[1010] Verschönerung [Alain, Toma]

[Toma Ianos Navodeanu]

Toma hatte seinem Guhl wie sonst auch aufgetragen Alain eine Einladung zu überbringen. So ging der Zimmermann jede Nacht auf die Suche, in dem beider bekannten Gasthaus, nach dem rothaarigen Tzimisce, nur dass er keinen Rothaarigen fand.

Es war natürlich ein Fehler, der ihm hätte vorher bereits auffallen müssen, doch er hatte den anderen Gästen einfach gar nicht sonderlich Beachtung geschenkt, nur nach einem lockigen roten Schopf geschaut. Dabei hätte er natürlich wissen sollen, dass das Aussehen so wandelbar war.

So fiel es ihm erst reichlich spät auf, dass der Tzimisce plötzlich unter den blonden zu finden war.

Er nannte dem Franken ein Datum zu dem er zur Tomas Werkstatt kommen sollte. So er dies wollte.
Was der Meister jedoch von ihm genau wollte, das wisse er nicht.

[Alain le Beau]

Alain kratzt sich am Kinn, denkt einen Moment nach und nickt dann bestätigend. Ja, er würde gerne seinen Clansbruder wieder einmal besuchen, ja, der Termin passe ihm gut. Dann wird der Bote mit einer Handbewegung wieder entlassen, während sich der Bretone erneut dem jungen Mann neben ihm zuwendet, diesen bewundernd anblickt und ihm leicht die Hand auf die seine legt.

Zu dem besagten Termin spaziert der jüngere Tzimisce dann auch beschwingt die Straße zu Tomas Unterschlupf hinab, in weniger feine Kleidung als üblich gewandet. Schließlich weiß er ja, was ihn dort an Körperflüssigkeiten erwarten könnte. Er fährt sich noch einmal mit den Fingern durch das nun goldblonde Haar, setzt sein gewinnendes Lächeln auf und klopft dann laut und deutlich dreimal an die Tür.

[Toma Ianos Navodeanu]

Als Alain kräftig an die Tür klopfte, schwang diese direkt nach inne. Scheinbar nicht geschlossen, sondern nur angelehnt ließ sie den Tzimisce so sofort ein.
Dahinter fand er beide Urs, Cerb und einen unbekannten schwarzhaarigen Mann, die um eine Kiste herumstanden. Wobei nicht alle standen. Urs Unul saß auf der Kiste. Warum, das wurde dem jüngeren Tzimisce wohl erst klar, als er die Szene etwas länger beobachtete. Die Kiste bewegte sich und dumpfes Wimmern drang daraus hervor.

Der scheinbar unbekannte aber durchaus ansehnliche Mann seufzte genervt oder erschöpft, dann fiel sein Blick von der Kiste auf Alain und für einige Zeit starrte er ihn einfach nur an, als wäre er jetzt überrascht den anderen zu sehen.
„Alain.“ sagte er dann und grinste absurd schief und angespannt, sich innerlich auf diesen nervigen Akt auch noch vorbereitend.
„Schön, dass ihr es einrichten konntet.“
Die Stimme kannte er.

[Alain le Beau]

Alain blinzelt zweimal, dann reißt er die Augen auf und studiert den Schwarzhaarigen von oben bis unten. Leckt sich die Lippen. Ein gieriger Blick erscheint für einen kurzen Moment auf seinen Zügen, nur einen Herzschlag, dann hat sich der junge Tzimisce gefangen und das Lächeln kehrt zurück. "Toma", sagt er, mit gespielter Gelassenheit. "Für euch doch immer, werter Bruder. Ich hoffe, die Nächte waren gut zu euch. Oder zumindest..." er blickt auf die Kiste "...besser als zu anderen."

Der Bretone legt die Arme hinter den Rücken und schaut den erstaunlich unmonströsen Mann an. Aber er fragt nicht, selbst wenn die Neugier ihm ins Gesicht geschrieben steht.

[Toma Ianos Navodeanu]

Toma gab ein knurriges Schnauben von sich bei Alains Worten.
Nein ihm war es keineswegs gut gegangen und entweder wusste der andere das genau und verspottete ihn oder er verstand ihn tatsächlich nicht, was bei Alains Vorlieben für das menschliche Äußere durchaus naheliegend war.

Toma hatte gehofft, sie hätten die Vorbereitung für den Transport geschafft bevor Alain eintreffen würde, so dass er sich noch darauf vorbereiten könnte, das Thema seines plötzlich anderen Äußeren offen zu legen, doch der Gedanke war bereits von Anfang an obsolet gewesen. Er hätte sich nie darauf einstellen können. Immerhin war er ihm aber zuvor gekommen bevor er erneut für einen Guhl gehalten worden wäre.

Sein Rücken straffte sich etwas und ein harter herabblickender Ausdruck trat auf das menschliche Gesicht. Es war so schwer das Monster darin zu sehen, dass unter der Oberfläche lauerte. Nur bei solchen Momenten, wo die Abscheu förmlich aus seinem Blick sprach, war eine Ähnlichkeit zu vermuten.

„Ich ließ euch kommen da ich etwas habe, das euch vermutlich Freude machen könnte.“ sprach er dann, das eigentliche schwere Thema ignorierend. Ließ seinen Satz dabei jedoch fragend klingen, als wäre er sich noch nicht sicher, ob sein Bruder Freude daran hätte. "Und um eure Fähigkeiten zu begutachten."

In der Kiste zu seine Füßen bewegte sich derweil etwas und stieß von inne gegen das Holz. Wehleidiges Wimmern das immer mehr zu lautem Jammern anschwoll war zu hören, aus den Luftlöchern, die rundherum angebracht waren. „Raus...“ jammerte da etwas. „raus,raus,raus,raus,raus...Bitte...eng...“ Danach nur noch unverständliches Gebrabbel.

Wütend mit den Zähnen knirschend schloss Toma für einen Moment die Augen und trat dann plötzlich mit dem Fuß krachend auf den Teil der großen Kiste, die nicht von Urs eingenommen wurde. Dabei sich jedoch noch so im Zaum haltend, dass er das Behältnis der jammernden Kreatur nicht direkt zerstörte. „Sei still!“ fauchte er tierisch grollend zu dem weinerlichen Geschöpf, das daraufhin verstummte.

[Alain le Beau]

Wenn Alain die plötzliche Abkühlung der Stimmung aufgefallen ist, dann lässt er es sich nicht anmerken. Stattdessen klatscht er in die Hände. "Schon wieder ein Geschenk, Bruder? Ah, ihr verwöhnt mich. Vermutlich." Ein Augenzwinkern, dann wendet sich Alain der Kiste zu, auch wenn er immer wieder aus dem Augenwinkel Blicke auf Toma wirft. Er kniet nieder und lehnt sich an das Holz, das Ohr an die Kiste gedrückt. Es scheint, als würde der Bretone das Gejammer geradezu genießen, denn er schließt die Augen und seufzt leise auf, als wieder ein Stoß die Kiste zum Rucken bringt.

Als Toma die Kiste so aggressiv anfährt, kommt Alain mit katzenartigem Geschick auf die Füße. "Nun aber", sagt er leise. "Wer oder was ist darin?"

[Toma Ianos Navodeanu]

"Das ist es nicht." bemerkt Toma, als er das Interesse seines Bruders an der Kiste sah.
"Ich nutze die Chance nur direkt euch etwas weiteres zu zeigen...wenn wir da sind." erklärte er weiter und strich sich das Haar aus dem Gesicht, das bei seinem kleinen Wutausbruch vorgerutscht war.
"Nein, ich habe ein paar Objekte...die durchaus eine Verbessserung bedurfen, nur würden meine Vorstellungen sie wohl eher umbringen. Ich sehe es als kleine kreative Übung. Vielleicht mögt ihr mir gern zeigen worin eure Sicht der Schönheit liegt?" fragte er zwar, aber rechnete nicht mit einem Nein.
Es war wohl offensichtlich, dass Toma durchaus selbst in der Lage war eine menschliche Form von Schönheit zu erzeugen. Warum fragte er dann Alain?

"Hebt ihn hoch. Es geht los." sagte er zu den Guhlen, die dies daraufhin taten. Die Ursii nahmen die mannslange Kiste zwischen sich und trugen sie hinaus, während Cerb die Lichter löschte, die die Werkstatt erhellt hatten.

Toma sah Alain an. "Ihr habt blonde Haare." kommentierte er dessen neue Haarpracht, jedoch ohne zu sagen, was er davon hielt.
Wahrscheinlich war es ihm schlicht zu wenig. Aber er ahnte warum. Gerüchte gingen auch ihm nicht vorbei.

"Wie waren eure Nächte bisher verlaufen?" fragte er sodann und bedeutete Alain die Werkstatt zu verlassen.

[Alain le Beau]

"Wenn wir wo sind?" Alain reibt sich die Hände. "Oh, ich kann es kaum erwarten." Er schaut an Toma auf und ab. "Ich muss sagen, diese jüngste Veränderung eurerseits kommt dem, was ich mir unter 'Schönheit' vorstelle, schon recht nahe." Die Frage steht auf seinem Gesicht geschrieben, aber er fragt nicht. Stattdessen fährt er fort. "Aber ich habe bereits ein wenig an meinen Leibwächtern gearbeitet. Nun, mit der Veränderung der Knochen, wird es erst recht möglich, Götter in Menschengestalt zu schaffen. Oder Menschen in Göttergestalt. Wie ihr wollt."

Die Hände auf den Rücken gelegt, folgt Alain der Gruppe mit der Kiste. Er fährt sich durchs Haar. "Offenbar ist die Jagd auf Rothaarige wieder in Mode", sagt er grinsend. "Immer wieder ein Vergnügen, es mit anzusehen. Aber es ist klüger, nicht selbst mitzumachen, daher meine neue Färbung. Ansonsten... nun, ich habe schon ein wenig über eure besagte Dame erfahren und mich mit dem Wirt unterhalten, den ihr erwähntet. Ich denke, es wird noch eine Weile dauern, bis ich hier Erfolge vermelden kann, aber nun ja. Oh, und ich habe Vergonzo Faro damit beauftragt, mir eine würdige Zuflucht zu bauen. Ich bin gespannt, wie fähig er sich erweist."

[Toma Ianos Navodeanu]

„Das hatte ich erwartet und befürchtet.“ sagte Toma etwas bitter als er hinter Alain aus der Werkstatt trat. Er wollte nicht darüber reden, auch wenn er sah dass Alain die Neugier förmlich aus dem Gesicht sprang. Eigentlich wusste er jedoch gar nicht mehr was er wollte. Ob Alain es Sousanna erzählen würde? Und wäre das so schlimm?
Es ist nur eine Schande, wenn er es als solche zuließe...dachte er an die Worte zurück.

Seine Mine war verhärtet, sein Kinn sichtlich angespannt und seine Stimme klang ebenso als er das Thema weiter ignorierte.
„Doch deshalb ist dies vermutlich etwas für euch. Obschon die Grenze auch etwas übertreten werden darf. Es wäre doch zu schade, wenn wir uns da zu sehr einschränkten würden.“
Draußen schlossen sie sich den beiden kräftigen Guhlen an die die wackelnde Kiste zusammen den Weg lang trugen. Dadurch, dass der Griff etwas schlecht war, viel es nicht einmal sonderlich auf, dass die Kiste etwas unruhig getragen wurde.
Solange das etwas darin ruhig blieb...
„Ihr habt Leibwächter?“ fragte Toma dann auf dem Weg. Interessiert an den Werken seines Bruders. „Durch was zeichnen sie sich denn aus? Was habt ihr verändert?“

[Alain le Beau]

Alain winkt zu den Schatten einer Gasse unweit von Tomas Haus. Zwei Männer treten hervor. Einer von ihnen ist ein kleiner, drahtiger Mann. Seine Körperhaltung lässt den erfahrenen Straßenkämpfer erkennen und Toma erahnt den mit Nägeln gespickten Knüppel in seinem Gürtel. Das Messer im Schuh sieht er nicht, aber er könnte ein kleines Vermögen auf dessen Existenz setzen und würde am Ende der Nacht wahrscheinlich ein reicherer Mann sein. Der andere ist ein bulliger, hochgewachsener Mann. Offenbar einer der Nordleute, dem Bart und der Kleidung nach zu urteilen, einer der wenigen, die nicht unter Brimirs Einfluss stehen. Die Hand des Wikingers liegt auf der Axt in seinem Gürtel und er fährt mit dem Daumen über die flachgeschliffene Kante oben auf der Waffe.

Auffällige Veränderungen kann Toma nicht entdecken. Erst auf den zweiten Blick fällt ihm auf, dass die beiden nicht allzu hässlich sind. Im Gegenteil: Ihre Haut ist für solche Kämpfergestalten erstaunlich rein. Ihre Haare sind voll, kräftig in der Farbe und kein bisschen fettig. Auch die Proportionen stimmen. Es ist schwer zu sagen, ob Alain sich unter den schöneren Kriegern der Stadt umgesehen oder ob er hier selbst nachgeholfen hat. Vielleicht beides.

"Die Grenze?" fragt Alain und reißt Toma aus seinen Beobachtungen. "Von welcher Grenze redet ihr?"