[1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

[Mai '20]
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Signora Achilla
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[1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Signora Achilla »

Noch im Winter, bevor der Frühling mit seinem Grünen und Blühen Einzug halten konnte und als die Nächte noch lang und kalt waren, kamen zwei junge Leute zum Tarda Ora. “Wir sind hier mit einer Botschaft”, so sagten sie, als sie gefragt wurden. Die beiden sahen aus wie Geschwister, noch nicht älter als fünfzehn Jahre. Beide waren immerhin sauber und benahmen sich artig - vielleicht auch etwas verschüchtert von dem prachtvollen Haus und den Wachen. “Für den ehrenwerten Herold”, würden sie dann auch erklären, wenn es nicht gerade mitten auf der offenen Straße war. “Unsere Signora Achilla meldet sich an und fragt nach einer Audienz.”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Die Wachen draußen verzogen keine Miene und baten lediglich darum eben zu warten. Dann ging einer hinein, sagte wohl Bescheid und kam nach ein paar Minuten wieder hinaus, einen anderen Mann im Schlepptau habend.
Dieser war jünger und besser gekleidet. Er war offensichtlich auch kein Soldat, sondern ein hoher Herr oder Gelehrter?
Dieser nahm die Bitte der beiden Geschwister an und versprach ihnen eine Antwort zu schicken, wo man sie denn erreichen könne?

An eben jene Kontaktstelle oder auch den beiden persönlich, wenn sie an einem anderen Tage wieder kommen sollten, wurde später eine Nachricht überbracht, dass der ehrenwerte Herold die werte Signora Achilla in einer Woche im A Tarda Ora empfangen würde.

In genannter Nacht würde der junge Herr in der weiss gefliesten Halle, die vom warmen Kerzenschein spärlich erleuchtet wurde, die Nosferatu in Empfang nehmen und zu Toma geleiten, welcher in einem kleinen Raum im oberen Stockwerk auf sie treffen würde. Ähnlich dem Raum indem Achilla schon das erste mal dem Drachen begegnet war. Wo sie sich auf spezielle Weise näher gekommen waren.
Viel Zeit war seit dem vergangen und bereits einiges neues hatten sie über den jeweils anderen gelernt.
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Signora Achilla
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Signora Achilla »

Die Signora war in dieser Nacht gedeckt gekleidet. Die Farben waren dunkel und sie trug ein Kopftuch wie eine alte Witwe, die den Schleier abgelegt hatte - oder nicht das Geld dafür besaß. Wahrscheinlich eher letzteres, denn ihre Kleidung war einfach geraten, hier und da geflickt. Die Sohlen ihrer Schuhe waren aus den Resten von alten Schiffstauen gewickelt, die Fingerlinge zusammengestückelt und abgetragen. Doch die Maske, die sie trug! Die konnte einen zweimal hinsehen lassen, so prachtvoll sah sie aus: Sie war aus gehärtetem Leder gemacht, mit Stoff überzogen und dann so kunstvoll in verschlungenen Linien und Mustern bestickt, dass man in diese Linien alles mögliche hineindeuten konnte: Wildes Lachen, herzzereißendes Weinen, schreiendes Entsetzen oder grenzenlose Wut. Es kam ein wenig darauf an, an welchen der Linien sich das Auge festhielt - und das konnte sich mit dem Winkel ändern, mit welchem man auf diese Maske blickte. Hier und da saß, beinahe unsichtbar durch das eigene und das gemalte Muster getarnt, eine Motte auf der Maske.

Die Signora war auch nicht allein gekommen. Die beiden Geschwister waren bei ihr, blieben aber artig draußen oder wo auch immer man solchen wie ihnen wohl einen Platz einräumte. Keiner der beiden war bewaffnet, wenn man von einem sehr gewöhnlichen Messer fürs Essen und den Alltag am Gürtel absah. Beide waren, ähnlich wie die Signora, eher ärmlich gekleidet - auf den ersten Blick betrachtet und ohne jene Maske hätte man auch einfach denken können, dass dies Bruder und Schwester waren, die ihre Mutter oder Tante irgendwohin geleitet hatten.

Letztendlich war die Signora allein, als sie die weiß geflieste Halle betrat. Sie schien sich an der Glattheit jener Fliesen zu erfreuen, so wie sie geziert ihre Füße setzte. Ein wenig wirkte es als probiere sie, ob sie mit diesen Sohlen vielleicht rutschen konnte und würde. Doch sie tat nichts derlei sondern machte stattdessen einen ebenso gezierten Knicks für Toma.

“Ich danke Euch für den Empfang”, sagte sie. “Euer Haus ist schön wie eh und je.”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

„Keine Zeit für lange Höflichkeit, hm.“ bemerkte Toma, als Achilla vor sie gebracht wurde, und es klang gleichsam wie eine Frage, eine rethorische und eine Tatsache. Ein wenig pickiert dabei, doch die Worte waren wenigstens ein Kompliment gewesen. .

„Seid ihr wegen eures Gefallens hier oder habt ihr noch ein anderes Anliegen?“ sprachen sie schlicht weiter und unterließen es eben selbst eine angemessen Begrüßung zu überbringen.

Für einen Moment betrachteten sie dann neugierig musternd ihre fein verzierte Maske.

Toma trug selbst noch immer dasselbe Gesicht, dass sie in der Nacht der Schlacht am Hafen, gesehen hatte.
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Signora Achilla
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Signora Achilla »

Die Signora nickte leichthin. Sie hatte noch nicht einmal mit der Begrüßung begonnen, aber ging nun einfach mit Tomas Worten und beließ es dabei.
“So geradeheraus wie Ihr es wollt und fügt”, bemerkte sie milde. “Ich komm’ für den Gefallen, aye, aber auch für eine Pflicht. ‘s geht um die Weisung der hohen Herrschaft, um die Blutsdiener.”
Sie machte eine kleine Pause. “...und ich komm’ wohl auch mit etwas Neugier. Was ich da am Hafen gesehen hab’, das werd’ ich wohl nie vergessen können. Und doch steht Ihr hier, schön wie ein Edelmann.”
Sie machte ein paar kleine Schritte zur Seite wie um Toma aus einem etwas anderen Winkel heraus anzusehen. “Wie ist es Euch ergangen?”, fragte sie.
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Ein leichtes Zucken zeigte sich bei ihren Augen als sie von der Nacht am Hafen sprach.
Doch sie kommentierten es nicht weiter. Das war nichts was sie mit einer Nosferatu oder irgendwem anderen als einem ihres Clanes erörtern wollten.

Sie deuteten auf einen Platz am Tisch und boten ihr auch stattdessen etwas zu Trinken an.

„Den Umständen entsprechend. Besser als es möglich gewesen wäre, schlechter als es hätte sein sollen.“ Sie winkten ab. Was brachte es zu jammern.
„Euch scheinen die Nächte ja weniger hart zugesetzt zu haben.“ Was vielleicht aber auch nicht so schwer war, wenn man ohnehin nicht viel hatte und den Boden Brunnens den man herabfiel schon kannte. „War euer Fest ein Erfolg?“
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Signora Achilla
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

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Da lachte die Signora, die auch das Angebot von Trinkbarkeiten nur zu gern angenommen hatte. Es war ein überraschend schöner Laut von jemandem wie ihr.
“Ai”, sagte sie. “Ich wünschte, ich hätt’ mehr dort sein können - doch worin misst man wohl den Erfolg von einem Fest?” Sie hob die Hände etwas an und spreizte die Finger ganz delikat, wie ein Musikant, der die Saiten seiner Leier zupft. “Doch ich sage Euch: man konnte etwas davon noch Tage später in den Menschen kosten.”

Sie wirkte unbeschwert, wenn sie so war wie nun. Ein paar braune kleine Falter flatterten um sie her als gäbe es gerade jetzt einen Grund für ihren Tanz.
“Und doch hätt’ ich’s wohl nicht eingetauscht, das Fest gegen diese Nacht. Ich habe die principessa bianca das erste Mal gesehen, als diese Blutnächte begannen, Schwarz und Weiß. Und ein zweites Mal genau dann. Eine Pracht wie ihre… ha! Und ihr Zorn!”
Sie breitete die Arme aus. “Es sind solche Momente, die einem bleiben. Wie Perlen und Juwelen in der Schatztruhe der Erinnerung.”
Ihre Arme sackten dann langsam herab. “Für die meisten vom Blut in Genua haben diese paar Nächte und ihr Ende wohl vieles verändert. Doch für Euch und für mich, so scheint’s mir, blieb es wohl im Großen und Ganzen wie es war.”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Sie legten leicht den Kopf schief. Konnte man das? Es in den Menschen schmecken, wenn sie gefeiert hatten? Den Alkohol wohl.

Sie befohlen dem Diener der Signora einen Kelch Blut zu bringen und einige Minuten später stand ein solcher aus weissem glatten Material vor ihr, gefüllt mir frischem Leben.

Toma lächelte leicht schief. "Oh, es hat sich viel verändert, auch wenn es nicht danach aussieht. Manches magt ihr auch gehört haben und die neuen Regelungen...nun sie zogen doch Taten nach sich, die wir vorher nicht in Betracht gezogen hätten."
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Signora Achilla
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Signora Achilla »

“Für Euch selbst?”, fragte die Signora nach. Sie ließ den Kelch den Moment lang stehen, den sie brauchte, um die Maske vor ihrem Gesicht zu lockern. Leder, Stoff und Holz schienen so genau angepasst zu sein, dass dies nicht so einfach ging. Es gab ein Geräusch wie von reißendem, brüchigen Stoff als sie die Maske an den Seiten lockerte. War die etwa vernäht gewesen? Mit was? Ein Klumpen Fleisch, Haut und Maden fiel seitlich herab und blieb in den Falten des Kleides hängen.
Behutsam löste Achilla die Maske. Motten flatterten aufgescheucht um sie her als sie sie beiseite legen konnte, neben den Kelch, den sie dann anhob.
Es wirkte als hätte sie damit auch ihr Gesicht abgelegt. In gewisser Weise hatte sie das wohl, denn gute Teile der Haut und des Fleisches klebten noch am Inneren der Maske. Was übrig geblieben war, war eine verrottete Ruine. Nichts davon schien die Signora sonderlich zu stören als sie den Duft des noch warmen Blutes einsog und davon kostete.

“Was hat’s Euch Neues gebracht?” Ohne die Maske klang ihre Stimme schöner. Es fehlte die störende Schicht dazwischen, um die auch bei aller Maskenkunst doch herum gesprochen werden musste.
“Ich meine: Was hat sich für Euch wahrhaftigt verändert?”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Toma nickte auf ihre Nachfrage hin bevor sie sich die Maske wortwörtlich vom Gesicht riss. Es war ein faszinierender Anblick. Ekelerregend und brutal, würden andere es vielleicht nennen. Doch darin lag gleichsam etwas besonderes, das einen den Blick nicht abwenden ließ. Wie schmerzbefreit sie sich selbst Fleisch und Haut abriss, war bemerkenswert und zeigte es nicht auch eine andere Sichtweise auf diese Maske. War sie nicht wie ein zweites oder gar ihr wirkliches Gesicht? Oft fragte man sich was lag unter der Maske, die jemand trug. Was wenn da nichts war? Nichts was man wirklich sehen konnte, denn die Maske war Teil eines selbst geworden? Hier war es fassbar zu sehen. Dieser Gedanke fast zur plastischen Realität geworden.

Toma schaute sie ungeniert an. Ihre Augen wanderten über ihr zerstörtes Gesicht. Dies war es, was sie wieder schön sehen wollte. Eine Herausforderung.

"Neue Erfahrungen. Neue Herausforderungen. Neue Verbündete und neue Feinde. Vieles verändert sich immerzu. Nicht immer zum besseren, nicht immer sichtbar, aber ihr kennt das."
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