[1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

[Juli '18]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Avelina di Braida
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

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Sollte Bernardo in irgendeiner Weise irritiert über das Erlebte gewesen sein, so ließ er sich in dem Moment, da er das Alla Murra verließ nichts anmerken. Er ließ sich von Tiziano ohne Murren und Klagen nach draußen führen, und nickte ihm abschließend gar freundlich zu.
„Danke.“ und es klang tatsächlich aufrichtig. Auch ihm war klar geworden, dass dieser Mann offenbar ein sehr naher Diener seiner Herrin war. Und Avelina hatte ihn darauf vorbereitet, dass diese Einladung einer wichtigen Persönlichkeit der Stadt galt. Ganz gleich wie seltsam es anmutete, dass eine derart wichtige Frau eine Kaschemme wie das Alla Murra ihr eigen nannte, es war besser niemanden zu verärgern. Er mochte viele schlechte Eigenschaften haben, aber er war nicht dumm.
Und so suchte er seinen Weg durch die dunkle Nacht, mulmig die Reaktion seiner Padrona fürchtend.


Die Nacht in der Sousanna in der Villa di Fiori erwartet wurde, war eine ruhige Nacht. Ein paar Wolken schoben sich getrieben von einer lauen Brise träge über den Nachthimmel, welche ihr den Duft der Orangenbäume schon von weitem in die Nase wehte. Als sie der Villa näher kam, mischte sich der betörend süße Duft blühender Rosen dazu.
Die Wachen am Eingang reagierten sofort, als sie die Dame sahen und nach kurzer Nachfrage verneigten sie sich und öffneten ihr die Tore der Außenmauer. Der Weg durch den Garten war mit einer Pergola geschmückt, an der junge Rosenbüsche hinaufkletterten, die irgendwann einmal ein schützendes Dach bilden würden. Doch noch sah man die langen Äste der Orangenbäume, die über sie hinaus ragten.
Der Gang führte direkt bis vor die Tür, die nun vorsichtig geöffnet wurde. Eine junge Frau blickte der Besucherin entgegen, trat dann zurück, und verneigte sich tief während sie die Tür aufhielt. Sie sprach kein Wort, und doch schien jede ihrer Bewegungen von Unterwürfigkeit und hohem Respekt zu sprechen. Sie deutete Sousanna mit einer Geste an ihr zu folgen.

Und dies schien auch nötig, denn wenngleich römische Villen im allgemeinen keine sonderlich komplizierte Bauweise aufwiesen, sorgten Bahnen bunter Seide die von der hölzernen Decke hingen und sacht im Wind wehten für den Eindruck eines verwirrenden Labyrinths. Sie zauberten ein farbenreiches Licht und Schattenspiel an die Wände und auf den Boden, und ließen die Fresken, die alle eine Geschichte zu erzählen schienen fast lebendig wirken.
In der Mitte befand sich ein Becken, und das Loch im Dach sprach dafür, dass sich hier das Regenwasser sammelte, welches sicher in kleinen Wasserfällen hinunterlaufen würde bei entsprechender Witterung. Sogar das Lararium war erhalten geblieben, und nebst einer Marienstatue fanden sich darauf eher seltsame Statuetten, die wie kleine Zeugnisse der Vergangenheit schienen.

Die hübsche Magd eilte mit kleinen Schritten voraus, und brachte die Harpyie zu einem Raum, welcher zum Atrium hin, in dem ein Brunnen plätscherte, geöffnet war. Auch hier verbreiteten Seidenbahnen und Öllampen ein buntes, schummriges Licht. Gemütliche Sitzgelegenheiten standen um ein kleines Tischchen herum und Töpfe mit weiteren Rosenbüschen verströmten ihr Aroma.
Auf einer der Liegen saß die Padrona des Hauses und zupfte gedankenverloren an den Saiten einer Lyra herum, den Blick zum Atrium gerichtet.
Sousanna konnte auffallen, dass die Viscontessa hier wesentlich leichter gekleidet war, als im Elysium. Eine edle, rote, seidene Tunika umspielte ihre Kurven, und ließ sowohl die Arme frei, als auch das Dekolleté. Zunächst machte es den Anschein als trüge sie die Haare offen, doch auf den zweiten Blick bemerkte man, dass sie locker zusammengebunden waren, die schwarze Mähne aber dennoch ihren eigenen Willen zu haben schien. Es sah nicht unordentlich aus, im Gegenteil, fast wirkte es gewollt, wie sich hier und da eine Strähne freigekämpft hatte, und in Korkenzieherlocken herunter fiel.

Als sie nun die Schritte hörte, blickte sie auf und erhob sich mit einer anmutigen Bewegung von ihrer Liege, ein mildes Lächeln auf den Lippen. Sie neigte das Haupt vor der Wanderin und richtete mit sanfter, dunkler Stimme das Wort an sie.
„Seid mir willkommen, wohlwerte Sousanna. Es ehrt mich, dass ihr der Einladung gefolgt seid und mich mit eurer Anwesenheit beglückt.“
Als sie wieder aufblickte fügte sie nach einem Moment hinzu:
„Ich hoffe die Umstände der Überbringung der Einladung haben euch nicht verärgert. Mein Diener berichtete mir von diesem unschönen Zwischenfall. Ich habe deutlich gemacht, dass so etwas nicht wieder vorkommen sollte.“
"Die Natur lehrt Miteinander. Ohne Dornen wären die Rosen hilflos, ohne Rosen die Dornen trostlos…" KarlHeinz Karius (*1935)
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Sousanna
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Auch Tiziano hatte genickt. Auf seinen Zügen war etwas zu lesen gewesen, was man sicher als eine raue Form des Respekts bezeichnen konnte. Er mochte ein widerwärtiger, anstandsloser Bastard sein, aber Jahre des Raubens und Mordens hatten ihm gelehrt, sein Gegenüber einzuschätzen. Mit diesem hier wäre in jedem Fall eine hübsche Prügelei möglich gewesen. Dazu er war zumindest klug genug zu wissen, dass seine Herrin die des Blondens nicht als Handelspartnerin verlieren wollte. Also konnte man ihn zumindest als ernst zunehmend bezeichnen. "Bist immer eingeladen, wieder zu kommen.", brummte er also und drängte sich zurück durch die Menge.


Sousanna war unterdessen der Magd ruhig gefolgt. Sie kannte das Gebäude, war dort eine lange Weile ein und aus gegangen, dennoch folgte sie als wäre sie nie hier gewesen. Die Arme ruhig hinter dem Rücken verschränkt, betrachtete sie die Schönheiten und Wunder hier. Ein verträumtes Lächeln lag auf ihren Lippen. Die Padrona hatte ein gutes Werk getan. Dieses Anwesen erinnerte sie mehr denn je an das Anwesen ihrer Träume. Einer Villa voller Schönheit und Lüste... Eines Nachts, sie schwor es sich einmal mehr, eines Nachts würde sie etwas derartiges ihr eigen nennen.

Schließlich neigte sich das Haupt der Harpyie vor der Viscontessa so anmutig als hätte sie nie etwas anderes getan. "Und mich ehrt es, dass ihr mich in dieses Kunstwerk eingeladen habt. Es erinnert mich an alte, glückliche Zeiten.", lächelte sie ihr anerkennend zu, ehe ihre Stimme vertraulicher und der Blick weicher wurde. Sanft raschelte die schwarze Seide, die ihren zierlichen Leib umschmeichelte, als sie den Blick durch den Raum schweifen ließ, und der goldene, fremdländische Schmuck klimperte leise. "Ich sehe mit Freuden, dass ihr euch hier etwas eingelebt habt."
Dann aber winkte sie leicht ab. "Mein Blut gewohnt, nicht unbedingt auf den ersten Blick für angebracht gehalten zu werden. Euer Diener hat nichts getan, was nicht schon tausende Male geschehen ist - und ich bin mir sicher, dass er gelernt hat." Ein leichtes Lächeln huschte über die Züge voller exotischer Schönheit. "Ich wiederum hoffe, dass ich euch nicht verärgert habe, in dem ich euren Diener etwas länger in Anspruch genommen als ihr gewiss geplant habt."
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Avelina di Braida
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

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Interesse schlich sich in ihren Blick, bei den Worten der Harpyie, und sicher hatte sie bereits jetzt viele Fragen im Kopf, doch zunächst musste die Etikette eingehalten werden. Und so schüttelte sie sacht das Haupt.
„Nicht doch, ihr werdet eure Gründe gehabt haben Bernardo eine Weile zu beschäftigen, nachdem er so dreist eure Zeit in Anspruch nahm. Für mich klang es, als habe er schlicht seinen Dickschädel durchsetzen wollen nach einem Wortgefecht mit eurem Diener. Und ja, ich denke er hat gelernt. Sollte ich weitere Nachrichten für euch haben, so wird er sich direkt an euern Diener wenden.“
Sie zögerte einen Moment, als denke sie darüber nach, was sie vergessen hatte. Dann stand Erleuchtung in ihre Miene geschrieben und sie wendete sich wieder an Sousanna.
„Ah, darf ich euch eine Erfrischung anbieten?“

Und bei der Frage deutete sie schon auf eine der Liegen, mit einer Geste, dass die Harpyie es sich doch gemütlich machen solle.
„Ihr sprecht, als kennt ihr dieses Haus gut.“ meinte sie schließlich mit ruhiger Stimme, und ließ sich ihrerseits auf einer der Liegen nieder, die Beine übereinanderschlagend, „Und nun ja... es stand wohl lange leer.“
Der Blick ging einmal mehr über das ansprechende Äußere der Ravnos. Es war für sie nach wie vor ungewöhnlich eine Kainitin zu sehen, deren Haut so derart rosig war und die so derart lebendig wirkte. Wüßte sie nicht, um wen es sich handelte, wäre sie sicher versucht gewesen sie zur Beute zu machen. Sie war weiblich, sie war schön und wenngleich sicher nicht unschuldig, so hätte sie dennoch gut in ihr Jagdschema gepasst.

Avelina schien zögerlich, als suche sie nach geeigneten Worten. Offenbar ein heikles Thema für sie. Oder aber es war schlicht der Anblick der Harpyie, der sie für einen kleinen Moment ablenkte.
„Ihr kanntet die Bianchis? Es muss eine große Familie in Genua gewesen sein dem Anwesen nach zu urteilen. Was ist mit ihnen geschehen, dass dieses Haus so lange leerstand, ohne Erben oder dergleichen? Und verzeiht, wenn diese Frage zu weit geht, doch ich muss leider sagen, dass ich rein gar nichts über dieses Haus weiß. Einzig und allein, dass es sein ganz eigenes Leben zu haben scheint, und geradezu Geschichte atmet.“
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

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In einer gelassenen Geste winkte die Tochter der Wanderer ab. Für sie schien diese Angelegenheit bereits erledigt gewesen zu sein, als Bernardo aus der Tür ihrer kleinen Wunderkammer getreten war.
"Auch ich hatte diesen Eindruck.", gab sie mit einem charmanten Lächeln zu und sah die Viscontessa schließlich beinahe so verschwörerisch an, als wären sie beste Freundinnen. Leises Amüsement blitzte in ihren Augen, ließ sie noch lebendiger wirken, als der Zauber ihrer Röte es ohnehin schon tat. "Es ist wohl der Fluch der Männlichkeit. Der Starrsinn und die Sturheit... Wir sollten uns nicht zu sehr darüber grämen. Sie versuchen doch nur ihr Bestes."
Ein theatralisch überspieltes Seufzen, das von einigem komischen Talent erzählte, hob und senkte ihre Brust, dann lächelte sie wieder gesetzt. "Eine Erfrischung wäre wunderbar."

Mit der tänzerischen Anmut einer jungen Katze machte Sousanna es sich auf der gewiesenen Liege bequem. Auch sie überschlug gelassen die Beine.
Ein leichtes Nicken untermalte die Worte der Rose, doch sie ließ es zu, dass sie sie einmal mehr musterte. Bewusst oder unbewusst schien sie für einige Momente das perfekte Opfer für jede Fantasie zu sein. Die pure Unschuld und Lust in einem. Menschlichkeit und Versuchung vereint. Diese Frau war dafür geschaffen worden, anderen Wesen zu gefallen, ein gefährlich schönes Kunstwerk zu sein. Das wurde in diesem Augenblick klar.

Schließlich aber schüttelte sie den Kopf und lachte leise. In dem Raum halte es wieder wie einer jener winzigen Wasserfälle, die in diesen Villen zu bewundern waren. Leicht und schmeichelnd war der Laut ihrer Stimme zwischen all der Pracht.
"Ich kenne die Villa Bianchi aus der Zeit, da sie leer stand.", erwiderte sie leise und pustete sich in mädchenhafter Galanz eine Strähne aus dem Gesicht. "Die Bianchis kenne ich aus Erzählungen... Eine große Familie, ein zauberhaftes Anwesen. Ich kann euch nur dazu gratulieren."
Eine Weile strich ihr Blick noch einmal über den Raum und ein melancholischer Ausdruck umhüllte dieses hübsche Gesicht für einen Augenblick wie ein Schleier. Dann aber sah sie die Rose an und lächelte offen. "Vielleicht kann ich euch aber aushelfen, wenn ihr mir sagt, was ihr über dieses Haus wissen wollt."
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Avelina di Braida
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

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Sie gab der Magd ein Handzeichen und diese verschwand schnell in einem der Gänge, mit den gleichen flinken, kleinen Schritten mit denen sie zuvor Sousanna durchs Haus geleitet hatte.
Avelina schmunzelte unterdess auf die Worte der Ravnos hin, in Bezug auf die Männer.
„Nun, der Teil von ihnen der Diener ist will ohne Frage das Beste für uns. Was den Teil betrifft der 'Mann' ist... da wäre ich mir nicht ganz so sicher.“

Die Padrona des Hauses lehnte sich zurück, es sich gemütlich machend, den Worten Sousannas mit bedächtigem Kopfnicken lauschend.
„Dann steht es also schon lange leer...“ sinnierte sie, und sah dann mit einem entschuldigenden Lächeln zu ihrem Gast.
„Verzeiht, aber ich gehe davon aus, dass ihr bereits eine ganze Weile in Genua seid. Eine Frau in eurer Position, mit eurem Wissen über die Stadt... Letztendlich ist es wohl auch gar nicht wichtig, wer die Bianchis waren, oder was mit ihnen geschehen ist. Wichtig wird sein, wie man sich ab heute an dieses Haus erinnert.“

Avelina wollte gerade erneut ansetzen, da kam die Magd auch schon wieder mit einem Kelch in der Hand und einer weiteren jungen Frau im Schlepptau. Sie hatte blondrotes Haar, welches ordentlich zu einem dicken Zopf geflochten war, der um ihren Kopf gewickelt war. Sommersprossen zierten ein hübsches Gesicht, das nicht so blass war wie die Haarfarbe es vermuten ließ. Sie hatte einen gesunden, warmen, Olivfarbenen Teint. Gekleidet war sie in eine schlichte, aber elegante Tunika. Ganz allgemein ein sehr gepflegt aussehendes Mädchen, das nicht den Anschein machte, als hätte es jemals harte Arbeit kennengelernt.

Avelina schaute auf und lächelte, ein lobendes Nicken in Richtung der Magd.
„Ah, Lucrezia.“ auch das Mädchen bekam ein Lächeln, bevor sie sich wieder an Sousanna wandte, begleitet von einem fragenden Blick.
„Ich hoffe Lucrezia sagt euch zu? Nun, ich weiß nicht was in Genua Sitte ist. Bei uns ist es üblich den Gast zu fragen, ob er die direkte Methode oder den Kelch bevorzugt.“
Und Lucrezia wartete brav, den Kopf geneigt, aber hin und wieder einen verstohlenen Blick zu der Harpyie riskierend, und vielleicht ein klein wenig nervös auf den Sohlen wippend zwischendurch. Und auch die Viscontessa traf der ein oder andere Blick, deren warmes und entspanntes Lächeln Lucrezia zu beruhigen schien.
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Sousanna
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Die Harpyie lächelte zustimmend, während ihr Blick die Magd verfolgte. "Nun ich für meinen Teil, versuche deshalb den Mann durch eine gute Mischung aus Belohnung und Strafe im Zaum zu halten." Sinnierend blickte sie Avelina an und lächelte dann während schelmische Funken durch ihre Blicke huschten. "Nach genug Zuckerbrot und Peitsche, fressen sie einem aus der Hand."
Für einen Moment sah sie nachdenklich ins Leere, schien über andere Methoden nachzudenken. Dann aber zuckte sie die Schultern. Es war ja eigentlich doch gleich.

Über die Schlussfolgerung schließlich nickte Sousanna leicht. "Da habt ihr Recht, werte Visconessa. - In jedem Punkt." Da sie sich etwas zu Avelina wenden wollte, verschob sich einmal mehr die Seide. Ob nun gewollt oder ungewollt zeigte sich nun eine ihrer schmalen Schultern.

Sie hatte wohl noch etwas sagen wollen, da trat die Magd wieder in den Raum. Begleitet von dem Mädchen namens Lucrezia.
Ein ruhiges, warmes Lächeln traf die beiden Frauen, während die Schöne sich anmutig aufsetzte. Erneut wurde ihre tänzerische Bewegung vom melodischen Klimpern des Goldes untermalt. Kurz schien sie die Blonde interessiert zu mustern, ehe sie ihr ein charmantes Lächeln und einen beruhigenden Blick zuwarf.
Dann sah sie ihre Herrin wieder an. "Sie ist voll und ganz nach meinem Geschmack.", bestätigte sie und lächelte schließlich über die Frage.
"Ich danke euch, dass ihr dies fragt. Ich muss nur leider den Kelch bevorzugen." Für einen Augenblick schien die Wanderin traurig. Ihr Hadern war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, dann aber war da wohl ein Entschluss und letztlich lächelte Sousanna verschwörerisch. "Das menschliche Aussehen will bitter bezahlt werden, müsst ihr wissen. - Und ich will euch einen sehr unwürdigen Anblick ersparen." Sie zwinkerte der Rose zu.
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Avelina di Braida
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

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Avelinas Kopf neigte sich zur Seite, bei Sousannas Bemerkung über ihr menschliches Aussehen und es arbeitete ganz offensichtlich hinter ihrer Stirn. Sie hätte mit vielem gerechnet, diese Aussage überraschte sie allerdings. Doch ganz die wohlerzogene Adelige lächelte sie schließlich und neigte den Kopf.
„Wie ihr wünscht, Signora. Da wir unter uns sind, nehmt ihr hoffentlich keinen Anstoß daran, wenn wir das Zimmer nicht verlassen. Zumal man keine wertvolle Sekunde verstreichen lassen sollte.“
Sie schmunzelte und blickte zu Lucrezia. Dann klopfte sie neben sich auf die Sitzgelegenheit, worauf das Mädchen der Magd den Kelch abnahm und auch sofort zu ihr kam. Die junge Frau schien ein wenig erleichtert, dass sie zu ihrer Herrin durfte, und es war auch keinerlei Scheu zu erkennen, stattdessen schmiegte sie sich sehr zutraulich an Avelina.

Diese lächelte noch einmal zu Sousanna, wandte sich dann ab und begann dem Mädchen über die Wange zu streicheln, während sie ihr in die Augen blickte. Langsam beugte sie sich zu ihr hinüber und flüsterte ihr leise ein paar Worte ins Ohr.
„Du kannst dir später eine Belohnung abholen.“ sie hauchte Lucrezia einen Kuss auf die Lippen, während die Finger sanft über den Unterarm strichen, den sie schließlich auch anhob, um dort ein paar wenige, weitere zarte Küsse zu platzieren. Am Handgelenkt angekommen, schlug sie mit äußerster Vorsicht die Fänge in die weiche Haut, was dem Mädchen ein leises Stöhnen entlockte und griff mit einer schnellen, fließenden Bewegung nach dem Kelch. Und ebenso vorsichtig, wie sie die Fänge in die Haut geschlagen hatte, zog sie sich auch wieder zurück und ihre ganze Aufmerksamkeit war auf die Erdbeerblonde Frau gerichtet, die mit geschlossenen Augen halb in ihren Armen lag, während das leise Plätschern des Blutes zu hören war, als es in den Kelch floss.

Als der Becher schließlich gefüllt war, wendete sie sich abermals dem Handgelenk zu, und verschloss die Wunden mit einem Zungenschlag. Dann erst richtete sich ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren Gast. Mit einem Lächeln schob sie den Kelch über den Tisch in Sousannas Richtung, und schien sich für den Moment nicht daran zu stören, dass Lucrezia noch an sie geschmiegt war. Ganz im Gegenteil, sie streichelte dem Mädchen abwesend über den Hals.
Avelina selbst hatte wohl nicht getrunken, das mochte auffallen, aber im Moment schien sie auch kein wirkliches Problem damit zu haben sich deswegen beherrschen zu müssen.
Die Magd eilte ohne Aufforderung herbei und half der jungen Frau die ihr Blut gespendet hatte auf, um sie davon zu führen.

Erst als die beiden wieder alleine waren, richtete Avelina das Wort an Sousanna.
„Doch zurück zu eurer Frage. Natürlich würde ich gerne alles über dieses Haus wissen. Schließlich lebe ich jetzt hier.“ gab sie mit einem leichten Lächeln zu, „Doch in erster Linie...“ sie zögerte und ihre Miene wurde ernster. Nachdenklich wanderte ihr Blick zu der Lyra die noch immer neben ihr lag, und sie strich Gedankenverloren mit den Fingern über das dunkle Holz, fast als würde sie über die Haut eines liebgewonnenen Wesen streicheln, ähnlich wie bei dem Mädchen. Ihre Stimme war ruhiger, leiser, als sie schließlich wieder sprach.
„Die verehrte Signora welche mir das Haus überließ sagte mir, es sei ihre Aufgabe für die Gastfreundschaft und die Sicherheit in dieser Stadt zu sorgen. Sie sagte ich solle euch fragen, ihr würdet mir mehr darüber erzählen.“
Die strahlend grünen Augen richteten sich fragend und abwartend auf die exotische Schönheit.
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Sousanna
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Gelassen hatte die Schöne genickt und mit einem leisen Lächeln die Schultern gezuckt. Es schien ihr kein Bedürfnis sein, die Dinge weiter zu erklären, oder aber irgendeine Form von Distanz zu suchen. Wer in den Gossen zum Vampir geworden war, der war schlicht andere, bedeutend niederere Umstände gewohnt.
Ruhig hatte sie das Geschehen beobachtet, doch nicht mit sonderlichem Interesse. Auch ihr schien die Gier fern zu sein in diesem Moment. Sie hatte galant die Beine überschlagen und ihren Blick über die Szene schweifen lassen, wie ein mußevoller Betrachter seinen Blick über einen schönen Garten würde streifen lassen. Heiter wippte die Fußspitze auf und ab.

Schließlich aber nahm sie den Kelch mit einem dankbaren Nicken an, lächelte dem erdbeerblonden Mädchen noch einmal zu, um schließlich das Blut zu Ehren der Gastgeberin zu heben.
Während sie einen Schluck nahm schloss sie genüsslich die Augen und ein leises Lächeln hob die so perfekt geformten Mundwinkel. Für einige Augenblicke war die scheinbar so junge Hehlerin ein reines Abbild von Genuss und Lust. Einer jener alten Statuen gleich.

Auf die Worte der Viscontessa aber, lächelte sie wissend und würde sich einige Momente nehmen, ehe sie antwortete. In anmutiger Geste, stellte sie das Gefäß ab, strich sich den Rock glatt und lächelte schließlich.
"Ist es nicht schön, dass Geheimnisse das einzige sind, das wir kostenlos bekommen unter dem Mond?", sinnierte sie und wirkte mehr denn je wie eine Sphinx. In den dunklen Augen funkelten die Scheine tausender Lagerfeuer. Die Kraft ihres Blutes. "Die verehrte Signora hat sich sehr gütig erwiesen. Wie gesagt, vielleicht kann ich euch helfen, vielleicht auch nicht. Es hängt daran, was euch daran wirklich interessiert. Ich bin - und das weiß die verehrte Acacia besser als jeder andere - nicht sonderlich an der Geschichte interessiert. Aber ich höre das Flüstern in Gassen. Ich spüre das Beben menschlicher Körper. Ich sammle wie jeder meines Blutes."
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Avelina verlor sich einen Moment in dem Bild, welches die trinkende Harpyie bot. Und ganz davon ab, dass das Blut frisch war, so mochte man herausschmecken, dass das Mädchen von welchem es stammt auch sehr gesund schien. Offenbar ging die Viscontessa sehr pfleglich mit ihrer Herde um, was sicher auch das Äußere der Erdbeerblonden Spenderin verraten hatte.
Der Blick der Viscontessa wanderte zum Atrium hinaus, blieb dann am Brunnen haften, während die Finger der Rechten weiterhin locker auf den Saiten der Lyra lagen, und ihr fast abwesend, nebensächlich den ein oder anderen Klang entlockten. Keine schiefen oder unpassenden Töne, nein, tatsächlich Klänge, die sich zu einer leisen, hintergründigen Melodie zusammenfügten.

Erst als die Harpyie den Kelch wieder abstellte, wandte sie sich ihr mit einem entspannten Lächeln zu und lauschte ihren Worten.
„In der Tat, die veehrte Signora war sehr großzügig. Doch bedauerlicherweise schien sie sehr in Eile, weshalb sie mich an euch verwies. Viel mehr weiß ich leider auch nicht. Doch natürlich interessieren mich die Beweggründe meiner Gönnerin, und wie ich mich dankbar zeigen kann. Da ihr in scheinbar engerem Kontakt zu ihr steht, mag euch diese ganze Angelegenheit womöglich weniger verwirren als mich.“

Sie wog einen Moment den Kopf, und sah die Harpyie dann ein wenig betrübt an.
„Es ist sehr schade, dass Geschichte nicht zu euren Interessen zählt. Sie birgt oftmals Wahrheiten und Lehren, welche uns die Zukunft besser gestalten lassen. Doch... nun, wenn euch die Gegenwart und die Zukunft mehr behagen, so könnt ihr mir vielleicht näherbringen, welchen Zielen die verehrte Acacia folgt. Wie sie gedenkt für die Sicherheit dieser Stadt zu sorgen, und welche Art der Gastfreundschaft ihr am Herzen liegt.“
Der Blick lag beinahe unschuldig auf Sousanna, während die nächsten Worte doch recht direkt waren.
„Wenn sie von den Schatten spricht, so gehe ich davon aus sie meint ihren Clan. Doch auch dieser scheint gespalten und verschiedene Ziele zu verfolgen, wenn ich mich nicht irre?“
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Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Das sphinxartige Lächeln Sousannas wurde ein wenig wärmer, beinahe schon, als spräche sie bei ihren nächsten Worten über eine Freundin, die sie sehr liebte.
"Die verehrte Herrin des Elysiums ist in diesen Nächten stets in Eile, da habt ihr Recht.", gab sie gelassen zu und überschlug bedacht die Beine. Einmal mehr die Geste eines Wesens, dessen Körper Werkzeug und Kunstwerk zugleich war. "Es ist immer schwer die Beweggründe einer so mächtigen Dame zu kennen, doch in diesem Fall kann ich euch sagen, dass sie euch auserkoren hat, da ihr die Gastfreundschaft heilig ist und das Schicksal begabter Töchter der Nacht am Herzen liegt. Sie hat euch gewissermaßen als Novizin in einen Kreis aufgenommen, dessen Aufnahme nur wenige bestehen." Ein leises Lächeln, während sie sich statuengleich zurücklehnte. Es bestand kein Zweifel daran, dass die Harpye zu besagten wenigen zählte. Vielleicht sogar zu den Obersten dieses Zirkels. Vielleicht war der bronzene Ring an ihrem linken Daumen das Siegel dafür.

Dann aber lachte sie ihr glockengleiches Lachen. "Ich will ehrlich zu euch sein, werte Viscontessa, aber meine Ausbildung bestand im Handel und dem schönen Aussehen. Mehr hielt mein Vater nicht für nötig." Eine Offenbarung, die von schelmischen Fünkchen in den Augen untermalt war. "Und ich persönlich halte es mehr mit der Gegenwart und der Zukunft. Vielleicht eine alte Wandererangewohnheit." Gelassen hoben sich die schmalen Schultern.

"Ich denke, es gibt kaum ein Blut, das einträchtig nebeneinander schreitet und nie unterschiedliches will.", erwiderte sie schließlich und bettete im Vorneigen das Kinn auf die verschränkten Finger. "Sie folgt dem, was das Beste ist für Genua. Die Gastfreundschaft ist die einer wahren Dame hohen Blutes. Gütig und voller Macht. So sie euch zu den euren zählt, seit ihr vor dem meisten hier geschützt. Im Gegenzug tut ihr gut daran, sie und die ihren zu den euren zu zählen."
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