[1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

[April '20]
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Iulia Cornelia
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Es zeigte sich weder eine Spur von Ekel noch von Mitleid in dem Blick der jungen Ventrue, als die Nosferatu ihren natürlichen Bedürfnissen nachgegangen war. Nachdem ihr Gegenüber geendet hatte, erklärte Iulia mit ruhiger und ihr zugewandter Stimme: „Weil ihr euch in meinen Augen nur auf das Problem fixiert, werte Freundin, und weil ihr nicht auf die Lösung seht, die vor euch liegt. Vor allem aber, weil es mich schmerzt zu sehen, welchen Weg ihr gedenkt zu beschreiten.“ Iulias Hände beschrieben eine sich öffnende und Achilla zugewandte Geste.

„Es ist nicht an mir euch zu belehren oder anzuweisen. Auch nicht eure Handlungen zu kritisieren oder gar in Frage zu stellen.“, erklärte die junge Ventrue wohl wissend um ihren Stand, bevor sie sachte, gar besorgt, meinte: „Doch bitte lasst mich euch in Freundschaft eines sagen: So ihr den Segen meiner Ältesten dem Prinzen von Genua wünscht und wollt, dass sie euch und eure Sorgen ernst nimmt, dann könnt ihr nicht anfangen mit dem Protokoll und der Etikette zu brechen. Ihr könnt nicht zu einem Fest laden nach einem Waffenstillstand, den Keiner der beiden Seiten wollte. Nicht nachdem so viele ihre Leben verloren haben, Sterbliche ängstlich in ihren Häusern kauern oder marodierend durch die Straßen ziehen auf der Suche nach Monstern.“

Die Stimme der jungen Ventrue war noch immer sehr vorsichtig, wohlwissend, dass sie sich gerade auf sehr dünnem Eis bewegte, weshalb keine Anklage, sondern einzig Besorgnis darin zu hören war, als sie weitersprach : „Ihr könnt nicht versuchen etwas was euch zum Wohle Genuas aufgetragen wurde, auf ihre Schultern zurück zu wälzen. Gar sagen sie wären nur deshalb verdammt, weil es der Wille meiner Ältesten gewesen wäre, dass ihr ihnen euer Blut zu trinken gegeben hattet. Ihr könnt den Prinzen nicht öffentlich bloßstellen, indem ihr den Vasallenschwur nach eurem eigenen Belieben und Gutdünken abändert. Ihn und damit alles, wofür Aurore steht mit Füßen tretet, als wäre er völlig bedeutungslos und erwarten, dass sie dies ohne Konsequenzen hinnehmen würde. Aurore, Prinz von Genua, die ihre Vasallen noch immer schwören lässt, die Domäne Genua und all ihr Blut - sterblich oder nicht - zu beschützen.“

Die junge Ventrue schüttelte nur sanft den Kopf, als sie erklärte: „Ich habe diesen Schwur an sie nie geleistet als Kind, doch ich sehe, dass unter ihrer schützenden Hand ein gutes Dasein möglich ist, weshalb ich dankbar bin, hier sein zu dürfen und sie darin bereits in jungen Jahren unterstützen zu dürfen. Deshalb rate ich euch auch in aller Freundschaft davon ab, Sterbliche hinzurichten für ein Theaterstück, vor allem da ihr doch andere Möglichkeiten besitzt.“

„Ihr sagt ihr beherrscht das Maskenspiel, werte Signora Achilla, und ihr habt mich heute Nacht mehr als davon überzeugt, wie gut ihr doch darin seid. Doch weshalb nutzt ihr es dann nicht, um nicht nur eure Truppe, sondern auch Genua und jeden einzelnen treuen Bewohner darin zu schützen?“, fragte die noch so junge Ventrue, die so viel ältere Nosferatu, als sie meinte: „Ihr wart doch selbst zugegen und habt die Worte des Seneschalls vernommen. Die Krone belohnt Jene, die sich um die Problematiken in der Domäne kümmern.“

Erneut machte Iulia eine Sprechpause, bevor sie ihre Worte milde und mit kleinen betonten Unterbrechungen nachdrücklicher wiederholte: „Niemand zwingt euch sie zu vernichten, werte Signora Achilla. Ihr habt andere Wege, die ihr gehen könnt, so ihr euch nur nicht einzig auf das Problem konzentriert und den scheinbar einzigen Ausweg wählt. Niemand zwingt euch dabei euren Clan oder gar eure Treue zu Godeoc zu verraten.“

Die Hände der Ventrue waren noch immer offen und ihrem Gegenüber zugewandt, als sie erklärte: „Und so ihr die Jagd nach freien Ghule und Egeln oder das Stopfen von Lecks für zu gefährlich für euch haltet, so werden euch Lydiadas wie auch Aurore nicht undankbar oder gar abgeneigt sein, so ihr einfach das tut, was euer Clan eben tut: Informationen verkaufen. Beide Ahnen besitzen die Macht die Grenzen der sterblichen Diener für euch nach ihrem Belieben zu weiten, werte Signora Achilla, und Beide wissen auch, dass längerfristig gesehen auch ein Waffenstillstand nicht das Ende eines Krieges bedeutet.“

Sie zuckte unerwartet leicht mit den Schultern, als wäre dies etwas, womit sie sich ständig konfrontiert sah, als sie die Hände zurück zu ihrem Körper führte und abschließend sprach: „Doch so ihr euch entscheidet Informationen zu verkaufen, so entscheidet euch weise und nur für den einen oder die andere, denn anderenfalls werdet ihr sie euch beide zum Feind machen, werte Signora Achilla. Also ja, für mich ist es, wie ihr selbst schon festgestellt hattet, anders. Ich habe meine Seite gewählt und damit meine Verpflichtung, was allerdings nicht bedeutet, dass ich nicht auch eigenen Dingen nachgehen darf. Eigenen Interessen wie ihr.“ Ihre blaugrauen Augen lagen liebevoll auf der Nosferatu, als das letzte Wort beinahe gehaucht war.

„Ich verehre euch und eure meisterhafte Kunst, werte Signora Achilla. Entsprechend kümmert es mich...“, meinte die junge Ventrue, bevor sie sich bewusst korrigierte und erklärte: „Kümmert ihr mich, denn ich will nicht, dass ihr euch unbedacht ins nächste Messer stürzt.“ Ihr Blick hatte sich etwas tiefer gesenkt, als sie leicht bedrückt, womöglich auch verlegen erklärte: „Aber womöglich seid ihr auch schlicht zu gut in dem was und wie ihr es tut, so dass meine Sorge um euch, närrisch, gar kindisch, auf euch wirken muss.“ Iulia senkte ihr Haupt weiter, als sie ergänzte: „Aber ich mag euch nun einmal, werte Drosera,… und ihr seid mir nicht egal.“
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Signora Achilla
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Re: [1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

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Offenbar schien Iulia hier nichts befürchten zu müssen. Die Signora nahm ihr die Worte recht offensichtlich nicht übel. Sie hörte mit Bedacht zu, sogar mit etwas wie einem Staunen - so, wie man ein feines Kirchenfenster bestaunte, ein farbprächtiges Gemälde oder ein kostbar geschriebenes Buch.

Der Fokus von Iulias Worten wandelte sich, doch die Signora ging nicht dazwischen. Sie war alt genug, dass sie sich die Zeit für einen Moment wie diesen und eine solche nicht nur nehmen konnte sondern auch wollte. Sie genoss es und vielleicht war dies sogar sichtbar für Iulia, in der Haltung der Signora, so wie sie sich der jungen Ventrue zuneigte, in der Neigung ihres Kopfes, in ihrem Blick für die Gesten der Ventrue.
Nein, sie war nicht ärgerlich. Und als sie schließlich antwortete, wurde dies auch deutlich:

“Ich danke Euch für diese Worte. Sie sind ...von Eurem Herzen her gesprochen? Klingen sie in Eurem Blut? Sind sie ein Echo Eurer Hingabe für Genua und ihren Prinzen?” Sie selbst legte ihre Hand über ihr Herz als wollte sie diese Inbrunst unterstreichen. Das war kein Spott - echte Leidenschaft verdiente Bewunderung, nicht Häme.

“Die ganze Nacht könnte ich Euren Worten dieser Art lauschen”, flüsterte sie. “Ich weiß gar nicht, ob ich darauf Antwort geben kann ohne ihre Musik zu stören.” Sie seufzte und setzte sich wieder zurecht.
“Doch es wäre Unrecht, Euch nicht auch Antwort zu geben”, bemerkte sie dann. “Und so will ich’s versuchen, Wendung für Wendung.”

Sie hob ihre linke Hand als wäre diese ein Handspiegel, mit der Handfläche zu sich und dem Handrücken zu Iulia. Dort krümmte sie alle Finger bis auf den Zeigefinger. Der trug, noch über dem Handschuh, einen Ring aus geflochtenem Haar. Menschenhaar? Es war rotblond und daher selten.
“Es ist nicht mein Ansinnen, irgend etwas zu wälzen, weder Schulden noch Lasten. Doch es ist mein Fehler, wenn es Euch so erscheint. Ich hadere mit mir in dieser Sache um die Menschen um mich her. Ich liebe sie, doch ich liebe ihre und meine Kunst noch so viel mehr.”

Das ließ sie eine kurze Weile wirken und hob dann den zweiten Finger zu dem ersten:
“Ihr habt recht darin, dass ich weit gegangen bin an jenem Abend. Und gäbe es nur Worte wie die Euren zu bedenken, in all ihrer geschliffenen Schönheit, mit den harten und schroffen Marmormauern des Gefälles am Hofe, dann hätte ich dem ohne Zweifel folgen müssen. Auf die Knie hätte ich fallen müssen - was ich bin - und jedes einzelne Wort sagen wie es gewünscht war. Doch… . Ah.”
Sie sah auf ihre beiden Finger und legte den Kopf etwas auf die Seite. Lächelte sie unter der Maske? Es klang so und vielleicht verrieten ihre Augen ein wenig davon, aber es es war schwer auszumachen.
“Ich hatte meinen Ältesten im Sinn. Das konnte ich schwerlich vergessen und wenn ich so leicht über ein gegebenes Wort hinweggefallen wäre, was wäre dann mein Schwur wert? Nichts als Staub und Asche. Und da war noch ein zweites… .”

Wieder eine kleine Pause, ein Moment des Innehaltens vor dem Sprung. “Vielleicht ist es eine Sache, die mit dem Alter kommt. Die wahrhaft Alten werden es eher spüren und wissen als ich, die wohl erst beginnt, ein paar Dinge zu verstehen: Mit den Jahren beginnt die Welt, an uns vorüber zu ziehen. Wir müssen die Wege finden, die wir gehen können, um uns nicht zu verlieren. Ich kenne den meinen. Doch er hat einen Preis und an jenem Abend, nach alledem, was geschah, nach Schatten und Licht, Feuern und Tod, nach der schwärzesten Verzweiflung der Menschen um mich her, die ich an jenem Abend in ihrer reinsten Form trank, bin ich dem gefolgt. Es war ein Totentanz, aus dem mich der Befehl der Mächtigen zog, und ich konnte und ich wollte ihn nicht ganz hinter mir lassen.”

Sie lachte leise und schüttelte ein wenig den Kopf, vielleicht über sich selbst. “In einer Welt, in der alle so handelten, wie sie es mit Euren Worten und Eurer Leidenschaft wohl müssten, könnte ich nicht lange verweilen. Ich könnt’s bestaunen, für eine Nacht, vielleicht für hundert. Doch der Zeitpunkt wäre nie fern an dem ich die wunderschöne Geschliffenheit verlassen müsste, denn mir fehlte es an Erfüllung darin. An Seele, an Leidenschaft. Die Langeweile würde mich niederstrecken wie ein Schwert. Natürlich habe in jener Nacht nicht so weit gedacht, doch im Nachhinein kann ich’s verstehen und sehen. Und so ist mein Platz wie er ist, eh?”

Achilla haderte nicht damit. Sie konnte mit den Schultern zucken und es abschütteln wie eine zu schwer gewordene Last.
Dann hob sie den dritten Finger.

“Doch nun zu Eurer dritten Wendung: Der Jagd. Das ist eine heikle Sache und war es mehr noch zu jener Zeit. Da wurden so viele eifrige Diener mit schönen Worten und harten Pflichten behängt - und man konnte förmlich sehen, wie so manche Brust beinahe vor Stolz, vor Ehrgeiz, vor Eifer und auch vor Gier schwoll. Und hier nun kommt offenbar mein Fehler, denn ich dachte: Sie alle werden sich überstürzten, für jene Jagd. Wenn dann eine wie ich auch nur einen Finger in dieses Becken voller Haifische steckt, dann ist sie ihn sofort los.”
Achilla wackelte mit dem letzten, dem kleinen Finger.

“Doch das ist nun schon Monate her und Ihr sagt, dass diese Jagd noch immer geht! Ha! Meine geliebte Schwester im Blute müsste mitten darin stecken. Vielleicht sollte ich einmal fragen und sehen, was es ist, das sie so aufhält.”

“Ich kann die Verlockung des Glanzes von La Superba und das Strahlen der Morgenröte nicht leugnen”, gab sie unumwunden zu. Nun drehte sie die Hand, so dass die Handfläche zu Iulia zeigte so wie man einen Handspiegel umwendet. “Doch ich kenne auch die Verlockung, es alles zum Teufel zu jagen, aufzugeben, woran sich einer hängt. Muss ich vielleicht sterben lassen, was über ein Jahrzehnt meine Nächte in Arbeit, Sorgfalt, Auslese, Lehre und Lernen bestimmt hat? Es ist wie die Verlockung im Mohnsaft, die vollständige Freiheit, wenn man den hart gewordenen Kokon um sich her endlich abstreifen kann, um die Flügel auszubreiten. Muss dafür alt und schwer gewordenes reißen und sterben? Muss ich selber sterben um neu zu werden? Muss alles untergehen, damit alles neu wird?”

“Wollt Ihr mir verzeihen, Iulia, la pura, dass ich bin, was ich bin und nicht sein kann wie Ihr? Weder so jung noch so rein noch so klar. Wollt Ihr mit mir hadern und gefährliche Gedanken denken? Oder wollt Ihr gar, dass ich losziehe, für Euch? Habt Ihr jene Jagd im Sinn? Oder eine andere?”
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Mit gesenktem Haupt und Blick hatte Iulia Achilla bei ihren Worten zugehört, bevor sie den Kopf schüttelte und sanft erklärte: „Ich muss euch nicht verzeihen, dass ihr nicht sein könnt wie ich, werte Signora Achilla. Ihr seid anders und das ist es auch, was ich an euch mochte. Warum ich euch beschützen wollte.“

Ihr Haupt hob sich langsam und ihr zarter Körper richtete sich auf, als sie ihre Schultern zurückzog. Ruhig fanden ihre blaugrauen Augen kurz unter die Löcher der Maske und ihre Hände ruhten flach auf ihren Beinen. Jede Faser ihres Äußeren spiegelte wider, wessen Blut durch ihre Adern floss, auch wenn sie hier in gewöhnlich wirkender Kleidung vor ihr saß.

„Aber ich weiß um die Verantwortung, die ich trage und ich würde sie Niemandem zumuten wollen, der sie nicht tragen will oder auch tragen kann.“, erklärte die junge Ventrue geradezu nachsichtig, milde wenn auch schlicht, bevor sie deutlich ernster ergänzte: „Ich kann und werde euch deshalb nicht vergeben, so ihr eure Handlungen gegen Genuas Blut oder den Prinzen der Domäne richtet.“

Iulia schwieg einen Moment, bevor sie mit wohlwollenderer Stimme feststellte: „Ich hatte gehofft, meine Worte könnten euch ein Licht sein. Eines, dass euch davon abhalten wird, euch in der Dunkelheit zu verirren.“ Traurig, beinahe resigniert, schüttelte die Ventrue erneut den Kopf, bevor sie leise seufzend sprach: „Aber ich fürchte es war eine vergebene Hoffnung.“

Ihre blaugrauen Augen wanderten nachdenklich kurz zum Eingang des Wagens ab, als sie schwieg und den Geräuschen des Lebens davor lauschte. „Ich danke euch für eure erwiesene Gastfreundschaft, werte Signora Achilla. Für die schönen Momente, die ich mit euch erleben durfte. Den Traum an etwas, das hätte sein können. Doch so ich nichts mehr für euch tun kann, würde ich mich nun gerne von euch verabschieden dürfen.“, meinte Iulia höflich, nachdem ihre Augen zurück auf die Nosferatu gefunden hatten.
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Re: [1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

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“Dann lasst mich Euch ein kleines Abschiedsgeschenk geben”, meinte die Signora. Sie schien die Trauer Iulias nicht zu teilen.
“Ich bin es Euch mehr als schuldig und dabei sollte ich es sein, die mutig ist… .” Behutsam erhob sie sich so weit der Wagen es zuließ, und öffnete für Iulia die Plane zur Seite hin, so dass diese die Treppe hinabsteigen konnte.

“Das Glück soll mit den Mutigen sein, mit denen, die hoffen wider alle Hoffnung. Mit denen, die etwas wagen, das andere für unmöglich halten”, sagte sie draußen. “Ich will hoffen, wo Ihr nun beinahe aufgeben wollt. Ich will eine Freundschaft beginnen, wo niemand sie für möglich hält. Ich glaube nicht, dass wir verschiedenes wollen. Unsere Welten sind nur so fremd, dass es fast unmöglich scheint, dass wir uns verstehen… und doch erkenne ich ein wenig von Euch.”

Vorsichtig griff sie in ihren eigenen Ärmel und reichte dann Iulia etwas kleines hin. Es war ein Stück von dem Faden von vorhin, wohl in der Eile der Flucht abgerissen. Die Schleife, die Iulia geknüpft hatte, war ungefähr in der Mitte, doch etwas mitgenommen. Achilla zog sie behutsam zurecht und machte eine zweite aus den abgerissenen Enden auf der anderen Seite.

“Ihr seid mir stets willkommen. Wenn die Zeiten düster und grau erscheinen, eingeengt und bitter, hoffnunglos und schwer, dann kommt hierher. Wenn Ihr in Not seid oder in Freude, wenn Ihr etwas wagen wollt, etwas Neues sehen, etwas anderes verstehen… oder schlicht meine Gesellschaft genügt, dann kommt hierher.”
Vorsichtig reichte sie ihr die gerichtete Schleife. “Das soll über die in diesen Nächten zu hart gezogenen Grenzen gelten, in einer Stadt, die länger überdauern wird. Und vielleicht darf ich eines Nachts diesen Besuch einmal erwidern?”
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Re: [1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

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Für einen Moment ruhten Iulias blaugraue Augen schweigend auf dem dargebotenen Geschenk, nachdem sie den Wagen verlassen und Achilla geendet hatte. Zögerlich fand ein Lächeln auf ihre Lippen zurück, als sie höflich meinte: „Habt Dank, werte Signora Achilla.“ Vorsichtig berührte ihre Fingerspitze die von der Nosferatu gemachte Schleife und beinahe zärtlich streichelte sie über die Schlaufe.

Nachdenklich betrachtete sie den Faden, dann legte sich eine ihrer Hände unter die der Maskierten, während die andere mit einer vorsichtigen Bewegung die Hand der Nosferatu, die den Faden hielt, zur lockeren Faust geschlossen hätte, ohne die Schleifen dabei zu zerdrücken, sofern diese es zugelassen hätte, denn die Bewegungen der Ventrue waren allesamt langsam, weich und mit kaum spürbarem Druck. Geradezu achtsam, während sie die Reaktionen ihres Gegenübers wahrnahm. Ihre Hände umgehend zurückziehend, so es der Nosferatu unangenehm gewesen wäre.

Anderenfalls hätten sich ihre leichenkalten Hände geradezu schützend um die Hand der Nosferatu gelegt. „Behaltet es.“, meinte Iulia dann liebevoll mit warmer und gütig anmutender Stimme. Ein sanftes Lächeln lag auf ihren Lippen, als sie sprach: „Ich werde weder euch noch die Hoffnung an euch aufgeben. Doch ich weiß auch, dass manches Zeit benötigt. Seht es als Erinnerung an die heutige Nacht an.“ Ein höfliches Nicken folgte, dann hätte sie ihre Hände von denen der Nosferatu gleiten lassen.

In einer ruhigen Bewegung schlug die junge Ventrue dann ihre Kapuze über ihr Haupt, bevor ihre blaugrauen Augen erneut ihr Gegenüber fanden. „Ich werde euch willkommen heißen, wie ihr mich willkommen geheißen hattet.“, erklärte die junge Ventrue abschließend mit milder Stimme, während sie den Stoff mit spitzen Fingern hübsch zurechtzupfte.
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Re: [1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

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Es wog schwer, ein zurückgewiesenes Geschenk. Nun war die Gabe nicht kostbar gewesen, abseits von dem, was sie bedeutete, von der Erinnerung an die Momente. Die Signora sah einen Moment darauf und dann zu Iulia.
“Ich werde mich erinnern”, erklärte sie und hielt ihre Stimme eben und gleichmütig. Die Maske zeigte keine Regung und das war auch gut so.

“Lasst mich wissen, wo ich Euch besuchen darf… und wann. Es mag noch schwierig sein, denn ich sollte wohl eigentlich mit Eurem Erzeuger sprechen anstatt direkt zu Euch.” Sie legte den Kopf ein wenig auf die Seite. “Es ist wohl schwierig, wenn man sich auf den gläsernen Brücken höfischer Etikette bewegt, eh? Doch wir haben ein wenig Spielraum - Ihr müsstet ihn mir jedoch weisen.”
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Re: [1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

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Iulia schwieg für einen Augenblick, dann senkte sich ihr Blick und sie sprach leise: „Es war nicht meine Absicht euch das Gefühl zu vermitteln, dass ich euer Geschenk oder gar euch abweisen würde, werte Signora Achilla. Tatsächlich weiß ich eure Geste zu schätzen.“ Ihre blaugrauen Augen hoben sich, als sie auf den Faden blickte und sanft meinte: „Sehr sogar. Deshalb wollte ich auch, dass ihr es behaltet. Um es für mich zu bewahren. Ich hätte mich wohl anders ausdrücken sollen. Unmissverständlicher. Besser.“

Das Gesicht der Ventrue nahm einen vorsichtig fragenden Blick an, als sie sich bei ihrem Gegenüber erkundigte: „Würdet ihr das denn für mich tun, werte Signora Achilla? Es für mich schützen?“ Sie zögerte kurz, dann erklärte sie gedämpft, beinahe widerwillig: „Es sind derzeit sehr gefährliche Zeiten für mich. Ich wüsste keinen Ort, an dem ich etwas, was mir derart kostbar ist, sicherer verwahrt wissen würde als bei euch.“ Erneut pausierte Iulia, bevor sie meinte: „Ich will nicht, dass etwas so wertvolles verloren geht.“ In ihrer Stimme war kein Hohn zu hören. Stattdessen spiegelte die Ernsthaftigkeit hinter ihren Worten wider, dass es für andere nur zwei Stück Faden mit Schleifen sein mochten, für sie dieses Geschenk allerdings weitaus mehr bedeutete.

„Ich werde euch einen Ort nennen, sobald ich mich in Genua niedergelassen habe und euch dort gerne willkommen heißen.“, erklärte sie ihre vorherige Zurückhaltung, bevor sie vorsichtig und leicht verwirrt fragte: „Doch weshalb solltet ihr zu meinem Erzeuger sprechen, anstatt direkt zu mir, werte Signora Achilla? Und was meint ihr damit, dass es wohl schwierig ist, wenn man sich auf den gläsernen Brücken höfischer Etikette bewegt?“
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Re: [1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

Die Worte Iulias und ihre Art besänftigten die Signora und richteten sie zugleich wieder auf. Sie nahm ein kleines Taschentüchlein aus ihrem Ärmel zur Hand, schlug die Schleife vorsichtig darin wie man sonst vielleicht eine Blüte für sich bewahren würde und steckte das kleine Bündel vorsichtig ein.

“Hm”, machte sie dann zu Iulias Frage. “Ich kenn’s von meiner Zeit, als ich “Kind” geheißen wurde. Meine Mutter im Blute war keine zu harte Frau, abseits der Lehren für unser Blut, die nun einmal hart und dunkel sind. Doch alles, was ich tat und sagte, das fiel auf sie zurück. Sonst wäre ich ja nicht Kind und ihr Mündel. Kaum einer sprach direkt zu mir und wenn doch, dann taten sie es nur mit dem Einverständnis meiner Schirmherrin. Wenn ich einen Handel machen wollte, dann konnte ich es nicht gleich auf gleich mit den anderen, denn mein ganzes Tun und Treiben fiel ja zurück auf sie.”

Sie erläuterte dies ohne einen Vorwurf, vielleicht mit einer gewissen Neugier dafür, in welcher Lage Iulia selbst sich befand. “Doch Ihr bewegt Euch ohne den Namen und Schutzschild, doch trotzdem mit dem Stand. Ich will’s recht machen… .” Flüchtig legte sie die Hand über die Stelle, wo sie das kleine Bündel mit der Schleife eingesteckt hatte. “Und keine Schwierigkeiten schaffen.”
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Re: [1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

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„Keine Schwierigkeiten schaffen.“, widerholte Iulia die Worte der Nosferatu nachdenklich, bevor sie einen leisen, nachdenklichen Hm-Laut ausstieß und einen Moment lang stumm die Stelle auf der Achillas Hand flüchtig gelegen war betrachtete. „Weshalb wollt ihr mit meinem Erzeuger tatsächlich sprechen, werte Signora Achilla?“, fragte sie ihr Gegenüber geradezu unverblümt direkt und offen neugierig, nachdem ihr Blick zurück zu der Maske ihres Gegenübers gefunden hatte.

„Doch wohl nicht nur, weil eure Erziehung in manchen Punkten eine völlig andere war, als es die meine ist, oder?“, setzte Iulia mit milder Stimme geradezu amüsiert nach, während ihre blaugrauen Augen über den Körper der Maskierten wanderten. Ihr Kopf neigte sich leicht zur Seite, als sie sich interessiert erkundigte: „Oder habt ihr etwa tatsächlich Sorge, ich würde mich wie eine Rose winden und mich weigern einen erwiesenen Gefallen angemessen zu begleichen, um den ich euch doch selbst gebeten hatte?“ Fragend blickte Iulia auf die Nosferatu, bevor sie nur sanft den Kopf schüttelte und sich in ihrem Gesicht dabei widerspiegelte, wie wenig sie von derlei Dingen hielt.

Dann nickte die Ventrue nur leicht in Richtung eben jener Stelle, an der sich die Schleife befand. Ich schulde euch in gewisser Weise etwas, wenn ihr es denn so wollt, werte Signora Achilla. Mein Erzeuger wird diese Schuld ganz bestimmt nicht für mich begleichen. Weshalb auch?“, stellte sie mit einer Stimme klar, in der kein Zweifel darüber zu hören war, dass dem so sein werde und sie allein den Preis hierfür trug. Iulia wirkte geradezu amüsiert, allein von der Vorstellung, dass es anders sein könnte. Entsprechend schwang eine unverrückbare Gewissheit mit, als sie andeutete: „Womöglich werdet ihr es lieber verkaufen, ganz so, wie es für euer Blut durchaus üblich ist, anstatt es zwischen uns zu bewahren.“

Offenbar schien dies für Iulia völlig nachvollziehbar und auch in Ordnung zu sein, denn es war kein Vorwurf in ihrer geradezu nachsichtig wirkenden Stimme zu hören gewesen. Iulia zuckte sogar so leicht mit den Schultern, dass es beinahe unbeschwert wirkte. Dennoch lag eine unterschwellige Schwere in ihren Worten, die die scheinbare Leichtigkeit, mit der sie hierüber sprach, harte Lügen strafte und klarstellte, dass es absolut nicht egal sein würde, wie die Nosferatu sich hier tatsächlich entscheiden würde.

Iulias Blick ging in Richtung des Lagers und für einem Moment lauschte sie dem bunten Treiben dort, als sie ungerichtet, beinahe tonlos, vor sich hinsprach, ganz so, als würde sie in diesem Moment nicht mit der Nosferatu selbst sprechen. „Ich hätte mir gewünscht, ihr hättet den Mut aufbringen oder auch das Vertrauen finden können, mich von euch aus zu fragen, ob ich euch den Gefallen erweisen würde, einen Teil meiner Macht, mag sie in euren Augen auch noch so gering sein, dafür zu nutzen, um meine Hand schützend über Euch und die Euren zu halten, so wie ich es euch angeboten hatte zu tun, als ich die von euch gereichten losen Enden, zur Schleife verbunden hatte. Denn das hätte ich für euch ohne zu zögern getan, so ihr es nur gewollt hättet. Ich hätte dafür gesorgt, dass die Euren in Genua weiterwachsen und gedeihen können. Dass sie ihre Kunst ausleben und so dazu beitragen hätten können, eine Welt von längerfristigem Wert zu schaffen.“, sprach sie weiterhin in Richtung Clavicula gewandt hinein in die Dunkelheit fern allem Lichts.

Dann drehte sich ihr Kopf langsam zurück und ihre blaugrauen Augen fanden zu der Maskierten, als sie sich bei ihr erkundigte: „Wohin also wird euch euer künftiger Weg nun letztlich führen, werte Signora Achilla?“ Fragend sah sie auf ihr Gegenüber, als sie sich erkundigte: „Wünscht ihr es noch immer, dass ich mich bei meinem Erzeuger erkundige, ob ihr empfangen werden würdet, weil eure Kenntnis der höfischen Etikette dies so vorschreiben würde? Weil ihr es nicht glauben wollt oder es womöglich glauben könnt, dass mein Erzeuger mir zugestanden hat, wie ihr sagtet, ohne Namen und Schutzschild, mich in der kainitischen Gesellschaft bewegen zu dürfen, wo doch jedes Wort, jede Geste, jede Entscheidung das Gegenüber womöglich auch verärgern oder gar zum Feind machen könnte.“
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Re: [1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

Die Worte verletzten. Es wurde sichtbar, weil die Nosferatu es auch nicht verbarg. Sie wich ein Stück vor Iulia zurück und hob die Hand zu ihrem Mund hin, der nicht ihr echter war. Einmal zwischendrin zuckte sie sogar zusammen und das schüttelte einen bleichen, bräunlichen Klumpen los, der aus dem linken Augenloch ihrer Maske rann wie eine verfaulte Träne. Die Motten, die ihre Kleider und wohl auch ihr Leib sonst beherbergten, schwirrten verwirrt und aufgescheucht um sie her, immer mehr und mehr, so dass schon die Lichter umher von den zahlreichen kleinen Leibern flackerten, die zwischen Flammen und der Dunkelheit flogen.

“Wenn ich Euch Euer Geheimnisse hätte nehmen und entreißen wollen, dann hätt’ ich’s getan!”, rief Achilla. Sie deutete mit der linken Hand auf Iulia. “Doch ich hab’s nicht! Weil ich es schön fand, so wie es war, ganz gleich wie sonderbar und verwunderlich!”
Sie warf die Arme in die Luft und das setzte einen weiteren Stoß der Insekten frei, die nun auch Iulia zu umschwirren drohten. Hier und da konnte sie sicher schon Flügelschlag auf ihrer Haut oder im Haar spüren.

“Und ich hab’ Euch auch nicht um Schutz gebeten, eben genau weil Ihr nicht den Stand habt und ich nicht das Recht, daran zu rühren! ...oder vielleicht auch, weil ich es nicht wollte!”
Sie gab einen erstickten Laut von sich. Schluchzen? Lachen? Am Ende keuchte sie nur mehr Leben hervor, graubraune, verwirrte, flüchtige Schmetterlinge.

“Nichts von Euch habe ich verkauft”, zischte sie. “Nicht eine Silbe. Weil’s mir gehört und weil Ihr noch diesen flüchtigen Schutz besitzt - und weil ich diese Dinge achte. Mehr anscheinend als so viele andere! Doch ich finde sie schön, diese Schleifen und Zierart, den Luxus unserer eigenen Gesetze, die wir uns geben, damit wir nicht blank und bloß dastehen wie in jenen fünf Nächten als so viele Masken fielen und sich bis ganz zuletzt noch die hässlichsten Gesichter zeigten!”

Achilla stampfte in ihrer ohnmächtigen Wut mit dem pantoffelbesetzten Fuß auf den Boden, dass es knirschte und knackte. Etwas brach an oder in ihr und sie schwankte ein wenig bis sie wieder sicheren Stand hatte.

“Ihr seid mein Gast!”, rief sie. “Schämt Euch, dass Ihr mir solche Bezichtigungen vor die Füße werft! Als wäre ich ein die Ratte, die im Abfall Eures Haushalts gräbt! Als wäre ich nicht in der Lage, aufgrund meines schmutzigen Blutes und all der Hässlichkeit, die Schönheit zu kennen und wert zu halten!”
Es waren Schluchzer und kein Gelächter, das wurde nun deutlicher, als die erstickten Laute unter der Maske häufiger wurden. Jetzt verschmierte auch etwas anderes als Larven und gebrochene Kokons die Augenränder der Maske. Schöne Tränen sahen anders aus, aber diese Maske war auch nicht zum Weinen gefertig worden. Es stank nach verbrannten Mottenleibern, wo die eine oder andere in wilder Panik dem Feuer zu nahe gekommen war, und nach Blut, denn die Tränen der Signora waren gewiss nicht klar.
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