[1009] Medea [Alain]

[Sousanna]

Sousanna grinste schelmisch. "Übung macht den Meister - und wirft man uns nicht all zu gern vor, keine Ambitionen zu haben?", sinnierte sie und legte das Haupt auf eines ihrer Knie.

Doch rasch verschwand ihre Vergnügtheit wieder und stattdessen trat eine tiefe Müdigkeit in ihren Blick. Beinahe mochte man glauben auf ihren schmalen Schultern lasteten schwere Gewichte. Sie wirkte mit einem Mal so zierlich, so zerbrechlich wie ein wildes Blümelein vor einem Gewitter. "Glaub mir - einen offenen Krieg will ich auch nicht.", murmelte sie und sacht strichen ihre Fingerspitzen über das Moos. "Mit Titus, den beiden Irren und dem fetten Mönch wäre ein offener Kampf Wahnsinn." Sie lachte bitter auf. "Ich will noch nicht mal einen heimlichen Krieg. Ich will meine Ruhe - aber die bekomme ich gerade nur, wenn ich zumindest den einen Irren ausschalte. Er hat nicht vergessen, was vor einigen Jahren geschehen ist. Und vor allem steht er der weißen Prinzessin zu nahe..."

Einen Moment lang erwiderte sie den Blick. "Meine Männer werden attackiert. Einer meiner besten Männer wurde zu Tode geprügelt mit der Warnung für andere, sich von mir fern zu halten. So geht es weiter. Raveccas Gassen werden mit dem Blut meiner Leute und dieser Warnung besudelt." Wütend ballte sich eine ihrer schmalen Fäuste. "Zur gleichen Zeit verdursten auf anderer Seite der Stadt die Männer unseres größten Unterstützers."

[Alain le Beau]

"Verdursten?" Alain runzelt ungläubig die Stirn. "Von wem redest du? Von Kainskindern oder Sterblichen?" Er kratzt sich am Hinterkopf. "Ich frage mich, ob solche Angriffe auch auf andere aus unseren Reihen erfolgt sind. Denn wenn nicht, dann wird es schwer sein, sie davon zu überzeugen, dass dies nicht doch deine Fehde mit diesem Ferrucio ist. Was genau ist denn vor einigen Jahren vorgefallen, dass er dich so hasst?"

[Sousanna]

"Menschen", knurrte sie voller Unmut. "Hast du denn nicht davon gehört?"
Dann aber fuhr sie sich übers Gesicht. Schien nur noch müder zu werden "Ich sag dir, sie würden vorkommen, wüsste man von den anderen, wer sie sind..."
Eine wegwerfende Handbewegung war die Antwort auf seine letzte Frage. "Ach ich war eine von vielen. Ich habe Gerüchte gesträut - andere haben die Drecksarbeit gemacht. Heutzutage ärgere ich ihn viel mehr, wo er um die Gunst der Prinzessin buhlt und mein Vater in seinem Weg steht."

[Alain le Beau]

An Alains Gesicht kann Sousanna erkennen, dass ihm dieser Sachverhalt offenbar tatsächlich neu ist. "Das ist ja furchtbar", sagt er kopfschüttelnd. "Ich habe schon immer gesagt: Wenn die Kirche nur großzügiger mit dem Messwein wäre, könnte sie wahrlich Leben retten." Er zieht den Mundwinkel hoch, wird aber direkt wieder ernst. "Wer ist dieser Verbündete - und können wir ihm helfen, indem wir seinen Dienern Zugang zu Wasser verschaffen?"

Er verschränkt die Arme. "Gerüchte, ah... sie ärgern den Feind, aber bewirken nur selten etwas. Zumindest in meiner Erfahrung."

[Sousanna]

Sousannas Züge zeigten einen hässlichen Ausdruck, der eindeutig erahnen ließ, wie wenig ihr in diesem Moment an Frotzeleien gegen die Kirche lag. Die Angelegenheit war zu ernst, zu düster, um jetzt solche Späße zu machen.
"Das hier hat nichts mit Wein oder Wasser zu tun.", hauchte sie und schüttelte bedauernd den Kopf. "Und den Namen kann und werde ich noch nicht enthüllen - aber du wirst es früher oder später erfahren. Dann wenn all das mehr wird als bloßes Gerede."

Ein leises Grinsen kräuselte die vollen Lippen. "Gerüchte haben mehr Macht als du denkst.", schmunzelte sie.

[Alain le Beau]

Alain verneigt sich leicht. "Ich beuge mich deiner Erfahrung, meine Liebe. Vielleicht können wir eines Tages einmal gemeinsam ein Gerücht in die Welt setzen, damit ich lerne, was ich in der Vergangenheit falsch gemacht habe." Er zwinkert Sousanna zu, dann wird er ernst.

"Nun gut. Wenn die Angelegenheit drängt, dann drängt sie. Lass uns die unsrigen zusammenrufen. Ich..." er legt bescheiden die Hand auf die Brust "...werde die kritischen Fragen stellen und du..." er nickt der Ravnos zu "...du wirst sie mit Grazie und Genie beantworten. So sollten wir Genuas Sünder überzeugen können. Was hältst du davon?"

[Sousanna]

"Es braucht nur die richtigen Worte zur richtigen Zeit von der richtigen Person." Der Ratschlag ließ sie selbst schmunzeln, war er doch so wahr und doch so nutzlos, wenn das richtige Gefühl dafür fehlte. "Die Stimme muss zu giftigem Honig werden." Für einen Moment schimmerte die junge Frau durch, die sie einst gewesen sein musste. So voller Leidenschaft und Freude. In ihren Worten lag eine sacht fühlbare Begeisterung, die ohne viel Zutun, Bilder von ihr im Kopf entstehen ließ, wie sie durch die sonnigen Gärten Konstantinopels getollt war.

Doch der Ernst holte auch sie wieder ein. Die wandelnde Tote nickte. Das Lächeln war verschwunden. "Es ist nötig.", stimmte sie zu. Ihr Nicken war das knappe einer mehr als nur entschlossenen Frau. "Wir werden den Irren stoppen. Der Macht der Sünde wird er nichts entgegen zu setzen haben."

[Alain le Beau]

"Die Macht der Sünde", sagt Alain mit einem breiten Lächeln. "Das gefällt mir. Wer braucht eigentlich einen Teufel, wenn es auch uns gibt?"

Er räkelt sich. "Nun... Lass uns das ein andernmal weiter besprechen. Das war doch alles recht abrupt heute und ich brauche noch etwas zu essen, bevor der Tag anbricht. Bis dahin werde ich mir Gedanken machen. Ich bin sehr gespannt auf unsere Zusammenkunft..."

[Sousanna]

Die Ravnos lächelte nur das wissende Lächeln eines Succubus. "Was denkst du, wieso es uns gibt? Wir können so viel effektiver sein als ein langweiliger Teufel."

Dann nickte sie und streckte sich mit der Anmut einer Katze. "Wir werden sehen, was die Nächte bringen." Ruhig richtete sie ihr Kleid und blickte einen Augenblick nachdenklich in die Nacht. Dann traf ihr Blick den seinen. "Aber für diese Nacht danke ich dir."

[Alain le Beau]

"Und ich dir, liebe Freundin." Alain neigt den Kopf und verschwindet dann in der Nacht, lässt die Ravnos mit ihren Gedanken allein. Sein Gang wirkt zunächst recht beschwingt, bis er weit aus Sousannas Sichtweite ist. Dann aber wird er langsamer und legt den Finger ans Kinn, während er auf das nächstgelegene Dorf zuhält. Tief in Gedanken versunken, verschwindet er im Wirtshaus.