Ein Gespräch unter vier Augen [SL]

[Juli & August '16]
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Melissa
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Ein Gespräch unter vier Augen [SL]

Beitrag von Melissa »

Es war ein großer Abend für Valentino. Ein gewichtiger Abend, der seinen Aufstieg besiegeln sollte. Seinen Aufstieg in die obersten Ränge der Stadt: In den Senat und den inneren Zirkel der Macht.
Heute war der Abend, an dem er beim Bürgermeister und Patriarchen der Fieschi höchst persönlich eingeladen war.

Arm waren sie nicht gerade gewesen - sein Vater hatte einiges an Gewicht und Reichtum besessen. Aber es alles verspielt und versoffen in den letzten Jahren, hatte das Andenken seiner Mutter mit Huren, Trank und Völlerei besudelt. Ihm war gerade genug geblieben, nicht völlig abzusteigen. Aber viel war es nicht. Wahrscheinlich hätte der alte Mann den Rest seines Vermögens auch noch verprasst, wenn nicht eine glückliche Fügung des Schicksals...
Er war krank geworden. Hatte alle Geschäfte in die Hände seines Sohnes gelegt und sich mehr und mehr zurück gezogen. Bald würde er selbst seinen Platz im Senat aufgeben. Eine glückliche Gelegenheit, die Valentino mit allem Eifer ergriffen hatte.
Die er gut genutzt hatte offenbar, denn die Geschäfte gediehen großartig. So großartig, dass der Bürgermeister selbst auf ihn aufmerksam geworden war.

Nervös zupfte er sich das Hemd erneut zurecht, polierte die bronzenen Knöpfe daran, drehte erneut die Schuhe nach Flecken. Eine schmale Hand legte sich auf seine Schulter, beruhigte ihn. Sie strich ihm über das Kreuz, den Nacken nach oben, legte mit schlanken Fingern ein, zwei Strähnen neu.
"Gehen wir?", flüsterte Melissa ihm ins Ohr.

Sie genoß den heutigen Abend so sehr wie er. Sie würde das Spielchen mitspielen, so wie sie heute noch einige andere spielen würde. Es war nur fair, dass er sich einbilden dürfte, für den Erfolg verantwortlich zu sein und nicht sie. Wenigstens für heute Nacht.
Denn auch für sie würde es ein Aufstieg sein. Bald, bald schon wäre sie die Fesseln los, die sie noch an Fremde ketteten, und würde selber Herrin sein.

Auch sie hatte sich heraus geputzt, hatte ein ein schweres Kleid aus bedecktem Indigo angelegt, verziert mit feinen Silberstickereien am Saum, an den Ärmeln und am Busen, gut zwei Zoll breit. Darüber ein dünner Mantel aus Fuchsfell, Das Haar hatte sie zu einem komplizierten Zopf geflochten, mit silbernen und blauen Bändern darin, die das Haar streng in ihrem Rücken hielten.
Mit Schmuck war sie zurückhaltend gewesen, hatte zu ihrem Ehering aus einem anderen Leben und dem Drachnring an ihrer rechten Hand bloß noch ein silbernes Kreuz angelegt, in dessen Mitte ein herzförmiger Rubin funkelte.
Der Beweis, dass sie Angelique kürzlich nicht angelogen hatte: Sie war eine der wohlhabendsten Frauen der Stadt.

Arm in Arm stiegen sie die Treppen ihrer Villa hinunter - er der zukünftige, fesche Senator, sie seine hinreißende Braut. Er hob sie in die Sänfte, die schon bereit stand, und stieg ihr nach. Mit einem Ruck hebte sie vom Boden ab und die kleine Garde der Trucca bewegte sich mit ihnen in Richtung des Rathauses der Stadt.
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- Giovanni Faldella
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Il Canzoniere
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Re: Ein Gespräch unter vier Augen [SL]

Beitrag von Il Canzoniere »

Das Rathaus Genuas war in einem ehemaligen Stadtpalazzo untergebracht, dessen Besitz jahrelang zwischen verschiedenen Familien umstritten war. Zur Beilegung des Konfliktes habe man sich, dank Zahlungen in äußerst symbolischer Höhe, darauf einigen können ihn der Stadtverwaltung zu überlassen die ihn in den letzten Jahren aufwändig hatte restaurieren lassen.

Das ansehnliche Ergebnis dieser Restaurierungen war dezent, aber unübersehbar luxuriös gestaltet: Marmorne Steine, gläserne Fenster, einen eigenen kleinen Turm auf dem das Banner Genuas im Wind wehte. Nichts was an die Stadtvillen der sechs Familien herankäme, dennoch sichtlich auch repräsentativen Zwecken erlegen. Ein grüner, umliegender Garten mit gekiestem, umliegenden Flanierweg, von der umliegenden Straße durch eine mannshohe Mauer getrennt und von Wachen der Miliz Mascaranas bewacht zeigte welche Annehmlichkeiten es hatte hier zu arbeiten. Ein kunstvoll geschmiedetes, an den Spitzen vergoldetes Gatter ließ täglich dutzende Beamte der städtischen Verwaltung sowie gewichtige Antragsteller ein und aus.

Es mochte durchaus einleuchten das die Probleme mit denen manche Sestieri dieser Tage zu kämpfen hatten hier ziemlich weit weg erschienen.

Die kleine Garde des Senatorensohns schien bereits erwartet worden zu sein. Anstandslos wurden sie eingelassen und direkt am Portal freundlich von einem Beamten begrüßt. Der Bürgermeister sei noch in einem wichtigen Termin mit dem Capitano della Cita, hätte aber sicher gleich Zeit für den edlen Herren Trucca und seine bezaubernde Frau. Wenn sie sich noch einen Moment gedulden würden könne er ihnen einen hervorragenden sardinischen Wein anbieten der extra importiert worden sei. Dabei führte er die beiden in ein kleines Kaminzimmer mit äußerst bequem wirkenden Sitzmöbeln und einem kleinen Feuer welches wohlige Wärme in den Raum entließ.

In dem kleinen, offenbar als Wartezimmer dienenden Raum saß bereits jemand. Nachdenklich ins Feuer starrend blickte er auf als sich die Tür öffnete und Valentino und Melissa hineingeleitet wurden. In die einfachen Gewänder eines Priesters gehüllt verwandelte sich die besonnene und freundliche Maske, die diese Verkleidung offenbar beinhaltete, sobald Melissa eintrat einem kühlen und harten Gesichtsausdruck. Mit einem Mal schien es als ob die Priesterkutte nur deshalb so schlicht gehalten war, um nicht unnötig von der Person die in ihr steckte abzulenken.

Langsam erhob sich der Ventrue und nickte ihr dabei grüßend zu. Für Valentino, den er eben noch freundlich angesehen hatte, hatte er nun wenig mehr als einen abschätzenden Blick übrig.

"Guten Abend werte... Melissa." grüßte er sie ruhig. Für ihre feinen Sinne jedoch gut hörbar schwang eine Spur Überraschung in seiner Stimme mit.
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Melissa
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Re: Ein Gespräch unter vier Augen [SL]

Beitrag von Melissa »

Die Beiden ließen ihre Garde am Eingang zurück und wandelten ohne große Eile durch den Garten. Sie hatten zwar keineswegs alle Zeit der Welt, aber gerade genug um sich etwas im Glanz der Macht zu sonnen, derer sie bald teilhaftig werden würden.
Wie viel schöner war es hier, als in ihrer eigenen Villa im dörflichen Broglio. Wie viel freier und leichter war hier das Herz, wo selbt die Diebe noch edle Gewänder trugen!

Das Angebot des Beamten nahmen sie dankbar an und folgten ihm ohne Umwege in das Wartezimmer. Valentinos Herz begann zu klopfen, Melissa hörte es, sah die feinen, blauen Äderchen an seinem Hals zucken. Auch sie war aufgeregt, denn sie erwartete keineswegs den Bürgermeister heute Nacht zu treffen.
Wäre es bloß um ihn gegangen, hätte sie Valentino ohne weiteres allein geschickt. Nein, sie war überzeugt, dass jemand anderes hier die Fäden in der Hand hielt.

Das Schicksal schien ihr Recht zu geben, als sie in das Wartezimmer eintraten.
Erst hielt sie ihr Lächeln noch zurück, genoß einen Moment noch das Gefühl, den Ancilla auf dem falschen Fuß erwischt und sich einen kleinen Vorteil ergattert zu haben. Dass es gerade der Seneschall war, freute sie um so mehr. Es würde eine hübsche Geschichte hergeben für Alerio und Ferrucio.

Die Tzimisce fasste die Enden ihres Kleides und vollführte einen Knicks. Ihr Begleiter verneigte sich mit einem Ausdruck der Verwirrung vor dem fremden Mann mit der Kutte.
"Seid gegrüßt, verehrter Seneschall", sagte sie und erlaubte sich erst jetzt eines ihrer verschlossenen, schüchternen Lächeln, das ihre Zähne nicht preisgab. Aber es zeigte Maximinianus, dass er nicht das leichte Spiel haben würde, das er erwartet hatte.
"Welch Überraschung, euch hier zu treffen", log sie und wagte einen Augenaufschlag.
Das Spiel hatte begonnen und ihre Eröffnung war fantastisch.
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Il Canzoniere
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Re: Ein Gespräch unter vier Augen [SL]

Beitrag von Il Canzoniere »

Er nickte knapp auf ihre Begrüßung und bedeutete ihr mit einer einladenden Geste sich doch zu ihm zu setzen. Valentino warf er dabei einen kurzen, abschätzenden Blick zu, der dann einen Moment zu ihr zurückwanderte. Dann setzte er sich. Dabei schien er Valentino offenkundig ab jetzt völlig ignorieren zu wollen. Vielleicht gar um eine Reaktion dieses zu provozieren.

"Ich hatte gehofft das ihr der Einladung folgen würdet. Schön das ihr es einrichten konntet." wandte er sich dann ungeniert direkt an die Tzimisce. Der geschäftsmännische Ton schien ihr zu verraten das er tatsächlich Gesprächsstoff für sie beide habe und lediglich seinen Terminkalender neu sortiere. Aber da war noch...mehr?

"Vielleicht können wir das ja in diskreterer Umgebung... besprechen." dabei traf er einen unerwartet anzüglichen Ton und nickte mit dem Kopf leicht nach oben... außerdem... hatte er da gerade gezwinkert? Der Seneschall?

Dünnes Amüsement schien seinen Blick zu passieren als er sie schließlich direkt anblickte und Valentino ebenso direkt ignorierte.
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Melissa
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Re: Ein Gespräch unter vier Augen [SL]

Beitrag von Melissa »

Valentino blickte den Ancilla an, als hätte er gerade eine ungeheuerliche Behauptung aufgestellt. Als hätte er die Welt für eine Scheibe oder den Himmel für bronzefarben erklärt. Die Augenbrauen gesenkt, die Stirn gerunzelt und die Augen in eine tiefe Betrachtung der Situation versenkt, die ihm doch verborgen bleiben würde.

Die Tzimisce lachte dagegen, ihre Stimme war hell und süß wie die eines jungen Mädchens und verbarg ihr wahres Alter ausgzeichnet.
"Wenn ihr es wünscht", sagte sie auf die Bitte des Seneschalls und machte große Augen. "Doch ich bin sicher, dass Valentino nichts ungebührliches daran finden würde, zu bleiben. Er ist ein Teil von mir und ich von ihm. Tatsächlich sind alle seine Entscheidungen meine Entscheidungen. Nicht wahr, mein Herz?"
Melissa drehte sich leicht zu ihrem Blutsdiener, knuffte ihn in die Seite. Er wandte den Blick von dem alten Vampir ab, wieder zu seiner hinreißenden Begleitung.
Irgendetwas von unverbrüchlicher Liebe stotterte er und der Ewigkeit, die er seiner geliebten, verehrten Melissa zu Füßen liegen würde.

Melissa nickte zufrieden - dass die Trucca in ihrer Gewalt waren, war soweit bewiesen.
"Mein Herz", fuhr sie dann fort dem Diener ihres Blutes eine feine Lüge zu spinnen, "Das ist der Herr Seneschall, ein mir sehr verehrter Freund, den ich eine Weile nicht gesehen habe. Wie du hörst: Wir haben einiges aufzuholen, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Sei doch so lieb - geh und lass uns einen Augenblick allein. Ich komme zu dir, sobald der Sindaco Zeit hat."
Valentino blinzelte, nickte und trottete dem Bediensteten hinterher, sollte Maximinianus es so wünschen.

Währenddessen spazierte Melissa zu den Möbeln hinüber. Ihre schmalen Füße, die in weichem Rehleder steckten, machten kaum ein Geräusch auf dem Boden, denn ihr Gang war gleichmäßig und gesetzt. Langsam wie eine Edeldame schlenderte sie herüber und setzte sich - ein Gang, den sie einige Male geübt haben musste.

Sie ließ sich auf dem Stuhl nieder, der am weitesten vom Feuer entfernt war. Die Beine keusch an den Knien aneinander gedrückt und angewinkelt saß sie dort, ließ den Fuchsmantel von ihren Schultern gleiten und faltete sodann die Hände im Schoß.
"Wie können wir euch zu Diensten sein?", fragte sie betont unschuldig.
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Re: Ein Gespräch unter vier Augen [SL]

Beitrag von Il Canzoniere »

Einen Moment hielt die irritierende Mimik des Ventrues noch, dann zog sich jedes freundliche Fältchen, jede kummervolle Falte und jede andere Regung aus dem Gesicht fort wie tauendes Eis an einem warmen Frühlingstag. Ein kurzer Blick der zwischen Valentino und Melissa hin- und herfuhr schien ihm alles was er zu der intensivität der Beziehung der beiden wissen müsste zu verraten, dann nickte er schmallippig.

"Ich hörte das ihr euch in Broglio betätigt. Politisch... und proletarisch. Wenn ich an euer Erscheinen während unseres letzten Gesprächs zurückdenke, hat mich dies neugierig gemacht. Ich habe euch daher beobachten lassen." eine kleine, entschuldigende Geste, die wohl nur der Höflichkeit geschuldet war, folgte. Die kastanienfarbenen Augen überflogen ihre Reaktion und kratzen dabei über Fleisch wie eine Gabel über einen Porzellanteller.

"Ihr habt mich positiv überrascht. Euer Streben nach Ordnung, der Einsatz politischer Mittel zum lösen weltlicher Probleme und eure Sorge um die Sicherheit und den Wohlstand eurer selbstgewählten Umgebung ist etwas das ich für höchst begrüßenswert halte." die sachlichen und ruhigen Worte des Mannes in der Priesterrobe schienen einen völlig anderen Duktus zu haben als der während des letzten Zusammentreffens der beiden im offiziellen Rahmen.

"Ihr seht mich daher etwas betrübt das ihr nicht von eurer Seite aus das Gespräch gesucht habt, sondern auf eigene Faust handelt. Es gibt einige Dinge die von langer Hand geplant sind und nicht für jeden sofort als fundamental erkennbar sind, deren Wegfall oder Störung jedoch beträchlichen, negativen Einfluß auf die Entwicklung der Stadt hätten. Ich versuche daher politisch Beteiligte über diese Dinge im Bilde zu halten. Da ihr nun offenbar Zeit und Aufwand in die Entwicklung Genuas investiert und euch so zu einer politisch Beteiligten macht, halte ich es für sinnvoll das wir nun einige Absprachen treffen, die durchaus das Potential haben die Lage Broglios sowie eure eigene Stellung zu verbessern." offenbar schien sie mit irgendetwas sein Interesse geweckt zu haben. Der demonstrativ desinteressierte Ausdruck den er das letzte mal ausgestrahlt hatte war wachem Interesse gewichen, welches sich in den Blick mit dem er sie bedachte wiederfand.
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Melissa
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Re: Ein Gespräch unter vier Augen [SL]

Beitrag von Melissa »

Melissa hob abwehrend die Hand, wiegelte ab.
"Bitte, ich habe mit so etwas gerechnet", sagte sie auf die Bespitzelung hin, wenn gleich auch ihr Gesicht sie verriet. Ihre Augen verengten sich. In ihnen war abzulesen, dass sie nachdachte, einige Begegnungen neu bewertete, Motive von Bekannten und Unbekannten erneut hinterfragte. Dass sie sich fragte, wie tief in ihr Privatleben der Seneschall eingedrungen war.

"Ich bitte um Entschuldigung, sollte mein Verhalten euch gekränkt haben", fuhr sie dann fort. "Die Wahrheit ist: Ich hielt es nicht für weiter wichtig, was ich in Broglio tat. Es ist ein kleines, ein armes Viertel und die Leute dort sind einfach. Ihre Probleme sind klein und einfach - es sind Diebe und Bettler, die ihnen das Leben schwer machen. Nichts, das Auswirkungen auf die große Politik der Stadt hätte."

Sie schien beschlossen zu haben, dass die beste Verteidigung gegen das Interesse des Ancilla eine Art von Offenheit in Mimik und Haltung war, die man sonst nicht oft sah.
Sie machte einen ruhigen Eindruck, saß ganz bequem da und schien sich wohl zu fühlen in ihrer Haut. Im Gegensatz zu dem Seneschall war ihre Miene herzlich - eine Lüge, zweifellos, aber eine hübsche - und einladend, ihre Stimme von Jahren der Schmeichelei geölt.
"Was für Absprachen könnten solche Leute schon mit dem Seneschall der Domäne treffen?", fragte sie rhetorisch.
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Re: Ein Gespräch unter vier Augen [SL]

Beitrag von Il Canzoniere »

Der Ventrue folgte ihren wohlgewählten Worten mit kühler Miene. Irgendetwas sagte ihr jedoch das er ihre Gewähltheit sehr zu begrüßen schien. Auch seine Stimme hatte etwas von dem lauernden Schärfe verloren.

"Ihr stellt euer Licht unter einen zu kleinen Scheffel. Anders als die meisten anderen Genueser Kainiten kümmert ihr euch um die Untertanen ihrer Majestät. Das weiß ich und sicher auch Sie zu schätzen. In der Tat benötigt Broglio dringend jemanden der sich um das Sestieri kümmert." sein Kopf legte sich leicht schief während er sie abschätzend musterte.

"Da Ihr offenbar bereits eine gewisse... Mutterrolle... für die Leute dort angenommen habt, lag es sicher auf der Hand das ich hierbei an euch gedacht hatte. Ich sehe jedoch mit Sorge das, trotz eures ordnenden Einflusses, das Chaos überhand zu nehmen scheint. Bettler, Morde, Werwölfe, Bandenkriege, konkurrierende Milizen, grassierende Kulte und noch einige weitere Dinge suchen euer Sestieri heim. Ich zähle mehr als eine halbes Dutzend Kainiten die dort herumpfuschen. Und die Lage verschlimmert sich von Nacht zu Nacht." er schüttelte kurz bedächtig den Kopf, den Blick nicht von ihr nehmend.

"Die Stadt kann kein zweites Clavicula gebrauchen." ...schon das erste ist zuviel, schien er unausgesprochen hinzuzufügen. "Ich frage mich nun ob wir beide etwas an diesem erbarmungswürdigen Zustand des Sestieris ändern könnten. Zu unserer beider Vorteil." vor seinem inneren Auge schien er sich bereits seine nächsten Worte zurecht zu legen. Dennoch schien er - dem Protokoll gemäß - Melissa ihrerseits die Chance zu geben sich zu den dramatischen Zuständen Broglios zu äußern.
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Melissa
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Re: Ein Gespräch unter vier Augen [SL]

Beitrag von Melissa »

Als der Seneschall von "mehr als ein halbes Dutzend Kainiten" sprach, runzelte sich die Stirn der Tzimisce. In Gedanken zählte sie durch. Und kam auf weniger. Deutlich weniger.

"Euer Vertrauen in meine Fähigkeiten ehrt mich", sagte sie, Aber ich will nicht lügen: Ihr habt natürlich Recht. Es ist nicht leicht in meinem Sestiere für Ordnung zu sorgen bei all diesen Einflüßen."
Sie ließ den von ihm angedeuteten Besitzanspruch auf der Zunge rollen, ihren Rachen umspülen wie teuren Wein oder edle, wohl gepflegte Vitae.
"Umso bedauerlicher, als dass mir von einigen Älteren bereits Unterstützung dabei zugesichert worden war, sich ihre Hilfe bislang aber mehr als in Grenzen hält."

Die Neugeborene spielte ein gefährliches Spiel, das wusste sie. Dennoch legte sie den Köder aus, versuchte ihren Preis in die Höhe zu treiben.
"Ich stimme also völlig mit euch überein: Ein Clavicula ist völlig ausreichend. Und dennoch...", ihr Gesicht glättete sich bei diesen Worten, ihre Sorgen verschwanden für einen Augenblick und sie machte eine wegwerfende Geste.
"Ich denke doch, die ärgsten Probleme in Kürze selbst im Griff zu haben. Zumindest diejenigen mit den Morden, den Banden und den Streitigkeiten innerhalb der Miliz. Die armen Kreaturen, die sich für Wölfe halten und für einen guten Teil der Unordnung verantwortlich sind, werden ihre schmutzigen Hände bald büßen müssen."
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Re: Ein Gespräch unter vier Augen [SL]

Beitrag von Il Canzoniere »

Er betrachtete sie einen Moment schweigend, dann schüttelte er den Kopf. Als würde er sie für voreilig halten.

"Es ist nicht euer Sestieri." er ließ diese Aussage einen Moment in der Luft schweben, vielleicht auch nur um ihre dreiste Aussage mit einer kleinen Schelte zu beantworten. Oder wollte er sie nur auf die Ebene der Fakten zurückholen?

"Doch das könnte es werden." fügte er dann, ebenso ruhig wie bei der Schelte zuvor, hinzu.

"Es kommt jedoch mindestens genauso auf die Fähigkeiten eurer Verbündeten an wie auf eure eigenen. Und da muss ich euch leider ernüchtern: solltet ihr nicht von ihrer Majestät selbst sprechen, wenn ihr von einigen Älteren redet und wenn ich mich, aufgrund der erst jetzt stattfindenden Gespräche, einmal selbst ausklammere, blieben Godeoc und Benedetto. Ersterer möchte genau das: Broglio in ein zweites Clavicula verwandeln - etwas nach dem euch nach eigener Aussage nicht der Sinn steht.... und Benedetto. Der immer noch versucht Feindschaften zwischen den Kainiten Genuas zu schüren - damit er in Ruhe seinen Studien und Experimenten nachgehen kann. Wenn das eure Unterstützung ist, dann verstehe ich euer bedauern ob mangelnder Hilfe nur zu gut." er nickte bestätigend. Und auch wenn er dabei immer noch steif wie eine Puppe wirkte konnte man zwischen der ausgefeilten Betonung seiner Worte soetwas wie Verständnis ausmachen.

"Ich möchte mich aber nicht aufdrängen. Ihr könnt es mit euren bisherigen Mitteln weiterprobieren. Sollte das euer Wille sein, werde ich nichts unternehmen und mir euren Fortschritt weiter ansehen. Falls ihr damit Erfolg habt ist es mir nur Recht. Sollte ich jedoch den Eindruck bekommen das ihr die Sache abschliessend nicht in den Griff bekommt, dann löse ich das Problem selbst. Und lasst euch gesagt sein: ich brenne das komplette Sestieri eher nieder als das ich es werden lasse wie Clavicula." bei den letzten Worten neigte er sich ein wenig vor, wie um die Aussage noch einmal zu unterstreichen.

"Alternativ zu diesen beiden, schönen wie unschönen, Möglichkeiten biete ich euch mit einer Kooperation alternativ den Mittelweg an." mit einer unterstreichenden Geste unterlegt, legte er noch einmal ihre Möglichkeiten dar. Er wirkte dabei beinahe plauderhaft. Als ob es ihm im Grunde gleich sei wie das Problem gelöst würde, er aber sichergehen wolle das es gelöst würde.
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