[1035] Jahrestag [Anastasia, Angelique]

[Angelique]

Ein kleines Mädchen in Lumpenkleidchen mit nackten Füßen und einem grellgelben Armband stand am Hafen und achtete nicht des bunten Treibens, das um es herum stattfand.

Es war wie ein Gewirr aus Leuten im Zeitraffer, das um eine unbeachtete kleine Statue schwirrte.
Das Mädchen hatte einen Strauß Wildblumen auf das Plaster der Mole gelegt und verharrte mit gesenktem Kopf wohl über eine Stunde dort, die Hände zum Gebet gefaltet.

Irgendwann hob es den Kopf und starrte, sei es Zufall oder geheimnisvolle Vorahnung, auf das Haus üblen Leumunds, das wie zum Hohn nach dem frühchristlichen Märtyrer San Pellegrino benannt worden war...

[Anastasia]

Von dort kommen gerade schwankend zwei Martrosen auf sie zu. Nach kurzem Zögern kommt auch der Mann, der die ganze Zeit in der Tür des Pellegrino stand.
Die Martrosen kommen grinsend und feixend auf das kleine Mädchen zu, da stellt sich der Mann ihnen in den Weg. "Ihr geht besser, ihr hattet genug." "Och Toni, du alter Spielverderber! Wir können noch."
Der baut sich etwas mehr auf. "Geht, sie steht nicht zu Verfügung."
Als die beiden maulend abziehen, dreht er sich um. "Du solltest hier nicht sein, kleines..." dann sah er sie genauer an. "Oh, verzeiht, Hochwerte Angelique, ich erkannte Euch zuerst nicht. Ich hoffe nicht euere Jagd gestört zu haben." Er sieht ziemlich zerknirscht aus.

[Angelique]

Das kleine Mädchen hob den Kopf und sah mit Blick ohne Blinzeln den Opfern nach, die aus ihrer Falle entfleuchten.

"Nein, Toni, das war nicht der eigentliche Grund, warum ich hier vorbei kam."

Der starrende Blick fiel wieder auf das Pflaster mit den Blumen. Mit gramerstickter Stimme meinte das Kind: "Die beiden schulden Euch viel, ohne es zu wissen. Heute Nacht ist keine gute Nacht, Angelique von Arelete vor die Fänge zu geraten. Ich könnte versucht sein, bis zum Herzblut zu trinken, um meinem verstorbenen Liebsten Opfer ins Grau hinter den Schleier des Diesseits zu schicken."

Dann ging ein Ruck durch den kleinen Körper. Sie strahlte den Mann namens Toni mit einen unschuldigen und fröhlichen Kinderlaschen an. "Eigentlich wollte ich deine Herrin sprechen. Kannst du mir sagen, wo sie sich aufhält oder wo man sie treffen könnte?"

Ihr unschuldiges Kinderlachen wurde zu seinem sinistren Grinsen. "Wie steht es mit dir, Toni, willst du riskieren, was den beiden Unwissenden entging, bevor du ihr Bescheid gibst?

Nur aus seinem Blickwinkel konnte man die langen Eckzähne im Lächeln des Kindes erkennen...

[Anastasia]

Er verbeugt sich sichtlich verwirrt.
"Ihr könnt gerne im Clavicula, in der Messerschärferei nachsehen, ob sie da ist. Oder ich renne schnell. Oder ich sage ihr für morgen Bescheid, wie ihr wünscht!"
Den Rest hat er nicht verstanden, oder wollte nicht. Wollte nicht wahrhaben, dass dieses Kind jemanden einfach so töten könnte. Wollte nicht wahrhaben, dass es ein gelbes Band trug.
Verschloss seine Augen und Gedanken davor.
Sah sie fast zärtlich an. Anastasia hatte ihm von der Nacht erzählt. Von der Kette am Mädchen. Von dem gelben Band. Von dem Kind, welches dann doch keines war. Von dem Blut, umsonst vergossen. Von dem unnötigen Toten.

[Angelique]

"Wenn du sie holen würdest, würde ich hier warten", meinte Angelique und schickte sich an zu warten.

[Anastasia]

Toni rennt davon, es dauert eine Weile, aber dann kehrt er zurück und nickt, die Verborgene würde hier bald auftauchen.
Er geht wieder zur Tür und beobachtet die Kleine.
Einige Minuten später kommt Anastasia tatsächlich. Ihre Augen blicken freundlich auf die kleine Kindskainitin. "Es ist lange her, werte Angelique. Eine schreckliche Nacht damals. Und wir konnten noch nicht miteinander sprechen, unter uns. Sollen wir einen Spaziergang machen? Ich denke Ihr habt vielleicht immernoch Fragen. Ich habe vielleicht Antworten." Anastasia lacht leise hinter ihrem Schleier und streckt eine Hand aus.

[Angelique]

Das kleine Gossenmädchen verbeugte sich formvollendet, wie es sich für eher für eine kleine Adlige gebührte und nicht für ein Gör aus dem Pöbel.
"Wie Ihr es wünscht, wohlwerte Liktorin! Gratulation im Übrigen zu Eurem schnellen Aufstieg."

Angelique bedeutete mit ausladender Geste der Emporgekommenen den Weg vorweg zu beschreiten und wahrte stets einen respektvollen Abstand. Die angebotene Hand hatte sie nicht genommen, denn manch Amtsträger mochte bereits dies als Anmaßung erachten.

Sie wartete auch, bis die Liktorin gesprochen haben würde, bis sie antwortete.

[Anastasia]

Anastasia mustert sie. "Ach Angelique... " dann stutzt sie. "Habt ihr mich als Liktorin gerufen?"
Anastasia betrachtet sie neugierig, aber man bemerkt, dass sie sich eher einen anderen Grund des gerufenwerdens wünschen würde.

[Angelique]

"Nein, nein", wehrte das Mädchen ab. "Ich wollte mich nur nach den Sklavenkriegern erkundigen. Ich konnte sie vor geraumer Zeit nicht entgegennehmen, weil ich keine Unterkunft mehr hatte.
Das hat sich glücklicherweise geändert. Ich könnte sie jetzt versorgen.

Ich habe Euch nur mit Eurem neuen Titel abgeredet, weil ich weiß, wie wichtig das vielen ist."

[Anastasia]

Anastasia entspannt deutlich und streckt die Hand erneut aus, nicht fordernd, eher anbietend.
"Solange wir unter uns sind, gerne Anastasia, oder Ana. Wie Schwestern sagtest du." Sie lacht leise. "Sie sind gut genährt, sie sind gesund und arbeiten um nicht faul zu werden."
Sie betrachtet die kleine Kaiserin freundlich.
"Die nächsten drei Tage sind sie noch gemietet. Ich würde ungern den Kontrakt brechen, aber sie können gern schon bei dir einziehen, sollte das dein Wunsch sein." Sie geht so schnell, wie Angelique vorgibt.