[1031] Ein Haus voller Weibsbilder [Galeno, Avelina]

[August '19]
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Nubis
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Re: [1031] Ein Haus voller Weibsbilder [Galeno, Avelina]

Beitrag von Nubis »

"Also schwörst du, dass du ihr nicht nachläuftst? Dass du wartest, bis sie wieder da ist? Denk gut nach..ein gebrochener Schwur kann mich sehr wütend werden lassen."
Er sah sie ernst an und Luciano nickte bestätigend.

"Und du hättest dich eben nicht ausziehen müssen...es war deine Entscheidung."
Ein Lächeln zog sich über seine Lippen. "Nackte Menschen sehen wir ständig...sind es gewohnt."
Sein Blick huschte zu Luciano.
"Nun...er macht einen Unterschied, ob es lebende oder tote sind."
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
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Avelina di Braida
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Re: [1031] Ein Haus voller Weibsbilder [Galeno, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Sie zögerte, „Was... wenn sie in drei Nächten noch immer nicht zurück ist, Herr? Irgendwer muss sie dann suchen. Und Bernardo ist mit ihr gegangen, wir können ihn nicht schicken.“ sie wirkte tatsächlich ängstlich.
„Aber... ich werde nicht sofort wegrennen und versuchen sie zu finden, das... schwöre ich. Und auch nicht morgen Nacht und nicht übermorgen Nacht.“

Dann allerdings stutzte sie kurz, als es um das ausziehen ging, nur um kurz darauf wieder ängstlich zu schauen. Lebende oder Tote? Aus großen Augen sah sie den jungen Mönch an, aber sie traute sich scheinbar nicht weiter nachzufragen. Stattdessen schluckte sie nur hörbar.
"Die Natur lehrt Miteinander. Ohne Dornen wären die Rosen hilflos, ohne Rosen die Dornen trostlos…" KarlHeinz Karius (*1935)
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Nubis
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Re: [1031] Ein Haus voller Weibsbilder [Galeno, Avelina]

Beitrag von Nubis »

"Sie wird zurück kommen. Sie wurde nach Nervi eingeladen und traut dem Gastgeber nicht besonders. Ich ebenso nicht. Es sind Vorsichtsmassnahmen, denn ihr seid hier gerade sehr verletzlich. Würde er etwas Böses mit euch anstellen wollen, hättet ihr keine Handhabe. Mit mir und Luciano seid ihr sicherer. Ihre Sorge kann auch völlig unbegründet sein. Das werden wir sehen."
Wieder klang er ruhig und einfühlsam und musterte Benita, bekam das laute Schlucken mit.
"Du hast tatsächlich Angst vor uns. Haben wir dir einen Grund dafür gegeben?"
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Avelina di Braida
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Re: [1031] Ein Haus voller Weibsbilder [Galeno, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Sie lauschte aufmerksam und schien beunruhigt ob seiner Worte. Nickte aber zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. Sie sah zumindest nicht aus, als wolle sie gleich in einem närrischen Plan zur Villa hinausstürmen und einen Dauerlauf nach Nervi beginnen.

Auf seine Frage hin druckste sie ein wenig herum.
„Nein, ihr habt mir keinen Grund gegeben... außer.. das zu sein, was ihr seid, Herr.“ sagte sie vorsichtig. Sicher, sie meinte damit den Kainiten, aber ebenso den Mönch. Immerhin hatte sie nicht die besten Erfahrungen mit Klöstern in ihrem Leben gemacht. Aber das musste Galeno nicht wissen.
„Ich... habe auch Tote gesehen...“ fügte sie leise hinzu, und nach kurzem zögern, „Warum seht ihr viele Tote?“
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Nubis
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Re: [1031] Ein Haus voller Weibsbilder [Galeno, Avelina]

Beitrag von Nubis »

"Ausser das zu sein, was ich bin?"
Er nickte.
"Du solltest stets den nötigen Respekt von einem Kainiten haben, denn Fehler können böse enden. Aber Angst brauchst du vor mir nicht zu haben."
Dann blickte er sie leicht erstaunt an.
"Wo hast du denn viele Tote gesehen? Ich arbeite oft mit den Totengräbern zusammen, begleite sie des Nachts, wenn sie die toten Armen abholen und auch als Mann der Medizin sehe ich oft Tote, jene, für die Medizin zu spät kommt. Ich war auch im Lazarett beim Sardinienfeldzug und ich erforsche die Ursachen des Todes. Als Gelehrter weiss man viel, doch es gibt immer auch Neues zu entdecken."
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Avelina di Braida
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Re: [1031] Ein Haus voller Weibsbilder [Galeno, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

Sie nickte leicht. Respekt hatte sie immer gezeigt. Aber ein wenig Angst schien nicht verkehrt, das hatte Avelina sie gelehrt.
Mit seiner Antwort bezüglich der Toten schien sie zufrieden und nickte sacht. Die Frage allerdings....

„Nicht viele, Herr... Es ist... meine Eltern wurden ermordet.“ sie hielt inne und fast schien es schon, als wolle sie nicht weiter sprechen.
Nach einer langen Pause fuhr sie allerdings fort, „Ich war noch sehr jung. Ich kam nachhause und Männer standen vor unserer Hütte. Sie haben mich nicht einmal bemerkt, also ging ich rein... Sie hingen von den Balken, an ledernen Schnüren, jedes Glied einzeln abgetrennt, wieder zusammengesetzt, als... würden sie tanzen. Nackt. Man hatte ihnen die Haare rasiert und die Augenlider weggeschnitten... ihre Körper eingeölt.“ ihre Stimme klang hohl und unbeteiligt. Lediglich ihr starrer Blick in die Leere kündete davon, dass ihr dies nahe gehen musste. Es dauerte eine Weile bis sie die Augen schloss und einmal tief durchatmete. Dann blickte sie Galeno wieder an.

„Ich wurde weggesperrt, weil ich nicht gesprochen habe. Man glaubte ich müsse wahnsinnig geworden sein, bei dem was ich gesehen hatte. Aber ich bin geflüchtet. Und... es sind... schlimme Dinge passiert.“ an dieser Stelle druckste sie leicht, bevor sie mit einem verträumten Lächeln auf den Lippen weiter sprach, „Aber dann hat Avelina mich gefunden und mitgenommen. Sie hat mich gerettet. Sie ist mein Engel, versteht ihr?“
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Nubis
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Re: [1031] Ein Haus voller Weibsbilder [Galeno, Avelina]

Beitrag von Nubis »

Er verzog das Gesicht ob ihrer Beschreibung.
"Wer macht so etwas?"
Er schüttelte mit dem Kopf. "Nun, da bist du auf jeden Fall in einen guten Haushalt gekommen, in dem es dir an nichts mangelt. Du hattest viel Beistand."
Er schmunzelte wieder.
"Und es ist interessant, wie gleich manche Situationen sein können und wie unterschiedlich unsere Schicksale dennoch sind."
Er räusperte sich.
"Sind die Mörder deiner Eltern je gefunden worden?"
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Avelina di Braida
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Re: [1031] Ein Haus voller Weibsbilder [Galeno, Avelina]

Beitrag von Avelina di Braida »

„Welche gleichen Situationen?“ fragte sie neugierig, und schüttelte dann den Kopf, „Nein, so weit ich weiß hat man ihn oder sie nie gefunden. Ich weiß nicht wer sowas macht. Avelina sagte es sei gut möglich, dass es einer der ihrigen war. Da war kein Blut, wisst ihr? Bis auf diese Symbole an der Wand. Fast wie im Keller.“ Sie stutzte kurz. Sie war sich tatsächlich nicht mehr sicher ob sie sich das Symbol an der Wand dort eingebildet hatte.

Dann neigte sie den Kopf zur Seite, „Ich bin mir allerdings sicher, dass Avelina so etwas nie tun würde. Aber sie sagte mir es gibt unter den Eurigen welche, die keine Menschlichkeit mehr kennen. Die gar Spaß an solchen Dingen haben. Ich verstehe nicht wie man Spaß am töten haben kann. Ich habe es einmal getan.. aus Notwehr. Und es war kein Spaß.“ sagte sie mit fester Stimme.

Dann ging ihr wohl auf, dass Luciano noch immer hier stand und alles mitgehört hatte. Ihr Blick wanderte zu ihm, und sie sah ihn aus großen, traurigen Augen einen Moment lang an. Nein, vielleicht war diese junge Frau nicht so unschuldig, wie man vielleicht glauben mochte. Nicht bei allem was sie gesehen hatte.
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Re: [1031] Ein Haus voller Weibsbilder [Galeno, Avelina]

Beitrag von Nubis »

"Als ich ein junger Novize war, kam in unsere Einsiedelei ein neuer Novize hinzu. Wir stellten keine Fragen nach der Vergangenheit, denn das war nicht üblich. Er wollte sein altes Leben ablegen und ein neues beginnen, eines im Dienste für Gott.
Jedoch eines Tages verschwanden einige der Jünglinge, ungefähr meines Alters. Gefährten, mit denen ich den Unterricht teilte und die Aufgaben, die wir zu erledigen hatten. Ich fand sie, als ich einmal seine Aufgabe übernahm, das Reinigen der Schweineställe, zerstückelt und den Schweinen zum Frass vorgeworfen. Das erste Mal für mich, dass ich den Tod in dieser Form gesehen hatte."
Er sah sie ernst an. "Für mich waren sie eine Familie, alle aus der Einsiedelei waren es."
Dann lächelte er aber wieder, als wenn es einfach so einen Schalter geben würde zum Umschalten. "Es ist also ähnlich..."

Luciano blieb freundlich, verzog nicht die Mundwinkel, sondern hatte einen einfühlsamen, mitfühlenden Charakter, den er auch wieder offen zeigte. Wer wusste schon, was jener alles schon getan hatte. Er schien zumindest ihr keinen Vorwurf zu machen.

"Man sollte niemals töten, ausser es ist notwendig," meinte Galeno und widersprach so irgendwie den zehn Geboten, die man so predigte. "Es gibt Gründe, die dies rechtfertigen. Nicht unbedingt innerhalb der Gesellschaft, aber die man selbst als Rechtfertigung anbringen kann und die einige auch verstehen werden. Spass gehört da allerdings nicht dazu. Töten aus Spass verletzt nur, schädigt und kann sogar Quell von Wissen vernichten. Der Tod kann eine Erlösung sein, oder eine Rettung...oder dafür notwendig sein, dass vielen anderen damit geholfen wird."
Er seufzte.
"Aber ja, ich kann mir vorstellen, dass manche aus Freude töten, egal ob Mensch oder meinesgleichen. Manche sehen Menschen nur als eine Art Vieh und jagen sie sicherlich so gern, wie manch ein Mensch das Tier im Walde jagt. Aber diese Dinge mit der Menschlichkeit sind vielleicht auch noch etwas viel für dich. Für dich sollte wichtig sein, dass du Vorsicht walten lässt, da es unterschiedliche Charaktere bei den Kainiten gibt, ähnlich wie bei den Menschen, nur dass wir durch unsere Kräfte bei Weitem überlegen sind und somit noch gefährlicher."
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Avelina di Braida
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Re: [1031] Ein Haus voller Weibsbilder [Galeno, Avelina]

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Sie verzog das Gesicht bei seiner Erzählung, „Ihr meint.. ihr habt... Fleisch gegessen von Schweinen... die mit... Menschenfleisch gefüttert wurden? Das ist...“ sie schüttelte sich leicht, dann aber schien sie nachdenklich und sah Galeno wieder vorsichtig an, „Warum haben eure Eltern euch in ein Kloster gegeben? Und was habt ihr mit dem jungen Novizen gemacht, der die Schweine gefüttert hat?“

Wieder runzelte sie ein wenig die Stirn, als sie über seine Worte das Töten betreffend nachdachte und sie nickte zustimmend, „Als ich auf der Flucht war lockte mich ein Mann in sein Haus. Er versprach mir ein warmes Bad... und als ich drin war – ich hatte keine Wahl, sonst wäre ich im Schnee erfroren – riss er mir die Kleider vom Leib, damit ich nicht mehr flüchten konnte... er wollte mich niederringen... und er stank ganz furchtbar und war grob. Ich hab... irgendwas gegriffen und zugestochen... immer wieder... ich... hatte Angst.“ wieder wurde ihr Blick kurz leer, dann blinzelte sie, „Ich habe mir eine Decke gegriffen und bin davon gelaufen... der Schnee war mir dann egal. Deswegen... ich... wäre gestorben in dieser Nacht oder der nächsten... aber dann kam Avelina in die Gasse.“ sie lächelte ihn an, mit jener brennenden Verehrung auf den Zügen, die ein Blutsdiener für seinen Meister empfand, „Sie war wunderschön, wisst ihr? Wie ein Engel.“

Ein verträumtes Seufzen später schüttelte sie leicht den Kopf, „Ich will lernen. Ich will, dass Avelina stolz auf mich sein kann. Es gehört auch dazu über die Menschlichkeit zu lernen. Manchmal reicht es nicht Dinge auswendig zu lernen. Man muss sie verstehen.“
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