[1026] Das Blut der Fischer [Alain, Sofia]

[Alain le Beau]

Wieder scheint der junge Mann ihre Worte einfach nicht zu hören. Stattdessen kneift er die Augen zusammen und betrachtet die Wand. "A-ha!" sagt er fröhlich. "Eine Tür!" Ohne Zögern tritt er zwischen den Efeu und legt seine Hand auf das Holz. Sofia hört ein leises, unangenehmes Quietschen, als die Tür sich einen Spalt öffnet. Alain blickt durch diesen Spalt hindurch, schaut dann wieder seine Begleiterin an, zwinkert, und schlüpft hindurch.

[Sofia Caruso]

"Aber ihr... ihr könnt doch nicht einfach..." Offensichtlich kann er schon, denn Alain verschwindet kurzerhand durch die Türöffnung. Die junge Frau verharrt einen Moment an Ort und Stelle. Kurz zieht sie in Erwägung umzukehren und Alain einfach ziehen zu lassen, doch andererseits liegt nur zu verlockend dieser Duft in der Luft, welcher sie daran erinnert, dass es ein Geheimnis zu entschlüsseln gab.

Vorsichtig tritt sie zu der Türe und mustert aufmerksam die Mauer, den Efeu, das Holz... ehe sie sich näher an den Spalt wagt und versucht einen Blick hindurch zur anderen Seite zu werfen. Darauf bedacht selbst noch auf der bekannten Seite der Türe zu bleiben.

[Alain le Beau]

Sofia kann den Wind auf ihrem Gesicht spüren, der durch den schmalen Spalt zieht. Er bringt den Geruch des Meeres mit sich. Als sie hindurchblickt, sieht sie, dass der kleine Wald offenbar an der Mauer endet. Zu ihrer Linken erstreckt sich eine Grasfläche, die in einen Strand übergeht. Und an dessen Ende wiederum erstreckt sich weit und ewig das Meer. Die Mauer scheint beinahe bis zum Wasser gebaut worden zu sein, wo sie - soweit Sofia das erkennen kann - in einem kleinen Türmchen endet. Von dieser Seite aus ist die Mauer offenbar auch begehbar, über ein Holzgerüst.

Als sie den Kopf weiter vorstreckt, sieht sie Alain, der über die Wiese schreitet, auf eine gigantische, dunkle Erhebung zu. Nein, keine Erhebung, sondern ein Gebäude. Es ist keine Fischerhütte. Es ist ein kleiner Palast, den sich wahrscheinlich ein niederer Adliger oder ein geistlicher Würdenträger hier in die Landschaft gebaut hat. Sofia hat dunkel im Hinterkopf, dass der Bischof von Genua bei Nervi ein Anwesen besitzen soll.

All das scheint den Jüngling kaum zu spüren, dessen Schritt beschwingt und beinahe fröhlich wirkt.

[Sofia Caruso]

Sie macht einen Schritt durch die Türe, bleibt jedoch einen Schritt weit davon entfernt, so dass auch ihr Begleiter folgen kann. Mit dem Rücken zur Mauer, verharrt sie an ebenjener.

"Alain?" ruft sie leise gegen den Wind und es bleibt ungewiss, ob die Worte bis an sein Ohr dringen. Ihr Blick gleitet ein weiteres Mal über die Szenerie. "Ich denke nicht, dass es uns gestattet ist, hier zu sein... Also... Ihr habt das Meer ja nun gefunden und..." resigniert steht sie weiter an der Mauer und schaut dem Jüngling hinterher. "Ich denke es ist klug, wieder umzukehren..."

[Alain le Beau]

"Es ist doch offensichtlich niemand zuhause", ruft Alain und zeigt auf den großen, dunklen Bau. "Außer vielleicht dem Koch. Wir könnten ein paar köstliche Speisen abgreifen." Er ist schon halb über die Wiese gestiefelt und tatsächlich: Keine Wache rennt aus dem Haus heraus, um ihn aufzuhalten. Sofia sieht zu ihrer Rechten ein Torhaus, offenbar der Hauptdurchlass durch die Mauer, an dem Fackeln brennen. Aber wenn dort Wächter stationiert sind, so haben Sie Alain wohl nicht gehört. Wahrscheinlich hat der Wind seine Worte verweht.

"Man kann nicht einfach umdrehen und heimkehren", hört Sofia die Stimme ihres seltsamen Begleiters. "Nicht, wenn wir ein Märchenschloss gefunden haben!"

[Sofia Caruso]

Einen Moment schließt die junge Frau die Augen und analysiert im Geiste die Situation. Der Wind, der vom Meer herüber weht, zerzaust ihr etwas das Haar und sie zieht die Kapuze etwas tiefer ins Gesicht. Dann lässt sie erneut den Blick streifen. Dem Jüngling hinterher zu rufen, war zwecklos. Er würde sie auf die Entfernung wohl kaum noch hören.

Zögerlich verharrt sie weiter an Ort und Stelle und schaut dem Fischerburschen weiterhin nach.

[Alain le Beau]

Alain erreicht das große Bauwerk und drückt sich an die Mauer. Im Schatten ist er beinahe unsichtbar. Dennoch sieht Sofia, wie er ihr winkt, ihm zu folgen. Er schleicht vorsichtig zu der Ecke des Palazzos, die dem Meer zugewandt ist, lugt herum und hebt dann den Daumen. Selbst auf die Entfernung kann sie sein Grinsen erahnen.

Langsam bewegt er sich um die Ecke herum.

[Sofia Caruso]

Weiter steht sie an der Mauer, welche diese Seite von der des Waldes abgrenzt, und schaut auf die Stelle, an der kurz zuvor noch Alain zu sehen war. Das Rauschen der Wellen ist alles was bleibt, das Wehen des Windes...

Sie würde sicherlich nicht so ohne weiteres in fremdes Eigentum eindringen. Mochte der sonderbare Jüngling auch unbedarft einfach voraus eilen... Klug was das sicherlich nicht. Sofia strafft die Schultern und legt die Hände vor ihrem Körper entspannt ineinander. Sie würde einen Moment warten. Warten, ob er seinen Weg wieder zurück zu ihr finden würde... oder ob diese sonderbare Begegnung hier ein Ende fand.

Leicht neigt sie den Kopf zur Seite und schaut abwartend zu der Ecke des Gebäudes.

[Alain le Beau]

Es dauert nicht lange, da taucht Alain wieder auf. Ohne viel Federlesens zu machen, überquert er erneut den Rasen, bis er vor Sofia steht. "Es ist ganz wunderbar", sagt er leise. "Der Bau hat sogar einen eigenen kleinen Anleger. Man kann von dort hervorragend über das Meer blicken." Er hebt die Hand. "Es ist niemand dort, zumindest nicht hinter dem Gebäude."

Sein Lächeln ist breit und warm. "Was sagt ihr? Wollen wir für einen Moment die Aussicht genießen, bevor wir nach Genua weiterziehen?"

[Sofia Caruso]

"Und dennoch... es ist nicht rechtens einfach fremdes Eigentum zu betreten. Es ist..." Sie wirft einen Blick auf die Mauer. "Es ist sogar abgetrennt gewesen, es ist eindeutig erkennbar, dass es sich um einen Bereich handelt, der bitte nicht einfach so aufgesucht werden soll." versucht sie mit unsicherer Stimme die offensichtliche Situation deutlich zu machen.

Unter der Kapuze blicken Alain graublaue Augen entgegen. Augen in denen Neugier liegt, aber auch Unsicherheit, die all das zu überdecken scheint. Jetzt wo er wieder so nah steht, wird sie sich dem intensiven Duft, der von ihm ausgeht, wieder gewahr. Erinnert sich an das Rätsel, das es zu lösen galt...

"Wir können doch nicht einfach... also" sie senkt den Blick. "Das geht doch nicht..."