[1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

[Juli '18]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

Benutzeravatar
Avelina di Braida
Toreador
Beiträge: 1535
Registriert: Do 31. Mai 2018, 13:17

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Avelina schien ein wenig erleichtert bei den Worten der Harpyie. Die Nähe war es, die sie weiterhin ein wenig Unruhe verspüren ließ.
„Nun, mich langweilen philosophische Theorien durchaus nicht. Ich finde sie eher unterhaltsam und förderlich um den eigenen Geist zu erweitern. Zudem bin ich wie gesagt sehr gefestigt in meiner Meinung, weshalb ich es weit von mir weisen würde es als Bekehrungsversuch zu werten.“ sie schmunzelte leicht, und blickte auf die Finger, die über ihre Haut strichen.
„Doch... wie ihr wünscht. Ihr wollt Erzählungen?“ der Blick unter langen Wimpern wanderte wieder zum Gesicht der Harpyie, und sie blinzelte leicht. War sie ihr die ganze Zeit schon so nahe gewesen? Sie bemerkte wie sich ihr Blut dem Rausch des Lebens hingeben wollte, genoß den betörenden Duft der Öle, die Wärme des Körpers... war dort eben ein Herzschlag zu spüren?

Mit einem Lächeln schloss sie für einen Moment die Augen um sich zu fangen, doch ganz wollte dies nicht gelingen.
„Es gibt vielerlei Erzählungen. Dieses Haus ist voll von ihnen. Alte Erzählungen. Geschichten über Liebe... über Tot... über Götter und Menschen der alten Tage. Das goldene Zeitalter nannte man es. Als die Götter die Menschen an ihre Tafel luden, um mit ihnen Nektar und Ambrosia zu teilen.“
Ihr Blick lag forschend auf Sousanna bei diesen Worten, neugierig.
„Es sind vor allem die Bilder in diesem Haus, die Geschichten erzählen. Manche sind subtil, zeigen Dinge die anderes verbergen, als man glauben mag. Doch alle haben sie eines gemein: man muss wissen, welche Geschichte sie erzählen, um sie zu verstehen. Oder aber sie laden lediglich zum träumen ein und man muss die Geschichten erst erfinden, die sich in ihnen verbergen.“ Ihr Blick wanderte zu dem Wandbild das die Waldszene zeigte, in der sich die seltsamen Wesen tummelten.

Mit zur Seite geneigtem Kopf wandte sie sich wieder an Sousanna.
„Wollt ihr also die Geschichten der alten Tage hören, die hier abgebildet sind? Oder dürstet euch eher nach anderen Arten der Erzählungen? Geschichten die nicht derart ketzerisch sind?“ ihre Stimme war sanft geblieben während ihrer Worte. Ein leuchten lag in den Grünen Augen, verträumt allein beim Gedanken an das was sich in den Bildern verbarg.
"Die Natur lehrt Miteinander. Ohne Dornen wären die Rosen hilflos, ohne Rosen die Dornen trostlos…" KarlHeinz Karius (*1935)
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

"Dann lasst uns ein ander Mal diese Dinge besprechen." Sacht glitten die warmen, geschickten Finger über die Hand der Rose. Da waren Herzschläge, schwach zwar und auf irritierende Weise geisterhaft. Doch sie existierten. In erschreckender Regelmäßigkeit pulsierten sie unter der weichen, duftenden Haut. "Für heute ist all das zu schwer, zu sehr von der Welt der Männer verseucht."
Sousanna schenkte der Viscontessa ein warmes, weiches Lächeln. Eines, das die Umarmung einer Schwester erinnerte. An die Sappho, so sie diesen Namen kannte.

Dann schloss auch sie die Augen, lehnte sich zurück, so dass ihr weiches duftendes Haar die Schultern Avelinas streifte, sie sanft kitzelte. Ihre Stimme war zu einem Schnurren geworden. "Dann erzählt mir davon." Noch immer hielt sie die Hand in der ihren, liebkoste sie sacht und zart, so, dass man kaum erahnen mochte, ob die Berührung nun Wahrheit oder Gespinst war, das von einem geheimen Wunsch befeuert wurde. "Erzählt mir von den alten Göttern meiner Vorfahren. Lasst mich teilhaben an dem Schatz eures Wissens. Lasst mich heute Abend eure Schülerin sein."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Avelina di Braida
Toreador
Beiträge: 1535
Registriert: Do 31. Mai 2018, 13:17

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Avelinas Blick lag aufmerksam auf der Harpyie. Mit leichter Verwunderung blickte sie sie an, ein wenig neugierig, aber auch einschätzend. Sie traf so derart zielsicher die Schwachstellen Avelinas, dass es fast beunruhigend war. Und dabei wußte sie doch nichts über sie...
„Es ist... ich liebe lediglich Geschichten. Und es waren die Geschichten jener alten Götter, die mir seit meiner Kindheit erzählt wurden. Ich bin sicher ihr kennt die ein oder andere bereits.“ meinte sie mit leiser Stimme.

Ein wohliger Schauer fuhr über ihre Rücken, als die weichen Haare ihre Schultern streiften, und sie schloss die Augen für einen kurzen Moment. Dann stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen, und mit einem Funkeln in den Augen traf ihr Blick den der Harpyie.
„Wollt ihr mir folgen, wohlwerte Sousanna? Ich würde euch gerne etwas zeigen. Ich denke es unterstreicht die Geschichte, die ich im Sinn habe.“

Sie erhob sich, ohne die Hand der Harpyie los zu lassen, stattdessen wurde ihr Griff um die warmen Finger ein wenig fordernder. Mit der freien Hand griff sie eine Decke, die neben ihr auf der Liege lag. Und so führte sie die Ravnos hinaus ins Atrium, den freien Innenhof des Gebäudes, über dem in dieser Nacht die Sterne wie Diamanten funkelten und von keiner Wolke verdeckt wurden. Es war regelrecht hell hier, dank des Mondes, der die Welt in sein silbriges Licht tauchte.
Kurz löste sie die Hand, um die Decke auf dem Boden auszubreiten. Dann ließ sie sich nieder und deutete der Schönheit es ihr gleich zu tun.

Und kaum saß Sousanna, rutschte die Toreador näher, den Blick in den Himmel gerichtet.
„Seht ihr dies Sternbild dort?“ sie deutete an einen Punkt irgendwo am funkelnden Firmament, doch es war schwer zu sagen, welches sie meinte. Als sie dies bemerkte, brachte sie die Wange nah an die der Harpyie, griff sanft nach ihrer Hand, und deutete mit ihr gemeinsam nach oben.
„Man nennt es den großen Wagen... oder auch den großen Bär. Kennt ihr die Geschichte dieses Sternbildes?“
"Die Natur lehrt Miteinander. Ohne Dornen wären die Rosen hilflos, ohne Rosen die Dornen trostlos…" KarlHeinz Karius (*1935)
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Ein leises, sanftes Lächeln voller Versprechungen und Leichtigkeit traf die Viscontessa. In den dunklen Augen lag der ruhige Anklang leisen Wissens. Alles so fein, so atemberaubend einfach wie der Flug der Vögel am sonnenüberfluteten Himmel.
"Die meinen erzählen seit jeher Geschichten.", raunte sie leise. Sogar der warmen Stimme hörte man das zarte Lächeln an. Wie ein Band aus Sonnenschein wob es sich in das sachte Wogen der Wellen ihrer Worte. "Und doch findet man immer die eine oder andere Geschichte, die eine oder andere Abwandlung, die einen in kindliches Staunen versetzt. Erst wenn wir dieses Staunen, die Freude über Geschichten verloren haben, sind wir völlig verdammt."

Das Funkeln in den Augen der Rose traf den sehnsuchtsvollen Schein in Sousannas Blick. Das Lächeln wurde in der Wärme einer Umarmung zurück geworfen.
"Heute Nacht.", hauchte sie leise. "Heute Nacht folge ich euch überall hin." Ihre Worte besaßen den Schmelz der Sehnsüchte. Waren bittersüß und so vertrauensvoll, als kannten sie sich schon Ewigkeiten.

Die Ravnos folgte ihrer Gastgeberin. Der sich verstärkende Griff trieb übermütigen Glanz auf die lebendigen Züge voller Unschuld. Leicht und beschwingt ließ sie sich aufziehen und folgte Avelina ins Atrium.
Dort sank sie mit einem offenen Strahlen auf die Decke, ehe sie sich an die andere Schönheit schmiegte. So dass ihr zauberhaftes Haupt beinahe an der hellen Schulter. Erneut ließ sie sich führen. Zart liebkosten ihre Finger dabei die der Rose.
"Wunderschön", flüsterte sie leise. Ihr falscher und doch mysteriös warmer Atem strich über die zarte Haut. Das Lächeln war verträumt und auch ihre nächsten Worte hatten die Unschuld eines begeisterten, jungen Mädchens. "Ich kenne sie nicht. Bitte erzählt sie mir."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Avelina di Braida
Toreador
Beiträge: 1535
Registriert: Do 31. Mai 2018, 13:17

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Die Toreador blinzelte kurz. Noch immer war die Nähe zu der Ravnos... ungewohnt und verführerisch. Das Wissen darum, dass es sich um eine Kainitin handelte, kämpfte in ihrem Hinterkopf gegen das Gefühl der warmen Haut, des warmen Atems. Gleichwohl könnte sie eine Sterbliche hier sitzen haben, die es zu verführen galt. Kurz schloss sie die Augen und genoß dieses Gefühl der Nähe, das ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Letztendlich hatte sie noch immer das Blut der Rosen, die aufzublühen schienen in jenen ach so sterblichen Emotionen.

Dann besann sie sich zumindest ihre Geschichte zu erzählen und setzte mit sanfter, dunkler und leise Stimme an.
„Einst wurde dem arkadischen König Lykaon ein Kind geboren. Eine Tochter, die so schön war, dass ihr der Name Kallisto gegeben ward, was doch nichts anderes bedeutete, als dass sie die Schönste von allen war. Ihrer Schönheit konnten sich selbst die Götter nicht erwehren. Doch die erste die auf die junge Frau aufmerksam wurde, war Artemis, die jungfräuliche Göttin der Jagd, die Herrin des Waldes und des Mondes, sowie die Hüterin der Frauen und Kinder. Als Nymphe und Gespielin nahm sie Kallisto bei sich auf.“

Ihr Mundwinkel zuckte sacht. Dies waren Geschichten, die nicht oft erzählt wurden, die sie nicht oft erzählen konnte, entsprachen sie doch so ganz und gar nicht dem neuen, christlichen Weltbild. Ohne die Position so nah an Sousannas Seite zu verlassen, blickte sie weiter in den Sternenhimmel, lediglich die Hand hatte sie hinabsinken lassen, deren Fingerspitzen ein wenig Gedankenverloren über die Haut am Arm der Harpyie strichen.
„Natürlich musste sie wie alle anderen Nymphen Artemis schwören, dass sie keusch blieb und keinen Mann an sich heran ließ. Doch bei solcher Schönheit konnte kaum ein Mann widerstehen. Schon gar nicht der Göttervater Zeus. Die junge Nymphe weckte Begierde in ihm, und um sich ihr nähern zu können, ohne Verdacht zu erwecken, legte er sich in Gestalt seiner eigenen Tochter Artemis zu ihr. Natürlich währte die Verkleidung nicht ewig und Kallisto versuchte sich zu wehren... doch wer konnte sich den Vater der Götter schon vom Leib halten?“

Sie seufzte leise.
„So musste sie wenig später mir Entsetzen feststellen, dass sie schwanger war. Natürlich versuchte sie es zu verbergen, doch die Zeit steht nicht still, und eines Tages beim Bad am See, wurde sie von den anderen Nymphen bloßgestellt. Artemis zürnte. Sie verstieß ihre Geliebte, die bald darauf ihrem Sohn Arkas das Leben schenkte. Inzwischen hatte allerdings die Gattin des Zeus, Hera, von der Verfehlung ihres Mannes erfahren. Und waren sie doch zahlreich, so wollte sie dafür sorgen, dass er immer wieder an sie erinnert wurde. Sie verwandelte Kallisto in eine Bärin.“

Wieder machte sie eine Pause, warf einen Seitenblick auf ihre eigenen Finger, und hielt ein wenig erschrocken inne, als sie bemerkte, dass sie noch immer Gedankenverloren die weiche, warme Haut des Arms streichelte.
„Viele Jahre durchstriff die Bärin die Wälder. Doch eines Tages traf sie auf ihren eigenen Sohn. Er war ein Jäger geworden. Doch im eigenen Blute sieht man nur ungern eine Gefahr, und erfreut über den Anblick ihres Kindes, wollte sie ihn umarmen. Für Arkas jedoch war sie nichts als ein wildes Tier, das aussah, als wolle es ihn angreifen. Kaum wollte er sich zur Wehr setzen, da griff der Göttervater abermals ein. Ob ihn am Ende doch sein Gewissen plagte, ob der Ereignisse die er ausgelöst hatte? Um sie zu schützen, und vielleicht um sich selbst zu schützen, verwandelt er sowohl sie, als auch Arkas in Sterne. Dort sind sie für uns immer sichtbar, da Hera bei Okeanos erwirkte, dass sie nach einer glühenden Nacht niemals in den kühlenden Strom eintauchen dürfen.“ sie hielt inne, blickte dann mit einem sachten Schmunzeln zu Sousanna, und fügte erklärend hinzu „Der große, und der kleine Bär verschwinden niemals hinter dem Horizont des Meeres.“

Noch einmal glitt der Blick über den Körper der Harpyie, bevor sie leise flüsterte, „Vielleicht wacht sie auch von dort immer noch über ihre Geliebte. Denn ist nicht an jeder Geschichte ein Fünkchen Wahrheit? Und ist die Liebe und die Leidenschaft nicht das, was die Welt und den Himmel im eigentlichen treibt?“
"Die Natur lehrt Miteinander. Ohne Dornen wären die Rosen hilflos, ohne Rosen die Dornen trostlos…" KarlHeinz Karius (*1935)
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Die Schöne hatte die Augen wie gebannt auf den Sternenhimmel gerichtet und schien voller Begeisterung in Betrachtung und Erzählung aufzugehen. Beinahe mochte man glauben, vor ihrem Blick verwuchsen die Sterne zu Gestalten, die die Geschichte ebenso für das Auge lebendig werden ließen wie die Worte es für das Ohr taten.
Gewiss hätte sie es auch tun können. Ohne mit der Wimper zu zucken. Doch dieses Geschenk musste man sich erst verdienen.

Stattdessen bot der Anblick der Harpyie, die so gebannt war von dieser Geschichte, die mitlitt, erleichtert wirkte und schließlich doch in Wehmut erneut den Blick zum Himmel hob, mehr als nur ein Geschenk. Eine Geschichtenweberin musste auch zuhören können. Und Sousanna vermochte das mit ihrer gesamten Existenz.

Da die Geschichte endete, schien sie aus einem tiefen Schlaf zu erwachen. Erst jetzt kam wieder Bewegung in ihren Leib. In anmutiger Eleganz wandte sie sich zu Avelina. Ließ sie sich noch mehr am Anblick ihres Leibes ergötzen, während ihr Blick sich beinahe zärtlich an dem der Rose festhielt. Die Schatten eines schönen Traumes lagen darin und ihr Lächeln schien noch traumtrunken.
Nur ihre Stimme war klar, warm und rein. "Sie sind es, die unsere Welt zu dem machen, was sie ist. Sie bringen Freud und Leid. In einer Welt ohne Leidenschaft und Liebe, möchte ich nicht sein." Beinahe klang es wie ein Schwur. Ein Bekenntnis.

Dann aber neigte sie tief das Haupt vor ihrer Gefährtin in jener Nacht. "Sagt wie kann ich euch für diese Geschichte voller Zauber danken?", fragte sie sacht. Ihre Augen glühten unter den züchtig niedergeschlagenen Lidern.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Avelina di Braida
Toreador
Beiträge: 1535
Registriert: Do 31. Mai 2018, 13:17

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Auf Sousannas Worte zu Leidenschaft und Liebe lächelte die Rose, und strich abermals sacht mit den Fingerspitzen über ihren Arm.
„Ich auch nicht, wohlwerte Harpyie, ich auch nicht.“ dann ertönte ein leises, bescheidenes Lachen, „Aber das würde man einer Rose wohl auch nicht abnehmen. Ich kenne sehr wohl die Geschichten über mein Blut, weiß was man uns nachsagt in Sachen der Leidenschaft. Allerdings gibt es unter den Unsrigen auch jene, welchen das Gespür für solche Dinge völlig abgeht, oder die es gar weit von sich schieben.“ ein Seufzen ertönte, und für einen winzigen Augenblick konnte man meinen ihre Gedanken trieben sie zu einem leichten Rümpfen der Nase.

Dann weiteten sich ihre Augen ein wenig, als die Ravnos ihre Frage stellte. Sie wirkte geradezu schüchtern, geehrt.
„Ich... es freut mich, dass euch die Geschichte gefallen hat. Und danken müsst ihr mir nicht, ihr ehrt mich doch bereits mit eurer Anwesenheit.“ und eben jener war sie sich noch immer überdeutlich bewußt, schien sie zu genießen. Doch ihre Reaktionen darauf waren subtil, fast wie ein Spiel – oder war es tatsächlich nur Zufall? Sie riss den Blick aus bezaubernden grünen Augen fast wiederwillig los, und verträumt richtete sie ihn erneut in den Himmel, wobei die kühle, nackte Haut ihres Oberarms wie zufällig die warme der Harpyie streifte.

Sie zögerte einen Moment, „Aber... eine Frage hätte ich vielleicht. Sofern ich euch damit nicht zu nahe trete. Ich kann nur aus der Sicht einer Toreador sprechen, doch viele der Unsrigen scheinen die menschlichen Empfindungen der Leidenschaft abgelegt zu haben, oder gar zu verpönen. Ihr jedoch scheint euch an ihr zu erfreuen.“
Sie richtete den Blick wieder auf Sousanna, neugierig.
"Die Natur lehrt Miteinander. Ohne Dornen wären die Rosen hilflos, ohne Rosen die Dornen trostlos…" KarlHeinz Karius (*1935)
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Amüsiert nickte Sousanna. Beinahe wie von selbst legten sich ihre warmen Finger auf Avelinas Hände. "Es ist braucht Mut sich als Wesen der Nacht der Liebe und Leidenschaft zu widmen." Dann aber ein Seufzen, das diese melancholische Feststellung untermalte. Jede ihrer Silben war einem Theaterstück gleich perfekt inszeniert. "Es wurde uns vieles geraubt, was wir nie wieder bekommen können." Leise raschelte die Seide, als sie sich zurücklehnte, um erneut einige Augenblicke schweigend in die Sterne zu blicken. Dann lächelte sie ihre Begleiterin in dieser Nacht ruhig an. "Aber wir haben doch einige Geschenke bekommen und die gilt es zu ehren."

Warm prickelte das Lachen der Ravnos dann über die Haut der blassen Schönheit, als sie ihre Frage vernahm. "Nicht die Bitte, die ich erwartet habe, aber eine berechtigte Nachfrage.", schmunzelte sie zufrieden. Wieder herrschte einige falsche Atemzüge lang Schweigen. Dann fuhr sie sich durchs duftende Haar, verströmte einmal mehr den betörenden Duft der Fremde. Ihr Blick schien etwas im Licht der Sterne zu suchen.
Danach aber fanden sich die großen, braunen Augen wieder in der Wirklichkeit. Sie fanden ihr Gegenüber und schienen es mit einem zarten Glühen zu umfangen. Anmutig neigte Sousanna sich schließlich zu der Viscontessa und flüsterte in ihr Ohr: "Ich schätze was Glück und Schönheit bringt. Und was ist feiner, hübscher und lustvoller als der volle Umfang menschlicher Empfindungen." Dabei strichen ihre sanften Finger reizenden über den Arm der Toreador nach oben. Sie kitzelten liebevoll und sacht die kühle Haut.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Benutzeravatar
Avelina di Braida
Toreador
Beiträge: 1535
Registriert: Do 31. Mai 2018, 13:17

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Die wie zufällig erscheinenden, zarten Berührungen hier und da, das Flüstern an ihrem Ohr, die Wärme der Haut, der Duft der exotischen Öle... All diese Sinneseindrücke waren Dinge, denen sich die Rose nicht entziehen konnte. Sicher gab es keine deutliche Reaktion darauf. Kein sich beschleunigender Puls, keine Gänsehaut, kein Atem, der von Erregung sprach. Sie war tot, und lediglich die sich senkenden Augenlider mochten einen Hinweis darauf geben, dass die Nähe der Harpyie sie in ihren Bann zog.

„Wer wäre ich etwas anderes von euch zu erbitten? Ihr seid die Harpyie dieser Domäne, ich eine adelige Zugereiste.“ flüsterte sie leise zurück, ihrerseits ihre Lippen dicht an Sousannas Ohr.
„Doch es mögen andere Geschenke sein, von denen ihr sprecht, als jene, die meinem Blut gegeben sind, weshalb ich neugierig bin. Womöglich eine Reaktion die mit eurer warmen Haut zusammenhängt...“
Und während die Finger Sousannas über die kühle Haut ihres Arms strichen, legte sich ihre eigene Hand sacht auf das Bein der Harpyie, zögerlich, vorsichtig, als würde sie lediglich die Fingerspitzen über den Stoff wandern lassen, wenngleich es die Haut darunter war, der die eigentliche Aufmerksamkeit galt.

„Sagt, ist es nur der Biss, der euch einen Schauer über den Rücken jagt?“ flüsterte sie weiter, „Oder könnt ihr ebenfalls den Rausch der Lebendigkeit spüren, den eine einfache Berührung, ein Streicheln, ein Kuss mit sich bringt?“ sie ließ es fast verlockend klingen und einmal mehr wurde deutlich, wie sehr sich ihre klangvolle Stimme zum Gesang eignete, wenngleich es nur ein Flüstern war. Kein Schauspiel, keine eingeübte Verführungskunst war in den Bewegungen und den Worten zu erkennen, schlicht eine Natürlichkeit die zu versprechen schien, dass reine Ehrlichkeit in ihnen lag.
"Die Natur lehrt Miteinander. Ohne Dornen wären die Rosen hilflos, ohne Rosen die Dornen trostlos…" KarlHeinz Karius (*1935)
Benutzeravatar
Sousanna
Ravnos
Beiträge: 2931
Registriert: Mo 14. Nov 2016, 21:12

Re: [1010] Vermittlerin der Schatten [Sousanna, Avelina]

Beitrag von Sousanna »

Ein sachtes Lächeln glitt über die Züge der Schönen gleich einer Wolke, die den Himmel durchquerte. Pure Schönheit vor dem Hintergrund reiner Majestät und dennoch leicht, sacht und vor allem ohne Eitelkeit.
Ruhig schwebte ihre Hand an Avelinas kühle Wange, legte sich in schwesterlicher Geste und liebevoller Sanftmut daran. "Die Meinen geben nicht viel auf Stände.", raunte sie. Ein leises Raunen von Feuern und Geschichten. Eines, das an Freiheit erinnerte. "Wir geben etwas auf den Eindruck, den eine Person hinterlässt. Auf den Augenblick und die Zukunft. Und im Augenblick dürftet ihr alles von mir erbitten." Zart strichen die weichen Fingerspitzen über die Kieferlinie der Schönen.

Der Duft des weichen Haares stieg ihr noch mehr in die Nase, als Sousanna sich an die Viscontessa schmiegte. Wie zufällig glitt der Stoff, der das Bein verdeckte, zur Seite, enthüllte einmal mehr ein Stück honigfarbene, warme, weiche Haut.
"Ich fühle alles, gute Freundin." Ein Hauchen voller Leidenschaft. Dieses Wesen konnte nicht tot sein. Es vermochte es einfach nicht. Sogar seine Stimme lebte, bebte, schien zu fühlen, wahrhaftig eins zu sein mit der Welt. "Mein Vater im Blute lehrte mich die Freude am Rausch des Lebens."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
Gesperrt

Zurück zu „1010“