[1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

[Juli '18]
Benutzeravatar
Avelina di Braida
Toreador
Beiträge: 1535
Registriert: Do 31. Mai 2018, 13:17

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Nun, Bernardo hatte auch in den letzten Jahrzehnten gelernt. Er ließ sich von dieser beleidigenden Darbietung Tizianos aus der Ruhe bringen, sondern lächelte nur.
Er folgte ihm nach oben und schien zufriedener zu werden mit dem was er sah. Waren Anfangs noch Zweifel vorhanden gewesen ob des Ortes, an den die Nachricht gebracht werden sollte, so begann er langsam zu verstehen. Dies hier hatte nicht mehr viel mit der Kaschemme gemein.

Und ja, er staunte ein wenig, als er in den Raum gerufen wurde und sich umblickte. Ganz gewiss war er beeindruckt, aber er war auch ein Mann, für den ein gewisser Grad an Luxus nichts neues oder unbekanntes war. Ganz im Gegenteil. Natürlich war der orientalische Einfluss eher fremd, und seine Exotik faszinierend, aber somit entsprach er vielleicht auch nicht ganz der hiesigen Vorstellung des Adels.

Er betrachtete die Frau auf den Kissen. Eine wunderschöne Frau, in der Tat. Sein Blick wanderte einmal über sie, dann legte sich wieder ein Lächeln auf seine Lippen. Er verneigte sich tief und man konnte deutlich erkennen, dass er wohl einiges von Hofetikette zu verstehen schien. Die Bewegungen sahen geübt aus, auch wie er dabei eine Geste mit dem Arm vollführte. Unter seinem Umhhang war nun deutlich Adelskleidung zu erkennen.

„Verehrte Signora Sousanna Kantakuzenos, mein Name ist Bernardo. Ich bin lediglich hier um eine Nachricht meiner Padrona zu überbringen. Ihr werdet, so es euch genehm ist, in drei Nächten in der Villa dei Fiori Rossa, ehemals der Villa Bianchi in Mascharana erwartet. Solltet ihr die Einladung ablehnen, oder einen anderen Termin festlegen wollen, so werde ich die Nachricht natürlich gerne auf euren Wunsch meiner Herrin übermitteln.“
Er hielt inne und blickte dann vorsichtig auf.
„Verzeiht die Umstände, Königin dieses beeindruckenden Hauses, doch euer Diener deutete an, diese Nachricht würde euch nicht ausreichen. So hielt ich es für angebrachter die Worte nochmals persönlich an euch zu richten.“
Er hielt sich immer noch gebeugt und auch den Kopf geneigt, doch die Augen versuchten den ein oder anderen Blick auf Sousanna zu erhaschen.
"Die Natur lehrt Miteinander. Ohne Dornen wären die Rosen hilflos, ohne Rosen die Dornen trostlos…" KarlHeinz Karius (*1935)
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Das Lächeln der Dame wurde noch ein wenig breiter. Ein schönes, aber rätselhaftes Lächeln. Das eines jener fabelhaften Wesen von außergewöhnlicher Schönheit, die die Mischung aus Löwe und Frau waren, und jede falsche Antwort mit dem Tode bestraften.
Anmutig setzte sie sich etwas auf und Seide glitt von ihren schmalen Schultern ohne, dass sie es zu bemerken schien, offenbarte sacht gebräunte Haut. Im schummrigen Blick schien die Schönheit, seltsam lebendig dafür, dass man den Diener gewiss unterrichtet hatte, was sie war. Sie schien ganz und gar im Leben zu stehen. Dieser Körper konnte nicht tot sein. Ihre Wangen waren gerötet und in den Augen lag ein sachter Schimmer. Glänzende, mahagonifarbene Locken bedeckten die gewiss pfirsichweiche Haut wieder, während sie sich noch etwas nach vorne neigte, den Blonden zu mustern.
In den dunklen Augen lag die Neugier einer Katze, die noch nicht wusste, was sie mit einer sehr ungewöhnlichen Maus tun sollte.

"Ich bin mir sicher, mein alter Freund wollte nur darauf hinweisen, dass es für gewöhnlich zum Protokoll gehört, den Namen seiner Padrona zu nennen.", erwiderte sie ruhig und nahm ein kunstvoll verziertes Horn von ihrem Schoß, um es neben sich zu legen, ehe sie quälend langsam aufstand.
Verglichen mit Bernardo oder Tiziano war Sousanna winzig, ja wirkte zerbrechlich - und doch besaß sie eine tiefe, dunkle Anziehungskraft. Ihre Kleidung erinnerte offensichtlich an den überbordenden Luxus des Orients. An jene verruchten Orte, an denen man sich dort zu vergnügen wusste und von denen man sich hier nur hinter vorgehaltener Hand erzählte, da sie voller Sünde waren.
"Aber wie zuvorkommend, dass deine Padrona ihren Diener für mich entscheiden lässt, welche Art der Übermittlung angebracht ist." Ruhig trat sie zu ihm und bedeutete mit einem leichten Nicken, dass er sich aufrichten sollte. Ihr Duft nach schweren, edlen Duftölen trat ihm in die Nase. Noch immer war die Stimme weich und der sachte Akzent Konstantinopels ließ die Worte noch weicher klingen, auch wenn dazwischen die eiskalten Klingen deutlich verborgen waren. "Ich frage mich, ob du das immer tust oder ob es eine besondere Ehre für mich ist."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Avelina di Braida
Toreador
Beiträge: 1535
Registriert: Do 31. Mai 2018, 13:17

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Langsam richtete Bernardo sich auf. Diese Signora war in der Tat... anders. Aber er war lange genug an Avelinas Seite um zu wissen, dass es sich trotz der eigenartigen Lebendigkeit dieser Frau um eine der ihrigen handelte.
„Höchst verehrte Signora, ein Missverständnis offenbar. Meine Padrona wies mich lediglich an euch eine Einladung im Alla Murra zu hinterlassen. Ich schätze sie wird tatsächlich sehr ungehalten mit mir sein, wenn ich ihr berichte, dass es nötig schien die Einladung persönlich zu überbringen.“

Hinter sein Stirn arbeitete es. Dies hier fühlte sich ganz so an, wie die sprichwörtliche Höhle des Löwen. Und natürlich wäre es ein leichtes gewesen einfach den Namen seiner Padrona zu nennen, und vermutlich würde es sowieso darauf hinaus laufen. Ganz abgesehen davon, dass er keinen Befehl hatte es nicht zu tun. Aber dort unten in der Kaschemme wirkte es, als würde er ihren Namen dank des Ambientes beschmutzen, wenn er ihn aussprach. Das wollte er auf keinen Fall zulassen. Und jetzt war er so weit gegangen, jetzt musste er dieses Spielchen noch einen Moment weiter treiben. Und ihm war nicht wirklich wohl dabei. Sicher war seine Padrona die hübscheste in der Stadt, aber diese Frau schien ähnlich anziehend. Und letzten Endes war er doch nur ein Mann, nicht wahr? Die ganze laszive, verführerische Art seines Gegenübers machte ihn leicht nervös und gleichzeitig fühlte er ob ihres Auftritts eine altbekannte Wut in sich aufsteigen.

„Vermutlich wieder ein Missverständnis. Meine Padrona sagte mir, dass diese Einladung an eine äußerst wichtige Persönlichkeit geht, und ich war mir sicher, dass ihr wissen würdet, wer in der ehemaligen Villa Bianchi residiert. Euer Diener aber implizierte, dem sei nicht so. Und es schien mir in diesem Falle richtiger den Namen meiner verherten Herrin direkt zu euch zu tragen. Verzeiht, falls ich euch mit meiner Anwesenheit belästige, das war nicht meine Intention.“ er hatte den Kopf wieder tief geneigt, und wartete zunächst, ob sie ihm befehlen würde fortzufahren. Außerdem hielt er es für besser die Signora nicht allzu genau anzusehen.
"Die Natur lehrt Miteinander. Ohne Dornen wären die Rosen hilflos, ohne Rosen die Dornen trostlos…" KarlHeinz Karius (*1935)
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Sachte, warme Finger legten sich unter Bernardos Kinn, hoben es zärtlich an. Sousanna stand vor ihm und lächelte. Da lag eine so tiefe Unschuld in ihren großen, braunen Augen, dass man kaum glauben konnte, sie hätte jemals auch nur einer Fliege etwas tun können. Wie ein flauschiges Kätzchen. Sie mochte Krallen haben, aber wer sie sah, vergaß es viel zu gerne.
"Mein Lieber, ich weiß wohl, wer dort residiert", raunte sie und zog ihre Hand mit einem verschwörerischen Funkeln in den Augen zurück. "Natürlich werde ich die Viscontessa mit Freuden dort besuchen."

Schmunzelnd wandte sie sich wieder ab und würde sich wieder in die Kissen sinken lassen, um erneut an der Pfeife zu ziehen und mit in den Nacken gelegtem Kopf die Decke anzulächeln, während sie den Rauch ausstieß. "Aber vielleicht erzählst du mir, was dich davon überzeugte, es wäre besser die Einladung ein zweites Mal auszusprechen. Es würde mich für die Störung entschädigen - und helfen, eine Ungehaltenheit einer sehr schönen Dame einzudämmen. Wenn sich mein Diener falsch verhalten hat, möchte ich es wissen."
Sacht wies ihre schlanke Hand auf ein Kissen, um ihn einzuladen, ihr gegenüber Platz zu nehmen, während ihr messerscharfer Blick den zum Protest ansetzenden Tiziano zum Schweigen brachte.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Avelina di Braida
Toreador
Beiträge: 1535
Registriert: Do 31. Mai 2018, 13:17

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Die Muskeln des Hünen spannten sich an. Auch nach Jahrzehnten war es nicht immer einfach zu akzeptieren, dass manche Frauen am längeren Hebel saßen. Und so starrte er auf einen nicht definierbaren Punkt in der Leere, statt die aufreizende Gestalt anzusehen, die ihn da gerade wie eine Katze umschmeichelte.
Und dann war es raus. Sie wußte natürlich von seiner Padrona. Ein Mundwinkel hob sich, ob dieser Bestätigung. Er entspannte sich etwas, zumal die Dame des Hauses sich nun wieder entfernte.
Die Einladung sich zu ihr zu setzen irritierte ihn allerdings wiederum. Er war nur ein Diener, nicht wahr?

Zögernd leistete er der Aufforderung Folge. Man verärgerte einen Kainiten nicht.
„Ein womöglich zu hitzig gewordener Wortabtausch, verehrte Signora. Es war sicher nicht meine Absicht euch zu stören. Mir ist natürlich bewußt, dass ihr eine solch hohe Position einnehmt, dass euch bekannt ist, wer in der Villa Fiori residiert. Doch euer Diener schien euch dieses Wissen abzusprechen und war der Meinung mir bliebe nur die Möglichkeit euch die Einladung selbst zu überbringen, oder... - Nun, wie drückte er sich gleich aus? - „Wie eine Schlampe nach einer versauten Nacht abzuhauen, damit meine Padrona mir den Arsch aufreißt.“ ...verzeiht die harten Worte, es waren nicht meine.“
Er neigte entschuldigend den Kopf.

Leiser fügte er hinzu: „Mir ist natürlich bewußt, dass der werte Tiziano sicherlich nur darum besorgt war, dass ich ein Scharlatan sein könnte. Seid euch gewiss, dass dem nicht so ist, ich komme vom Hause di Braida. Ihr habt dennoch einen sehr gewissenhaften Diener.“
Ja, er räumte tatsächlich entschuldigende Worte für Tiziano ein.
"Die Natur lehrt Miteinander. Ohne Dornen wären die Rosen hilflos, ohne Rosen die Dornen trostlos…" KarlHeinz Karius (*1935)
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Nachdenklich nickte die Schöne und ein geheimnisvolles Lächeln umspielte ihre Lippen.
"Ja, das könnten seine Worte gewesen sein.", seufzte sie und schüttelte leicht den Kopf, als bedachte sie einmal mehr die amüsante Unzulänglichkeit ihres Kampfhundes. Allerdings schien sie sich nicht an der Härte dieser Worte zu stören.
Kokett spielte sie mit einer der duftenden Strähnen, während sie zu Bernardo hinüber sah. Nachdenklichkeit lag kurz in ihrem Blick, dann lachte sie vergnügt auf und ließ die Locke wieder los. "Tiziano würde mir gewiss kein Wissen absprechen. Ich denke aber, dass er sich über die Sturheit eines Gasts in meinen Hause geärgert hat. Im Gegensatz dazu hast du dich wohl darüber geärgert, dass er hin und wieder etwas ungehobelt ist. Beides ist verständlich. Ein Beweis dass ihr beide stolze Hohlköpfe seid, aber nachvollziehbar." Gleichgültig zuckte sie die Schultern.

Dann aber wurde ihr Blick intensiver. "Ich gebe dir aber einen Rat, Bernardo, weil ich denke, dass du deiner geschätzten Herrin ein guter Diener bist und du mir gefällst." Die warme Stimme wurde leiser, erinnerte an Honig. "Ich weiß nicht, wie viel du über mich weißt, aber deine Vorbehalte meinem Nest gegenüber zeigen, dass es nicht viel ist. Wenn du hörst, dass du zu einer Wanderin gehst, dann erwarte schlimmeres als Tiziano oder das Alla Murra, ja?" Ihr Grinsen wurde beinahe mädchenhaft vergnügt, als sie ihm verschwörerisch zuzwinkerte.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Avelina di Braida
Toreador
Beiträge: 1535
Registriert: Do 31. Mai 2018, 13:17

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Nach den ersten Worten nickte er ergeben, auch wenn die Bezeichnung 'stolzer Hohlkopf' ihn ein wenig mit den Zähnen knirschen ließ. Er war immer noch ein di Braida. Und natürlich hatte er keine Ahnung von derartigen Kaschemmen. Es war ihm ein Rätsel, wie eine ehrbare Frau ein solches... Loch leiten konnte. Andererseits... würde Avelina nicht auch so weit gehen, wenn es dienlich war? Ja, die Dinge hatten sich verändert, vor allem seit jener Nacht, da sie... Er schüttelte den Gedanken ab.
„Natürlich, sehr verehrte Signora. Verzeiht noch einmal die Umstände.“

Bei den nächsten Worten blickte er die Fremde an, und seine Stirn legte sich in Falten. Eine Wanderin... nein, er hatte wirklich nicht die geringste Ahnung was eine Wanderin war. Und sein Unwissen war ihm in diesem Punkt wirklich am Gesicht abzulesen. Wie sollte er also wissen, was ihn erwartete? Er war versucht nachzufragen, doch schließlich war er nur ein Diener. Es wäre vermutlich unverfroren derartiges zu fragen. So nickte er schließlich nur vorsichtig.
„Ich werde daran denken.“
Eine leise Stimme aus der Vergangenheit meldete sich in seinem Geist. Das also geschah, wenn die Weiber zu viel Macht besaßen.
Nein, in diese Richtung durfte er nicht denken, konnte er nicht denken... Seine Padrona zumindest hatte Macht verdient.

„Dann werde ich der Viscontessa ausrichten, dass ihr erscheinen werdet, wenn ihr erlaubt?“
Es war die höfliche Art zu fragen, ob er sich nun verabschieden durfte. Er würde Avelina so oder so von den Ereignissen hier berichten müssen und sie wäre sicher nicht erbaut darüber.
"Die Natur lehrt Miteinander. Ohne Dornen wären die Rosen hilflos, ohne Rosen die Dornen trostlos…" KarlHeinz Karius (*1935)
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Wieder lachte sie leise auf und es klang nach hellen Kirchenglocken und warmen Sonnenlicht. Die dunklen Locken ringelten sich um das Gesicht, das das einer Adelsdame hätte sein können. Vielleicht war sie es auch einmal gewesen. Wer wusste schon, was eine Frau war, die ein solches Etablissement leitete und einen Mann wie Tiziano ihren Freund nannte.
"Du hast keine Ahnung, was ich da gesagt habe, oder?", kicherte sie und zog die schlanken Beine enger an den Körper. Ihr Kopf legte sich zur Seite, während sie Bernardo mit scheinbar aufkeimender Zuneigung musterte. "In jedem Fall hättest du mich durch solches Verhalten beleidigen können, würde ich auch nur im Ansatz etwas auf solche Dinge geben."

Kurz wurde ihr Lächeln wieder schärfer und sie blickte zwischen dem Blonden und ihrem Ghul hinterher und biss sich auf die Unterlippe. Ein letzter, listiger Blick, der zumindest ihrem Vertrauten einen kurzen nervösen Schauer über den Rücken laufen ließ, dann war dort wieder nur die reine Sanftmut eines Rehs in den großen Augen.
"Richte ihr dazu meine herzlichsten Grüße aus und sag, dass ich mich freue. Ich bringe ihr die versprochenen Geschichten mit.", meinte sie. Dann wandte sie sich Tiziano zu. "Mein Lieber, sorg dafür, das unser Freund hier in Zukunft als Teil unserer Familie bekannt ist. Er ist tüchtig und seiner Herrin treu. Ich will nicht, dass ihn der Schmutz unserer Welt besudelt."
Die Kiefer des Schlägers malmten, doch er nickte. "Alles, was du wünscht."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Avelina di Braida
Toreador
Beiträge: 1535
Registriert: Do 31. Mai 2018, 13:17

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

„Ihr habt mich erwischt, verehrte Signora, ich weiß nicht, was ein Wanderer ist.“ gab er auf ihre Worte hin offen zu und nickte, den Blick senkend, als sie darauf hin wies, dass ihm dies alles als Beleidigung ausgelegt werden könnte. Warum auch waren Frauen so derart kompliziert?

Ein wenig Staunen stand in seine Augen geschrieben, als er wieder aufsah. Teil ihrer Familie? Ihre Worte verwirrten ihn. Natürlich war er Avelina treu, das war er – alle anderen unliebsamen Erinnerungen einmal ausgeblendet – bereits zu Lebzeiten. Was meinte sie mit dem Schmutz?
So oder so, irgendwie konnte er sich ausmalen, dass seiner Padrona nicht gefallen würde, was er zu erzählen hatte. Und dies stieß ihm bitter auf. Immerhin waren sie endlich an einem Punkt angekommen, da sich die Wogen halbwegs zu glätten schienen.

Er erhob sich und verneigte sich abermals tief vor der Herrin des Hauses.
„Ich bin sicher sie wird über eure Zusage höchst erfreut sein. Ich wünsche euch eine angenehme Nacht und danke euch für eure Güte.“
Er wandte sich ab, und ging ein paar Schritt in Richtung Tiziano. Er blickte den Hünen ohne eine Regung auf seinen Zügen an, und wartete schlicht, bis dieser ihn wieder hinausgeleiten würde.
"Die Natur lehrt Miteinander. Ohne Dornen wären die Rosen hilflos, ohne Rosen die Dornen trostlos…" KarlHeinz Karius (*1935)
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Ihr Lächeln wurde noch amüsierter. "Dann auf bald, lieber Bernardo.", säuselte sie und schenkte ihm ein kleines, verspieltes Lächeln. Schließlich beschäftigte Sousanna sich wieder mit ihrer Wasserpfeife, als wären die beiden Blutsdiener mit einem Mal nicht mehr anwesend. Verträumt wanderte ihr Blick zu einem der Teppiche, während ihre Lippen in nachdenklicher Anzüglichkeit wieder mit dem Mundstück zu spielen.

Tiziano unterdessen nickte mit dem Kopf in Richtung der Tür und würde ihn nach draußen führen. In diesem Fall schien er akzeptiert zu haben, dass sich seine Beziehung mit dem fremden Blondschopf auf einen Schlag geändert hatte. Das Rehlein, wollte dass er ihn in Ruhe ließ - und was das Rehlein wollte, war Gesetz. So einfach war das.
Also sorgte er allein schon durch seine Körpersprache dafür, dass keiner seiner Leute ihm auch nur einen unverschämten Blick zuwarf. Jedes der Bandenmitglieder wusste, wie es aussah, wenn er mit anderen Chefs sprach - und heute sah es ganz danah aus.

In der besagten Nacht dann war die Wanderin zum dem Anwesen der Viscontessa gekommen. Ohne Entourage, aber mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Das Haar kunstvoll nach oben gesteckt und die Augen durch einen Kohlestift noch intensiver betont, würde sich die zierliche Gestalt der Villa di Fiori nähern und ruhig Einlass erbitten, so dies nötig war.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Gesperrt

Zurück zu „1010“