[1035] Wo kommt ihr her, wo geht ihr hin? [Alain, Avelina]

[Avelina di Braida]

Ein leises, trockenes Lachen folgte, das ihre Augen nicht erreichte.
„Und wieder kommt es darauf an von welchen Begierden ihr sprecht. Denkt ihr ich lebe im Zölibat? Glaubt ihr mein Weg sei unvereinbar mit Begierden?“ während sie sprach, legte sie den Umhang ab.

„Ich für meinen Teil hoffe, dass ich jenes lange Leben das uns gegeben ist noch lange Zeit genießen kann. Und so es mir denn vergönnt ist, wie langweilig wäre es, wenn ich sofort jeder Begierde nachginge? Wie schnell würden all die Dinge verblassen, nach denen man sich zu Lebzeiten sehnte, wenn man gierig jedem Trieb folgen würde? Ich will dieses Unleben auskosten, so lange wie möglich. Doch... verzeiht, ich bin in der Tat nicht hier um euren Weg zu hinterfragen. Auch denke ich, dass ihr euch mehr im Griff habt, als eure Worte implizieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich in eurem Interesse wäre mein Blut zu kosten.“

Sie schüttelte den Kopf, „Aber genug davon. In der Tat habe ich Fragen.“ sie zögerte einen Moment, „Ihr wart auf dem Kriegsrat. Ich hörte von euren Taten bei den Toren. Und ihr habt in San Donato erst das Knie gebeugt, als die Prinzessin das Gebäude betrat.“
Wieder bildeten sich zarte Falten auf ihrer Stirn.
„Warum?“

[Alain le Beau]

"Ich hoffe es nicht", erwidert der Tzimisce ihren Zölibat-Kommentar. "Wirklich nicht. Es wäre verschwendet. Aber ihr habt recht: Was sollen wir uns streiten? Mich kümmert euer Weg nur dann, wenn er mir den meinen verleiden will." Ein Schulterzucken. "Und da ihr keine dieser verblendeten Wandlerinnen auf dem Weg des Himmels seid, würde mich das wundern. Tatsächlich denke ich, dass wir viele Erfahrungen gemeinsam machen könnten. Ein andernmal. Aber nun zu eurer Frage."

Alain verschränkt die Arme. "Ihr müsst mich verwechseln. Ich war nicht auf dem Kriegsrat - eben weil ich bei den Toren war. Wo Unterstützung gern gesehen gewesen wäre, aber sie kam nicht. Also bin ich zu den Melissiden, sie zu bewegen, das Tor zu öffnen. Jedoch... sie standen auf der Seite der Schatten. Die nächsten Nächte habe ich vergeblich versucht, Sousanna zu fassen. Habe den Dottore der Nosferatu vor dem Ende bewahrt und meinerseits das feurige Ende des Alla Mura und von Sousannas Schiff erleben dürfen, aus sehr naher Nähe." Er verschränkt die Arme. "Danach habe ich Herrn Gasparo vor einem Überfall durch, nun, meinen lieben Bruder Toma bewahrt. Und was San Donato angeht: Ich habe das Knie vor ihr gebeugt, weil sie die Herrscherin Genuas ist. Ich habe es vor den Schatten gebeugt, als sie es getan hat. Widerwillig, aber was wäre die Alternative gewesen?"

Für einen Moment ist es still. "Aber das war nicht eure Frage, nicht wahr?" sagt Alain dann leise. "Nun, die Antwort auf das warum ist vielfältig. Ich habe die Herrschaft der höchst verehrten Aurore schätzen gelernt, sie ließ mir Freiheiten, trotz des seltsamen Jagdrechtes. Und ich habe Freunde an den Höfen der Liebe, denen ich etwas schuldig bin. Ich hatte gehofft, auf diese Weise mich als treuer Vasall der Prinzessin zu erweisen, ohne sinnlose Schwüre. Ich habe gedacht, sie würde gewinnen. Oh - und sie ist ausgesprochen hübsch. Vielleicht bin ich doch ein Sklave meiner Begierden..."

[Avelina di Braida]

Kurz schien sie verwirrt, doch die vergangenen Nächte waren alle derart Ereignisreich gewesen. Ja, nun wo er es sagte... er war tatsächlich nicht auf dem Kriegsrat gewesen.
Manche seiner Worte schienen ihr neu und die Brauen hoben sich interessiert zu seinen Schilderungen der Ereignisse im Hafen, oder dem Überfall Tomas auf Gasparo.

Schließlich nickte sie sacht.
„Danke für eure Ehrlichkeit. Nun, dann könnte man wohl sagen wir haben vielleicht doch mehr Gemeinsamkeiten als gedacht. Und dennoch fällt es mir schwer manche Dinge nachzuvollziehen. Mir ist nicht entgangen, dass ihr gute Kontakte zu Sousanna pflegt. Ich erinnere mich an eure Einladung in euer Anwesen, ein Treffen bei welchem sie auch zugegen war. Und ich weiß, dass sie und Acacia sich nahe stehen.“

Sie senkte den Blick einen Moment und schien nachdenklich.
„Ich denke ich bin nicht alleine, wenn ich sage, dass manches ein Mysterium für mich bleibt. Doch wie es aussieht hat Aurore in gewisser Weise gewonnen. Zumindest bleibt sie die Herrscherin von Genua. Und... ich denke da dies unser beider Ansinnen war, sollten wir in Zukunft womöglich weniger oft verbale Spielchen betreiben und uns darauf besinnen dafür zu sorgen, dass dies auch weiterhin so bleibt.“

[Alain le Beau]

"Das Spiel wird auf vielen Ebenen gespielt, werte Avelina." Er sagt es nicht besserwisserisch, obgleich es zu seiner sonstigen Art gepasst hätte. Sondern ungewöhnlich sachlich. "Ihr habt eine dieser Ebenen gesehen und eure Schlüsse gezogen. Anderes aber ist euch verborgen geblieben. Vielleicht kann ich euch einiges davon eröffnen - wenn ihr zu mir so offen seid, wie ich es zu euch war." Alain faltet die Hände. "Warum habt ihr Aurore unterstützt? Es kann nicht allein eure Liebe zu den Sterblichen und ihren Sitten gewesen sein." Interessiert blickt er die Toreador an.

[Avelina di Braida]

Noch immer blieb ihr Blick neugierig, gleichzeitig wachsam.
„Gewiss. Das ganze Spiel durchschauen wohl nur jene, welche die Figuren über das Spielbrett schieben.“

Zu seiner Frage schien sie abermals nachdenklich und ließ sich schließlich mit einer fließenden Bewegung auf den zuvor angebotenen Stuhl gleiten.
„Eine Frage die nicht leicht zu beantworten ist. Und doch habt ihr bereits so vieles schon erkannt.“ ein leises Seufzen, „Ich habe mich euch in der Vergangenheit mit meinem vollem, sterblichen Titel vorgestellt. Ich habe Jahrzehnte meines Unlebens in Varese verbracht. Kennt ihr Varese? Es liegt nahe Mailand. Die umliegenden Orte haben gelitten unter den steten Unruhen der unsrigen in diesem Gebiet. Das Blut der Könige im Norden, gegen die Schatten. Ich bin hier her gekommen um die Prinzessin zu unterstützen, auf dass sie hoffentlich Einfluss gewinne und der Kampf um Mailand aufhört.“

Sie schüttelte den Kopf, „Aber warum ich sie letztendlich unterstützt habe? Es war das Gesicht, das die Schatten mir zeigten. Die subtilen Drohungen und Erpressungen von ihrer Seite, seit ich in der Stadt weile. Die offene Demonstration, wie wenig Ehre manche von ihnen besitzen. Das dreiste Eindringen einer der ihrer in meine Zuflucht unter Anwendung seiner Fähigkeiten. Und letztendlich die Worte der Prinzessin selbst. Wenn ich die Wahl habe zwischen dem Licht und der Dunkelheit auf dem Thron... diese Wahl ist mir wahrlich nicht schwer gefallen. Lieber lebe ich mit einer Ventrue auf dem Thron, welche die geschworen hat das sterbliche und unsterbliche Blut zu schützen, welches der Stadt dient, als mich auf jene einzulassen, die mir nur die mir nur Machtdemonstrationen zeigten und nichts zu bieten haben, was mich interessiert.“

Sie lächelte sacht und fügte hinzu, „Und ja, Aurore ist definitiv hübscher.“

[Alain le Beau]

Alain grinst und nickt Avelina auf ihre letzten Worte hin zu. "Die Position der höchst verehrten Aurore ist schon immer problematisch gewesen, hier, an der Grenze zwischen den verschiedenen Einflussgebieten. Deswegen ist alles, was sie tut, von höchster Bedeutung. Nun gab es in den letzten Jahrzehnten Bestrebungen, die höchst Verehrte von ihrem gewählten Weg abzubringen und auf eine anderen zu führen. Auf der einen Seite dabei steht Ferrucio, der eine ausgesprochen radikale Auslegung des Himmelspfades vertritt. Auf der anderen steht - oder stand - der Ancilla Caspar, der Aurore auf den Weg der Sünde zu verführen suchte." Er legt die Hand auf die Brust. "Meinen Weg."

Er studiert einen Moment lang ihre Reaktion, dann fährt er fort. "Nun könnte man ja denken, dass dies in meinem Interesse sei. Aber es wäre sehr kurzfristig gedacht. Sowohl der radikale Himmelspfad als auch die Sünde sind auffällig. Selbst ein Herrscher in einer gefestigten Position würde Schwierigkeiten bekommen, wenn er sie lebt. Die höchst verehrte Aurore? Ihre Nachbarn würden es nicht lange hinnehmen. Und wir Sünder, wir sind auf unsere eigenen Interessen bedacht. Kriege bringen Aufruhr, Unruhe. Ihr habt gesehen, wie schnell das Alla Mura vom Mob niedergebrannt wurde. Dementsprechend stand mein Interesse dem von Sousanna und Caspar gegenüber."

Der Tzimisce verschränkt die Arme. "Nun sind Caspar und Sousanna offenbar geflohen. Bedauerlich, aber besser, als dass sie weiter Einfluss genommen hätten. Sofern es denn stimmt. Die Ravnos sind trickreich..." Er verzieht das Gesicht. "Ferrucio dagegen, nun, er hat sich selbst zum Ancilla ernannt und sein Einfluss wächst."

[Avelina di Braida]

Sie nickte nur auf seine ersten Worte hin. Sie schien nicht im geringsten Überrascht, womöglich keine Neuigkeiten für sie?
Als er endete legte sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen.
„Ich bin weniger desinformiert als ihr vielleicht denken mögt.“ dem Lächeln nach vielleicht gar besser?
„Und ganz ab von dem Weg den man ihr aufdrängen will... ihr selbst müsst einmal den Weg gewechselt haben - zu meinem Bedauern, wie ich gestehen muss – es ist nicht als würde man die Straßenseite wechseln, nicht wahr? Ich würde ungern erleben wie sie gerade in den Wirren der Zeit einen Wegwechsel vollzieht.“

Sie schwieg einen kleinen Moment und schien selbst nachdenklich, bevor sie die Stimme wieder leise erhob.
„Aurore ist ganz ab von ihrem Weg das Beste was Genua passieren kann. Sie lässt uns unsere Freiheiten und schafft auch uns Neugeborenen Möglichkeiten. Ich möchte mir nicht wirklich vorstellen was Lydiadas mit uns gemacht hätte, wäre die Nacht anders verlaufen und er nun auf dem Thron sitzen. Und ich denke jene, die in diesen Nächten vorzogen die Seite der Schatten zu unterstützen werden kaum etwas zu befürchten haben, was denkt ihr?“

Noch einmal eine kurze Pause.
„Die Umstände bezüglich Ferrucio sind... ungünstig. Ich gehe der Sache fast nach seit ich in Genua ankam. Er besitzt nicht zu unterschätzende Macht. Die Geschichte von Kreuzdorf zeigt es. Wenn er sich mit Menschen umgibt die selbst die stärksten Kämpfer der unsrigen wie Hasen davon laufen lassen können. Dass er sich selbst nun zum Ancilla ernannte ist beunruhigend.“

Dann schmunzelte sie sacht, „Doch ihr sagtet ihr könntet mir Dinge erzählen, die das Bild weiter vervollständigen. Dies waren Dinge die ich bereits wusste.“

[Alain le Beau]

"Dann, werte Avelina, habt ihr es versäumt, euer Wissen zu verknüpfen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Denn sonst hätte es euch kaum verwundert, dass ich gegen die ehemalige Harpye vorgegangen bin." Alain scheint keine weiteren geheimen Erkenntnisse preisgeben zu wollen - zumindest nicht einfach so. Er wechselt das Thema mit einem Lächeln. "Im Übrigen stimme ich euch zu, was Aurore angeht. Ich habe viele kleine und große Projekte begonnen und gedenke auch, diese zur Vollendung zu führen." Dann runzelt er die Stirn. "Und diese Projekte werden bedroht durch Individuen wie Ferrucio und Toma." Sein Tonfall lässt keinen Zweifel daran, was er von diesen beiden hält.

"Nun, aber das soll euch nicht bekümmern. War die Frage nach dem 'Warum' der alleinige Grund für euren Besuch?"

[Avelina di Braida]

Sie wog sacht den Kopf.
„Neugier? Ich habe in den Nächten so viel gesehen, das mich enttäuschte. Viele deren Loyalitäten schwankten wie ein Fähnchen im Wind. Ihr hingegen schient mir recht überzeugt von euren Zielen, das hat meinen Respekt. Außerdem glaube ich nicht, dass diese ganze Sache schon ausgestanden ist. Ihr wollt eure Freiheiten genau wie ich? Ich glaube dieses Ziel ist erst erreicht, wenn Aurore frei vom Vasallentum für die Schatten ist. Ich denke eure Freunde an den Höfen der Liebe, von denen ihr sprachet, würden dies sicher auch begrüßen?“

Sacht hob sie die Schultern, „Es ist sicher für die Zukunft nicht verkehrt zu wissen, wo wer steht. Uns so sehr sich unser Ansinnen in anderen Dingen konträr gegenüberstehen mag, so könnte es sich lohnen dabei nicht das ganze Bild aus den Augen zu verlieren.“

[Alain le Beau]

"Unbedingt", stimmt Alain der schönen Toreador zu. Schon aus Prinzip. "Bevor er vor dem sehr verehrten Ahn der Schatten auf die Knie ging, hatte der, mh, wohlwerte Ilario eine Vision für Genua, die sowohl mir als auch... anderen zugesagt hat. Ein freies Genua, ein neutraler Ort, in dem die umliegenden Kräfte im Gleichgewicht sind. Die Schatten, die Etrusker, die Höfe, auch Mailand... Nun, die Tedesci hat er wohl weniger im Sinn gehabt, aber auch sie müssten wohl daran teilhaben. Mit einer starken Prinzessin an der Spitze. Ich fürchte nur, dass dieses Ziel mit dem Schwur der höchst verehrten Aurore an die Schatten in weite Ferne gerückt ist." Ein Schulterzucken. "Andererseits - es wäre nicht der erste Eid, den sie gebrochen hätte, nicht wahr? Eide..." Sein verächtliches Schnauben zeigt, was er von dem Konzept hält.

"Seien wir doch ehrlich: Der einzige Weg, ein solches Gleichgewicht zu erreichen, ist, all diesen Fraktionen etwas zu geben, von dem sie profitieren. Eigeninteresse ist der Fels, auf dem ich bauen will." Der Jüngling grinst und breitet messianisch die Hände aus.