[1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

[Mai '20]
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Signora Achilla
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Signora Achilla »

Der Geruch des Blutes aus dem Kelch hing schwer und metallisch in der Luft. Achilla trank geziert, ohne Gier. Doch es war genug Gier zu sehen, als nach dem ersten Schock von Licht und Luft das Leben in ihrem toten Fleisch wieder hervorkroch und sich regte. War es der Geruch des Blutes, der sie hervorlockte? Oder das Versprechen der Stärke, die es mit sich bringen würde, in eben dem Fleisch, in dem sie lebten?

“Ai”, sagte Achilla. “Ich kenn’ es wohl. Mal so und mal anders, wie einer von diesen Reigen und Tänzen, in denen man den Schritten und Figuren folgt - und auf einmal ist der Gegenüber ein anderer und im nächsten Durchgang wieder neu und so fort… .”
Sie hielt den Kelch elegant ein wenig vor sich und hob die Hand an wie eine solche Tänzerin. Eine kleine Drehung und sie sah Toma wieder an, mit halb geneigtem Kopf.

“Doch die Musik ist dieselbe”, sagte sie dann milde. “Und die Schritte und Formen sind es auch. Das meinte ich wohl, auch wenn es wohl all den Tänzern umher nicht gerecht wird.”
Sie lächelte - etwas, das sie sonst nicht konnte. Vielleicht war es besser so, denn die feinen Muskeln in den Lippen schienen an einer Stelle durch, an einer anderen brach spröde Haut auf.

“Die Pflicht des Gehorsams gegenüber dem Wort der Weißen Prinzessin führt mich her. Wahrscheinlich habt Ihr’s schon vielfach abhandeln müssen, eh? Die losgerissenen Blutsdiener, vielleicht die Klagen des einen über den anderen und wer worin die Masken fallen ließ? Oder sind sie noch katzenfreundlich untereinander, so dass es noch ruhig ist?”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Tomas Blick heftete sich auf die Muskeln die sich in ihrem Gesicht offenbarten. Ein Blick den nur ein Former des Fleisches auf einen werfen konnte, der so entstellt in den gewöhnlichen Augen war. Auch für Toma kam ihr Gesicht als Ganzes einer Ruine gleich. So viel war zerstört und dennoch waren es die Einzelheiten die ihren Reiz für sie nicht verloren.

Nach einem Moment wanderten ihre Augen wieder zu denen Achillas.
"Wie steht es um eure Blutsdiener?" fragten sie entsprechend dem was sie nun erwähnt hatte.
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Signora Achilla
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Signora Achilla »

“Ich mag die Menschen”, erwiderte Achilla da als wäre das eine Antwort - oder wenigstens ein Teil von einer. “So war’s schon immer und es hat sich mit dem Tod auch nicht geändert.”

Sie leerte den Kelch bevor das Blut kalt und schal werden würde und setzte ihn behutsam ab.
“Als ich herkam, nach Genua, ging ich recht bald zu Euch, so wie’s sich wohl gehört. Um mich vorzustellen wie es der Weißen Prinzessin wohl gefallen würde. Ihr trugt mir dann auf, eine Truppe an Spielleuten, an Musikanten zu fügen, die für die Gesellschaft der Nacht aufspielen könnten ohne dass daran unser aller Geheimnis bricht.”

“Das habe ich getan. Es ist eine Arbeit, die nie endet, denn Kunst und Musik wandeln sich und Geschmäcker und Anspruch auch. Talent will gefördert werden, dass es zu echtem Können wird. Ich habe den einen oder anderen von ihnen gebunden - die, die vielversprechend sind. Die Besten. Es war nötig, denn wenn sie für die Nacht spielen, dann sehen sie zu viel. Und das haben sie, wenn ich sie vor den Augen Unsterblicher spielen ließ.”
Achilla nahm ihre Maske wieder zur Hand und hob sie kurz an, vor ihr Gesicht.

“Und weil ich die Menschen mag, wollte ich doch diesen einen Gang wohl tun, um zu fragen: Soll ich sie wirklich beenden? Eben dieselben, die ich für diesen Auftrag erst ausgesucht habe?”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Toma hörte ihr zu und nickte einmal, dann schauten sie nachdenklich und tippten sich auch mit einem Zeigefinger gegen das Kinn, als sie wohl in Gedanken waren.
"Wir verstehen euch. Es war eure Aufgabe. Ihr habt sie erfüllt. Nun wäre es an dem Prinzen zu entscheiden was sie mit diesen Menschen tut, denn mehr oder weniger sind es ihre. Ihr habt sie für sie gesammelt."

Nach einer kurzen Pause lehnten sie sich vor, näher zu ihr.
"Sind sie euch selbst wirklich so wichtig, dass ihr sie nicht verlieren wollt? Seht es nicht nur als die Pflicht an, die es für euch war?
Sind sie schlicht Musiker oder mehr für euch? Habt ihr noch weitere, die ihr nicht haben dürftet?" *


Sie legten eine Hand an ihre, die die Maske hielt und drückten sie sanft herunter um ihr Gesicht zu sehen.
Sie schauten nach den kleinen Regungen die Lüge oder Wahrheit sprechen würden. Doch es war auch die Stimme, die viel verriet.

*Wahrnehmung+Empathie um etwaige Lüge zu erkennen gg.7
heute um 15:24 Uhr
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Signora Achilla
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Signora Achilla »

Da zeigte die Signora Zähne. Splitterscharf, perlweiß und verrottet schwarz.
“Ich bin keine zarte Edeldame, die sich ein weiches Herz leisten konnte, in dessen Dunst der Verstand gleich mit fault”, stellte sie wenig delikat und dafür recht kaltschnäuzig fest.
“Menschen sterben. Sogar die, denen ich mein Blut gebe, denn irgendwann fällt’s auf, trotz allem Maskenspiel.” Da war mehr Gefühl dahinter als sie mit Worten zugab - aber sie verbarg es nun auch nicht. Sie schien sich kaum dafür zu schämen.
“Ich mag sie, allesamt. Die Gauner wie die Heiligen - und manche zeigen erst im Sterben und im Tod ihr wahres Gesicht. Oder vielleicht konnt’ ich’s nur früher nicht erkennen.”

Ein wenig melancholisch zuckte sie mit den Schultern. “Ich bin angereist mit meiner Truppe und mein Maskenmeister ist im Blut an mich gebunden. Doch er hat einen Sohn und eine Tochter und bald wird’s Zeit einen der beiden, ein Erbe anzutreten. Nichts davon hat mit der principessa zu tun. Er hat einst seinen Handel mit mir gemacht und ich denk’, dass sein Sohn es ähnlich halten wird.” Aus der ersten Empörung und dann der jähen Melancholie wurde auf einmal etwas wie feinsinniger Humor über irgend etwas. Achilla wischte das Ganze dann jedoch mit einer Handgeste beiseite.

“Sonst sind da eben die, die ich zusammen gesucht hab’. Das Blut lässt sie schweigen und das ist gut so. Wenn sie jetzt sterben müssen, dann sei’s so - leid täte es mir gewiss. Ich hab’ Jahre mit ihnen verbracht, gesehen, wie sie ihre Kunst voran bringen. Ein paar haben mich aus den Feuern getragen, als sie auf Clavicula geschossen haben. Ich schäm’ mich nicht, zuzugeben, dass es schwer wäre, ihnen ihr Leben auszulöschen.” Ihre Stimme war nun leiser geworden, nachdenklicher. Achilla forschte gerade selbst über ihre eigenen Beweggründe nach und wirkte ein wenig erstaunt über das, was sie fand.
“Doch ich würd’s tun. Wahrscheinlich so, dass es würdig wär’ für das, was sie waren, was sie taten, was sie als Opfer schon gebracht haben. Auf der Bühne würden sie sterben. Die richtigen Zuschauer müsste ich wohl finden… .” Ihre Stimme verlor sich da ein wenig, als sie den ersten zarten Blüten einer neuen Idee nachhing. Fürs erste schüttelte sie diese dann jedoch ab.

“Und sonst? Tausend Blutkinder hab’ ich. Sie sterben jeden Tag, fressen sich an meinem Fleisch satt und legen tausend neue Samen für den nächsten Schwarm. Doch sie sind wohl nicht, worum es gehen soll, eh?”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

"Hm" gaben sie von sich und wirkten nachdenklich. Sie sahen für einen Moment auf den Tisch, nachdem sie sich wieder zurück gelehnt hatten und blickten dann wieder Achilla an.
“Wenn wir dem Seneschall eure Diener melden werden sie sterben. Sicher. Und sie werde nicht nach euren Wünschen sterben. Lydiadas bevorzugt es sie zu verbrennen und dies wird schwerlich unter Zuschauern geschehen, obwohl man es theoretisch vielleicht sogar einrichten könnte. Doch würde das den Eifer der Menschen uns zu verbrennen nur mehr anheizen.

Euer Maskenbildner wird euch sicherlich gestattet werden. Eure Motten sind kein Thema und die Musiker, nun dies werden wir weitertragen müssen. Es wird eine Entscheidung des Prinzen sein müssen. Als euer Auftrag für die Domäne wird es auch kaum ein Geheimnis sein, dass man verbergen könnte.”
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Signora Achilla
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Signora Achilla »

“‘s war kein Auftrag, der mir sonderlich gefiel. Es kostet viel Zeit und Mühe, eine solche Truppe zu bilden wie Ihr es mir damals aufgetragen habt”, erklärte die Signora und zuckte mit den Schultern. “Ohne das bin ich frei, Neues aufzubauen, ohne das Blut und wie ich’s geplant hatte.”

“So oder so - ich will’s denen überlassen, die darüber entscheiden wollen. Trotz der Pflichten säh’ ich die Menschen lieber leben als sterben, doch sie wurden nur, was sie sind, weil es jenen Auftrag gab. Vielleicht hätten sie niemals diese Höhen ihrer Kunst erreicht ohne das? Ein paar geschenkte Jahre, die nicht zu schlecht waren - es könnte wohl schlimmer sein… .”

Sie seufzte dennoch und haderte wohl mit alledem. “Wenn ihr Tod entschieden wird, dann bitt’ ich Euch: Fragt, ob’s noch einen letzten Auftritt geben kann. Ein letztes Fest, ein letztes Aufflackern bevor der Vorhang fällt? Wenn’s Euch nicht gelingt, dann sei es so, doch die Frage sollen sie wert sein, diese Leben und ihre Kunst.”

Achilla legte ihre Arme um ihren verschnürten, vernähten Körper als würde sie frieren. “Es ist seltsam. Mit den Jahren und der Entfernung verliert man die Bindung an die um sich her. Wer genug Jahre sieht, kann keinen mehr finden, mit dem er einst gelebt hat. Die einen treten weiter und weiter aus der Menschenwelt zurück bis sie fast getrennt davon sind: Die Tagwelt ist kaum mehr als eine Last, eine Störung - oder vielleicht einfach nur Beute.”

Sie wiegte den Kopf. “Andere bleiben unter den Menschen, machen all den Tanz noch mit. Mal gelingt es besser, mal schlechter, all diese kleinen und großen Dinge, die früher im Leben vielleicht noch die ganze Welt bedeutet hätten… .”

Für einen Moment stand sie still und ihre milchigen Augen sahen starr in die Ferne. “Niemals hätte ich mir im Leben träumen lassen, dass ich einmal über Tod und Leben entscheide, einfach so.” Ihr Blick richtete sich wieder auf Toma. “Doch begänne alles wieder von vorn, ich würd’ nichts ändern. Ich habe die letzten Jahre genossen und ich wollte nie ohne die Menschen um mich her sein. Die meisten sehen mich nicht oder kennen mich nicht, doch ich seh’ sie mir an, ganze Leben als eine Schau. Und wie sie strahlen können! Und was für Abgründe zeigen! Vielleicht ist das mein Lebensblut.”

Achillas Lachen klang auch schön, glockenklar ohne die Maske. “Ich will nie zurückblicken und bereuen, etwas nicht getan, gekostet, geschaut und genossen zu haben. Und mit jeder Nacht wächst der Schatz an Dingen, die ich erfahren konnte.” Sie neigte den Kopf ein wenig.
“Ist’s ähnlich für Euch, auf Eure Weise? Mit dem, was Ihr sammeln an Wissen und Verstehen?”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Als Achilla um die letzte Vorstellung bat, nickten sie.
Sie hatten nicht viel Liebe für Menschen übrig. Ihre Leben waren ihnen einerlei. Ihr Leiden, ihr Schmerz und ihre Erfolge. Doch sie hatten ein Gefühl für Kunst und die eigene Schöpfung.

„Wir werden eure Frage weiterreichen. Sie waren auch nie im Einsatz, oder? Auf einem kainitischen Fest, wie sie es sein sollten? Es wäre Verschwendung ihnen dies nicht einmal stattfinden zu lassen. Generell wird ihr Tod eine Verschwendung sein, doch wir können es den Ahnen kaum ausreden.“

Tomas Blick wurde finster.
„Unsere Kunst starb ebenso in den Flammen. Unser Werk zu Asche verbrannt.“ Sie ballten eine Hand zur Faust und ließen sie doch sogleich wieder locker, als würden sie eben genannte Asche aus ihren Fingern rieseln lassen.

„Wir sehen ungern Möglichkeiten vergehen. Wir mögen nicht nach denselben Genüssen und winzigen menschlichen Funken streben wie ihr. Doch wir versuchen auch jede Möglichkeit zu nutzen, die uns neues Wissen bringt. Wir wollen nicht irgendwann zurücksehen und bereuen welchen Weg wir gegangen sind. Das haben wir schon. Wir hatten gezweifelt.....“ Ihr Blick schien betrübt und gesenkt auf den Tisch gerichtet, mehr noch schwiff ihr Geist in die Ferne der Erinnerungen.
„Doch es bringt nichts. Man darf nie hadern, was hat man davon? Es geht immer weiter und auch jeder Fehler und Verlust ist eine Möglichkeit für einen neuen Weg. Aus Fehlern lernt man, sagt man, oder?“
Sie lächelten bitter.
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Signora Achilla
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Signora Achilla »

Aus einem ersten Impuls heraus wollte die Signora Toma die Hand auf den Arm legen - eine Geste des Trostes für den Verlust. Doch sie hielt darin inne, als sie bemerkte, was sie da tat.
Stattdessen zog ein kleiner Moment der Stille ein, ein wenig unbequem vielleicht. Darin hinein schnitt sie mit einer Frage:

“Was dann war Euer Fehler? Meiner?”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1036] Die Schau muss weitergehen [Achilla, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Falls Toma bemerkt hatte was sie tun wollte, so zeigten sie zumindest keine direkte Regung darauf. Hätten sie es zu gelassen? Hätten sie überhaupt verstanden was es für eine Geste wäre? Hätten sie es als Mitleid empfunden?

Doch all diese Fragen waren unnötig, da der Moment nie geschah.

So sah Toma in ihre Augen und antwortete auf ihre Frage: "zu viele". Sie lächelten schief, nur kurz. Irgendwie schienen sie damit noch etwas aussagen wollen, aber sagten nicht mehr dazu.
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