[1031] Blick auf den Horizont [Galeno, Gasparo]

[August '19]
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Nubis
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[1031] Blick auf den Horizont [Galeno, Gasparo]

Beitrag von Nubis »

Im Frühjahr 1030 erreichte ein Bote das Kastell und überbrachte eine Nachricht. Sie war für niemand sonst gedacht, als für den Magister Casparo di Como.
An:
Gasparo di Como, Neugeborener des Clan Ventrue,
Kind des Majorianus,
Kind des Desiderio,
Kind der Brutia Livia,
Kind des Caracallas, Ahn des Clans der Könige und Herrscher der 12 Städte,
Kind des Lucius Tarquinus Priscus Ahnherr des Clans der Könige und Kind von Ventrue

Ich grüsse euch erneut, werter Gasparo di Como. Womöglich habt ihr davon erfahren, dass ich einige Zeit nicht in der Stadt verweilte, doch nun bin ich zurückgekehrt und würde gern erneut das Gespräch mit euch suchen. Allerdings dieses Mal an einem etwas ruhigerem Ort.
Der felsige Strand, oder besser gesagt die Klippen am Meere zwischen Genua und Quinto al Mare locken zu einen wunderbaren Blick auf das Meer.
Ich möchte euch dort gern, falls euch möglich, zum nächsten vollen Mond auf ein mitternächtliches Schauspiel einladen.

Hochachtungsvoll und mir voller Vorfreude
Galeno Fiore vom Blute Kappadozius
Und tatsächlich würde zu jener Nacht ein Gelehrter mit einem schon etwas abseits wartenden Mönch dort auf das Meer hinaus schauen. Die Füsse nur wenige Schritt von der Klippe entfernt, die zerbrochen wirkend Stein um Stein ins Meer zu fallen schien, langsam, aber stetig. Das Meer lag beinahe ruhig da und doch tosten die Wellen spielerisch um die Steine herum, spülten aus, was auszuspülen ging und nagten so nach und nach ihr eigenes Bild in diese Formationen. Die Gischt schäumte hier und da ein klein wenig auf und hinterliess kleine Bläschen, die nach und nach zerplatzten und ehe sie gänzlich verschwunden waren, kam ein neuer Schwall Wasser, der wieder die Oberfläche nahe der Felsen in ein grau-bläuliches Weiss hüllte.
Die Mondenscheibe stand silbrig und hell am Himmel, umgeben von tausenden von Sternen. Es war eine sternenklare Nacht, die sich bis zum Horizont zog. Die Sternbilder dieser Jahreszeit waren klar erkennbar und wachten über jene, die unter ihnen noch arbeiteten, oder feierten oder gerade schliefen.
Ein milder Luftzug spielte mit ein paar Blättern und wehte sie von kleineren Büschen hinfort aufs Meer, in welchem sie verschluckt wurden, verschluckt von den schwarz-blauen Tiefen.
Der Gelehrte hatte die Augen geschlossen und lauschte dieser friedlichen Stille, die gar nicht so still war.
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
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Gasparo
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Re: [1031] Blick auf den Horizont [Galeno, Gasparo]

Beitrag von Gasparo »

Crispianus, der Ghul mit dem vernarbten, kahlen Schädel, war bereits vor einigen Tagen im Hellen an dieser Stelle gewesen. Sein Meister hielt sich meist innerhalb der Stadtmauern auf und der Treffpunkt an dieser doch etwas abgelegenen Stelle hatte Gasparo irritiert. Der Ort war ihm unbekannt und warum der kleine Mönch eine solche Isolation wünschte war ihm nicht klar.

Nun, viele Stunden später kehrte er zurück. Eine Lederrüstung und ein Schwert zeigten, dass er sich auf dieses Treffen intensiv vorbereitet hatte. Hinter ihm schritt Gasparo. Er schien fehl am Platz zu sein in der Natur, in seinem fein geschnitten, schwarzen Gewand mit dunkelgrünen Ärmeln. Immer wieder blickte er misstrauisch auf den Boden, ob er nicht in etwas Unerwünschtes trat. Alles schien so … weit. Er sehnte sich bereits nach dem kurzen Spaziergang nach der Sicherheit, die Mauern und Straßen ausstrahlten. Das ungewohnt helle Mondlicht, das den Klippen etwas Unwirkliches verlieh, konnte beunruhigender sein als die gezähmte Flamme des Prometheus.

Schließlich stoppte Crispianus abrupt, als er die Gestalten am Klippenrand sah. Gasparo marschierte an ihm vorbei, sein Blick auf den kleineren Mann fixiert. Der Ghul hielt seinen Abstand.

„Werter Galeno Fiore, Kind von Bruder Martinus … ich grüße Euch.“

Er senkte kurz sein Haupt etwas, als der Kappadozianer sich ihm zuwandte. „Welch … interessanter Ort, den Ihr für unser Treffen gewählt habt.“ Sein Gesicht zeigte keine Spur von Freude. „Ich hätte Euch nicht als Freund des freien Himmels eingeschätzt, seid Ihr doch hinter dem festen und sicheren Mauerwerk Calmadolis aufgewachsen.“

Gasparo stand, wie festgewurzelt, einige Meter entfernt zum Abgrund und zu Galeno und machte auch keine Anstalten, näherzukommen.
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Nubis
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Re: [1031] Blick auf den Horizont [Galeno, Gasparo]

Beitrag von Nubis »

Als er die Worte Gasparos vernahm, lächelte er, öffnete die Auge und wandg sich ihm dann zu.
"Werter Gasparo", und er zählte nachfolgend noch einmal die gesamte Ahnenlinie auf, "auch ich grüsse euch und freue mich, dass ihr kommen konntet."
Er senkte ebenfalls sein Haupt zur Begrüssung.

"Ihr scheint nicht sonderlich erfreut über jenen Treffpunkt? Und euer Diener erscheint, mir gut gerüstet."
Diese Aussage enthielt einen feinen, fragenden Unterton.

Er schmunzelte leicht und schritt auf Gasparo zu.
"Wenn man in einem goldenen Käfig sitzt, hat man die Möglichkeit, darin zu verweilen und stets aber gefangen zu bleiben... oder aber ihm zu entfliehen und natürlich dadurch Gefahren ausgesetzt zu werden. Aber sind es die Erkenntnisse nicht wert, die man dadurch sammeln kann? Ich erweitere lieber meinen Horizont, als mich hinter schützenden Mauern zu verbergen."

Er sah wieder zum Meer und der Flut an Sternen.
"In meinem ersten Leben zog vieles an mir vorüber, ohne, dass ich es zu Gesicht bekam oder studieren konnte. Einiges, was ich nun nie mehr erfahren kann. Unwiederbringlich verloren, eben weil mich die Mauern schützten. Die Farbe des Meeres zum Beispiel."

Eine Weile verharrte er mit dem Blick auf den Horizont, schenkte dann aber Gasparo wieder die volle Aufmerksamkeit.

"Ich wählte diesen Ort auf Grund der schönen Sicht aber eben genau wegen jener Abgelegenheit. Mauern können schützen, aber darin leben auch zu viele Ohren, die mithören. Und mir fielen nur zwei Orte ein, bei denen dies anders sein könnte. Dieser hier, fernab der nächsten Dörfer oder das Kastell. Allerdings dürfte ein Besuch im letzteren einige Fragen aufwerfen. Und ich sorge mich weniger um eure Seite, als um die meinige."

Nun sah er nicht sonderlich erfreut aus.
"Oh, eine Frage vorab, würde es euch etwas aus machen, wenn wir bei weniger offiziellen Angelegenheiten und persönlichen Treffen die Ahnentitel weglassen, oder besteht ihr ein jedes Mal darauf?"
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Gasparo
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Re: [1031] Blick auf den Horizont [Galeno, Gasparo]

Beitrag von Gasparo »

Gasparo hob eine Augenbraue und drehte sich zu Crispianus um. Mit gespielter Überraschung musterte er seinen Leibwächter, bevor er sich wieder Galeno zuwandte. „Ich hoffe, Crispianus erschreckt Euch nicht. Leider ist es weder in Genua noch im Umland gegeben, dass die Sicherheit eines ehrenhaften Bürger eine eindeutige Sache ist. Zu groß ist die Anzahl von Strauchdieben und Gesindel, zu barbarisch und unberechenbar kann der Pöbel sein. Ihr seid auf Reisen gewesen aber mir sind die Erzählungen vom Geburtstag des Senators Di Mare noch allzu gut ins Gedächtnis gebrannt und ich selbst bin auch bereits dem einen oder anderen Rüpel begegnet.“ Ein Moment verging bevor er fortfuhr. „Von den Gefahren, die womöglich von anderen Kindern Kains ausgehen, möchte ich gar nicht erst beginnen.“ Er hob die flache Hand, als ob er ein schreckhaftes Pferd beruhigen würde. „Ihr müsst Euch also nicht sorgen. Seine Präsenz oder seine Bewaffnung hat nichts mit Eurer werten Person zu tun.“

Er sah sich noch einmal die Szenerie des Treffens an und wieder gelang es ihm nicht ganz, seinen Widerwillen zu verbergen. „Dieser Ort mag malerisch sein für Euch als Künstler. Verzeiht, wenn mir dafür der Sinn fehlt. Gebannt in Farbe und Leinwand oder als Freske fände ich den Anblick durchaus angenehmer. Aber das ist meine Natur als jemand, der die erwähnten Mauern schätzt, sowohl praktisch als auch symbolisch.“ Der Lehrmeister ging nicht näher auf diese philosophische Andeutung ein.

„Ich verstehe Eure Bemühung um … Intimität. Mir ist auch bereits bei unserem Treffen in der Villa Fiori aufgefallen, dass sowohl Ihr als auch die werte Viscontessa auf der Hut vor Lauschern gewesen seid. Ich frage mich, gibt es einen konkreten Anlass? Das der Clan der Verborgenen in unserer Stadt dank des Ältesten großen Einfluss hat ist mir bewusst, aber habt Ihr konkrete Gründe, Spione zu fürchten?“ Er hob beide Arme hüfthoch in einer fragenden Geste. „Und warum sollte uns niemand hierher gefolgt sein? Ich könnte mir vorstellen, dass mein Ausflug in die Natur ungewöhnlicher ist als ein Treffen in Genua selbst.“

Bevor er fortfuhr schien er einen Moment zu zögern. Dann schien er etwas ernster zu werden. „Was die korrekte Ansprache angeht … es ist keine Frage des Bestehens. Es ist eine Frage des Respekts. Ich verstehe, dass es Umstände gibt, wo die Sandkörner im Stundenglas knapp sind und Eile geboten ist. Tempus volat, hora fugit. Aber sollte nicht die Zeit drängen wäre es geboten, meinen Ahnen die Ehre zu zollen, die Ihnen gebührt. Wir sind von hohem Blut, werter Galeno, und unsere Herkunft ist ein wichtiger Teil davon. Lasst uns dies nicht vergessen.“ War es Gasparo bewusst, dass seine Unbeweglichkeit den Verbündeten vor den Kopf stoßen könnte? Es war ihm gleich. Seine Erziehung würde eine gefühlte Verleugnung seiner Blutlinie niemals zulassen, seien die Intentionen auch noch so unschuldig oder praktisch gemeint.
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Nubis
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Re: [1031] Blick auf den Horizont [Galeno, Gasparo]

Beitrag von Nubis »

Er blickte zu Crispianus, lächelte matt und wandte sich dann wieder Gasparo zu.
"Sorge um meine eigene Person mache ich mir nicht," kommentierte er nur knapp und nickte dann dies Thema ab. Er konnte die Gründe nachvollziehen und solange sich der Ghul auch friedlich verhielt, war alles in Ordnung.

Bei Gasparos nächsten Worten musste er schmunzeln und meinte dazu: "Nun, ihr wisst, wo ihr einen Freskenmaler findet, solltet ihr einmal ein Motiv dieser Art an einer eurer Wände wünschen. Doch im Gegensatz zu einem Bild an der Wand ist dieses hier stets in Veränderung. Aber gut, wir sind hier nicht nur wegen der Aussicht, sondern weil ich ... sagen wir.. weniger Ohren haben möchte, die Lauschen. Ganz auszuschliessen ist dies nie, aber es ist dennoch besser, als so manch anderer Ort. Und ja, selbst die vermeindlich eigenen vier Wände können wohl in Genua Ohren bekommen."

Er räusperte sich.

"Das ich verhalten war, lag an diversen Umständen. Das Treffen an sich kostete mich einen hohen Anteil meiner Beherrschung, an dem noch immer ist, doch zur Zeit komme ich gut damit klar. Es begleitet mich nun länger schon, also noch vor ein paar Jahren. Ausserdem kannte ich euch noch nicht und hatte zuvor einen ziemlichen Fehler gegenüber einer anderen der Clan der Könige gemacht. Dies wollte ich nicht wiederholen."

Er schien ein klein wenig zu seufzen, auch wenn es tonlos war, schien die Mimik darauf hinzudeuten.

"Ihr habt selbst schon erwähnt, dass es Kainiten gibt, die euch mit Argwohn begegnen, wenn nicht sogar feindseelig? Unsere Herkunft ist nicht gerade das, was hier geschätzt wird, denke ich. Ich habe mehr und mehr das Gefühl, dass man mich los werden will, eben weil man herausgefunden hat, woher ich komme. Und dennoch bemühe ich mich, es nicht all zu sehr publik zu machen. Jedoch denke ich, dass mein verehrter Ältester und der verehrte Blutvogt es lieber sähen, wenn ich nicht mehr bin oder meine Ziele nicht erreiche. Ich wollte mit euch versuchen etwas offener zu sprechen. Doch zur Zeit fehlen mir die räumlichen Möglichkeiten dazu. Ich weiss nicht, ob ihr nicht einen besseren Weg findet, oder einen Rat habt, wie dem Abhilfe geschaffen werden könnte. Dank meines bisherigen Geschichte habe ich auch nicht gelernt verschleiert zu sprechen, was jetzt eher nachteilhaft erscheint."

Er wirkte nicht sonderlich begeistert und wurde abermals noch etwas ernster, fast auch schon etwas arroganter wirkend, da die Haltung noch etwas mehr aufgerichtet schien.

"Werter Gasparo, wenn ihr denn so viel Wert auf die Nennung der Ahnen legt, auf Grund des Respektes ihnen gegenüber, warum missachtet ihr dann die meinigen?"

Er wartete einen Moment und blickte dabei Gasparo prüfend an. Er gab ihm Zeit zu reagieren, nicht mit Worten, sondern musterte dessen Ausdruck, versuchte feine Änderungen zu erkennen. Doch sobald Gasparo den Mund öffnen würde, um auch nur ein Wort zu sprechen, würde er selbst die Mundwinkel leicht nach oben ziehen und Lächeln.

"Da ich meine Herkunft in Genua nicht vollends überall offen legen möchte, ist jene Nennung, die ihr ausgeführt habt, angebrachter, als die vollständige Betitelung. Ich denke, dies würde auch mein sehr verehrter Ahn verstehen und dennoch nicht an meinem Respekt ihm gegenüber zweifeln oder dem eurigen. Dies sage ich euch der Form halber, damit es diesbezüglich auch keine Ungereimtheiten gibt. Sollte ich mich allerdings dazu entscheiden, dies irgendwann in Genua tatsächlich öffentlich werden zu lassen, dann würde ich es ebenso gern zu schätzen wissen, wenn ihr dann ebenfalls dem nachkommt. Auch eine kleinere Ahnenreihe gehört schliesslich geschätzt und respektiert, oder nicht?"
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Gasparo
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Re: [1031] Blick auf den Horizont [Galeno, Gasparo]

Beitrag von Gasparo »

Tatsächlich öffnete Gasparo den Mund, um zu antworten und Galeno unterbrach ihn, bevor ein Ton seinen Körper verließ. Weder Überraschung noch Ärger erschienen auf dem Gesicht des Lehrmeisters als er aufmerksam dem kleineren Mann lauschte. Der Kappadozianer schien tatsächlich verändert, seitdem er ihn das erste Mal getroffen hatte. Vielleicht war aber auch nur das Verhalten in jener ersten Nacht eine Maskerade gewesen, eine Scharade um Avelina, ihn oder doch beide zu täuschen.

Nun wollte Galeno ihn tatsächlich maßregeln und mit dem Hinweis auf seinen Ahn beschämen. Als ob ein Seneschall vom Clan des Todes vergleichbar wäre mit dem Blut Ventrues und den Helden und Demigöttern, die er geschaffen hatte. Aber gut, ein Streit wäre zu diesem Zeitpunkt unangebracht.

„Werter Galeno, verzeiht, wenn ich Euren Umgang mit Eurer Herkunft nicht gänzlich verstanden habe. In Eurem ersten Schreiben an mich erwähntet Ihr nur Euren Schöpfer, bei unserem Aufeinandertreffen nanntet Ihr den verehrten Hephaistos einmal beim Namen und gerade sagtet Ihr selbst, dass Ihr Eure Abstammung eher verheimlichen wollt.

Ist also Eure Verbindung zu Florenz ein Hindernis? Befürchtet Ihr deshalb Sanktionen durch den verehrten Brimir und den verehrten Benedetto?“


Nun schwang etwas in Gasparos Stimme mit. Zu Mitgefühl schien der arrogante Lehrmeister nicht in der Lage, dennoch konnte man eine Veränderung in seinem Tonfall hören. War es Sorge oder Neugierde?

„Unsere Lage scheint ähnlich. Auch mir wurde mehrfach eine Verbindung zum verehrten Maximinanus vorgeworfen. Offensichtlich halten mich einige seiner Gegner für ein leichtes Opfer, ein Ziel Ihrer Beleidigungen und Drohungen während er nicht in Genua verweilt. Euer … verehrter Ältester zeigte diese Seite von sich sehr deutlich.“ Er legte die flache, rechte Hand auf seine Brust. „Dennoch kann die Antwort nicht sein, im Dunkeln zu agieren, als sein man ein Verborgener oder ein schleichendes Tier. Stolz und Ehrlichkeit sind doch Attribute, die uns von den schwächeren Kainiten trennen. Macht Euch und Eure Linie nicht kleiner, als Ihr seid. Gloria filiorum patres.“

Seine Finger berührten kurz sein Amulett bevor er die Hände hinter seinem Rücken faltete. „Versteht mich bitte nicht falsch, dies ist ein Ratschlag, den ich Euch gebe. Keinesfalls fälle ich ein Urteil, wie Ihr bisher verfahren seid.“
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Nubis
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Re: [1031] Blick auf den Horizont [Galeno, Gasparo]

Beitrag von Nubis »

"Bisher habe ich es so gehalten, dass ich den sehr verehrten Senechall nur benenne, wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass es sein muss, oder dass ich es mir leisten kann. Eure Vermutungen treffen zu und"
Er wurde etwas leiser. "Es sollte auch so sein, dass ich nicht offen agiere."

Dann räusperte er sich etwas.

"Doch ich fürchte, das Kind ist schon längst in den Brunnen gefallen und die wenigsten werden im Unklaren sein, woher ich stamme. Ihr meint also, dass wir generell offen auftreten sollten? Zeigen sollten, dass wir keine Angst vor jenen haben, die uns hier nicht haben wollen? Ich weiss nicht recht, wie es um eure Ziele bestellt ist, doch ich habe gegenüber Genua absolut nichts zu verbergen, weswegen ich auch der höchst verehrten Aurore meine Aufwartung machte und während meiner Vorstellung keine Verschleierung wählte.
Der verehrte Benedetto, sowie der verehrte Brimir und die verehrte Acacia sind alle gegenüber dem verehrten Maximinianus negativ eingestellt, verhasst könnte man auch sagen. Eine mögliche Verbindung, sei sie noch so klein, kann deswegen unvorteilhaft sein. Zudem ist Genua Vasall Mailands und von dort sind ebenfalls eher negative Neigungen uns gegenüber zu erwarten. Kein guter Start für niemanden aus dieser Region, egal, wie gut seine Absichten sind. Ich bin nicht sicher, wie ich damit umgehen soll, versuche mein Bestes, um eben zu beweisen, dass ich der Stadt und anderen nicht schaden will, doch ist es ein harter und steiniger Weg. Sehr steinig. Zudem kommen noch andere Probleme dazu.
Der verehrte Benedetto misstraut mir aber noch wegen anderen Dingen..."


Und wieder wurde er leiser.
"Es ist problematisch mit dem Weg der Könige..."

Doch der sehr jung wirkende Kappadozianer schien wegen alle dem keineswegs enttäuscht, oder geknickt, sondern brachte dies als einen festen Fakt ohne einer Gefühlsregung dahinter.

"Wie geht ihr damit um? Was sind eure Mittel, sich gegen jene Vorwürfe zu wehren? Ich muss noch viel lernen und schätze jeden möglichen Austausch darüber."
Jetzt war sie da, die Neugierde, nun war er emotionaler, vielleicht mit einer leichten Hoffnung im Ausdruck.
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Gasparo
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Re: [1031] Blick auf den Horizont [Galeno, Gasparo]

Beitrag von Gasparo »

Gasparo machte einige Schritte, parallel zur Klippe, als er Galeno antwortete. Seine Gangart war geradlinig wie seine Worte. „In der Tat scheint Ihr Euch selbst in eine schwere Lage gebracht zu haben. Verstehe ich Euch richtig: Ihr versuchtet zu verschleiern, dass Ihr Verbindungen zu Florenz habt, da Ihr eine negative Reaktion befürchtetet. Mit Eurem Handeln habt Ihr niemanden einen Grund gegeben, an Eurer Loyalität zu Genua zu zweifeln, aber einige verehrte Würdenträger haben die Details Eurer Herkunft erfahren und Euch … verspottet?“ Er machte auf dem Absatz kehrt und sah Galeno mit gehobener Braue an? „Bedroht?“

Der Lehrmeister setzte seinen Gang fort. „Eure Art, mit der Situation im Nachhinein umzugehen, scheint mir richtig zu sein und spiegelt meine Vorgehensweise wieder. Beweist Euren Wert für die Domäne. Macht Euch zuerst nützlich und dann unentbehrlich. Bemerkt Ihr, dass einer Euer Gönner nicht zu erweichen ist, sucht die Gunst eines anderen, ähnlich mächtigen, Patrons und meidet die Missgünstigen.“ Sowohl Seinfreda als auch Ilario hatten mit Wohlwollen von dem Kappadozianer gesprochen, also schien er nicht isoliert, was die Würdenträger angeht.

Vor seinem inneren Auge erschien für einen Augenblick Acacia, umgeben von wabernder Dunkelheit, Ihre Stimme von brennender Kälte erfüllt, doch diese Erinnerung verblasste so schnell, wie sie gekommen war.

„Vergesst auch nicht … die fünfte Tradition schützt uns ebenfalls vor der Willkür der verehrten Älteren. Würden Eure Peiniger einen Verdacht oder Beweise für größere Vergehen gegen Euch haben hätten Sie diese bereits benutzt, um imAnsehen des höchstverehrten Prinzen zu steigen.“ Gasparo hob einen knochigen Zeigefinger. „Lasst Euch nicht von entfernten Blitzen einschüchtern. So lange Ihr nicht mitten im Sturm seid habt Ihr … Möglichkeiten.“

Gasparo ging nicht näher darauf ein, dass er Zweifel hatte, was den Ältesten der Kappadozianer betraf. Benedettos Verhalten hatte, zumindest unter vier Augen, wenig mit der Etikette und dem Benehmen zu tun, dass der Ventrue von einem Ancilla hohen Blutes erwartete. Aber die Lektion, die er zu vermitteln versuchte, wollte er nicht unnötig schwächen.

Wieder faltete er die Hände hinter seinem Rücken. „Seid ehrlich, integer und standhaft. Kainiten eines gewissen Standes werden diese Haltung in Ehren halten. Vor allem der … Weg der Könige … beachtet und belohnt den Wert des Einzelnen.“

Er hob sein Gesicht zum Himmel. „Es genügt, wenn wir uns schon vor Sol und vor den Nachkommen Noahs verbergen müssen. Vor den unseren, zeigt wer Ihr seid und was Ihr leisten könnt.“
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Nubis
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Re: [1031] Blick auf den Horizont [Galeno, Gasparo]

Beitrag von Nubis »

"Eine sehr offensichtliche Drohung wäre plump, denke ich. Nein. Dies ist mir eher nicht widerfahren. Ganz im Gegenteil, der verehrte Benedetto empfängt mich stets sehr freundlich. Allerdings bei allem, was ich vorschlage, oder was er mir als Aufgabe zuteilt, schwingt stets das Misstrauen mit. Zuletzt sprach er auch sein Bedauern aus, sollte ich mich nicht in eine wünschenswerte Richtung entwickeln, sondern abgleiten. Ich weiss, was er damit meinte und muss mit dieser Gefahr leben.
Die Verschleierung war eher dazu gedacht, Vertrauen aufzubauen, weniger, weil ich selbst etwas befürchtete."

Er räusperte sich.

"Ich habe mich von Anfang an in dieser Domäne nützlich gemacht, nicht weil es mir so befohlen wurde, sondern weil ich und nur ich dieser Domäne helfen wollte. Niemand hat mir dies befohlen, weder diese Seuchenbekämpfung, noch etwas anderes. Die Dinge, die wirklich an mich herangetragen wurden, sind alleine nicht schaffbar und erscheinen wie Aufgaben, mit denen ein ungewollter Kappadozianer einfach aus dem Weg geräumt werden soll. Aber dies will ich nicht auf mir sitzen lassen."

Und nun konnte man in Galenos Blicken ein gewisses Feuer erkennen. Von wegen langweiliger Clan des Todes, hier steckte Ehrgeiz deutlich dahinter, Tatendrang und vielleicht auch ein wenig Todessehnsucht.

"Ich will etwas erreichen und nicht durch so etwas aufhalten lassen. Ich bin kein Kämpfer, muss mir also andere Wege suchen und vielleicht wäre ein Kämpfer auch tatsächlich der Falsche. Ich will Liktor werden, oder vielleicht auch ein anderes Amt erreichen, falls der verehrte Brimir sich trotz meiner Taten gegen mich entscheidet. Ich arbeite hart daran, scheitere aber auch immer wieder. Es ist ein stetiges Umfallen und wieder Aufstehen. Ich renne gegen Wände und suche etwas, womit ich sie durchschlagen oder überklettern kann."

Er setzte kurz ab. "und ich suche Verbündete für diverse mögliche Aufgaben, Projekte innerhalb Genuas. Ich sagte es schon einmal zu euch, mir ist das Bündeln von Kräften lieber, um etwas zu erreichen, als alles alleine zu versuchen und schlussendlich nichts zu schaffen. Ich stehe mit dem wohlwerten Kastellan in einer besonderen Verbindung und arbeite daran, dass sich daraus Möglichkeiten entwickeln."

Er verfolgte die Bewegungen des Ventrue mit seinen Augen. Ehrlichkeit? Und diese Worte gerade von einem Ventrue? Er konnte sich nicht vorstellen, dass dieser wirklich stets ehrlich zu anderen Kainiten war.

"Mhh ihr ratet mir ehrlich zu sein, ist dies nicht gefährlich? Jemand anderer riet mir eher, einiges zu verschleiern ... in Worten und Geheimnissen. Etwas, was nicht ganz einer Lüge entspricht, aber eben auch keine volle Ehrlichkeit beinhaltet. Seid ihr wirklich ehrlich zu allen? Seid ihr gerade ehrlich zu mir? Können wir überhaupt so agieren, wenn doch überall wohl auch andere lauschen könnten? Oder wenn andere uns stets zu belügen suchen und wir stets davon ausgehen sollten, dass keiner die Wahrheit spricht, weil Wahrheiten auch gefährlich sind?"

Nun seufzte er. Tatsächlich hielt es jeder anders, jeder riet andere Dinge und Ehrlichkeit, das hatte er schon erfahren, war eben nicht immer das Beste. Es wurde als Dumm und Naiv aufgefasst. Etwas, was er selbst sehr schade fand.

"Seht, ich bin aufgewachsen ohne Lug und Trug jemals wirklich kennengelernt zu haben. Kleine Notlügen, die meist nicht einmal klappten, ja, aber ansonsten wurde ich zur Ehrlichkeit erzogen. Als Kainit fanden soziale Kontakte mit anderen eher selten statt. Mal ein Hoftag, mal die Freisprechung...aber selbst dann vermied ich die Konversation, hielt mich abseits auf. In Genua ist das nun völlig anders. Anfangs wollte ich mich lieber im Stillen isolieren, doch das sollte so nicht sein. Ich verlor meinen mir einst so geliebten Pfad und schlug eine neue Richtung ein. Allerdings eine, bei der ich noch viel zu lernen habe. Eine, die ihr womöglich schon längst verinnerlicht habt. Zumindest vermute ich dies."

Auch er hatte nun die Hände hinterm Rücken zusammengefaltet, verblieb aber an Ort und Stelle.
"Ich meinte es ernst, als ich davon sprach, dass ich auch gern mit euch zusammenarbeiten möchte und dass wir uns zusammensetzen sollten, um gemeinsam Ideen zu verwirklichen. Oder uns gemeinsam zu stützen. Auch würde ich gern von euch lernen, falls ihr mir vermitteln wollt, was mir womöglich noch fehlen mag, um gesellschaftlich etwas besser" Eine etwas längere Pause schlich sich ein, "...dazustehen. Als ein Mitglied des Clan des Todes ist dies ohnehin ungemein schwerer, da unser Äusseres nicht gerade beeindruckend attraktiv ist, wie beispielsweise das Antlitz einer Rose oder sicherlich auch vieler Könige. Ich will aber auf dem gesellschaftlichen Parkett überleben."

Noch immer musterte er den Ventrue eingehend. Er versuchte ihn zu lesen, Gelerntes von Seitens Avelina mit einzubinden.
"Habt ihr Interesse Konkreteres anzugehen? Wollen wir unsere Kräfte bündeln, sowohl was unseren gemeinsamen Hintergrund betrifft, aber auch mögliche Ziele? Wollen wir grundlegend ehrlich zueinander sein und dies auch so festhalten und nicht einfach nur dahersagen?"
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
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Gasparo
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Re: [1031] Blick auf den Horizont [Galeno, Gasparo]

Beitrag von Gasparo »

Gasparo nickte mehrmals, als Galeno seine Probleme vortrug. Der jung aussehende Vampir klang in den Ohren des Ventrue naiv. Wie schlecht hatte ihn sein Schöpfer vorbereitet? Oder war vielleicht der Knabe, der die Umarmung erhielt, völlig ungeeignet für die Welt Kains gewesen?

„Ihr sprecht grundlegende Verhaltensweisen an, die nur schwer besprochen werden können. Lasst mich wiederholen: Wir sind Wesen, die mit dem Blut eines göttlichen Wesens gesegnet wurden. Durch unsere Adern fließt das Mandat, die Geschicke der Sterblichen zu lenken. Wir sind mit Unsterblichkeit und Macht ausgestattet, wie sie den Heiligen und den Halbgöttern nachgesagt wurden. Und Ihr denkt, dass Ihr wie einer meiner Schüler mit Notlügen und Verschleierungen anderen gegenübertreten solltet?

Was soll Euer … verehrter Ältester wirklich denken, wenn er erfährt, dass Ihr Eure Herkunft verschwiegen habt? Plötzlich sieht er nicht einen Vertreter der Wege Eures Blutes sondern einen Gaukler. Werdet Ihr bei einer Lüge entlarvt, egal von wem, so wird Euer Wort in allen Dingen angezweifelt, sei es ein Bericht, ein Geständnis … ein Schwur. Ohne Glaubwürdigkeit ist Euer Nutzen für die älteren Kainiten … gering.“

Gasparos Gesicht war ernst, aber in seiner Stimme lag keine Bosheit. „Ich sage nicht, dass Ihr wie ein verklärtes Mädchen Euer Innerstes bei jeder Gelegenheit offenlegen sollt. Geheimnisse sind ein Teil unserer Existenz. Aber Ihr müsst lernen zu wissen, wann es sich lohnt, eine Unwahrheit zu riskieren, und wann Stolz und Ehrlichkeit die besseren Ratgeber sind.“

Seine Augen verengten sich etwas. „Dies gilt vor allem, wenn Ihr, wie Ihr sagt, nicht die Fähigkeit besitzt, andere von Euer Aufrichtigkeit zu überzeugen. Kein General sollte in eine Schlacht ziehen, die er nicht gewinnen kann. Fehlt Euch das Werkzeug, wählt einen anderen Weg, werter Galeno. Simplex sigillum veri.

Er begann, seinen Zeigefinger vor sich zu schwenken. „Auch Eure Eigeninitiative ist lobenswert. Seuchenbekämpfung sagt Ihr?“ Seine Augenbraue hob sich fragend, aber er fuhr fort, bevor Galeno auch nur zu einer Antwort ansetzen konnte. „Jedoch solltet Ihr immer darauf achten, dass Eure Arbeit auch jemanden in unserer Gesellschaft nutzt, dass jemand Wichtiges Notiz von dem Nutzen nimmt, den Ihr schafft. Eure Fähigkeiten müssen von anderen begehrt werden, nicht umsonst eingesetzt wie Früchte auf dem Markt.“

Gasparo erstarrte und blickte seinen gehoben Zeigefinger an. Dann faltete er die Hände wieder sprach weiter. Seine Stimme klang weicher, weniger dogmatisch. „Werter Galeno, ich hoffe, meine Worte klingen in Euren Ohren nicht zu kritisch. Natürlich kenne ich nicht die genauen Situationen, in denen Ihr handeltet, wie Ihr es beschreibt. Selbstverständlich ist es für mich einfach, mich vor Euch hinzustellen und von Idealen zu sprechen, ohne je in Euren Fußstapfen gesteckt zu haben. Dennoch bitte ich Euch, den Wert meiner Worte nicht zu unterschätzen.“

Tatsächlich erwartete der Ventrue nicht, dass sein Gegenüber die hohen Erwartungen erfüllen konnte. Immerhin war er kein Mitglied des Clans der Könige, und auch nicht von edler Herkunft zu Lebzeiten. Sein knabenhaftes Aussehen trug sein übriges dazu bei, dass Gasparo an seine Studenten erinnert wurde.

Er straffte sich und der ernstere Tonfall kehrte zurück. „Ich habe bereits bei unserem Treffen mit der werten Viscontessa di Braida bemerkt, dass ich eine Zusammenarbeit begrüßen würde. Offensichtlich sind unsere Absichten und Ansichten ähnlich gelagert.“ Neugierde schlich sich in seinen Blick. „Sagt mir … warum begehrt Ihr das Amt des Liktors? Es scheint mir ein ungewöhnlicher Wunsch für einen … Gelehrten wie Euch … mit der Bewahrung der Stille beauftragt zu werden. Zumal es bereits unserer Cousins gibt, die sich mit dieser Aufgabe befassen.“

Gasparo vermutete, dass Galeno ein Sprungbrett suchte, um in die Nähe der anderen Würdenträger Genuas zu gelangen. Aber er war gespannt, wie der Kappadozianer seine Absicht begründen würde.
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