Re: [1029] Das Tor vor der Nase [Arash, Achilla]
Verfasst: Fr 19. Jul 2019, 14:46
Und so gingen die beiden auseinander. Die Signora kehrte in die Stadt zurück, zu Truppe, zu den Masken, Lumpenkisten, Werkzeugen und dem Wagen der Fahrenden, der aufgeschlagen und mitunter auch radlos einen Teil der Schneider- und Maskenwerkstatt bildete, die ein Herzstück für alles war, was für die Bühne genäht, geleimt, geklaut und umgearbeitet wurde.
Der Wagen stand in einem engen Hinterhof, eingekeilt zwischen den in die Höhe gewucherten Häusern und Hütten in Clavicula. Ein paar Hühner und Zügen waren dort zuhause und der Übergang in die halboffene Küche von Salvos Trinkhaus, in dem Maestro Mauricios Truppe sich ausbreitete, für das sie zahlte oder Kundschaft anlockte und es wahrscheinlich auch oft genug ausnahm und vereinnahmte.
Maestro Mauricio war die Kapriolen und Kaprizen der Signora durchaus gewöhnt und der fortwährende Wunsch nach oder die dauerhafte Arbeit an ausgefallenen Masken gehörte ganz gewiss dazu.
Für diesen Mond war es ein ordentlicher Schub Arbeit, aber kein zu großer. Vieles war bereits vorhanden, die rohen Maskenteile, Aufsätze, Farben und Leime, Leder, Horn oder Stoffe.
Und dies war, was die Signora Achilla und Maestro Mauricio in diesem Monat fertigten:
Der Falke
Die Maske war für den gesamten Kopf gefertigt, nicht nur für das Gesicht. Das war auch notwendig, denn sie hatte einen zierlichen, scharfen Schnabel über der Nase des Trägers und musste bequem und gut mit weichen Lederriemen um den Kopf her befestigt werden. Um die Augen her war sie aus weichem Leder gemacht, so dass sie sich an verschiedene Kopfformen besser und glatt anpassen konnte und die Sicht des Falken nicht eingeschränkt wurde.
Ihr fehlte ein Kinn unter dem Schnabel, so dass beim Tragen vielleicht angeraten war, dass tatsächliche Kinn mit Kohlestaub oder Asche dunkel zu machen.
Setzte man die Maske so auf, ergab sich tatsächlich die Illusion eines Raubvogelkopfes: Die scharfen Falkenaugen waren aus bemalten, braungold polierten Muscheln geschliffen und so aufgesetzt, dass die echten Augen des Menschen in dem geschickt aufgenähten Gemisch aus braunen Federn und Stoff unauffällig wurden. Die Maskenaugen verschoben die Proportionen und machten die Maske wahrhaftig zu einem Falkengesicht.
Der Bär
Diese Maske war breiter als die meisten Menschengesichter es waren und zu ihr gehörte eine Art Schal oder Schulterstück, welches Maske und Schultern verband und so scheinbar den Hals des Maskenträgers so dick und kräftig machte wie der Nacken des Bären es sonst auch war. Erneut war es ein Spiel mit den Proportionen, welches dem Träger der Maske die menschliche Form nahm und stattdessen wenigstens im Schein die tierische Kraft verlieh.
Die Schnauze des Bären mit einigen Fängen aus Stein oder Holz war etwas vorgesetzt, dunklere Stoffe und geschickt vernähte und aufgepolsterte Streifen von Pelz ahmten die Konturen des Bärengesichtes nach.
Das Loch für den Mund und die Nase des Trägers war hinter dieser Schnauze verborgen. Die Augenlöcher waren ebenfalls eher weit und auch hier war wohl angeraten, dass der Träger sich um die Augen her dunkel einrieb.
Der Fuchs
Die rotbraune Fuchsmaske mit der weißen Kehle schien beständig zu lachen. Auch sie hatte eine Schnauze wie der Bär, doch war sie schlanker und die Augenlöcher hatten einen Schnitt, der das gesamte Fuchsgesicht gewitzt und schlau aussehen ließ.
Die Maske hatte einen hinteren Teil, mit einer braunroten, gestaffelt aufgenähten Haarmähne - vielleicht war die aus den Schweifhaaren eines Fuchses, also eines braunroten Pferdes, gemacht? Auf die Weise ließ sich geschickt eine Art Haarspange verstecken, auf der die zwei spitzen Fuchsohren steckten, genähte Dreiecke, aufgespannt auf Knochen und in Schwarz zu Rotbraun gefärbt.
Der Eber
Der dunkelgraue, aus Stoff und Leder gemachte und vorgestellte Schweinsrüssel mit den tatsächlich echten Eberfängen war das Zentrum dieser Maske. Der Rest des Menschengesichtes wurde eingerahmt von borstig-grauen Haar- und Pelzteilen. So hatte der Träger tatsächlich die Chance zu etwas Mimik, war aber auch angeraten, das Gesicht mit Kohle und Aschestaub dunkler zu färben. Wem das zu frei war, der konnte einen grauen Stoffstreifen dazunehmen, der die untere Gesichtshälfte verbarg und über dem der Rüssel des Ebers aufgesetzt werden konnte.
Ähnlich wie beim Bären gehörte ein Schulter- und Halsteil zu dieser Maske, so dass der Träger sogleich massiger und schwerer wirkte.
Über den Kopf weg wurde eine Art Mähne oder Matte mit eingenähten, aufgestellten Borsten und Haarbüscheln getragen. Einige davon waren einfach aus eingefärbten, gebundenen und stachlich geleimten Bündeln von Stroh gemacht, andere waren echte Schweinsborsten oder aus der dicken, borstigen Mähne von Eseln geschnitten.
Der Fink
...hatte wohl wegen seiner prägnanten, graublau gegen braunrot abgesetzten Kopfzeichnung seinen Einzug in die Sammlung erhalten. Ähnlich wie beim Falken war ein Vogelschnabel über der Nase des Trägers aufgesetzt und erlaubte ein freies Atmen. Das Maskenkinn fehlte auch hier und die Augen des Finken waren aus schwarzglänzenden Austerschalen gemacht, die so ineinander geschoben und geleimt worden waren, dass sie so schwarz und rund glänzten wie die lebendigen Vogelaugen sonst auch.
Die Menschenaugen blieben geschickt verborgen, genau an der Grenze zwischen dem Graublau und Rotbraun.
Um den Schnabel her saß ein vorwitziger, weicher Kranz aus schwarzen Federn, dahinter war die Maske braunrot und fein, mit ein paar aufgestickten Maserungen nach hinten hin. Die Stirn war in graublau gemacht, mit graublauen, kunstfertig geflochtenen Stoffstreifen, die über den Kopf wegliefen und sich auch mit den Haaren verflechten lassen konnten.
Der Wolf
Das Gesicht des Wolfes war in der Art gemacht wie das des Fuchses, mit einer Schnauze und Fängen, doch etwas gröber und in den Konturen härter. Dem Wolf fehlte der verschmitzte Zug des Fuchses.
Die Wolfsmaske war, anders als die vorigen, zu guten Teilen aus einem starren Stück gemacht: Stirn, Schnauze und Wangen waren aus dünnen Holzstreifen, die gebogen und dann geleimt worden waren, um dem Gesicht eine einzigartige, grimmige Kontur zu verleihen. Der Pelz war in Malerei und am Rande in Schnitzerei angedeutet und wurde dann um die Maske her zu echtem Wolfspelz. Die spitzen, aufgestellten Wolfsohren waren hinter der Stirn so angebracht, dass sie etwas hinter der Maske sitzen mussten und wohl auch am Haar des Trägers festgesteckt wurden.
Der Marder
Auch der Marder war eine Vollmaske, geschnitzt und stilisiert. Bei dem spitzen, dreieckigen Raubtiergesicht reichte die Maske bis kurz unter die Nase des Trägers. Danach begann die pelzig weiße Tierkehle, so dass der Träger darunter gut atmen oder sprechen konnte.
Beeindruckend waren die messerscharfen, hellen Zähne des Marders - jeder, der diesem Hühnerdieb schon einmal begegnet war, würde sie wohl kennen. Sie waren scharf genug um sich durch Käfige und Leder durchzubeißen - oder was sonst den Menschen einfiel, die versuchten, einen Marder zu fangen.
Der harte, obere Maskenteil ließ das Gesicht dreieckig und listig wirken. Die tierischen Ohren waren rundlicher, kleiner und an beinernen Haarspangen festgemacht, so dass man sie seitlich anstecken konnte.
Der Hase
Ganz aus echtem Hasenfell, das mit kleinen Stichen sorgfältig zusammengenäht und auf eine Maskenform aufgesetzt worden war, war die Hasenmaske gemacht. Direkt daran angebracht waren die beiden aufrechten Löffel. Weil sie so lang waren, musste der Träger wohl achtgeben, dass er sie nicht abbrach, aber dafür war die Maske immer sofort zu erkennen. Welches Tier hatte sonst solche Hasenohren?
Der Stirn- und Nasenteil der Maske war mit einem Aufsatz aus Lederriemen und Holzstreifen auch dem Menschengesicht etwas vorgesetzt, die pelzigen Wangen waren etwas aufgepolstert und der untere Maskenteil war extra befestigt, so dass er beweglicher war und besseres Atmen und Sprechen erlaubte. Wenn der Maskenträger mit dem Kinn etwas wackelte, konnte es darum sogar so aussehen, als knabberte der Hase gerade auf irgend etwas herum.
Die Augenlöcher waren weit und recht hell ausgekleidet. Wenn der Träger die eigenen Augenhöhlen schwarz ausmalte, konnte sich gut die Illusion von übergroßen, dunklen Hasenaugen ergeben.
Die Schlange
Die Schlange war ein kleines Kunstwerk. Es handelte sich auch um eine Vollmaske, die das gesamte Menschengesicht des Trägers überdeckte und ihm alle menschlichen Konturen nahm. In zarten, braungrünen Maserungen waren Schuppen angedeutet und die Nasenpartie hin zu den Augen war angezeichnet worden.
Die Maskenschneider hatten sich hier nicht daran gewacht, wirklich den flachen Schlangenkopf nachzuempfinden sondern hatten stattdessen mit den Farben und der fremdartigen Art des Schlangengesichtes gearbeitet und die schwarzen Maserungen der Ringelnatter gegen die helleren Brauntöne abgesetzt.
Das Maul der Schlange war viel breiter gemalt als jeder Menschenmund es wäre und so sah er gleichzeitig auch viel schmaler aus. Dort, wo die Maske am Mund vorn etwas offenstand, konnte man auch ein Paar Giftzähne erahnen, die in Wahrheit aber aus Vogelknochen waren und innen halfen, die Maske zu stützen.
Eine lange, schwarzglänzende Zunge ging vorn aus dem Maul heraus - in Wahrheit wohl der geschmeidigere Teil einer geölten, geflochtenen Kutscherpeitsche, die die Schneider zwiegespalten enden ließen, so dass es aussah wie eine echte Schlangenzunge.
Der Luchs
Die Luchsmaske mit den spitzen, hohen Pinselohren und der markanten, dunklen Gesichtszeichnung war auch gut und schnell zu erkennen. Sie war aus einem Stück gemacht, doch in den Wangen und um die Nase her den tierischen Formen nachempfunden.
Im Großteil war für sie helles Leder benutzt worden, auf das in Stickerei und mit feinen Aufsätzen aus dunklen Holzperlen die Fellzeichnungen des Luchses nachgezeichnet waren. Doch an den Wangen, um die Stirn her und zu den spitzen Ohren oben hin war echtes, buschiges Fell benutzt worden. Das von einem echten Luchs war wahrscheinlich zu teuer und zu schwer zu bekommen gewesen, aber die Maskenschneider hatten sich davon hier so wenig beeindrucken lassen wie bei allen anderen Masken auch. Hier hatten wohl ein paar Straßenkatzen Fell und Haut lassen müssen, um die weiche, buschige Natur des Luchsfells nachzuempfinden.
An den Seiten der Maske und oberhalb der Stirn waren Lederstreifen so angebracht, das sie sich alle miteinander oder mit den Haaren des Trägers verflechten ließen und so die Kopfform noch ein wenig verfälschten.
Alle Masken waren mit dem Können eines venezianischen Maskenschneiders gemacht - und mit einer gerüttelten Portion Vorstellungskraft und Erfindungsgeist. Einige der Masken sahen so wild und unmenschlich aus, dass man sie wohl nicht alltags hätte tragen können ohne dass die Leute auf den Straßen den Kopf geschüttelt hätten. Vielleicht wäre dem einen oder anderen sogar bange geworden, denn wer tauschte schon sein redliches Angesicht gegen das von irgenedeiner Bestie?
Dennoch waren die Masken eben nur dies: Masken und Illusion. Obwohl sie gut gefertigt waren, waren sie nicht für die Ewigkeit gemacht - nichts, das zur Bühnenkunst gehörte, war das.
Doch dafür waren alle so gefertigt, dass der Träger darunter gut atmen konnte, sich nicht wundscheuern musste und wenn er schon schwitzte, dann gab es doch hier und da überall versteckte Ritze oder kleine Löcher, das einem nicht zu heiß wurde. Dies war für einen Träger, der das Leben schon hinter sich gelassen hatte, wahrscheinlich von wenig Bedeutung, doch für einen gewöhnlichen Menschen wohl eine große Erleichterung. Mit Masken wie diesen konnte man einen Bühnenstück aufführen oder Possentänze machen und Lieder singen, denn so gaben das Handwerk und die Bühne es auch vor.
Der Wagen stand in einem engen Hinterhof, eingekeilt zwischen den in die Höhe gewucherten Häusern und Hütten in Clavicula. Ein paar Hühner und Zügen waren dort zuhause und der Übergang in die halboffene Küche von Salvos Trinkhaus, in dem Maestro Mauricios Truppe sich ausbreitete, für das sie zahlte oder Kundschaft anlockte und es wahrscheinlich auch oft genug ausnahm und vereinnahmte.
Maestro Mauricio war die Kapriolen und Kaprizen der Signora durchaus gewöhnt und der fortwährende Wunsch nach oder die dauerhafte Arbeit an ausgefallenen Masken gehörte ganz gewiss dazu.
Für diesen Mond war es ein ordentlicher Schub Arbeit, aber kein zu großer. Vieles war bereits vorhanden, die rohen Maskenteile, Aufsätze, Farben und Leime, Leder, Horn oder Stoffe.
Und dies war, was die Signora Achilla und Maestro Mauricio in diesem Monat fertigten:
Der Falke
Die Maske war für den gesamten Kopf gefertigt, nicht nur für das Gesicht. Das war auch notwendig, denn sie hatte einen zierlichen, scharfen Schnabel über der Nase des Trägers und musste bequem und gut mit weichen Lederriemen um den Kopf her befestigt werden. Um die Augen her war sie aus weichem Leder gemacht, so dass sie sich an verschiedene Kopfformen besser und glatt anpassen konnte und die Sicht des Falken nicht eingeschränkt wurde.
Ihr fehlte ein Kinn unter dem Schnabel, so dass beim Tragen vielleicht angeraten war, dass tatsächliche Kinn mit Kohlestaub oder Asche dunkel zu machen.
Setzte man die Maske so auf, ergab sich tatsächlich die Illusion eines Raubvogelkopfes: Die scharfen Falkenaugen waren aus bemalten, braungold polierten Muscheln geschliffen und so aufgesetzt, dass die echten Augen des Menschen in dem geschickt aufgenähten Gemisch aus braunen Federn und Stoff unauffällig wurden. Die Maskenaugen verschoben die Proportionen und machten die Maske wahrhaftig zu einem Falkengesicht.
Der Bär
Diese Maske war breiter als die meisten Menschengesichter es waren und zu ihr gehörte eine Art Schal oder Schulterstück, welches Maske und Schultern verband und so scheinbar den Hals des Maskenträgers so dick und kräftig machte wie der Nacken des Bären es sonst auch war. Erneut war es ein Spiel mit den Proportionen, welches dem Träger der Maske die menschliche Form nahm und stattdessen wenigstens im Schein die tierische Kraft verlieh.
Die Schnauze des Bären mit einigen Fängen aus Stein oder Holz war etwas vorgesetzt, dunklere Stoffe und geschickt vernähte und aufgepolsterte Streifen von Pelz ahmten die Konturen des Bärengesichtes nach.
Das Loch für den Mund und die Nase des Trägers war hinter dieser Schnauze verborgen. Die Augenlöcher waren ebenfalls eher weit und auch hier war wohl angeraten, dass der Träger sich um die Augen her dunkel einrieb.
Der Fuchs
Die rotbraune Fuchsmaske mit der weißen Kehle schien beständig zu lachen. Auch sie hatte eine Schnauze wie der Bär, doch war sie schlanker und die Augenlöcher hatten einen Schnitt, der das gesamte Fuchsgesicht gewitzt und schlau aussehen ließ.
Die Maske hatte einen hinteren Teil, mit einer braunroten, gestaffelt aufgenähten Haarmähne - vielleicht war die aus den Schweifhaaren eines Fuchses, also eines braunroten Pferdes, gemacht? Auf die Weise ließ sich geschickt eine Art Haarspange verstecken, auf der die zwei spitzen Fuchsohren steckten, genähte Dreiecke, aufgespannt auf Knochen und in Schwarz zu Rotbraun gefärbt.
Der Eber
Der dunkelgraue, aus Stoff und Leder gemachte und vorgestellte Schweinsrüssel mit den tatsächlich echten Eberfängen war das Zentrum dieser Maske. Der Rest des Menschengesichtes wurde eingerahmt von borstig-grauen Haar- und Pelzteilen. So hatte der Träger tatsächlich die Chance zu etwas Mimik, war aber auch angeraten, das Gesicht mit Kohle und Aschestaub dunkler zu färben. Wem das zu frei war, der konnte einen grauen Stoffstreifen dazunehmen, der die untere Gesichtshälfte verbarg und über dem der Rüssel des Ebers aufgesetzt werden konnte.
Ähnlich wie beim Bären gehörte ein Schulter- und Halsteil zu dieser Maske, so dass der Träger sogleich massiger und schwerer wirkte.
Über den Kopf weg wurde eine Art Mähne oder Matte mit eingenähten, aufgestellten Borsten und Haarbüscheln getragen. Einige davon waren einfach aus eingefärbten, gebundenen und stachlich geleimten Bündeln von Stroh gemacht, andere waren echte Schweinsborsten oder aus der dicken, borstigen Mähne von Eseln geschnitten.
Der Fink
...hatte wohl wegen seiner prägnanten, graublau gegen braunrot abgesetzten Kopfzeichnung seinen Einzug in die Sammlung erhalten. Ähnlich wie beim Falken war ein Vogelschnabel über der Nase des Trägers aufgesetzt und erlaubte ein freies Atmen. Das Maskenkinn fehlte auch hier und die Augen des Finken waren aus schwarzglänzenden Austerschalen gemacht, die so ineinander geschoben und geleimt worden waren, dass sie so schwarz und rund glänzten wie die lebendigen Vogelaugen sonst auch.
Die Menschenaugen blieben geschickt verborgen, genau an der Grenze zwischen dem Graublau und Rotbraun.
Um den Schnabel her saß ein vorwitziger, weicher Kranz aus schwarzen Federn, dahinter war die Maske braunrot und fein, mit ein paar aufgestickten Maserungen nach hinten hin. Die Stirn war in graublau gemacht, mit graublauen, kunstfertig geflochtenen Stoffstreifen, die über den Kopf wegliefen und sich auch mit den Haaren verflechten lassen konnten.
Der Wolf
Das Gesicht des Wolfes war in der Art gemacht wie das des Fuchses, mit einer Schnauze und Fängen, doch etwas gröber und in den Konturen härter. Dem Wolf fehlte der verschmitzte Zug des Fuchses.
Die Wolfsmaske war, anders als die vorigen, zu guten Teilen aus einem starren Stück gemacht: Stirn, Schnauze und Wangen waren aus dünnen Holzstreifen, die gebogen und dann geleimt worden waren, um dem Gesicht eine einzigartige, grimmige Kontur zu verleihen. Der Pelz war in Malerei und am Rande in Schnitzerei angedeutet und wurde dann um die Maske her zu echtem Wolfspelz. Die spitzen, aufgestellten Wolfsohren waren hinter der Stirn so angebracht, dass sie etwas hinter der Maske sitzen mussten und wohl auch am Haar des Trägers festgesteckt wurden.
Der Marder
Auch der Marder war eine Vollmaske, geschnitzt und stilisiert. Bei dem spitzen, dreieckigen Raubtiergesicht reichte die Maske bis kurz unter die Nase des Trägers. Danach begann die pelzig weiße Tierkehle, so dass der Träger darunter gut atmen oder sprechen konnte.
Beeindruckend waren die messerscharfen, hellen Zähne des Marders - jeder, der diesem Hühnerdieb schon einmal begegnet war, würde sie wohl kennen. Sie waren scharf genug um sich durch Käfige und Leder durchzubeißen - oder was sonst den Menschen einfiel, die versuchten, einen Marder zu fangen.
Der harte, obere Maskenteil ließ das Gesicht dreieckig und listig wirken. Die tierischen Ohren waren rundlicher, kleiner und an beinernen Haarspangen festgemacht, so dass man sie seitlich anstecken konnte.
Der Hase
Ganz aus echtem Hasenfell, das mit kleinen Stichen sorgfältig zusammengenäht und auf eine Maskenform aufgesetzt worden war, war die Hasenmaske gemacht. Direkt daran angebracht waren die beiden aufrechten Löffel. Weil sie so lang waren, musste der Träger wohl achtgeben, dass er sie nicht abbrach, aber dafür war die Maske immer sofort zu erkennen. Welches Tier hatte sonst solche Hasenohren?
Der Stirn- und Nasenteil der Maske war mit einem Aufsatz aus Lederriemen und Holzstreifen auch dem Menschengesicht etwas vorgesetzt, die pelzigen Wangen waren etwas aufgepolstert und der untere Maskenteil war extra befestigt, so dass er beweglicher war und besseres Atmen und Sprechen erlaubte. Wenn der Maskenträger mit dem Kinn etwas wackelte, konnte es darum sogar so aussehen, als knabberte der Hase gerade auf irgend etwas herum.
Die Augenlöcher waren weit und recht hell ausgekleidet. Wenn der Träger die eigenen Augenhöhlen schwarz ausmalte, konnte sich gut die Illusion von übergroßen, dunklen Hasenaugen ergeben.
Die Schlange
Die Schlange war ein kleines Kunstwerk. Es handelte sich auch um eine Vollmaske, die das gesamte Menschengesicht des Trägers überdeckte und ihm alle menschlichen Konturen nahm. In zarten, braungrünen Maserungen waren Schuppen angedeutet und die Nasenpartie hin zu den Augen war angezeichnet worden.
Die Maskenschneider hatten sich hier nicht daran gewacht, wirklich den flachen Schlangenkopf nachzuempfinden sondern hatten stattdessen mit den Farben und der fremdartigen Art des Schlangengesichtes gearbeitet und die schwarzen Maserungen der Ringelnatter gegen die helleren Brauntöne abgesetzt.
Das Maul der Schlange war viel breiter gemalt als jeder Menschenmund es wäre und so sah er gleichzeitig auch viel schmaler aus. Dort, wo die Maske am Mund vorn etwas offenstand, konnte man auch ein Paar Giftzähne erahnen, die in Wahrheit aber aus Vogelknochen waren und innen halfen, die Maske zu stützen.
Eine lange, schwarzglänzende Zunge ging vorn aus dem Maul heraus - in Wahrheit wohl der geschmeidigere Teil einer geölten, geflochtenen Kutscherpeitsche, die die Schneider zwiegespalten enden ließen, so dass es aussah wie eine echte Schlangenzunge.
Der Luchs
Die Luchsmaske mit den spitzen, hohen Pinselohren und der markanten, dunklen Gesichtszeichnung war auch gut und schnell zu erkennen. Sie war aus einem Stück gemacht, doch in den Wangen und um die Nase her den tierischen Formen nachempfunden.
Im Großteil war für sie helles Leder benutzt worden, auf das in Stickerei und mit feinen Aufsätzen aus dunklen Holzperlen die Fellzeichnungen des Luchses nachgezeichnet waren. Doch an den Wangen, um die Stirn her und zu den spitzen Ohren oben hin war echtes, buschiges Fell benutzt worden. Das von einem echten Luchs war wahrscheinlich zu teuer und zu schwer zu bekommen gewesen, aber die Maskenschneider hatten sich davon hier so wenig beeindrucken lassen wie bei allen anderen Masken auch. Hier hatten wohl ein paar Straßenkatzen Fell und Haut lassen müssen, um die weiche, buschige Natur des Luchsfells nachzuempfinden.
An den Seiten der Maske und oberhalb der Stirn waren Lederstreifen so angebracht, das sie sich alle miteinander oder mit den Haaren des Trägers verflechten ließen und so die Kopfform noch ein wenig verfälschten.
Alle Masken waren mit dem Können eines venezianischen Maskenschneiders gemacht - und mit einer gerüttelten Portion Vorstellungskraft und Erfindungsgeist. Einige der Masken sahen so wild und unmenschlich aus, dass man sie wohl nicht alltags hätte tragen können ohne dass die Leute auf den Straßen den Kopf geschüttelt hätten. Vielleicht wäre dem einen oder anderen sogar bange geworden, denn wer tauschte schon sein redliches Angesicht gegen das von irgenedeiner Bestie?
Dennoch waren die Masken eben nur dies: Masken und Illusion. Obwohl sie gut gefertigt waren, waren sie nicht für die Ewigkeit gemacht - nichts, das zur Bühnenkunst gehörte, war das.
Doch dafür waren alle so gefertigt, dass der Träger darunter gut atmen konnte, sich nicht wundscheuern musste und wenn er schon schwitzte, dann gab es doch hier und da überall versteckte Ritze oder kleine Löcher, das einem nicht zu heiß wurde. Dies war für einen Träger, der das Leben schon hinter sich gelassen hatte, wahrscheinlich von wenig Bedeutung, doch für einen gewöhnlichen Menschen wohl eine große Erleichterung. Mit Masken wie diesen konnte man einen Bühnenstück aufführen oder Possentänze machen und Lieder singen, denn so gaben das Handwerk und die Bühne es auch vor.