne Fackellichter bewegten sich auf der Mauer hin und her.
Der Junge schritt der finstren Truppe voran, die Hände in die ausgebeulten Hemdtaschen gesteckt, denn auf einmal erschien ihm die Nacht gar nicht mehr so warm und freundlich. So verzichtete er auch auf das fröhliche Pfeifen, das ihn sonst immer begleitete. Etwas außer Atem kam er am Tor der Festung zum stehen, denn er hatte unabsichtlich besonders große Schritte gemacht, um schnell anzukommen.

Das Tor schwang auf, die Gruppe wurde von drei Männern in Ordenstracht erwartet. Der größte von ihnen, ein brünetter Krieger mit breiten Schultern, aufrechter Haltung und normannischem Haarschnitt trat auf sie zu. Er musterte Sousannas Begleitung stirnrunzelnd, aber nicht missbilligend und verbeugte sich vor der Schönheit. Mit demselben normannisch-fränkischen Singsang in seiner Stimme, wie man ihn inzwischen verwaschen von Seinfreda kannte, begrüßte er die düstre Gesellschaft.
"Willkommen auf der Ordensburg des Heiligen Martin, wohlwerte Sousanna vom Blute der Wanderer. Mein Name ist Aloisus, ich bin ein Vertrauter der Witwe und werde Euch gleich zu ihr führen. Falls Eure Begleitung während Eures Aufenthalts ausruhen möchte, so haben wir freie Betten und Speisen für sie. Ich möchte Euch bitten, auch wenn diese Bitte sicherlich unnötig auszusprechen ist, Euch während des Aufenhaltes auf der Burg an Gottes Gebote zu halten, die wir vom Orden des Heiligen hier hoch halten. Unsere Brüder sind hilfsbereite Recken, doch könnten manche Verhaltensweisen sie erschrecken...", er führte nciht weiter aus, was er damit meinte, doch konnte sich Sousanna sicherlich einen Reim darauf machen. "Falls Ihr Wünsche jeglicher Art habt, so lasst es mich bitte wissen und ich werde mich sofort darum kümmern."

Mit einem verhaltenen Lächeln blieb er vor der schönen Frau stehen, Haltung bewahrend und wartete ab, ob diese nach etwas verlangte, bevor er sie dann ins Gebäude führen würde.
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Sousanna
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Re: [1006] Bearbeitung [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Überrascht, aber offensichtlich erfreut neigte die Fremde das Haupt und knickste vor dem Jungen als wäre sie eine Dame am Hofe und er ein stolzer Recke, ehe sie ihm sacht die Hand hinstreckte. Dabei zwinkerte sie ihm vergnügt zu. "Und mir hat man gesagt, dass man uns freundlich empfangen würde, aber mit einem so charmanten, jungen Mann, habe ich nicht gerechnet.", grinste sie zu ihm hinüber. Sachtes Wogen byzantinischen Meeres waren in ihrer Stimme zu hören.
Auf den etwas lahmen Empfang ihrer Männer hin, wechselten sie und ihr Kettenhund einen Blick, der von sachtem Amüsement sprach. Eine solche Reaktion waren sie wohl gewohnt. Auch die Männer hinter ihnen schienen halbwegs amüsiert. Auch wenn sie sich offensichtlich aus den tiefsten Tiefen des Abschaums Genuas rekrutierten, Kinder aßen sie nun wirklich nicht zum Frühstück. Nur wenn sie frech wurden - und dieser Bengel wirkte gerade noch recht artig.

Gelassen folgte die Gruppe dem Knaben also. Eine unheilsverkündende Prozession, deren einziger Lichtblick die Frau in Rot war. Freundlich würde sich die so jung wirkende Dame unterdessen an das Kind wenden: "Und hast du einen Namen, kleiner Torwächter?"

An der Burg angekommen neigte die Schönheit das Haupt und schenkte ihrem Begrüßungskommando ein ruhiges Lächeln. Ihre Männer unterdessen musterten drei Männer kritisch. Man schien wenig von solchen Gestalten zu halten, die ihr Leben dem Heiligen gewidmet hatten und zur Einhaltung irgendwelcher Gebote mahnten.
"Und ich grüße euch, Aloisius, Vertrauter der Witwe.", erwiderte sie ruhig, um dann leicht hintergründig zu Tiziano und seinen Recken hinüber zu schmunzeln. Nur in ihrem Blick war eine leichte Warnung bei ihren nächsten Worten zu erkennen. "Eine edle Ermahnung bleibt eure Bitte, sind wir doch nicht gekommen, Gott zu erzürnen. Lediglich die Sühne eines solchen Gebotsbruchs steht uns im Sinn, wie die Witwe genau weiß. Nicht mehr und nicht weniger wird heute Nacht geschehen. - Noch werden wir keine Rast benötigen, doch euer Angebot ehrt euch und später werden wir es dankend in Anspruch nehmen."
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La Vedova
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Re: [1006] Bearbeitung [Sousanna]

Beitrag von La Vedova »

Der Knabe, der sich auf dem Weg als "Einfach Stradello" vorgestellt hatte, beobachtete das Zusammentreffen und vor allem die schöne Frau mit leicht getröteten Wangen. Er kratzte sich unauffällig am Kopf, als der der kleinen Prozession unauffällig folgen wollte, wurde jedoch von Aloisus mit einem Handwink verscheucht und trat frustriert gegen einen großen Kiesel.

Aloisus hatte Sousannas Ausführungen hingenommen und nickte ihr zu "Ja, ich weiß von dem Grund Eures Besuches. Ich bin mir sicher, dass Ihr äußerst nachdrücklich sein könnt, wenn Ihr möchtet. Wir werden die Voluptas und Superbia schon aus dem Kerl herausbekommen, auf welchem Wege auch immer.", meinte er sachlich aber mit weicher Stimme. Dann drehte er auf dem Absatz um und führte Sousanna und ihr kleines Gefolge hinein in den Hauptbau, der sich auf der anderen Seite des Platzes erhob, vorbei an zwei anderen, kleineren Häusern und einer Kapelle. Die Gäste konnten auch einen Blick auf einen Vorratsspeicher und einen Stall erhaschen, mehrere Wägen und Fässer standen auf dem Platz mit dem platt getretenen Erdboden herum, der mit Stroh ausgelegt war. Der höchste Turm der Anlage mochte vielleicht zwanzig Schritt hoch sein, die anderen zwei Türme halb so hoch.
Aloisus führte Sousanna durch einen großen Raum mit Tisch und Stühlen, in dem momentan keine Mänenr saßen hinüber zu einem Gang, der in den hinteren Teil des Gebäudes reichte und dort zu einer Treppe. Er schloss mehrere Türen auf und hinter der Gesellschaft wieder zu, offenbar einige Sicherheitsmaßnahmen. Im Untergeschoss lagen mehrere Vorratsräume und danaben einige Zellen mit dicken Holztüren, vor denen mehrere Wachen saßen, die Aloisus höflich aber bestimmt bat, am Ende des Ganges auf weitere Anweisungen seiterneits zu warten. Ein weiterer etwas untersetzter aber muskülöser Mann mit Lederschürzte wartete vor der Tür undwirde von Aloisus mit einem zufriedenen Nicken begrüßt. Als er Sousanna erblickte, nahm der Handwerker Haltung an und vebeugte sich artig.
Die Wachen öffneten mit verschiedenen Schlüsseln und Aloisus gemeinsam die Tür zur Zelle und traten dann zur Seite, als dieser die Kammer betrat. Dort auf einer Pritsche saß der Mann, den Sousanna zuletzt mit hämischem Lächeln in den Thermen gesehen hatte. Er sah nicht aus, als habe er in letzter Zeit groß leiden müssen, er war sauber und neben seinem Bett standen noch die Überreste des Abendessens. Allerdings wirkte der Mann nun nicht mehr so selbstsicher wie noch vor einigen Wochen. Die Einzelhaft hatte ihm wohl zugesetzt.
Ihm gegenüber auf einem Stuhl saß die Witwe mit überschlagenen Beinen. Sie hatte eben wohl noch mit ihm gesprochen und erhob sich nun mit ernstem, beherrschten Gesichtsausdruck. Offenbar war das Gespräch nicht sehr erfreulich verlaufen.

Sie begrüßte die Ankömmlinge mit einem Nicken "Willkommen auf der Ordensburg, meine Freundin.", offenbar sprach sie das letzte Wort besonders betont aus, damit der Mann verstand, was er hier vor sich hatte, nicht weil es sich um eine politisch-höfliche Anrede handelte, die sie für angemessen hielt. "Wie schön, dass Ihr den Weg zu unserer netten Bleibe gefunden habt, werte Sousanna", offenbar hatte sie sich den Namen genüsslich bis zum Schluss aufbehalten und beobachtete Rodrigos Reaktion mit einem schmalen Lächeln.
Die Augen Rodrigos weiteten sich, als er in der roten Dame Sousanna erkannte, die er ganz anders in Erinnerung hatte. Offenbar hatte Seinfreda ihm nicht angekündigt, wer in dieser Nacht erwartet wurde. Er saß wie erstarrt, seine Augen huschten nervös von der einen zur anderen, war blass geworden, fing sich jedoch wieder, bevor er sich zu einem gleichgültigen Gesichtsausdruck überwand.
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Sousanna
Ravnos
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Re: [1006] Bearbeitung [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Nur Tiziano und ihre Männer würden das leicht spöttische Gesicht der Ravnos zu sehen bekommen, nachdem der Mönch die Todsünden erwähnt hatte. Wenn es nur Voluptas und Superbia gewesen wären, die sie täglich beginnen, hätte man sie alle schon beinahe als gute Menschen bezeichnen können. Aber wie charmant, dass sich andere noch um so etwas sorgten.

Schweigend waren sie ihm gefolgt, doch nur der Kettenhund und die Rotgewandete betraten den Raum.
Kurz huschten Sousannas Augen durch den Raum und ihre Miene verdüsterte sich einmal mehr. Sie schien nicht wirklich mit der Unterbringung des Meisters der Huren zufrieden zu sein. Doch diese Unzufriedenheit sorgte nur dafür, dass sie noch mehr wie eine fleischgewordene Dämonin wirkte.
Noch hatte sich ihr Blick nicht auf Rodrigo gelegt. Als wäre er Dreck, den man einfach übersehen konnte. Stattdessen lächelte sie Seinfreda messerspitz an. "Und ich danke erneut für die Einladung, Freundin. Ich will eure Zeit nicht allzu lange in Anspruch nehmen."
Die Fäuste des Kettenhundes ballten sich unterdessen unterdessen im Zorn. Ihn schien nurmehr die Ruhe seiner Herrin zurückzuhalten. Sie hatte ihm versprochen, dass er sich auch noch rächen durfte. So malmten nur seine Kiefer und eine Ader an seinem Hals pochte, während seine dunklen Augen Hass in Richtung des anderen Ghuls sprühten.
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La Vedova
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Re: [1006] Bearbeitung [Sousanna]

Beitrag von La Vedova »

Seinfreda trat nah an Sousanna heran.
"Er gehört Euch. Macht mit ihm was ihr wollt. Bringt ihm Manieren bei oder sorgt dafür, dass er nie wieder einer Frau etwas zu Leide tun kann, wie Ihr wünscht. Ich werde mich nicht einmischen."
In ihren Augen lag etwas, das nur schwer zuzuordnen war. Scheinbar empfand sie kein Vergnügen und auch keine Genugtuung, aber auch kein Mitleid mit dem Mann. An Sousanna und ihrer Begleitung vorbei trat sie hinaus auf den Gang.
"Ich warte oben", meinte sie, sich noch einmal umblickend.
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Sousanna
Ravnos
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Re: [1006] Bearbeitung [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Es hätte das knappe Nicken einer treu ergebenen Dienstmagd sein können, das Sousanna ihrer Gastgeberin schenkte, doch nichts an der Körperhaltung der Schönen, ließ darauf schließen, dass sie in dieser Nacht vorhatte, irgendjemandem zu dienen. Stattdessen richtete sich ihr Blick auf den Ghul und eisige Kälte lag mit einem Mal in den großen braunen Augen. Eine ungewöhnlich tierhafte Gier lag darin.
"Es soll mir ein Vergnügen sein.", hauchte sie nachdenklich und da die Herrin des Hauses den Raum verließ, erstand das bösartigste Lächeln auf diesem schönen Gesicht voller Unschuld. Ein entsetzlicher Anblick, verstieß er doch gegen alle Regeln dieser Welt.

Langsam und mit einer beunruhigenden Ruhe wandte sie sich nun ganz zu ihrem Opfer und das Glasscherbenlächeln verbreiterte sich noch, während ihre Schergen hinter ihr den Raum betraten und sich offensichtlich auf ihr unheilvolles Werk bereit machten. Das leise Gespräch ihres obersten Dieners mit dem Schmied drang als undeutliches Murmeln durch den Raum. Wie das Nagen von Würmern an einem Balken. Noch nicht schlimm und doch das Vorzeichen davon, dass das prächtige Haus früher oder später einstürzen würde.

"Du hast mir weh getan." Sousannas Stimme drängte sich vor das Raunen, drang wie Honig durch jede Ritze. Sie brauchte die Stimme nicht zu erheben und doch war es kaum möglich, ihr nicht zuzuhören. Das grausame Lächeln lag darin, sorgte dafür, dass sich die Nackenhaare der Anwesenden aufstellten.
Noch schien sich der Meister der Huren jedoch nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Mit trotzig verschränkten Armen sah er zu ihr auf und grinste dreckig. "Ach, dir hat es doch auch gefallen, Kleine.", verkündete er und musterte sie allzu genau. "Ich hätt' eine gute Hure aus dir ge...", "Falsche Antwort" Die Worte durchschnitten die seinen wie ein scharfes Schwert und nun wirkte sie vollauf zufrieden.

Dann begann der unheilige Plan der Ravnos. Rodrigo lernte die richtigen Antworten und er lernte zumindest diese eine Frau völlig korrekt anzusprechen. Vor allem aber lernte er den Erfindungsreichtum einer Gruppe tollwütiger Gossenhunde kennen, die in ihre schöne Galionsfigur vernarrt waren - und ihre eigene Ehre verletzt sahen, sobald man die ihre antastete.
Sie selbst schien ihren Männern recht freie Hand zu lassen und nur hin und wieder gelangweilte Einwürfe beizusteuern oder eben über Respekt ihr gegenüber zu dozieren. Entspannt lehnte sie an der Wand und warf hin und wieder Aloisus verschwörerische Blicke zu, wenn sie etwas besonders amüsierte.

Doch als der Schmied mit jener Schale zurückkehrte, die Tiziano ihm angewiesen hatte, begann sie so freudig zu strahlen, als überreiche er ihr gerade das schönste Kleid, dass sie je gesehen hatte. Voller Elan löste sie sich von ihrer Wand und schenkte dem inzwischen recht beanspruchten Ghul ihres einstigen Freundes ein bezauberndes Lächeln. "Ich mach dir ein Geschenk.", wisperte sie.
Verwirrt blickte er auf. Sein Atem ging schwer und ein ungesundes Pfeifen begleitete jeden der unregelmäßigen Züge. Es schien dem armen Tropf schwer zu fallen, sie noch klar zu fixieren. Doch die letzten Lektionen hatten ihn weiser gemacht. Ein kaum hörbares "Zu gütig, Herrin." verließ die geschwollenen Lippen.
Die ebenmäßigen Züge waren so dicht an seinem Gesicht, dass er ihren falschen Atem fühlen konnte. Beinahe würde er sogar ihre samtige Haut fühlen, an die er sich gewiss erinnern konnte. "Die Schönheit meiner Heimat fehlt dir doch - und ich finde, der Therme fehlt es an Gold."
Vielleicht dämmerte es ihm, was sich in der Schale befand. Vielleicht verstand er ihre Ankündigung, doch noch bevor er etwas tun konnte, war die erste Hand gepackt und in die Schale mit geschmolzenem Gold gepresst. Und der Schmerz verhinderte die Gegenwehr bei der Zweiten.

Diese Schrei zerrissen die Stillen, die in der Martinsfeste geherrscht hatten. Sie drangen wie Nadeln durch die Wände, gruben sich in das Fleisch eines jeden, der das Pech hatte, sie zu vernehmen.
Sousannas verträumtes Lächeln aber ließ darauf schließen, dass es für sie in dieser Nacht kein melodischeres Geräusch hätte geben können. Sacht wandte sie den Blick nach unten auf ihr schreiendes Opfer, das sich zu ihren Füßen wand, panisch versuchte, das Gold von seinen Händen zu bekommen und sich dabei die geschundene Haut in Fetzen abriss. In einer höhnischen Kopie eines Streichelns, fuhr ihre Hand über Rodrigos Haar.
"Versprich mir, dass du an mich denkst.", säuselte sie in ekelerregenden Süße, ehe sie zu dem Diener der Witwe blickte und charmant lächelte. "Sagt, würdet ihr mich zu eurer Herrin bringen? Ich denke, wir wollten noch mit einander sprechen. - Und ich glaube, meine Männer würden sich jetzt doch nach etwas Wein sehnen. Es war doch recht anstrengend."

Auf dem Weg nach draußen würde sie noch einmal zu dem geschundenen Mann zurückblicken und ihren Lieblingsghul daraufhin hämisch angrinsen. "Ich wollte das schon immer ausprobieren.", stellte sie amüsiert fest. Der Kettenhund unterdrückte ein gewalttätiges Grinsen, ehe er nach ihr den Raum verließ. Es war immerhin etwas neues gewesen.
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La Vedova
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Re: [1006] Bearbeitung [Sousanna]

Beitrag von La Vedova »

Aloisus Blick lag versteinert auf dem sich windenden Mann am Boden vor ihm. Während der Misshandlungen hatte er immer wieder die Augen geschlossen, als das flüssige Gold ins Spiel gekommen war, hatte sich sein Körper versteift. Doch abgewandt hatte er sich die ganze Zeit nicht.
Erst als Sousanna ihn direkt ansprach kam wieder Bewegung in seine Glieder und er betrachtete die Schönheit mit gerunzelter Stirn, nickte jedoch und führte sie nah draußen. Dort griff er nach einer Schale mit Wasser, die dort bereit stand und wohl eigentlich zum Waschen gedacht war.
"Bitte entschuldigt mich noch einen Moment", meinte er mit seiner weichen Stimme, jedoch musste er sich räuspern. Dann betrat er den Raum mit dem wimmernden Rodrigo erneut, die Tür ließ er angelehnt. Von innen konnte man ihn mit seiner weichen Stimme beruhigend auf den Mann einreden hören, als er die verbrannten Hände des Mannes vorsichtig in das Wasser legte, um sie zu kühlen. Seinen dicken Mantel aus Wolle nahm er ab und legte ihn dem Mann um die Schultern. Kurz darauf verstummte das Wimmern, als der Mann vor Schmerzen in Ohnmacht fiel.

Nun ohne den Mantel der Martinsritter verließ Aloisus den Raum wieder und warf dem dort an der Wand noch immer stehenden Schmied eien mitleidigen Blick zu, der sehr blass aussah und dem Schweißperlen von der Stirn lilefen. "Du kannst Feierabend machen", sagte er zu dem Mann, der die nun leere Schale noch immer in den Händen trug. "Und kein Wort an niemanden!"
Ohne ein weiteres Wort ging er den Gang entlang, nun nur noch in Hemd und Hose gekleidet, sein Schwert gegürtet. Auf seinem Rücken war eine Schweißspur zu sehen. Gründlich schloss der die Türen wieder alle ab, dann führte er sie in den Speiseraum, an dem sie schon zuvor vorbei gekommen waren. Ein junge von vielleicht vierzehl Jahren stand dort schon mit einigen Holzbechern mit verdünntem Wein bereit und warf den finstren Gesellen neugierige aber auch verschüchterte Blilcke zu. Auch der Junge von zuvor war im Raum und knabberte in einer Ecke an einem Kanten Brot.
Seinfreda saß am Ende des Tisches und stand auf, als Sousanna den Raum betrat, die Spinnenfinger auf den Holztisch gestützt betrachtete sie den Trupp eingehend und warf Aloisus einen fragenden Blick zu. Er nickte ihr zu und sie schien erleichtert zu sein. Vor ihr lag eie Pergamentrolle, die sie zuvor wohl studiert hatte und sie sie nun zur Seite schob.

"Nun?", fragte sie nach "Wie ist es verlaufen? Seid Ihr zufrieden?"
Langsam umrundete sie den Tisch und trat an Sousanna heran "Wünscht Ihr ebenfalls einen Trunk?"
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Sousanna
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Re: [1006] Bearbeitung [Sousanna]

Beitrag von Sousanna »

Im Gegensatz zu Aloisus schien die Gruppe um die Ravnos die letzten Minuten als durchaus stimmungshebend empfunden zu haben. Keiner von ihnen schien die Bitte des Kriegers überhaupt wahrzunehmen. Sie ergingen sich bereits im rauen Humor jener Männer, die bereits zu viel Leid am eigenen Leib erlebt hatten, um sich noch in irgendeiner Weise für das Leid eines anderen zu interessieren oder die widerwärtige Komik solcher Situationen nicht zu sehen.
Nur die Ravnos nickte ihm leicht zu. "Tut, was ihr tun müsst.", erwiderte sie ebenso weich. Zwar schien sie wohl nicht wirklich nachvollziehen zu können oder zu wollen, was er dort tun wollte, doch ihre Bösartigkeit schien fürs Erste erloschen zu sein. Vielleicht sah sie die Sühne nun auch als erfüllt an und konnte ihrem ehemaligen Schänder nun wieder mit völliger Gleichgültigkeit begegnen.
Während von drinnen das leise Gewisper erklang, würde sie sich allerdings wieder auf das wohl stets leicht anzügliche Geplänkel mit ihren Männern einlassen. Allzusehr konnte sie die Situation also nicht mitgenommen zu haben.

Dann aber folgte die Gruppe weiter plaudernd ihrem Führer durch die Burg. Die Männer begrüßten den Jungen mit dem Wein übermütig und anerkennend. Für sie schien er in diesen Augenblicken der größte Held des Abends zu sein. Zwar war es eine finstere Gesellschaft, doch sie waren allesamt gut gelaunt. Jemanden anständig zu verprügeln hob einfach immer die Stimmung.

Die schöne Byzantinerin trat gemessen zu der Kappadozianerin hinüber. "Ein Trunk wäre mehr als freundlich.", erwiderte sie mit einem ruhigen Lächeln, ehe es erlosch. Wieder flackerte die Dunkelheit in ihrem Blick auf. "Er hätte Potential gehabt, wäre er in meinen Reihen gewesen. - Ich denke ihr werdet seinen Tod und schlimmeres verhindern können. Nur versucht nicht, das Gold von seiner Haut zu trennen. Ich habe das einmal gesehen - und es endete in endloser Qual. Die hat er nicht verdient."
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