[1009] Von Federn und Rosen [Sousanna, Avelina]

[Juni '18]
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Avelina di Braida
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[1009] Von Federn und Rosen [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Avelina ließ sich nicht viel Zeit. Neu in einer Stadt zu sein empfand sie als störend. Es war in gewisser Weise sicher aufregend, brachte Erinnerungen an die Menschlichkeit mit sich, die sie die letzten Jahrzehnte halb vergraben hatte. Aber es bedeutete eine Menge... nun, Aufwand. Es galt das Umfeld auszukundschaften, sich anzumelden und Leute kennenzulernen – in diesem Fall Kainiten, und auf neue Kainskinder zu treffen war immer ein wenig wie ein Tanz auf einer Steilklippe. Eines war allerdings gewiss: Aufschub machte die Sache nicht besser. Und so hatte sie Livias Angebot angenommen, sich von ihr zur Harpyie Genuas bringen zu lassen.

Und hier war sie nun, im Elysium San Donato. Eine Kirche... Von außen betrachtet, hatte sich jemand Mühe gegeben sie einladend wirken zu lassen. Ein Hauch Betrübnis schlich sich jedoch beim Anblick des Inneren in die Augen der Toreador. Sicher, es gab ein paar wahre Kunstwerke, wunderschöne marmorne Statuen, viel zu schade eigentlich, um in Nischen versteckt zu sein. Doch ansonsten ein üblicher Kirchenbau: groß, kahl, errichtet um jeden Menschen der das Gebäude betrat die Macht Gottes und der Kirche zu demonstrieren, um einzuschüchtern.
Nun, sie war kein Mensch.
Selbstsicher schritt sie neben Livia in das Gebäude, lauschte den Worten gegenüber der Wache, und sagte ihrerseits ihr Sprüchlein auf, dass sie sich für die Dauer des Aufenthalts dem Wort der Hüterin des Elysiums unterwarf, die geltenden Gesetzte respektiere, und dass sie gekommen war um die Harpyie von Genua kennenzulernen.

Wie bei allen wichtigen Vorstellungen, hatte sie penibel auf ihr Äußeres geachtet. Ihren Körper hatte sie in ein leichtes Gewand aus Seide gehüllt, welches sich an ihre Kurven schmiegte. Es schimmerte in einem satten, dunklen Grün, welches in einem Farbverlauf ins Indigo überging, und die Säume waren mit edlen, aber nicht aufdringlichen güldenen Stickereien verziert. Ein Himation, ein langes Tuch, ebenfalls aus Seide und in den gleichen Farben gehalten, hatte sie dabei kunstvoll um sich gewickelt, es beim Eintreten jedoch vom Kopf genommen, so dass der Blick auf die Flut von schwarzem Haar sichtbar wurde, dessen Wellen locker von einem Zierband gebändigt wurden, und in einen losen Zopf übergingen.

So stand sie wenig später vor der hübschen Signora welche sie treffen sollte – einen Moment überrascht dank des rosigen Teints - und verneigte sich vor ihr, sich mit sanfter, dunkler Stimme vorstellend.
„Carpe Noctem, wohlwerte Signora, Harpyie von Genua. Ich bin Viscontessa Avelina di Braida von Varese, Neugeborene Rose, Kind der Baronessa Sarina di Lerone.“
Wie bereits zuvor bei anderen Vorstellungen, hielt sie den Blick auf den Boden gerichtet. Und wie schon zuvor, hielt sie auf beiden Händen ein Bündel, welches sie der Harpyie entgegenstreckte.
„Erlaubt mir euch ein bescheidenes Mitbringsel meiner Handelsgüter zu überreichen, zum Zeichen meiner Freude über dieses Treffen.“
"Die Natur lehrt Miteinander. Ohne Dornen wären die Rosen hilflos, ohne Rosen die Dornen trostlos…" KarlHeinz Karius (*1935)
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Sousanna
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Re: [1009] Von Federn und Rosen [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Es war die Kunst der Ravnos stets auf alles vorbereitet sein und einen Auftritt perfekt vorzubereiten. So war die Harpyie Genuas bereits früher am Treffpunkt erschienen, als sie es hätte tun müssen. Eine Toreador blieb eine mögliche Verbündete oder aber eine potentielle Feindin.
Die Anspannung aber, die den zierlichen Leib umfing, war kaum zu erahnen, da sich die so menschliche Gestalt aus den Schatten löste. Man hätte sie für eine Heilige halten können. Die reine Schönheit der Fremden schien sich aus purer Unschuld und Sanftmut zusammenzusetzen. Ein Bild, wie geschaffen für eine Kirche.

Ein leises Schmunzeln lag auf den vollen Lippen, da sich die scheinbar recht junge Frau auf die beiden anderen Monster zuschwebte als brauche sie den Boden nicht zu berühren. Nichts boshaftes lag an ihr, viel eher etwas wissendes. Etwas das von sprudelndem Leben und dem Wissen um den Tod erzählte. Insgesamt sprudelte diese Erscheinung vor Leben. Entgegen der meisten hier in den Hallen der Untoten, atmete die Harpyie und sie schien die Gestalt eines in der Blüte stehenden Mädchens so perfekt zu verkörpern, dass unweigerlich Fantasien in geschundenen Geistern aufwallten, wie sich Reißzähne in pfirsichweiche Haut gruben.

Die rote Seide ihrer byzantinischen Tracht, die den beinahe perfekten Leib umschmiegte wie ein alter Freund, schien keine Geräusche zu machen, so dass das leise Klingeln unter den feinen Röcken bedeutend reizvoller zu trat. Vielleicht eine Hommage an ihr Blut und ihre Herkunft. So Livia der Neuangekommenen bereits gesagt hatte, wer sie war, würde diese den dezenten Witz darin vielleicht im Ansatz verstehen können.
Das lange Haar von der Farbe flüssigen Mahagonis war in einem kunstvollen Kranz um die anmutigen Züge gelegt, so dass ihre Augen, umrahmt vom Kohlstift ihrer Heimat, noch größer, noch eindrucksvoller von den tausenden und aber tausenden Geschichten der Lagerfeuer erzählen mochten.
Da war eine Wildheit oder besser eine Freiheit an ihr, die sich mit der Unschuld ihres Leibes zu einer bittersüßen Melodie verwob.

Da sie zu den beiden Schwestern in den Nächten trat, vertiefte sich das Schmunzeln zu einem einladenden Lächeln, das da sie Liva bedachte noch eine Spur wärmer, ja herzlich wurde. Und auf die Vorstellung der Viscontessa neigte sich ihr Haupt leicht.
"Es ist mir eine Freude, werte Viscontessa Avelina di Braida von Varese, Tochter der verehrte Baronessa Sarina di Lerone, hier in Genua willkommen zu heißen.", erwiderte sie. Auch Sousannas Stimme war sanft, wenn auch weniger dunkel. Sie erinnerte an warmen Honig. In ihren Worten schwang der Einschlag ihrer Heimat mit. Der seltsam fließende Akzent ferner Städte und bunten Treibens lag darin, bestätigte die Ahnung, dass diese Frau nicht in Italien sondern in jenen wundersamen Landen des Ostens geboren war.
Zwar erhob sie ihre Stimme nicht, doch man hörte ihr gerne und ohne Mühen zu. Es war eine Stimme mit der man Geschichten zu erzählen vermochte. "Ich bin Sousanna Kantakuzenos von Byzanz und Genua, neugeboren im Blute der Wanderer, Harpyie Genuas, Beisitzerin des Senats unter dem Monde, Weberin in den Nächten, liebreizende Herzogin dunkelster Gassen, Kind von Caspar, Ancilla des Clan der Wanderer, Fürst und Erretter der Thrakischen Lande." Allein ihre Vorstellung schien eine Geschichte zu sein.
Kurz wandte sie sich zu Livia, um einige freundliche Worte mit dieser zu wechseln und sich dann sanft von ihr zu verabschieden.

Dann galt ihre Aufmerksamkeit zur Gänze der Toreador. Ein sonniges Lächeln umspielte ihre Lippen, ließ ihre Augen aufleuchten und schien in der dunklen Kirche die Sonne zu wecken.
"Es freut mich sogar noch mehr, eine Händlerin hier willkommen zu heißen.", erwiderte sie und würde das Geschenk vorsichtig entgegen nehmen, es eingehend zu betrachten. "Sagt, werte Visconessa, mit was handelt ihr?"
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Avelina di Braida
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Re: [1009] Von Federn und Rosen [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Der Auftritt verfehlte seine Wirkung nicht. Avelinas Blick lag einen Moment auf der Harpyie, ihre Erscheinung wohwollend betrachtend, wie ein Kunstwerk. Dann allerdings senkte sie rasch die langen Wimpern und richtete den Blick gen Boden, noch einmal in eine etwas tiefere Verneigung gehend.
„Die Freude ist ganz auf meiner Seite, wohlwerte Sousanna Kantakuzenos von Byzanz und Genua, neugeboren im Blute der Wanderer, Harpyie Genuas, Besitzerin des Senats unter dem Monde, Weberin in den Nächten, liebreizende Herzogin dunkelster Gassen, Kind von Caspar, Acilla des Clan der Wanderer, Fürst und Erretter der Thrakischen Lande.“ Nun, Livia hatte sie bezüglich des Titels nicht vorgewarnt. Es war nicht einfach sich alles auf Anhieb zu merken und zu wiederholen, doch sie hatte Übung in Sachen Etikette, und so kamen die Worte fließend über ihre Lippen – ob sie es geschafft hätte sie ein zweites Mal Fehlerfrei aufzusagen stand in den Sternen.

Sie blickte auf und ein verabschiedendes Nicken ging in Richtung Livia, nur um wieder der Harpyie entgegen zu blicken.
„Nun, es ist viel eher ein Händler, der im Dienste meines Hauses steht. Varese ist bekannt für seine Webereien und Ledereien.“ beantwortete sie höflich die Frage Sousannas.
Bei dem Bündel schien es sich tatsächlich um ein in weiches, dünnes Leder gewickeltes Stück Stoff zu handeln. Ein Himation aus Seide, gefärbt in einem dunklen, satten Rot, der Saum abgesetzt mit goldenen Stickereien, die sich graziel, wenngleich weitläufig in der Bahn roten Stoffes verliefen.
„Es liegt mir am Herzen, dass die Seidenproduktion auch abseits von Sizilien einen Platz findet.“ fügte sie erklärend hinzu.
„Eurer Freude entnehme ich, dass ihr selbst großes Interesse am Handel habt?“
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Sousanna
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Re: [1009] Von Federn und Rosen [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Ein seidenweiches Lächeln wob sich um Sousannas Lippen. Gewiss achtete sie die Aufzählung ihrer Titel, so sinnvoll und sinnlos sie auch sein mochten, durchaus, doch man konnte auch davon ausgehen, dass sie es kaum übel genommen hätte, wäre keine Rezitation ihres Titels erfolgt. Ihr Blut war nicht gerade bekannt dafür, auf diese Dinge wert zu legen. Andererseits - war es auch nicht bekannt dafür, Harpyien oder Senatsmitglieder zu stellen. Und wer kannte schon die Geheimnisse und Vorlieben dieser Tochter der Nacht?

"Ja", erwiderte die Sünderin ruhig und blickte zu Avelina hinüber, während ihr Lächeln eine verschmitzte Nuance gewann. "Ich habe bereits von Varese gehört - auch wenn ich nie selbst dort war."
Mit der Vorsicht einer Kennerin ward das Himation ausgewickelt und während ihre zarten Finger über noch zarteren Stoff streiften, vertiefte sich das Lächeln erneut.
"Es ist zauberhaft - ich danke euch dafür." Kurz neigte sich nach diesem Urteil noch einmal das schöne Haupt in sachter Anerkennung, ehe sie sich mit einem verträumten Blick umherblickte und der Toreador schließlich den Weg zu einer der Bänkchen an den Wänden wies.

Während sie anmutig dorthin schritt, sah sie ihre Begleiterin ruhig an. "Damit habt ihr Recht.", erwiderte sie und würde sich setzen, um der Tochter der Nacht den Platz neben ihr anzubieten. "Ich selbst handle mit all den exquisiten Waren meiner Heimat."
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Avelina di Braida
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Re: [1009] Von Federn und Rosen [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

„Eurem Akzent nach nehme ich an ihr kommt aus den Landen der alten Götter.“ sie zögerte kurz, und legte den Kopf schief, „Aber ihr scheint euch bereits eine lange Zeit hier zu befinden, nach allem was ich hörte ist es mit einigem an Aufwand verbunden, sich hier überhaupt niederzulassen. Wie schwer und langwierig muss es dann erst sein ein solches Amt zu übernehmen?“
Es war wohl eher eine rhetorische Frage und sie folgte dabei der Harpyie zu dem Bänkchen, sich darauf nieder lassend und die Beine übereinander schlagend, so dass es mehr den Eindruck machte als throne sie erhaben, als schlicht einfach nur dazusitzen. Die Tatsache, dass sie sich in einer Kirche befand schien sie dabei wenig zu tangieren.

„Mit welchen Waren handelt ihr, wenn ich fragen darf? Und aus welchem Teil des Landes stammt ihr?“, ein sachtes, entschuldigendes Lächeln, bevor sie weitersprach, „Ihr müsst verzeihen, mich faszinieren die Geschichten über die Ägäis.“
Sie zögerte noch einmal und der Blick aus strahlend grünen Augen lag forschend auf der gar zu lebendig wirkenden Signora.
„Mich interessiert allerdings natürlich auch, was ihr über Varese hörtet. Mir war nicht bewußt, dass man sogar hier von uns hört. Vor Ort scheint es einem doch eher recht verschlafen.“
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Sousanna
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Re: [1009] Von Federn und Rosen [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Die Schöne lachte und ihr glockenhelles Lachen klang in der Kirche der Untoten wieder. Es erinnerte an Nachmittage, an denen man fröhlich mit dem Geliebten über Wiesen getollt war, an denen man aus Blumen Kränze geflochten hatte und an denen die Welt so voller Leben gewesen war, dass man es hatte einatmen können.
"Ich bedaure, werte Viscontessa", erwiderte sie und lächelte die Rose so entschuldigend an, als gäbe es tatsächlich etwas, wofür sie um Verzeihung bitten musste. "Zwar stammen die Kantakuzenos" Der Name wurde einmal mehr umschmeichelt wie man es mit einem wertvollen Schmuckstück getan hätte. Vielleicht hatte Avelina schon einmal gehört, diesen Namen, der aus Staub Gold zu machen vermochte. "aus dem Land der alten Götter, doch ich selbst wuchs bei meinem Vater in der Stadt der goldenen Wunder auf, wo mein Geblüt die Schönsten Konstantinopels noch schöner machte."
Auf die Frage nach der Dauer ihres Aufenthalt allerdings lächelte die Sünderin nur verschwörerisch, beantwortete sie aber in keinster Weise.

Auch sie schien mehr zu thronen, denn in einer Kirche zu sitzen. Wenn auch eher nach Art der Königstöchter des Orients. Weniger steif und doch ebenso majestätisch.
"Ich handle mit Ölen. Mit Farben und Kräutern. Mit allem, was man hier kaum zu bekommen mag. Ich beschaffe Schmuck ebenso wie Kriegsgerät." Tiefe Liebe und dunkle, süße Leidenschaft lag in ihrer Stimme. Da waren die düsteren Funken ihres Blutes in den unergründlichen Augen. Jene unheilvolle Gier nach dem, was sie im Tode aufrecht hielt. "Ich bringe Menschen und Kindern der Nacht, was ihr Leben zu einer überbordenden Freude werden lässt."

Dann lächelte Sousanna wieder sanfter und spielerisch strichen ihre Fingerspitzen über den Stein neben ihr. "Ich hörte, dass er zwar langweilig und verschlafen ist - aber doch außergewöhnliche Qualität hervorbringen kann.", erklärte sie gelassen, ehe sie verschwörerisch zu ihrem Gast hinüberlächelte. "Ich habe einmal auf Wunsch meines Vaters dort verhandelt - aber das ist lange her."
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Avelina di Braida
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Re: [1009] Von Federn und Rosen [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Nun, ob ihr derartige Nachmittage bekannt waren, war nicht ersichtlich für den Moment. Die Signora war beherrscht, ganz die Adelige, die ihr Leben lang gelernt hatte Haltung zu bewahren.
„Konstantinopel also. Sicherlich auch eine Reise wert. Umso erstaunlicher, dass es euch nach Genua verschlug. Ich könnte mir vorstellen, dass man einen solchen Ort nur ungern verlässt.“
Weiter schien sie das Thema nicht vertiefen zu wollen, und lauschte stattdessen ihren weiteren Worten, vielleicht mit einem Funkeln in den Augen, bei Nennung der Waren mit denen die schöne Harpyie handelte.
„Ich bin mir recht sicher, dass ich in Bälde darauf zurück kommen werde. Wenngleich nicht auf das Kriegsgerät.“ fügte sie mit einem Schmunzeln an.

Mit den nächsten Worten jedoch lockte die Harpyie eine Reaktion hervor, die sich nicht in das beherrschte Bild einfügen wollte. Die Brauen Avelinas schoben sich in die Höhe, und der Blick ging zur Hand Sousannas, während deren Fingerspitzen über den Stein strichen. Sie fasste sich jedoch schnell wieder und lächelte.
„Zumindest meine Qualitätsansprüche sind hoch.“ ihr Mundwinkel zuckte ein wenig, „Und sofern ihr in Varese wart, als ich dort schon verweilte, so ist es außerordentlich bedauerlich, dass ihr nicht zu uns geschickt wurdet. Allerdings bin ich nun hier, und wir können Versäumnisse nachholen.“ meinte sie lächelnd.

„Sagt, ist dies das einzige Elysium in der Stadt?“ sie ließ den Blick durch das Kirchenschiff schweifen, „es scheint mir ein wenig... schwierig in einer Kirche angeregte Konversation zu betreiben.“ tatsächlich sprach sie die ganze Zeit schon sehr leise, um keinen Hall herauszufordern, „Oder gibt es andere Orte, an denen sich die Unsrigen treffen?“
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Sousanna
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Re: [1009] Von Federn und Rosen [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Eine leichte Falte über der Nase der Harpyie verriet, dass "sicherlich eine Reise wert" als Beschreibung der heiligen Goldenen entweder von Ignoranz oder Arroganz sprach. In jedem Fall aber von mangelndem Wissen über die Welt. Doch auch eine Ravnos vermochte Haltung zu bewahren. Ihr Lächeln blieb glatt, auch wenn es etwas an Wärme verloren hatte.
"Wenn ihr es noch nie gesehen habt, solltet ihr es nachholen.", stellte sie mit etwas gelangweilten Blick durch die einstmals heilige Stätte fest. "Keine Stadt der Welt besitzt mehr Größe. Keine ist wertvoller für Händler. Keine kommt in ihrem Glanz der dort herrschenden Gemeinschaft der Nacht nahe." Ein leises, nicht unbedingt nettes Lächeln huschte über ihre vollen Lippen. "Auch wenn die wenigsten Kinder Kains, die hier wandeln, dort auch nur einen Mond überstehen würden, ohne tief zu fallen. Unsere höchstverehrte Majestät zeichnet sich hier durch eine Nächstenliebe und Güte aus, die sie beinahe engelsgleich erscheinen lässt..."

Ruhig wandten sich die dunklen Augen schließlich wieder Avelina zu und mit einem Schmunzeln meinte sie: "Wie gesagt, es ist mir eine Freude, die Schönheit in die Hallen der unseren zu bringen. - Auch wenn ihr sie gewiss nicht nötig habt."
Mit einem leichten Lächeln lehnte sie sich zurück, schien mit der Wand zu verschmelzen und glich nun einer jener alten Statuen, die aus den glorreichen früheren Reichen geblieben waren. Schön und voller Geheimnisse. "Wie gesagt, es ist lange her - so lange, dass ich noch sterblich war. Und ich selbst habe Varese nie betreten. Ich habe mit Gesandten verhandelt." Wieder jenes leichte Schmunzeln. Es waren gute Zeiten gewesen, da der Name Kantakuzenos es ermöglicht hatte, Menschen zu einer Reise zu bewegen, die sie das Leben kosten konnte, während man selbst in den Gärten der Goldenen lustwandelte und den Gesandten die Köpfe zu verdrehen, um sie schamlos auszunehmen.

"Dieses Haus Gottes ist das einzige Elysium, das habt ihr richtig erkannt.", bestätigte sie schließlich mit einem anmutigen Nicken, ehe sie sich etwas vorneigte, um weiterzusprechen. Der zarte Duft teurer Öle würde der Rose in die Nase dringen. Anis, Zimt, Weihrauch und Zitrusfrüchte... Man mochte an die sagenumwobenen Basare des Orients denken, wenn man sich Sousanna näherte. "Doch es gibt im Augenblick zwei Orte, an denen sich die unseren gern treffen: Zum einen die Thermen. Ein ruhiger Ort der Einkehr und des Friedens Auch wenn es dort verboten ist, sich zu nähren. Zum anderen gibt es das Alla Murra - ein Gasthaus. Vom äußeren unscheinbar und von groben Gesellen bevölkert, doch ich veranstalte dort Feste für die Unseren, gebe Möglichkeit zur Übernachtung und für Besprechungen... Und ein Ort, der mehr Wunder birgt, als dass sie je gezählt werden können. In beiden Fällen wird mein Name euch Türen öffnen" Ein leises Grinsen traf die Händlerin. Ihre Worte schienen Geschenke zu beinhalten, auch wenn man ihren Wert gerade noch nicht abschätzen konnte.
Verschwörerisch folgte ein weiteres, letztes Geschenk: "Dazu wird es bald einen dritten Ort geben. Einen, der mehr nach eurem Geschmack sein dürfte."
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Avelina di Braida
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Re: [1009] Von Federn und Rosen [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Eine sachte Falte bildete sich auf Avelinas Stirn. Sie bemerkte die plötzliche Stimmungsänderung Seitens der Harpyie, aber der Grund dafür ließ sie verwirrt zurück – sie hatte sich entsprechend der Etikette verhalten, und nichts gesagt, was unhöflich gewesen wäre.
Langsam wanderte bei ihren Ausführungen die Braue in die Höhe, bis sie schließlich eine leise Ahnung hatte, was der Harpyie aufgestoßen war.
„Verzeiht, falls ich euch aus Unkenntnis beleidigt habe. Dies ist der südlichste Ort, den ich bislang sah, Konstantinopel erscheint mir eher wie eine andere Welt, die ich leider nie zu Gesicht bekam. Es klingt paradiesisch wie ihr es beschreibt, aber ich befürchte seine Wunder werden mir noch auf lange Zeit verschlossen bleiben. Weswegen ich weder viel darüber sagen konnte noch wollte, zumal ich sicher bin ihr vermögt es viel besser die Schönheit dieser Stadt in Worte zu fassen.“ sie neigte dabei den Kopf und hoffte sie hatte dieses mal die Gradwanderung bestanden. Ja, mit Kainiten zu sprechen war niemals einfach.

Sie blickte erst bei den nächsten Worten wieder auf.
„Ihr schmeichelt mir, wohlwerte Signora. Doch wie ihr sicher wisst, ist den Rosen die Schönheit stets ein Anliegen, und ich bin sehr neugierig auf eure Handelswaren - wenngleich ich mich inzwischen davon überzeugen durfte, dass wohl kaum etwas den Raum derart erstrahlen lassen könnte, wie eure Anwesenheit.“ sie lächelte mit einer gewissen Vorsicht, und wandte nach einem Moment, in dem sie den Anblick einsog, die Aufmerksamkeit wieder in die Leere, einen Punkt fixierend, der wohl eher in ihren Gedanken verankert war, als in der Welt um sie herum. Es wäre schließlich auch unhöflich gewesen, die Augen zu lange auf ihrem Gegenüber ruhen zu lassen.

„Die Thermen hören sich verlockend an. Da ich neu in der Stadt bin, ist es mir injeh verboten innerhalb der Mauern zu trinken, weshalb diese Einschränkung meiner Neugier keinen Abbruch tut. Darf ich fragen wo sich diese Thermen befinden? Und vom Alla Murra hörte ich bereits, sowie von euren beeindruckenden Festen. Da ich vorhabe in der Stadt zu verweilen, hoffe ich sehr sie stehen Neuankömmlingen wie mir offen?“
Ihr Blick schweifte wieder zu ihr, bei den letzten Worten, neugierig, mit leichter Irritation und womöglich ein klein wenig grübelnd.
„Ihr macht mich neugierig, Signora. Das klingt alles sehr Geheimnisvoll.“ war dort ein Hauch Sorge auf ihren Zügen auszumachen?
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Sousanna
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Re: [1009] Von Federn und Rosen [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Die Entschuldigung ließ ein sachtes Lächeln auf den vollen Lippen erscheinen. "Ich kann euch nur empfehlen, einmal eine Reise dorthin in Betracht zu ziehen.", erklärte die Ravnos. Jener eisige Stahl hatte sich ein wenig aus der warmen Stimme verzogen. Man fühlte sich lediglich noch an einen Himmel erinnert, an dem die letzten Anzeichen eines Gewitters zu sehen waren. "Gerade da ihr die Schönheit schätzt und den Handel achtet, könnte euch die schöne Tochter Roms viel bieten."
Leicht legte sich ihr Kopf schief, während sie Avelina musterte. Mildes Interesse lag in ihrem Blick. "Sagt, seid ihr denn sonst schon etwas herumgekommen?", fragte sie ruhig.

Etwas in den großen, dunklen Augen blitzte auf bei diesem Kompliment. Und leicht hob sich einer der Mundwinkel etwas mehr. "Wenn ihr es einmal einrichten könnt, mich zu besuchen, werde ich euch mit Freuden alle meine Waren zeigen." Ein sachter, lockender Tonfall lag in der Stimme. Wilde, ungestüme Ideen schienen darin mitzuschwingen - doch gewiss waren sie nur die Fantasien eines Zuhörers. "Worte sind in einem solchen Fall unzuverlässige Geschäftspartner. Es sind doch unsere Augen und Hände, denen wir in diesem Fall die Treue halten sollten."

"Wie gesagt, ich kenne die Auflagen des werten Herolds und vor allem die unserer höchst verehrten Majestät" , schmunzelte Sousanna und lächelte in die Kirche hinein, als hänge sie für einen Augenblick ihren eigenen, höchst amüsanten Gedanken nach. "Ich gebe solche Ratschläge nur eben gerne bevor auch nur die Möglichkeit besteht, einen Fehler zu begehen."
Dann würde die Viscontessa eine ruhige, aber präzise Wegbeschreibung zu den Thermen bekommen, ehe sie einen recht schelmischen Blick zugeworfen bekam. "Für gewöhnlich sind diese Feste nur für geladene Gäste, aber wenn ihr mir sagt, wo ihr zu finden seid, wärt ihr natürlich herzlich eingeladen. In allen anderen Nächten steht es einem jeden frei, sich zu uns zu gesellen."
Mit einem leisen Lachen schwebte der Blick erneut durch die Kirche, ehe er sich auf der Toreador festigte. "Seid unbesorgt, werte Viscontessa, ihr werdet früh genug sehen, was ich meinte - doch die Geheimnisse sind das höchste Gut eines jeden Kinds des Kain. Für einige Nächte müsst ihr sie mir wohl noch lassen."
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