[1009] Zu Gast bei Fremden [Avelina]

[Juni '18]
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1009] Zu Gast bei Fremden [Avelina]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Aufmerksam hörte Toma der Rose zu und seine Mimik zeigte, dass er bei mancher Stelle mehr, bei anderer weniger zustimmte.

„Ihr habt wundervolle Gedanken. Kluge Fragen.“ schwärmte er schon beinahe.
Was ich dazu denke...zu erst einmal das Tier... Es versetzt uns gegen unseren Willen in Raserei weil es uns schützen will. Es ist ein Teil von uns. Wenn wir uns als dieser geteilte Organismus in Gefahr begeben dann versucht es uns zu schützen. Viel mehr ist es unsere menschliche Seite, die die Raserei auslöst. Emotionen, die wir nicht kontrollieren können und die das Tier nur aufnimmt. Wenn wir geistig stark genug wären uns nicht provozieren zu lassen, nicht wütend werden zu können oder verängstigt, dann bräuchte das Tier sich nicht einmischen.
Ein perfekter Kainit hat keine Emotionen mehr.

Bleibt nur die Frage, warum haben wir es? Ich denke weil wir eine Mischung aus Tier und Mensch sind. Ihr fragtet warum wir aus Menschen entstanden sind und nicht neue Wesen sind? Wir sind beides. Wir kamen zwar von den Menschen, was nur beweist, dass es unser Schicksal ist uns zu entwickeln, aber wir vereinen auch Tier und Mensch. Wir sind ein neues Wesen. Und ja ihr habt ganz recht. Beide Seite müssen in Einklang miteinander leben. Eine Harmonie bilden.
Doch so viele verunglimpfen ihre Bestie...allein diese Namen. Bestie. Tier...ja es ist etwas animalisches, aber es ist nichts schlechtes. Es ist eher unser innerster Antrieb.

Eure These zum Schlaf ist eine spannende Frage. Warum schlafen wir? Weil es das Tier so will, weil es ruhen muss? Doch warum? Oder ist es mehr eine körperliche Notwendigkeit, um zu regenerieren und zu heilen, so wie auch der Mensch neue Kraft schöpft aus seinem Schlaf.
Ein anderer Kainit sagte einmal wir sind vielleicht nur die andere Seite einer Münze zu den Menschen. Sie schlafen am Tag, wir in der Nacht. Ist das nicht viel mehr so, weil Gott uns so gemacht hat? Weil er will dass wir dieses Gegenstück sind?
Jedoch...muss das so sein? Muss das so bleiben? Macht uns das perfekt?
Ich denke nein. So wie der Mensch unperfekt ist bei seiner Erstehung sind wir es auch. Aber wir haben Möglichkeiten uns zu ändern. Die Gaben, wie ihr sagt. Gott hat uns auch Gaben geschenkt. Warum sollte er das, wenn nicht um sie zu nutzen?
Wir sind in der Tat auserwählt, wir sind göttlichere Wesen als der Mensch, doch wir sind nicht verdammt so zu bleiben, wie wir es nach dem Kuss waren.“

Voller Überzeugung aber auch hinterfragend gab er seine Meinung zu all diesen Gedanken wieder. So viel über das es nachzudenken galt, dass es zu verändern galt.

„Dass viele zu Beginn unseres neuen Weges noch den menschlichen Vorstellungen anhängen ist wohl ganz natürlich. Kennen sie doch nichts anderes und müssen sich erst weiter entwickeln. Doch ich würde nicht sagen, dass alle von uns auf der Via Humanitas wandeln nach dem Kuss. Es ist ein Konstrukt dass wir erschaffen haben um zu erklären und zu ändern, oder manch anderer daran festzuhalten, was er meint menschlich zu sein. Aber ein Mensch würde sich auch nie auf diesem Weg beschreiben. Er hat einfach seine eigene Moral. Nach den Punkten zu urteilen die an die Anhänger dieses Weges gestellt werden, wäre ich bereits als Mensch nicht menschlich gewesen.“
Er schmunzelte etwas schief.

„Nun, ich glaube der Weg zur Perfektion für uns, führt uns weg von den Menschen, denn sie sind die Form aus der wir entstanden sind und hier werden wir keine Perfektion finden, und wieso wären wir dann entstanden wenn der Mensch schon perfekt wäre? Wir müssen uns also entfernen und dazu gehört ihrer Moral zu entsagen, den Emotionen die uns an das alte Leben binden, das animalische in uns zu akzeptieren und auch zu verstehen, dass wir keine Menschen mehr sind, nicht in ihre Welt gehören, sondern ihnen überlegen sind. In einer perfekten Welt, müssten wir uns nicht verstecken. Wir würden über die Menschen herrschen, wie diese über die Tiere.“
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Avelina di Braida
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Re: [1009] Zu Gast bei Fremden [Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Ihre Brauen schoben sich grübelnd zusammen, bei Tomas Worten zu den schützenden Eigenschaften des Tieres. Und noch weiter bei den folgenden. Sie schwieg während er seine Gedanken offen kund tat, und es war fürs erste keine weitere Regung ersichtlich, außer der augenscheinlichen Nachdenklichkeit. Auch als er endete, reagierte sie nicht sofort, sondern ließ das gesagte sinken.

„Wir haben uns missverstanden. Ich fragte nicht, warum wir nicht neue Wesen sind. Ich wollte den Fakt untermalen, dass jedes andere Lebewesen für den Kuss auserwählt hätte werden können. Und doch fiel die Wahl auf den Menschen. Gerade auf jenes Wesen, welches zu solch starken Emotionen fähig ist. Zudem kennt auch das Tier Emotionen, sogar sehr ausgeprägte. Wie kommt ihr darauf, dass es perfekt wäre, sie nicht zu haben? Sind sie es nicht erst, die uns zu Wissenschaft und Kunst anregen? Wenn wir keine hätten, dann könnten wir doch zufrieden sein, ganz gleich was mit uns geschieht. Welches Bestreben hätten wir dann noch? Welches Ziel? Schlichte Existenz der Existenz willen?“

Ihr Blick lag bei diesen Worten forschend auf ihm.
„Ihr selbst seid Künstler. Ist euch wichtig was ihr tut? Und sagtet ihr nicht, es ist wie ein Rausch den Schaffensakt zu erleben? Doch es gibt keinen Rausch ohne Emotion. Und wenn ihr sagt, das Tier ist da, um uns zu schützen, so klingt dies recht plausibel. Aber vor welchem Feind schützt es uns, wo wir doch so überlegen sind?“

„Und wie ich bereits sagte, der Mensch ist beiweitem nicht perfekt. Ihm fehlt die Unsterblichkeit, die Gabe in kürzester Zeit zu heilen, nicht atmen zu müssen, keine Krankheiten zu kennen... Das alles sind Dinge, die wir hinter uns gelassen haben. Wir können nun das tun, was uns als Mensch verwährt blieb. Vielleicht ist es uns auch nicht gegeben am Tage zu wandeln, damit wir nicht unsere eigene Herde vernichten? Damit diese eine Chance hat zu überleben um uns auch in Zukunft zu nähren und uns zu dienen?“
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1009] Zu Gast bei Fremden [Avelina]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

"Welche anderen Wesen wären dafür geeignet gewesen? Der Mensch ist das Einzige mit Intellekt. Bereits den Tieren von Gott überstellt, warum sollte er für den nächsten Schritt etwas noch niederes nehmen?“
fragte Toma zurück, als sie von der Auswahl des Menschen als Basis des Vampirs sprach.

„Emotionen regen uns zu Kunst an? Womöglich, ja. Zu Wissenschaft jedoch? Nein zu Wissenschaft animiert uns unser Geist. Das Hinterfragen und Nachforschen, nicht in erster Linie weil es Freude macht, sondern weil wir es müssen. Versucht man nicht wenn einem etwas unverständlich ist, dies zu lösen? Fragen zu stellen und diesen nachzugehen? Bis man versteht? Dies kann von einer Emotion begleitet werden ist die doch nicht der Grund warum wir forschen. Es ist ein eigener Antrieb.“

Einen Moment schwieg er und dachte über seine eigenen Gefühle nach. Er wusste sehr gut, dass er noch zu sehr von diesen beeinflusst wurde. Dass sie seinen Geist und Weitsicht trübten und bereits in ungute Situationen gebracht hatte.

„Ihr habt recht damit, dass ich auch zu Emotionen neige, dass ich Freude an dem empfinde was ich tue. Es gibt mir ein gutes Gefühl etwas zu erschaffen was es vorher nicht gab, aber ich bin auch nicht perfekt. Noch nicht.
Gefühle sind nicht immer von Vorteil. Positive Emotionen können uns unvorsichtig machen, weil wir ihnen zu sehr nachstreben und nicht aufpassen. Nicht klar denken. Negative Emotionen reizen uns und das Tier bis wie zerstören könnten, was wir erst erschaffen haben.“

erklärte er und war sichtlich davon überzeugt, dass Emotionen ein Hindernis waren.
„Mein Erzeuger als Beispiel erschafft nichts aus Freude, sondern reiner Effizienz. Er forscht und prüft, probiert Dinge aus, um zu erkennen ob es ihn weiter bringt oder nicht. Oder auch einfach nur weil er die Möglichkeiten hat. Weil er beobachtet und beurteilt. Dazu braucht es keine Emotion. Es ist der schlichte Antrieb mehr sehen zu wollen.“

„Und ihr fragt wovor uns das Tier schützt? Vor uns. Vor uns selbst, unsere falschen Entscheidungen und vor anderen unserer Art. Es will überleben, so wie wir.“

„In der Tat, die Herde nicht auszudünnen, könnte ein Grund sein, warum uns die Nacht gegeben wurde. Vielleicht ist es aber auch einfach eine Prüfung. Ein Hindernis. Denn zu all den Vorteilen die wir besitzen, müssen wir wohl auch Schwächen haben. Etwas das sich ausgleicht.“
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Avelina di Braida
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Re: [1009] Zu Gast bei Fremden [Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Sie lauschte Tomas Worten mit einer gewissen Zufriedenheit auf den Zügen, und nickte zwischendurch zustimmend.
„Fassen wir also zusammen: der Mensch wurde gewählt ob seines Intellekts. Durch Emotionen erschafft er schöne Dinge, die Kunst, und muss nicht mehr wie ein Tier in kahlen Höhlen leben. Er erschafft sich seine Umgebung neu, und macht sie zu etwas, das seiner Schöpfung entsprang. Er formt sie nach seinem Willen, seiner Vorstellung. Und durch seinen Geist wird er zur Wissenschaft getrieben, was ihm die Möglichkeit gibt sich weiter zu entwickeln und im Grunde dem gleichen Zweck dient. Sich das Leben bequemer zu machen, kompfortabler. Intellekt, Emotion, Geist. Alles Dinge, die unsere menschliche Seite mit sich bringt. Warum also so tun, als sei unsere Vergangenheit als sterbliches Wesen etwas verwerfliches, etwas absolut schlechtes, ein Zustand aus dem wir uns befreien sollten? Wenn es doch eigentlich die Seite ist, die uns erst zur Perfektion antreibt?“

Sie neigte den Kopf etwas zur Seite und sah ihn fragend an.
„Sollen wir uns von ihr abwenden, nur weil zu starke Emotionen das Tier hervorlocken können? Dies ist die Stelle an der die Umgangsformen ins Spiel kommen. Ihr wunderten euch vorhin, wieso mir die Dinge, die ich gelehrt bekam, wie Anstand und Scham so wichtig sind. Wenn die Erziehung bei Hofe eines mit sich bringt, dann ist es Disziplin. Disziplin ist die Grundlegendste Sache, welche das Tier im Zaum hält. Die menschliche Gabe sich selbst zu zügeln, ist somit auch gleichsam ein Schlüssel uns nicht vom Tier übermannen zu lassen. Oh, das soll jetzt nicht heißen, dass das Tier nicht auch seine perfekten Seiten hätte. Es schützt uns, es macht uns stark. Es macht uns unsterblich, und es ermöglicht es uns ohne all die Kleinigkeiten des Alltags zu existieren, welche den Menschen auf Ewig davon abhalten werden Perfektion zu erreichen. Es ist Instinkt, Genügsamkeit und Schutz.“

Sie lächelte und lehnte sich noch einmal ein Stück über den Tisch, Toma nun direkt anblickend, ja, vielleicht sogar seinen Blick suchend.
„Und wenn man es weiter bedenkt: könnte nicht das auch der Schlüssel sein die Nacht zu verlassen und am Tage zu wandeln? Ich meine... Ihr nanntet es selbst eine Prüfung. Wenn es wirklich so ist, und dieser Fluch dazu dient im Kampf mit unserem Tier unsere Nahrungsquelle nicht auszudünnen, was wäre dann naheliegender, als ihn zu brechen, indem wir lernen mit dem was wir sind – Tier und Mensch – zu leben? In perfekter Harmonie?“
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1009] Zu Gast bei Fremden [Avelina]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Als sie weiter sprach hörte er ihr aufmerksam zu. Wollte ihr schon direkt antworten, doch ließ sie natürlich erst ausreden, nur immer mehr wurde sein Gesichtsausdruck grübelnder, zweifelnder.
Als sie geendet hatte schwieg er einen Moment in dem er über ihr Gesagtes nachdachte.

"Was meint ihr genau damit? Mit Mensch und Tier leben? Die beiden Seiten die in uns wohnen anzunehmen? Intellekt, Geist und Emotion mit Instinktiven Schutz und Genügsamkeit?
Das ist natürlich was wir müssen, das ist es ja was uns formt und ausmacht und aus dem wir uns weiter entwickeln müssen.

Oder meint ihr die Menschen als gleichwertig zu akzeptieren? Denn das sind sie nicht...
Die menschliche Seite mag der Grund sein aus dem wir entsprangen und er mag die Basis sein aus derer unser Geist und Intellekt kommt. Dennoch ist er doch aber nicht perfekt und wir sind wohl offensichtlich der nächste Schritt, also nicht gleich...sie zu verachten..."

...

Zum ersten Mal begann er tatsächlich zu zweifeln ob Menschen seine Verachtung, verdient hatten. Erschufen sie doch auch ...doch sie sind eben nicht perfekt, sie sind ein Schritt zurück...so müssen sie weniger wert sein...

„Vielleicht haben sie keine Verachtung verdient...aber von ihnen befreien müssen wir uns wenn wir weiter wachsen wollen. Wenn wir so bleiben würden wie sie...würde sich doch nichts ändern? Wozu dann eine Ewigkeit leben, wenn sich nie etwas ändern würde? “
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Avelina di Braida
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Re: [1009] Zu Gast bei Fremden [Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Auch sie lauschte wieder seinen Worten, und schien recht neugierig, als sie die Nachdenklichkeit auf seinen Zügen sah. Waren derartige Gedanken wirklich so neu für ihn? Das war... faszinierend.

„Nein, nicht die Menschen als Gleichwertig zu akzeptieren. Wie ihr schon sagt, wir sind ihnen offensichtlich überlegen. Aber der Mensch ist ein Teil von uns, genau wie das Tier. Und dies zu leugnen, wäre mehr als töricht. Es muss einen Grund haben, dass dem so ist.“

Sie wog den Kopf, und schüttelte ihn dann sacht, wobei sich ein paar der schwarzen Wellen aus ihrem losen Zopf lösten und wieder einmal bewiesen war, dass diese Mähne offensichtlich nie wirklich zu zähmen war.
„Wozu die Ewigkeit leben, wenn sie uns egal wird, weil wir die Emotionen hinter uns lassen?“ stellte sie die Gegenfrage.

„Lebten wir weiter ohne das Tier und ohne den Mensch, was sind wir dann? Welche Identität bleibt uns, wenn wir unseren Ursprung verleugnen? Was macht eine gute Geschichte zu einer guten Geschichte? Der Kern einer guten Geschichte entfaltet sich erst durch das, was unsere Gefühle unsere Gedanken daraus machen. Eine gute Geschichte wird fade und nicht hörenswert, wenn es nicht mehr als Tinte auf einem Pergament ist, wenn sie nicht mehr berührt sondern schlicht existiert. Wie eine Schriftrolle, die in einem Regal liegt, aber von niemandem gelesen wird, vergessen in der Bedeutungslosigkeit. Warum sollte man so töricht sein, sich der guten Geschichten zu berauben? Sollte es nicht unser Bestreben sein, nun, da uns die Ewigkeit geschenkt ist, diese Geschichten zu genießen? Uns an den wahrlich guten zu erfreuen?“

Sie blickte ihn fragend an.
„Hinter manch einem von uns liegt ein Leben voller Plagerei, oder Schmerz, oder Unglück. Das ist es, was wir hinter uns lassen können. Aber nun da wir das können, warum sollten wir von den guten Seiten ablassen? Ausgerechnet jetzt wo wir unsterblich sind, womöglich das erste mal, dass wir sie wirklich auskosten können?“
Etwas wie Trauer legte sich in ihren Blick. Oder Bedauern?
„Nein, wirklich auskosten können wir sie wohl nicht mehr. Umso länger wir existieren, umso mehr entgleitet uns die Menschlichkeit. Umso schwieriger wird es an jenen Freuden festzuhalten. Aber gerade weil sie schwindet, ganz von selbst, ist das nicht vielleicht ein Zeichen an ihr festzuhalten, damit wir in den Genuß solcher Dinge kommen? Damit unsere Existenz nicht in der Bedeutungslosigkeit versinkt? Was nutzt mir Macht, was nutzt mir Wissenschaft, was nutzt mir Kunst, wenn mir all das egal wird, weil ich nicht mehr fühlen kann?“
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1009] Zu Gast bei Fremden [Avelina]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Während sie sprach und den Moment danach, als er sie einfach nur ansah, konnte sie sehen dass sein Enthusiasmus für dieses Gespräch schwand, dass sich seine Mimik und Haltung in winzigen Nuancen veränderte, die für einen empathisch veranlagten Charakter aber unmissverständlich ausdrückte, dass sie ihn verloren hatte, dass er ihren Gedanken nicht folgen würde.

„Wir hatten uns bereits darauf geeinigt, dass unsere beider Seiten in Harmonie leben müssen...doch ihr denkt vor allem an Emotionen...ihr braucht diese also? Schwelgt darin? Den guten wie den schlechten? Auch den Hass, die Wut? Lasst ihr das Tier frei wüten, wenn es das will? Und tut ihr das weil es euch demnach gefällt das zu fühlen?"
Fragte er durch reinen Wissensdrang, was ihm gerade in den Sinn kam. Keine Wertung schien darin zu liegen, nur reine Neugier.

Er gab seinem Tier ja auch was es wollte, nur tat er das aus reiner Überzeugung, dass es richtig war, es ihm nicht zu verwehren, dass es ein besserer Partner war, wenn es zufrieden war, doch gab es ihm selbst nichts wenn er dabei etwas zerstörte. Ja natürlich fühlte es sich gut an die Wut herauszulassen, doch am Ende blieben nur Trümmer zurück.

„Ich teile eure Ansicht nicht. Unser weitere Weg wird ohne Emotionen sein, nicht mit ihnen. Es ist kein Vorteil den wir von den Menschen behalten haben. Sie binden uns zu sehr an ihre Welt und machen uns schwach.“

„Warum sollte das Schwinden ein Zeichen sein, daran festzuhalten. Dass es von allein schwindet, stetig schwindet, ist doch ein Zeichen dafür, dass es natürlich ist. Das es so sein muss für uns.“
Vielleicht besaß Toma auch einfach nicht das Feingefühl dafür was alles Emotionen waren, was sie Unterschied, was nützlich und was schädlich sein konnte. So gab es in seiner Welt nur Extreme.

„Ihr könnt Kunst trotzdem betrachten. Ihr habt die Gewissheit etwas geschaffen zu haben. Wie Gott.“
fügte er dann noch hinzu, als sie davon sprach was ihr bleiben würde von der Kunst, wenn sie nichts mehr fühlen würde und ein wahnhafter Funke glomm in den blauen Augen. Er wollte göttlich sein, nein vielleicht sogar mehr als das, denn auch Gott war zornig, doch er wusste auch dass es ein weiter Weg sein würde. Und vielleicht stellte sich alles irgendwann als Irrtum heraus. Vielleicht brauchten sie Emotionen doch, vielleicht nicht, doch das würde die Zeit zeigen.
Nicht diese Nacht.
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Avelina di Braida
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Re: [1009] Zu Gast bei Fremden [Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Sie lächelte, als sie Tomas Reaktion bemerkte seltsam zufrieden.
„Aber, aber, wohlwerter Herold. Wer schwelgt denn gerne in schlechten Emotionen? Das wäre kontraproduktiv, nicht wahr? Und schließlich war dies eine hypothetische Diskussion, oder Philosophiererei. Aber ja, ich genieße die Kunst und den Rausch des Erschaffens, soweit waren wir ja bereits. Was hätte ich für einen Genuss daran, wenn ich ich ihn nicht fühlen würde? Wenn er mir gleichgültig wäre, weil er mich nicht berührt? Ich erfreue mich an ihm, warum soll das etwas schlechtes sein? Haltet ihr mich für eine Sünderin, nur weil ich mir die Freude bewahren will ein Kunstwerk bestaunen zu können? Sollte ihr Anblick...“ sie nickte gen Martha, „..mir schlicht egal sein? Wäre euch das lieber?“

Zarte Falten bildeten sich erneut auf ihrer Stirn.
„Wut und Hass? Das ist sicher nichts, worin man schwelgen möchte. Warum sollte ich das wünschen? Uns wurde die Fähigkeit gegeben uns in Disziplin zu üben. Vielleicht ist in diesem Zusammenhang das Schwinden der Emotionen auch nur dadurch bedingt, dass wir lernen sollen? Wer weiß schon von dem großen Plan dahinter?“

Sie bemerkte sehr wohl Tomas Blick, der -wie sie mit einem innerlichen Schaudern bemerkte – schon einem Wahn gleich kam.
„Ihr wollt die Gewissheit haben etwas erschaffen zu haben... wie Gott. Ist dieser Drang kein Gefühl? Keine Emotion? Wie könnte euch das wichtig sein, wenn ihr keine Emotionen hättet? Ein Lebloser Stein in einem großen Meer, der allem trotzt, der die Macht hat den Gezeiten zu widerstehen, aber ebenso stets am Fleck verharrt, und keine Freude aus seinem Dasein ziehen kann?“
Sie hob die Schultern und schüttelte den Kopf. Ganz offensichtlich eine Vorstellung der Zukunft, die sie nicht teilen wollte.
„Aber nun, vielleicht erachtet ihr doch, dass dies einen Denkansatz wert ist. Vielleicht auch nicht. Es war auf jeden Fall ein sehr anregendes Gespräch.“
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1009] Zu Gast bei Fremden [Avelina]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Wieder sah er sie nachdenklich und skeptisch an, aber auch so als würde er nun tatsächlich darüber nachdenken. Ein Denkansatz. Ja das hatte sie geschafft. Jetzt rotierten die Gedanken in seinem Kopf und er war nicht glücklich darüber. Natürlich wollte er dass seine Kunst betrachtete und anerkannt wurde...oder? War das wichtig? War das nur auch etwas das ihn ablenkte? Brachte er sich selbst hier von seinem Weg ab?

"Hm...“
machte er dann nur und ließ, anders als er zuvor vorgehabt hatte, davon ab auf ihre Worte weiter einzugehen.
„Ja, es war ein anregendes Gespräch.“ bestätigte er und wirkte nun noch viel mehr unnahbar.

„Ich denke das ist dann auch genug für diese Nacht. Habt ihr noch Fragen zur Domäne oder eurer Aufgabe?“ lenkte er das Gespräch zurück zum Anfang und schien es gleichzeitig beenden zu wollen.
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Avelina di Braida
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Re: [1009] Zu Gast bei Fremden [Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Avelinas Miene verschloss sich. Wo der Rose sonst durchaus Emotionen anzusehen waren, wenn sie es wollte – und zugegebenermaßen auch manchmal, wenn sie es nicht wollte - war jetzt kaum noch erahnbar, was in ihrem Kopf vor sich ging. Insgeheim war sie natürlich froh, dass Toma nicht noch einmal auf seine Untersuchungen zu sprechen gekommen war.

Sie dachte noch einmal über seine Frage nach, schüttelte dann allerdings den Kopf.
„Für den Moment noch nicht. Auch wenn ich mir denken könnte, dass sich bezüglich der Aufgabe noch Fragen auftun werden. Doch zunächst sollte ich wohl wirklich sehen eine adäquate Unterkunft zu finden, um mich gänzlich darauf konzentrieren zu können.“

Sie erhob sich von ihrem Stuhl und neigte sacht den Kopf.
„Ich danke euch vielmals für eure Gastfreundschaft. Und ich hoffe wir können irgendwann einmal wieder ein derart anregendes Gespräch führen.“ sie legte den Umhang um ihre Schultern, und schloss die mit stilisierten Rosen umrankte Fibel, wobei ihr Blick noch einmal zu Martha ging, der sie ein Lächeln schenkte.
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