[1035] Caritas omnia tolerat [Galeno, Ilario]

[April '20]
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Nubis
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[1035] Caritas omnia tolerat [Galeno, Ilario]

Beitrag von Nubis »

Es war vorbei. Es war ein neuer Anfang. Und doch, alles war noch nicht geklärt, ganz im Gegenteil. Man fühlte sich gerade eher so, als wären die Wege verschwommen und man versuchte darauf Halt zu finden und durch den Fitz, den sie vor einem bildeten, durchzusehen. Für dieses Mal aber war der Weg klar. Er hatte Ilario eine Nachricht geschrieben. Es war Zeit, sich wieder zu treffen.
Seine Finger umfassten einen Gegenstand, den er mitnehmen würde.
Seine Miene war ernst, entschlossen. Die Brauen hatten sich zusammen gezogen, als der Griff fester wurde und er sich das Objekt in einen Beutel steckte, den er an der Seite befestigte.

Dann trugen ihn seine Schritte über die schlecht ausgebauten Strassen Richtung Genua. Hinter ihm Burgus, vor ihm sein Ziel und stets im festen Blick. Er liess sich durch nichts ablenken.

Etwas versetzt hinter ihm in einem angemessenen Abstand, lief wieder Luciano, der es scheinbar genoss, dass er wieder mehr mit seinem Herrn unternehmen konnte. Die letzten Tage und Wochen waren doch auch für ihn seltsam verlaufen. Manches Mal sogar so eigenartig, dass er sich gefragt hatte, ob sein Herr seiner überdrüssig geworden wäre. Ob er ihn nicht mehr hatte dabei haben wollen. Er hatte sich immer wieder Sorgen gemacht, da er nicht gewusst hatte, was mit seinem Herrn los gewesen war, wo er sich befunden hatte und ob es ihm gut ging. Niemand hatte ihm etwas mitgeteilt und er hatte auch Tage damit verbracht, ergebnislos überall auf die Suche zu gehen.
Doch nun schien alles wieder bestens. Er hatte nichts falsch gemacht, Galeno war nicht wütend auf ihn. Nein, es hatte Gründe gehabt.
Und diese waren schmerzhaft, aber nachvollziehbar gewesen.

Genua zu betreten war allerdings noch einmal solch eine Sache. Es war spät und sie mussten wieder eine gute Ausrede finden. Mönche jedoch hatten wohl etwas Sonderkonditionen, schliesslich halfen sie auch denn hier und da bei Arbeiten, die man eher im Schutze der Dunkelheit vollzog, einfach, um die normalen Bürger weniger zu belästigen. Doch Schwierigkeiten am Tor waren nichts gegen die generelle Situation in dieser Stadt. Nichts war wie früher, als man hier her gekommen war. Vieles hatte sich verändert und vieles leider nicht zum Guten.

Dementsprechend aufmerksam war der Weg in Richtung der Villen zu nehmen. Menschen, diese unwissenden Geschöpfe, waren leider nicht mehr so unwissend. Es war gefährlich geworden, hier als Kreatur der Nacht durch die Strassen zu wandeln. Die Maskerade, die Wahrung der Stille, war umso wichtiger geworden.
Und so hatte sich Galeno auch dazu entschlossen als stummer Mönch mit seinem Bruder jene zu mimen, die um das Seelenheil besorgter Bürger sich kümmern wollten. Eben jene, die Nachts möglicherweise noch immer einiges befürchteten und den Segen Gottes erhoffen würden. Dabei war er selbst sehr zurückhaltend und liess als Novize den Älteren sprechen. Eben jener, der normalerweise auf seine Worte hörte. Hier war es ein Rollenspiel, eines, welches die Existenz schützte.

Angekommen bei der Villa seines Mentors, änderte sich dies aber schlagartig, sobald die Diener sie einliessen. Der zurückhaltende Novize wuchs etwas in der Grösse, bewegte sich aufrecht in das Haus hinein. Er legte die Kutte ab und feine Kleidung kam zum Vorschein. Die wachen Augen musterten die nun schon bekannte Umgebung und der grosse Mönch wurde nun um einiges kleiner, verneigte sich und begab sich dorthin, wo sein eigentlicher Platz war.
Der Kappadozianer liess sich zu seinem Lehrmeister bringen. Den Kopf erhoben, den Blick fokussiert, die Lippen schmal, der Ausdruck etwas eisig. Und diese Kälte begleitete den ehemaligen Mönch, der nun eher wie ein recht junger Edelmann wirkte, sodass es manch einen frösteln möge.
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
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Ilario
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Re: [1035] Caritas omnia tolerat [Galeno, Ilario]

Beitrag von Ilario »

Galeno wurde in der stillen Villa empfangen und von einer Dienerin in den großen Saal geführt. Zwei schwergerüstete Soldaten standen vor der Tür, durch die auch nur der Kappadozianer allein gelassen wurde.
Drinnen erwartet ihn Ilario, in das Gewand eines Edelmannes gekleidet, wie üblich von tiefem Schwarz und um einzelne Silberstickereien am Saum ergänzt. Er saß, die Beine übereinander geschlagen, an einem kleinen Tisch, ihm gegenüber ein leerer Stuhl, und starrte in einen Pokal mit rotem Lebenssaft. Für den Gast stand ebenso einer bereit.

Ilario blickte auf und lud Galeno mit sachte Geste ein Platz zu nehmen und zu sprechen.Der Lasombra hingegen hüllte sich zunächst in tiefes Schweigen.
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Nubis
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Re: [1035] Caritas omnia tolerat [Galeno, Ilario]

Beitrag von Nubis »

Galeno trat vor seinen Mentor, annähernd bereit, sich zu ihm zu setzen. Der Kopf wies noch keine Bewegung auf, kein Nicken. Die Augen waren starr auf den Lasombra gerichtet und spiegelten ein gewisses Feuer wider.
Seine Hand griff in den Beutel und er holte jenen Gegenstand hervor, den er extra für Ilario mitgebracht hatte.
Einen hölzernen Pfahl, lang genug, um ihn in das Herz eines Kainiten zu rammen, angespitzt und gut in der Hand liegend.
Er legte ihn auf den Tisch, nicht mittig, sondern etwas mehr auf des Schattens Fläche.

Er blieb still, für einen lang gezogenen Moment, ehe er mit kühlem Ton und doch seiner glockenklaren, hellen Stimme sprach:
"Ihr hättet diesen nutzen und mich den sengenden Strahlen der Sonne übergeben sollen. Denn so fühlte es sich an."

Wieder schwieg er einen Moment.
"Doch auch wenn ein Teil in mir seinen Tod auf gar grässliche Art fand, so rüttelt dies nichts an meiner Loyalität zu euch."

Und er vollführte eine leichte Verbeugung, mehr als nur ein einfaches Nicken, weniger, als einem Ancilla zustand. Dann setzte er sich und wartete ab.
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Re: [1035] Caritas omnia tolerat [Galeno, Ilario]

Beitrag von Ilario »

Einen langen Moment betrachtete Ilario das mörderische Utensil, zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Er vernahm die Worte des Kappadozianers und schwieg auch noch einen Moment nachdem sich dieser gesetzt hatte.

"Dann wisst ihr wie ich mich fühle... Unseren persönlichen Tragödien und Verlusten zum Trotz, die große Gefahr ist vorerst abgewendet. Dennoch... Nun habe ich die Gunst der Herrin in deren Glanz ich mich einst sonnte verloren, bin Vasall einer Herrscherin die den meisten anderen auf unserem Weg als ehrlos und eidbrüchig gilt und unlebe in einer Stadt die Untertan der See der Schatten ist. Mit einem Fanatiker ohne Gleichen der sich zum Ancilla erklärt hat. Mein einziger Lichtblick ist, dass Acacia den endgültigen Tod fand."

Er nickte kurz in Richtung des Pflocks, abrupt das Thema wechseln. Oder nicht?

"Ein schönes Exemplar, woher habt ihr es?"
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Nubis
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Re: [1035] Caritas omnia tolerat [Galeno, Ilario]

Beitrag von Nubis »

Die Worte Ilarios versetzten ihm noch einmal einen kleinen Stich, aber er ertrug es. Sein Mentor stritt nicht ab, sondern wischte es einfach bei Seite.
Weiteres folgte, still lauschte der Junge dem Meister. Der Raum um sie herum lag still und so legten sich die Wort irgendwann hernieder, doch ehe sie gänzlich zur Ruhe kommen konnten, wechselte er das Thema zu dem hölzernen Objekt auf dem Tisch hin. Mit einem Nicken und einer Frage versuchte er die Aufmerksamkeit dort hin zu lenken.
Doch so nicht.
Galenos Brauen zogen sich zusammen und er schüttelte sacht mit dem Kopf.

"Und was weiter? Die grosse Gefahr ist abgewendet, vorerst und ihr wollt nun hoffentlich nicht alles andere aussitzen, oder? Ist dies gerade ein Schauspiel, oder geben eure Worte genau dies wider, was ihr denkt? Der einzige Lichtblick? Ihr klingt, als sei alles verloren."

Er stand auf, musste etwas herumlaufen, etwas Dampf ablassen. So konnte er selbst auch ruhiger werden. Tatsächlich war Ilario gerade jener, der ihm am meisten ärgerte und irgendwie musste das auch einmal zur Sprache kommen.

"Hört bitte auf damit, Themen zu wechseln oder wichtige Dinge scheinbar achtlos wegzuwischen. Und sollten meine Worte euch nicht gerecht werden, so ist dies auch dem geschuldet, dass ich wenig von dem weiss, was ihr denkt, was ihr erwartet....wieso ihr mich überhaupt ..."

Er schüttelte mit dem Kopf.

"Es ist nicht die Zeit für Trübsal blasen, nicht die Zeit, um auf Pflöcke zu sprechen zu kommen, sondern es ist Zeit, dass endlich etwas unternommen wird! Es ist wichtig, was ihr wollt und denkt und ob ihr all dies hier ändern wollt. Ich frage euch, wollt ihr das? Oder soll es ewig so weiter gehen, dass nichts unternommen wird. So, wie es bisher war. Die Menschen wissen nun recht gut Bescheid, zur Versammlung wurden Eide durch den Raum geworfen, die einigen nichts bedeuten und Mailand oder andere werden das Geschehene hier sicherlich auch nicht so einfach hinnehmen.
Ich denke, es ist die Zeit, in der ihr entscheiden solltet, ob ihr aus all dem hier etwas machen wollt? Ein zerbrochenes Vertrauen kann wieder aufgebaut werden, somit auch die Gunst eines Herrschers. Gilt sie für euch denn als ehrlos und eidbrüchig? Und die See der Schatten? Auch diese Zeit wird vorüber gehen....Es ist nur die Frage, ob ihr selbst daran einen Anteil schaffen wollt, oder nicht."

Er hatte die Arme in die Hüften gestemmt und blickte den Lasombra ernst und energisch an. Leider wirkte es auf Grund seines Körperbaus und seiner Grösse eher wie ein trotziger Junge, als ein Mann, der überzeugen wollte.

"Ich stehe zu euch, ich verzeihe euch vieles, doch kann ich wenig von Nutzen sein, wenn nichts passiert, wenn ihr mir nichts sagt..."

Tatsächlich war seine Unzufriedenheit förmlich aus ihm herausgeplatz. Man konnte vieles Schlucken, doch für manches war dieser kainit noch immer zu jung, zu unerfahren und zudem waren sie hier unter sich. Er hatte einiges erreicht, er hatte Pläne und doch kam er sich gerade hier und jetzt vor, als würde er niemals ein passabler Schüler werden, als hätte er versagt.
Er schnaufte aus und stützte sich auf dem Tisch ab. Und ein unschönes Kribbeln kroch seinen Arm hinauf. Er brauchte einen Moment, ehe er realisierte und geschockt zu dem Kribbeln starrte. Da klappten dem Jüngling die Beine zusammen und ein Zucken durchfuhr seinen Körper...

Sein Geist...gefangen in einem tiefen Nichts, der bald wieder ein nicht enden wollender Albtraum werden sollte...

Sein Körper zuckend und krampfend .. dem Schatten völlig ausgeliefert...
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Ilario
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Re: [1035] Caritas omnia tolerat [Galeno, Ilario]

Beitrag von Ilario »

Die meergrauen Augen wurden von Dunkelheit erfüllt und zogen sich zu Schlitzen zusammen, die Hände schlossen sich wie Schraubstöcke* um die Armlehnen des Stuhl, die ein hölzernes Ächzen von sich gaben. Die Stimme des Lasombra war so schneidend wie die Kälte die seinen Schüler umgab.

"Wie könnt ihr es wagen!"


Er wollte noch mehr sagen, doch die letzten Worte die Galeno erreichten waren eben jene. Ilario starrte auf den zuckenden Leib des jüngeren Kainiten und runzelte die Stirn. Aller Ärger fiel von ihm ab, er legte eine Hand ans Kinn und überlegte. Kalte Logik war hier erforderlich und ihr gab sich der Schatten weitaus lieber hin als dem Zorn. Er griff nach dem Kelch, trat einen Schritt zurück und trank während er den Kappadozianer seinen Zuckungen überließ. Nach allem was er seiner Erfahrung als Okkultist und Mystiker wusste war es besser eine Vision nicht zu unterbrechen. Ilario wartete und nippte am roten Mascharanaer.
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Nubis
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Re: [1035] Caritas omnia tolerat [Galeno, Ilario]

Beitrag von Nubis »

Galeno blieb eine recht lange Zeit in seiner Vision gefangen. Aber es war an sich egal, wie lange, denn er hatte in dieser Art von Träumen ohnehin kein Zeitgefühl. Alles war real, alles war stets verwirrend und auch dieses Mal kreisten die Schemen und Bilder umher, wie die Leiber von Menschen bei einem ekstatischen Tanz.
Und er wirbelte mit ihnen, gerat ins Straucheln, ins Fallen.

Bilder wurden klarer, Ereignisse deutlicher und doch konnten sie ganz anderes bedeuten. Er sah eine Lichtgestalt, umringt von Personen ohne Gesicht, die Hände friedvoll von sich gestreckt. Er sah einen Dämon, der diese Lichtgestalt übermannte und sich selbst feiern liess, obwohl das Licht sich nie zur Wehr gesetzt hatte. Blut floss in feinem Rinnsal aus dessen Hals und der Anblick liess die Fänge ausfahren, das Tier wollte geniessen, ebenfalls von ihm trinken. Doch den Peiniger durchfuhren sichtbar Schmerzen und auch das Tier Galenos zuckte zurück. Instinkt, Selbsterhalt.

Doch auch bei dem zuckenden Leib hatten sich die Fänge ausgefahren, hatte es kurz so gewirkt, als wenn er gleich erwachen und womöglich in Raserei geraten würde. Aber er knurrte nur und zuckte weiter vor sich hin.

Die Lichtgestalt löste sich langsam auf, eine Taube flog über ihm, der Hals gebrochen. Tot.
Sie nahm das Licht auf, doch Schatten legten sich über sie. So unschuldig, so zerbrechlich.

Die letzten Worte Ilarios, sein Zorn, so schneidend die Stimme, hallte wieder und wieder wie das Donnergrollen eines gewaltigen Sturms durch diesen Geist. Und inmitten von Verzweiflung und tot, von Feldern aus Leichen und brechenden Knochen, fühlte sich der Kappadozianer allein gelassen, von allen verlassen. Einen Kampf führend, den er nicht gewinnen konnte. Und niemand verstand es. Nicht einmal jener, an den er sich gebunden hatte.

Und diese Enttäuschung, vor allem über sich selbst, dass er doch nichts erreichen konnte, sowie die Trauer, die er empfand beim Anblick jener, die zu Grunde gingen oder gerade vor seinem inneren Auge fielen, zeigte sich abermals in der physischen Welt. Zwei blutige Tränen rannen dem Mitglied des Clan des Todes aus den Winkeln der Augen hervor und glitten langsam, eine Spur hinterlassend, die Wangen hinab auf Den Boden der Villa.

Als ihre Reise beendet war, kam auch das Zittern zu einem Stillstand. Die Krämpfe verebbten und ruhig lag er da. Seine Augen suchten den Fokus, irrten noch umher. Er war wieder zurück, doch er würde eine Weile benötigen, um auch gänzlich aus diesem Schrecken zu erwachen und wieder eine Maske zu schaffen, die nicht noch einmal bröckeln durfte...
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Re: [1035] Caritas omnia tolerat [Galeno, Ilario]

Beitrag von Ilario »

"Steht auf!" Drang die Stimme seines Mentors an Galenos Ohr, kaum dass sich sein Blick aufklarte. Sie war leise, aber nicht weniger kalt oder schneidend als zuvor. "Natürlich wird nichts ausgesessen, natürlich ist nicht alles verloren! Lichtblick...hah! Es ist das Zwielicht das ich suche. Glaubt ihr ich blase Trübsal? Nein, bereits jetzt erwäge ich Optionen, schmiede Pläne... und es ist genau der rechte Zeitpunkt um über diesen Pflock zu sprechen. Wieso sonst hättet ihr ihn mitbringen sollen?"

Nun wartete Ilario bis sich Galeno erhob, setzte sich wieder und deutete auf den leeren Stuhl. So Galeno sich setzen würde, fuhr der Lasombra fort.

"Ihr solltet sehr vorsichtig sein wo und mit wem ihr solche Worte sprecht..."

Schattenarme krochen unter dem Tisch hervor, streckten sich und peitschten durch die Schatten des Raumes, stachen ins scheinbar Leere. Erst nachdem sie ihr Werk vollbracht hatten erhob Ilario wieder leise die Stimme. "Eide bedeuten einigen mehr und anderen weniger, so war es und so wird es immer sein. Eine Wahl blieb mir ohnehin nicht, denn es blieb mit der Weg des verehrten Maximinianus verwehrt. Mein sehr verehrter Erzeuger sandte mich nach Genua, mich seinem Willen derart zu entziehen wäre mein Untergang. So erneuerte ich meinen Schwur, lieferte mich der Gnade der Weißen Prinzessin aus und folgte gleichsam dem Vorbild des sehr verehrten Lydiadas.

Sie hat, nein sie beide haben Mailand ins Gesicht gespuckt. Und doch wird Mailand nicht gegen Genua in den Krieg ziehen können... Mailand ist das geringste Problem der höchstverehrten Aurore. Es spielt auch keine Rolle ob ich sie für ehrlos und eidbrüchig halte, aber beispielsweise die Etrusker werden es tun. Der Bund wird maßgeblich durch Wandler auf der Via Regalis geführt. Was meint ihr warum der verehrte Maximinianus nicht geblieben ist? Ich für meinen Teil sehe meinen Prinzen nicht als ehrlos, wohl aber als eidbrüchig an. Aus politischen Notwendigkeiten. So wie ich tun musste was ich in diesem Konflikt tat, damit eine uralte Gefahr weiterhin eingekerkert bleibt. Die See der Schatten und meine Linie... sind keine Freunde. Dennoch war sie das kleinere Übel, das ich wählte um Genua zu schützen.
Um aber auf eure gefahrvollen Worte zurückzukommen: Was meint ihr damit, es sei Zeit endlich etwas zu unternehmen?"
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Re: [1035] Caritas omnia tolerat [Galeno, Ilario]

Beitrag von Nubis »

Noch mit etwas verschwommener Sicht rappelte er sich auf und ging zu Ilario, setzte sich. Es war ihm deutlich anzusehen, dass die Visionen ihn geschafft hatten, dass sie anstrengend für den Geist gewesen waren, was sich nun auch körperlich äusserte. Zudem waren die Spuren der Tränen noch nicht getrocknet und wurden von seinem Ärmel, der in dunkles Leinen gehüllt war, nur verwischt, nicht aber gänzlich entfernt.

Er blickte zu dem Pflock, dann zu Ilario zurück und war verwirrt. Ob dies dem Zustand geschuldet war, dass er noch immer halb in seinem Traum hing, oder ob er einfach nicht verstand, warum der Pflock wichtig zu sein schien, war nicht ganz klar.

Der Blick zuckte in die Richtung, in der sich Schatten bewegten und unter dem Tisch hervor krochen. Sie kannte er schon..sie hatten ihn schon einmal gehalten. Doch gerade eben erinnerten sie ihn an das Licht, die Taube, die von ihnen förmlich verschlungen worden war.

Insgesamt befand er sich in keinem guten Zustand, um einem Lasombra bei den Ausführungen zu Politik und dergleichen folgen zu können, versuchte es aber dennoch. Fokus..irgendwie.
Aber selbst mit Fokus verstand er nur die Hälfte. Noch immer war sein Verständnis für all das viel zu wenig. Woher sollte er es auch verstehen? Würde er es jemals verstehen können?

Er ging die Szene im Elysium noch einmal durch, der Eid der Prinzessin, dann der Weggang von Maximinianus, dann der Eid von Lydiadas....er hatte es annähernd richtig verstanden. Genau deswegen hatte er nicht nur Mailand benannt.

"Mit meinen Worten ..."

Er setzte kurz ab, vertrieb ein paar Schemen, die abzulenken drohten.

"Mit ihnen erfüllte ich jenes, im Eid euch gegenüber gegebene Versprechen. Da ihr mich hier her geladen habt, hielt ich es für sicher genug und ... ich habe eure Worte falsch eingeschätzt...und doch hoffte ich, dass ihnen andere Bedeutung inne wohnte. Dennoch... es brach aus mir hervor. Ich bin solch Zeiten nicht gewohnt, es mangelt mir an dem richtigen Ausdruck, der richtigen Untermalung oder Verkleidung von Worten dieser Art... Vor euch habe ich der Maske erlaubt, zu sehr zu brechen."

Er blickte zu Boden und dann wieder zu seinem Mentor, nicht wie ein geprügelter Hund. Er sass aufrecht, doch der Blick schien getrübt, nicht so feurig, wie eben noch vor seinem Anfall. Ein wenig gebrochen.

"Wenn Genua Gefahr droht, muss diese eingedämmt werden. Genua stärken, nicht nur militärisch, sondern auch kulturell und im Handel und natürlich der Politik. Die inneren Probleme müssen endlich angegangen werden, denn sie sind umso heftiger geworden, seid einige Stillebrüche geschehen sind. Dies ist sogar in Burgus spürbar.
Das Vertrauen der Bürger stärken und unsereins wieder vergessen lassen. Den Mellissiden und den Fanatikern nicht noch mehr Zündstoff liefern.
Und auch unter unsergleichen sollten Konsequenzen gezogen werden.
Jene, die schlecht sind, sollten fallen, jene, die gut sind, Unterstützung finden. Und bei manchen wieder Vertrauen aufgebaut werden, welches bei unsereins sowieso nur brüchig vorhanden ist."
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Re: [1035] Caritas omnia tolerat [Galeno, Ilario]

Beitrag von Ilario »

"Eingedämmt..."

Er blickte in den Kelch der noch immer in seiner Hand ruhte.

"Sie ist vorerst abgewendet und da dem nun so ist, sah ich auch keinerlei Problematik meinen Schwur zu erneuern. Einen Schwur den ich nebenbeibemerkt nicht gebrochen habe. Die hochverehrte Aurore ist mein Prinz, auch wenn wir nun gewissermaßen alle Vasallen der See sind.

Ihr habt meine volle Zustimmung, Genua muss sich aus der Asche erheben und stärker werden. In jedweder Hinsicht. Stillebrüche wie sie auf beiden Seiten des Konfliktes geschehen sind dürfen nicht wieder passieren. Vielleicht wurde zu viel Gnade gewährt. Die Melissiden gehören vernichtet, allerdings habe ich nicht vor gegen sie zu agieren. Vielleicht erledigt sich dieses Problem von allein innerhalb der nächsten Generationen. Die Fanatiker und aufgebrachten Genuesen jedoch sollten unsereins so schnell es geht vergessen. Jene Wissenden die uns gezielt nachstellen müssen sterben, den anderen werden friedliche Straßen, ein voller Bauch und das Wissen Bürger eines stolzen Stadtstaates zu sein nach und nach den Blick verklären. Solange die unbeherrteren unter den Kainiten lernen, dass sie ihre Triebe kontrollieren oder steben müssen."


Grimmigen Blicks war offensichtlich, dass er die Gnade die Aurore stets für die Brecher der Stille gewährt hatte für einen Fehler hielt. Dann jedoch fand ein Lächeln den Weg auf Ilarios Lippen.

"Die Schlechten sollen fallen und die Guten Unterstützung finden? Wer soll diese Entscheidung fällen und über wen urteilen? Vom einfachen Sterblichen über Neugeborene und Ancilla bis hin zu den Ahnen gar?"
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