[1037] Sündenfall [Achilla, Ferrucio (SL)]

[Juni '20]
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Signora Achilla
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[1037] Sündenfall [Achilla, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Signora Achilla »

Es gab eine Straße, ein paar Gassen, Nischen und Hinterhöfe, in welchen Platealonga und Clavicula sich nahe waren. Beinahe Schulter an Schulter konnten sie lehnen und wenn man nicht zu genau hinsah, konnte man sich einbilden, im Schatten des einen wäre es wie im anderen.
Doch die Unterschiede waren da und es waren auch die Menschen, die sie zogen. Es hatte Bedeutung, wer woher kam, von dieser oder jener Ecke, mit diesem oder jenem Namen.

Die Strecke vom Cortile delle Meraviglie nach San Giorgio war keine allzu weite. Und doch kostete es die Signora einige Zeit, sie doch einmal zu überbrücken. Als sie es eines Nachts tat, ging sie verschleiert wie eine Witwe. Ihre Maske war nur erahnen und das Kleid, das sie trug, konnte auf den ersten Blick mit den gedeckten Farben auch als das einer Witwe durchgehen.
Nur, wenn sie sich einmal zu rasch bewegte oder der Wind etwas am Stoff zerrte, konnte man die helleren Farben darunter und dazwischen aufblitzen sehen wie sie wohl eher zum Volk am Platz der Wunder gepasst hätten. Fadenscheinig und abgerissen war es alles trotzdem, doch mit einer gewissen Sorgfalt zusammengenäht für diesen einen Auftritt, heute Nacht.

Sie wusste selbst nicht, was dies wohl für ein Stück werden würde oder ob es überhaupt eine Schau sein konnte, die einen zweiten Blick wert war - oder doch nur die alte Leier von Kniefall und gebeugtem Haupt. Das Stück von Hoch und Tief, Oben und Unten, Macht und Ohnmacht wurde nie alt und sie kannte es wohl genug, doch es war eben auch nicht mehr als das, was es nun einmal war.

Als die Signora am Ende die Kirche des Heiligen Georg über sich aufragen sah, hatte sie so ihre Zweifel daran, wie klug ihr Besuch hier war. Es war fremder Boden, in gewisser Weise. Etwas wie dies hatte sie noch nie zuvor getan. Aber das machte zugleich auch den Reiz aus, die Verlockung, der sie kaum recht widerstehen konnte.
Und so breitete sie einmal die Arme aus als wollte sie die Nacht umarmen und dann trat sie ein in das Gotteshaus. Sie versuchte, sich auszumalen, wie Georg den Drachen erschlagen hatte und wie dieser wohl ausgesehen hatte. War es ein Drache wie aus Alpträumen und Schauergeschichten gewesen, mit Schuppenhaut, Klauen und Zähnen? Oder war es in Wahrheit ein Drache in Menschengestalt gewesen? Auf einmal packte sie die Lust, die ganze Sache auf die Bühne zu bringen und halb drehte sie schon wieder um, um den Ort zu verlassen, da erkannte sie die eigene Feigheit und musste über sich lachen. Die Bühne war immer bereit, doch heute Nacht… heute Nacht gehörte etwas Neuem, das sie nicht kannte.

Und so sah sie sich um, in der Kirche des Drachentöters, und auf der Suche nach dem Beichtvater in der Nacht, nach Ferrucio.
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Il Canzoniere
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Re: [1037] Sündenfall [Achilla, Ferrucio (SL)]

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Der Weg von Clavicula hinauf nach Plaealonga war kein sonderlich steiler. Nur gemächlich ging es von dem etwas nieder gelegenen Sestieri hinüber zum Hafen. Viele der einfachen Verschläge waren seit dem Feuer von vor zwei Jahren auch wieder in einen Zustand versetzt worden in dem die Claviculaner lebten, auch wenn es an allem fehlte. Kleinere Teile von Platealonga waren damals ebenfalls den Flammen zum Opfer gefallen, hier hatte es jedoch offenbar etwas besser mit der Wiederinstandsetzung geklappt. Statt der niedergebrannten Gebäude gab es hier und da Baustellen oder sogar schon neue Gebäude deren weiß gekalkten Wände noch nicht so viel von dem Schmutz la Superbas gekostet hatten.

Vorbei an älteren Teilen des Sestieris hin zum größten Platz Genuas waren heute nicht sonderlich viele Menschen auf den Straßen. Es war der Nosferatu ein leichtes voranzukommen. Erst auf dem nächtliche Piazza di San Giorgio wurde es gefüllter. Seit jenen Nächten von vor zwei Jahren, in denen gleich mehrere jener Monster vernichtet wurden die die Nacht zu beherrschen schienen wie Fürsten ihre Ländereien, war es noch nicht völlig ruhig geworden. Es gab gelegentlich Kundgebungen, dann und wann wurden Reisende bis zum kommenden Morgengrauen festgehalten und der Sonne überantwortet, trotzdem hatte die kainitische Gesellschaft seitdem keinen Verlust mehr zu verzeichnen gehabt.

Auf dem Piazza di San Giorgio, dem Epizentrum jener Aufstände die zur Vernichtung von etwa eintausend Jahren kainitischer Existenz innerhalb weniger Minuten geführt hatten, war es seitdem nicht mehr ruhig. Feuerschalen waren in einem oval aufgestellt worden, wurden aber mittlerweile von Obdachlosen Claviculanern genutzt, die hier ihre kalten Extremitäten wärmten. Einige Bewaffnete Hauswachen der Arduinici waren zugegen und behielten den Platz im Blick. Ein Prediger stand auf einer umgedrehten Obstkiste und brüllte heiser das Wort Gottes und beispielhafte Bestrafungen für Teufeleien hinaus. Drei Dutzend minder motivierte Zuschauer hörten ihm zu und bekräftigten dann und wann einige seiner Worte. Eine große, hölzerne Tribüne stand am anderen Ende des Piazzas, offenbar für jene Kundgebungen gedacht die wirklich den Platz füllten. Auch von diesen hatten die letzten Monate einige gesehen.

Die Glocken San Giorgios erklangen in dem Augenblick als Achilla ihren Fuß auf die erste der fünf Treppenstufen setzte, die hinauf zum Kirchenportal führten. War das Zufall? Oder wurde sie gar von hoch droben beobachtet?

Das massive Portal war mit Schnitzarbeiten verziert die teilweise fremd und teilweise vertraut wirkten. Bilder der himmlischen Gemeinschaft, die schützend ihre Hände über die Menschen ausbreiteten. Sie vor den schlimmen Dämonen schützten die in der Dunkelheit lauerten. Der Mond der über jenen Dämonen mit einer gewissen künstlerischen Begabung eingearbeitet war, erinnerte sie an jenen den sie hier treffen sollte.

Als sie eintrat, konnte sie erkennen das in der Kirche ein gewisser Betrieb herrschte. Sicher zwei Dutzend Gestalten hatten sich in einem halbkreis um den Altar versammelt, beteten jeder für sich, unterschiedliche Liturgien, aus unterschiedlichen Gründen. Zwei Messdiener hatten sie seelig im Auge. Irgendetwas hier drin störte Achilla jedoch bereits beim eintreten. Es war etwas wärmer als draußen, auch weil hier zwei Kohlebecken etwas Wärme in den Raum abgaben, und dennoch fröstelte es ihr. Ein kalter, gnadenloser Hauch, den nur sie zu spüren schien und sonst niemanden, erfasste sie und ließ einen Kloß in ihrem Hals heranwachsen. Schuldig. Last. Fluch. Sie konnte sich nicht zwischen jene betenden knien und ihr eigenes Gebet sprechen, es würde ihr wenig nutzen. Die Last des Kainsfluchs schien sich mit einer dezenten Schwere auf sie zu legen. Hier drin würde sie ihn nicht vergessen können.

Der Mann den sie suchte, sie kannte ihn von jener Versammlung in San Donato, stand am Rande des Geschehens. Seine Hände hinter dem Rücken gefaltet. Barfuss, in zerschlissener Kleidung, mit über den Kopf geschobener Kapuze wirkte er wie ein armer Bittsteller der sich hier nur aufhielt um dem kühlen Hafenwind zu entgehen und der das Schauspiel hier drin genießen wollte. Es war unklar ob er sie bereits bemerkt hatte. Anstalten auf sie zuzugehen, machte er keine.
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Signora Achilla
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Re: [1037] Sündenfall [Achilla, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Signora Achilla »

Oh, wie sie da zauderte. Die Signora konnte eitel sein, auf ihre eigene Weise, und ein Teil dieser Eitelkeit war, dass sie sich nicht dafür schämte, was sie war. Sie konnte es nicht leiden, dieses Gefühl von Scham oder Reue, denn es war wie Gift in der Seele.
Doch hier? Hier schien alles ihr entgegen zu stehen, sie zu verdammen. Die hohen Säulen, die steinernen Blicke der Heiligen umher. Es machte sie unruhig und gereizt - und das gefiel ihr auch nicht. Sie war jemand, der lieber genoss als zu hadern, lieber mit dem Lauf der Dinge tanzte als aus dem ewigen, ewig veränderlichen Reigen hinausgeschleudert zu werden.
Doch es war wie es war und sie wusste auch, dass sie jetzt nicht umdrehen wollte. Täte sie es, sie würde es als Last mit in die nächsten Nächte, Wochen, Monate und Jahre tragen und das war etwas, das sie von all diesen Dingen am allerwenigsten mochte, solche Zweifel und eigenen Feigheiten, die einen nie in Frieden ließen.

Und so machte sie ihren Weg durch die Kirche, blieb auch einmal stehen, um andachtsvoll zu scheinen. Es hatte wenig Zweck, Blicke und Aufmerksamkeit auf ihr Ziel und sich selbst zu ziehen durch allzu forsche Geradlinigkeit.
Oder war sie nur dabei Zeit zu schinden? Der Gedanke bohrte sich gemein und schmerzhaft in ihre Überlegungen und ließ sie nicht mehr los.

So hielt sie bei dem Mann inne, den sie als Ferrucio kennen gelernt hatte und machte einen kleinen Knicks - nicht zu tief, solange die Menschen umher sich danach wohl umdrehen könnten.

“Meinen Gruß will ich an Euch entbieten”, begann sie ein wenig steif mit alledem, was hier an ihr fraß und nagte wie die unzähligen, winzigen Insekten in ihrem Leib. Sie mühte sich, die Worte leise genug zu halten, dass es keinen sonst kümmern musste. “Ich komm’ zur Beichte und doch mit leerer Hand, denn hier… ha. Hier bin ich fremd und kann nicht sagen, wie dies wohl gehen kann.”
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Re: [1037] Sündenfall [Achilla, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Die ungewöhnlichen, eisfarbenen Augen die so lange reglos auf der Stelle stehen konnten bis sie sogar eine Katze zum einknicken brachten schoben sich mit einer langsamen Drehung des Halses zu seiner Besucherin hinüber.

Als sie ihn ansprach, starrte er noch einen Augenblick, dann nickte er ihr knapp zu. Anstalten sie an einen ruhigeren Ort zu führen machte er keine. Offenbar war der Beichtstuhl gerade besetzt und er schien keiner jener Kainiten zu sein der sein Recht augenblicklich einforderte. Oder überhaupt annahm das er ein Recht dazu hatte eine laufende Beichte für seine eigenen Belange zu unterbrechen. Es konnte ohnehin nicht lange dauern. Falls so eine kainitische Beichte überhaupt im Beichtstuhl stattfinden würde.

"Gott zum Gruße." seine Stimme war voluminös, wenn es darauf ankommen mochte, das hörte die Schauspielerin sofort. Er hatte in seinem Leben viel geschrien und laut getöst schien es - und im Untod noch viel mehr, glaubte man dem was über ihn zu hören war. "Eine leere Hand wird genügend, solange das Herz voller Reue, die Zunge voller Wahrheit und die Gedanken voller Reinheit sind oder es werden, sobald wir begonnen haben. Fluchbeladen und verdammt wie wir alle sind, einige mehr als andere, müssen wir tun was in unseren Kräften steht, woran uns der innere Dämon nicht hindern kann und was rechtens ist um diese Welt nicht noch düsterer werden zu lassen. Gut das du gekommen bist. Schade das es erst jetzt passiert, das nur die Weisung ihrer Majestät dich hertreibt. Jene die reinen Gewissens sind müssen nichts fürchten und jene die das nicht sind können es werden, wenn sie nur wollen. Zu wem von ihnen gehörst du?"

Sein Blick lag noch immer fixierend auf ihr, auch wenn die letzte, konzentrierte Spur seiner vollen Aufmerksamkeit zu fehlen schien. Jene, nur zu erahnende, volle Aufmerksamkeit jedoch war keine die auch ein Schauspieler genossen hätte. Sie könne sichrlich wirken wie die von einhundert Wölfen die einen niederstarrten, reglos und unklar was sie dabei dachten. Nur das es nichts gutes bedeuten würde, diese Aufmerksamkeit, das konnte man erahnen.
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Signora Achilla
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Re: [1037] Sündenfall [Achilla, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Signora Achilla »

Die Signora stutzte und schwieg erst einmal für die Zeit, in der die Menschen umher wohl ein paar Zeilen ihrer Gebete flüstern, ihre Hoffnungen schüren und ein paar Atemzüge nehmen konnten.
Sie war verblüfft von diesem Mann. Ein wenig erschrocken auch, gefangen von der Ausstrahlung, die noch nur angedeutet schien, wie ein helles Licht hinter dem Schirm einer Laterne. Sie konnte ahnen, wie es strahlen würde, wenn er es richtig zeigen wollte.

Und so wollte sie ihm ein wenig näher kommen und sehen, wie es vielleicht leuchtete. Doch musste sie ihn dazu reizen? Und war das wohl angemessen? Sollte sie nicht fürchten, was das bringen konnte.
Die Ungewissheit dieses Moments war etwas Köstliches, doch die Schwere innerhalb der Kirche machte es schwer, dies zu genießen. Sie seufzte.

“Ich kann’s nicht sagen”, gab sie auf seine Frage hin zu. “Denn ich denke wohl, dass ich verdammt bin. Ist’s nicht so? Von Geburt an, denn Frauen sind der Ursprung des Sündenfalls, so ist es doch. Und ich bin von den Fahrenden, verflucht zur Heimatlosigkeit. Dann jedoch: ich bin verdammt vom Tod selbst und nun bin ich, was ich bin.”
Sie hob die Arme etwas an wie um zu präsentieren, was sie eben war.

“Doch was hat’s mit meinem Gewissen zu schaffen, irgend etwas davon? Wenn ich einst falle, dann werd’ ich zur Hölle fahren. Daran gibt’s kein Feilschen und kein Rütteln. Und so will ich die Zeit, die mir auf dieser Erde bleibt, wohl nutzen - und tue es auch! Dass ich all’ ihre Gaben schaue und schätze.”
Ein wenig ratlos spreizte sie die Finger und öffnete die behandschuhten Hände so weit, bevor sie sie wieder senkte. Ihre Stimme war leise und sie senkte sie weiter, fast ein Flüstern. Dafür musste sie etwas näher treten, damit er sie noch gut genug verstehen konnte.
“So bin ich beides von Eurer Frage: Ich muss alles fürchten, doch ich kann alles lieben. Und wie könnte eine wie ich wohl ein reines Gewissen haben? Doch ich kann nicht bereuen, was ich tue und was ich schaue. Wenn in alledem eine Hoffnung in mir ist, dann diese: Dass solche wie wir unter den Menschen vielleicht einen Zweck, eine Pflicht oder eine Aufgabe haben. Wenn es die Engel gibt, welche die Menschen beschützen, vielleicht sind wir dann die Teufel, die sie versuchen sollen, im Erdental?”

Sie wiegte den Kopf ein wenig. “Ihr seht: Es ist wahr, dass allein die Weisung Ihrer Majestät mich herbringt. Denn das sind die Gesetze, die für unsereins ganz gewiss und ohne Zweifel zählen - so dass die Herrin dieser Stadt in ihr auch befiehlt. Und so bin ich hier, ratlos bis nun.”

Und so sah sie ihn an als könnte oder würde er ihr diesen Rat geben können, der ihr ganz offenbar fehlte. Viel ließ sich nicht von ihr oder ihrem Gesicht erkennen, mit Schleier und Maske, doch die Augen ließen sich wohl erahnen und Achillas Worte waren mit Sorgfalt gesprochen.
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Re: [1037] Sündenfall [Achilla, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Diese gefrässige Aufmerksamkeit ließ sich nicht abschütteln. Er hatte sie im Blick wie eine Bärenfalle ein unvorsichtiges Bein und folgte ihren Worten mit geistigem Korsett, verzog die Mundwinkel über das was ihm nicht gefiel und intensivierte jenen leuchten blauen Blick bei Worten die seiner Ansicht nach stimmen mochten.

Trotzdem winkte er ab. "Es stimmt, dass du einst eine Frau warst. Aber auch Frauen erhalten - nach einem frommen und gottgefälligen Leben - Einzug ins Paradies. Und auch wenn das Leben auf Reise viele Versuchungen führt gibt es zahlreiche Pilger die jedes Jahr in den Himmel erhoben werden, da sie Gottes Segen erlangt haben. Was dich verdammt hat, ist der Tod. Da liegst du richtig." er warf einen Blick hinüber zum, noch immer belegten Beichtstuhl oder auch nur in den Raum hinein, um zu sehen wie offen man reden könne. Die meisten Anwesenden nahmen jedoch keine Notiz von den beiden sprechenden am Rande der Kirche.

"Womit du nicht nur falsch liegst, sondern auch Ketzerei begehst. Die gleiche die meine verblendete kindliche Schwester in die Nacht hinausplärrt als ob es mehr wäre als Höllenpropaganda. Die heilige Schrift zieht eine klare Linie zwischen Satan und dessen Dienern und den Geschwistern Kain und Abel. Sowohl im Urpsurng, als auch im Werdegang als auch im Abschluss. Man kann argumentieren das Satan und Kain beide von Gott verstoßen wurden - zu unterschiedlichen Zeiten, auf unterschiedliche Weisen und aus unterschiedlichen Günden - das macht sie aber nicht zu etwas ähnlichem. Es zeigt nur das man auf verschiedene Arten sündigen kann. Tatsächlich gibt es den wesentlichen Unterschied das Kain und all seine Nachfahren Wiedergutmachung erlangen können - es ist lediglich ein sehr steiniger Weg. Satan und sein Gezücht können das nicht. Und hier liegt der entscheidende Unterschied. Denn wer aufgibt und sich dieses, von Gott höchststelbst offen gelassenen Auswegs, widersetzt, aufgibt oder gar aktiv widerspricht, der begibt sich auf den selben unglückseeligen Weg die Satan höchstselbst. Und wird genau dort enden wo dieser nun herrscht. Wer also so daherredet schließt sich wissentlich und willentlich den Horden des Widersachers an. Hast du das vor? Denn dann bist du Aurores Feind, der Feind Genuas und mein Feind." der starre, mal irre, mal mehr als klare Blick durchbohrte ihr Anlitz und ließ eine der Motten gar abstürzen, so stechend fokussierte er ihr Gesicht, alles dazwischen hinwegfegend wie ein Sturm die Äste eines morschen Baumes, nur um zum Stamm zu gelangen.

Er nickte in Richtung des Beichtstuhls "Wir können hier und heute einen Anfang machen das du nicht mehr alles zu fürchten brauchst. Das du beginnen kannst zu hoffen. Wann hattest du dazu das letzte mal das Privileg?"
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Signora Achilla
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Re: [1037] Sündenfall [Achilla, Ferrucio (SL)]

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Als Ferrucio so sprach, da sah die Signora schon, wohin all dies führte. Wenn sie sich nicht fügte, dann war sie sein Feind - mit dem Gewicht der Macht der principessa in seiner Drohung. Und so war dies eben, allezeit und stets erneut.
Doch sie war, was sie war, und dies war nicht das erste und das letzte Mal für sie und unter Drohungen von aller Art.

“Ai”, begann sie und legte eine Hand über die Stelle an ihrer Brust, unter der früher einmal ein Herz geschlagen hatte. “Das war noch im Leben. Heimatlos war ich dann, eine Fahrende. ‘s war hier in Genua, dass ich das erste Mal wieder die Hoffnung auf eine Heimat hatte, und es war der Schwur für die principessa nobile, der mich jetzt hier hält und eine Heimat gibt. Da kann ich schwerlich gegen sie stehen.”
Das waren sanfte Worte, als wollte oder als könnte sie damit seinen harschen Blick abmildern. In Wahrheit hoffte sie nicht darauf, doch es gehörte eben zu dem Spiel, das sie nun aufführten, zu seiner Rolle und zu ihrer. Die Maske, die er ihr aufsetzte, war eine, die sie öfter trug, auf die eine oder andere Weise. Und zugleich war sie sich sicher: trüge sie nicht auch tatsächlich Maske und Schleier, so wäre all dies entsetzlich schwerer. Blicke wie seiner, die scheinen als wollten sie durch Haut und Fleisch brennen bis direkt auf die Seele, die kamen von einem heißen Feuer her, das in ihm brennen musste. Was sie grauste, das war die Frage, was dies wohl für ein Feuer war, woher es kam und warum es ihn noch nicht verzehrt hatte. Das ließ sie fürchten, doch das war nicht schlecht. Es half ihr nur, die eigene Rolle besser zu spielen, wenn die Furcht in ihrer Stimme mitschwang.

“Ich bin eine einfache Frau”, erklärte sie. “Ich suche keine Feindschaft mit Euch und von all den Worten aus der Bibel kenn’ ich nur das, was die Prediger uns allen sagen. Wovon ich was verstehe und was mich durch die Nächte treibt und bringt, das sind die Dinge, die mir nahe und um mich her sind. ‘s ist der Hunger, die Leute um mich her und was mir einst aufgetragen wurde, dass ich tun soll, um einen Platz in der Stadt zu bekommen, an dem ich bleiben kann. Wovon Ihr sprecht, von Gott, vom Teufel und von den Söhnen der ersten Menschen… ah.” Hier setzte sie einen kleinen, hilflosen Seufzer. “Ich will Eure Worte dazu nehmen und mir bewahren.”
Und das war, im Großen und Ganzen, wahr. So trug man Masken und spielte man Rollen, denn wer log, der baute nur hohle und leere Dinge, die fern von sich und fern vom Zuschauer waren.
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Re: [1037] Sündenfall [Achilla, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

"Du kannst meinen Fragen ausweichen, das erwartet man in unseren Kreisen vielleicht sogar von dir. Aber ich bin es nicht der dich heute fragt. Es ist ein Zwiegespräch mit dem Herren... durch mich. Nun vielleicht kein Gespräch, denn ich wage es nicht zu behaupten für den Herrn zu sprechen. Aber sobald wir die Beichte begonnen haben wird er dir zuhören und deine Reue in Empfang nehmen wie ein Geschenk." einen kurzen Moment wurde seine Stimme etwas weicher. Wenn er von Gott sprach, dann schien er etwas zu empfinden. Liebe gar?

Dann kehrte der Blick zurück. Der Blick dem man nicht begegnen konnte ohne von seinem Sog eingezogen zu werden wie eine Motte von der thermischen Luftzirkulation eines großen Feuers. Abschätzend lag er auf ihr. "Es ist mir gleich wer du bist. Ob Bettlerin oder Königin. Dort drin zählt nur das du aufrichtig blibst. Und das du das was du getan hast bereust. Denn nur wer Reue spürt hat den Wunsch von seinen Schandtaten abzulassen. Für uns Verfluchte ist es manchmal schwierig und viele haben einen längeren Weg vor sich als andere. Aber wir alle können errettet werden. Ein ermutigender Gedanke, findest du nicht auch?" wieder schlich sich etwas weiches in seine Stimme.

Etwas weiter entfernt verließ ein gequält dreinblickender Mann den einen Teil des Beichtstuhls. Ferrucio folgte ihm auf seinem Weg hinaus mit den Augen ehe er ihn wieder zurück zu Achilla gleiten ließ. Eine Bittende Geste in Richtung des Stuhls zeigte das sie nun anfangen könnten, wenn sie nicht noch etwas hatte was man vorher besprechen sollte. Die Geste wirkte dabei so klein und hatte doch etwas bedeutungsvolles. Als ob der Mann nichts anderem als diesem Bedeutung beimaß. Wenn die Welt seine Bühne war, dann schien er einen wirklich besonderen Blick darauf zu haben. Den größten Teil von dem was er sah, war mit dem Auge nicht zu greifen. Ein Meister des Unsichtbaren. Beinahe wie ihr Geblüt. Und doch so anders. Als ob man nicht einfach nur durchsichtig sei, wenn man "unsichtbar" sage. Sondern als ob es eine Mannigfaltigkeit an Möglichkeiten gab etwas ungesehens plötzlich auftauchen zu lassen.
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Re: [1037] Sündenfall [Achilla, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Signora Achilla »

Die Signora war etwas überrumpelt von alledem. Sie war tatsächlich viele, viele Jahre nicht mehr auch nur in der Nähe eines Beichtstuhls gewesen. In ihrem Leben hatte es so gerade eben zur Heiligen Kommunion gereicht - und das auch nur, weil ihr Vater den Priester bestochen hatte. Sie erinnerte sich dunkel an den Beichtstuhl von damals und dass sie schnell wieder hatte heraus wollen, weil der Priester uralt war, mit faulen Zähnen, faulem Atem und dem Gestank der rohen Zwiebeln, die er dagegen aß.
Seither hatte sie eigentlich nie wieder darüber nachgedacht, zu beichten - bis jetzt.

Die Signora hatte mit vielem gerechnet, aber nicht, dass dieser Befehl der principessa sie tatsächlich in einen Beichtstuhl verfrachten würde. Sie sah ein wenig unverwandt zu Ferrucio. Es war diese Liebe in seinem Blick, die sie am tiefsten berührte. War dies tatsächlich wahrhaftig? So etwas sah die Signora selten, doch wenn, dann war es wunderschön. Gefährlich. Köstlich. Kostbar… . Sie wollte sich dem nicht entziehen, im Gegenteil.
Und so folgte sie seiner Geste ganz einfach, so wie eine Motte eben einem starken Windzug folgen muss, taumelnd und tanzend - und weshalb auch nicht?

“Es ist ein ermutigender Gedanke”, stimmte sie ihm zu. Doch sie hatte ihre Zweifel - und nun auch Hoffnungen. Hoffnungen waren schöne Dinge, denen man sich hingeben konnte, bis man sich an den scharfen Kanten schnitt, die sich ergaben, wenn sie zersprangen. Man konnte diesen Hauch von Wehmut wohl auch in ihren Worten hören und in ihrer eigenen, kleinen Geste sehen, die fast beschwichtigend war, tröstend, um Ferrucio vor dem Schmerz zu bewahren, der unweigerlich kam, früher oder später, jetzt oder in hundert Jahren.

Und doch folgte seiner Bitte, denn die scharfen Kanten und der Schmerz waren ein geringer Preis für das helle Strahlen zuvor. Und neugierig war sie, denn sie wollte wissen, was dieser Mann offenbar machen konnte. Er hatte ihr jetzt schon eine ganz neue Art gegeben, auf die Welt und in die Zukunft zu sehen. Die Signora mochte hübsche Träume, sie mochte das Strahlen einer starken Seele und wie ein Einzelner das Geschehen in einer Szene vollständig verändern konnte.

Und so stieg sie in den Beichtstuhl, nur um auf einmal allein mit sich selbst zu sein. Mit sich selbst und einem Schwarm voller Gedanken.
Die Schwierigkeit war nun, dass sie nicht recht wusste, wie sie beginnen sollte. Die Schwierigkeit war, dass es herzlich wenig gab, dass Achilla bereute. Vielleicht war es doch einfacher, dem Mann zu geben, wonach er sich sehnte? Eine reuige Sünderin zu spielen, das war nicht schwer. Mit seichtem oder mit schwerem Drama, mit Abgründen hinter ihren Worten und noch tieferen hinter dem, was sie nicht sagte.

Sie rückte ein wenig auf ihren Knien hin und her. Morsch knirschten Leder, Haut, Knochen und Sehnen gegeneinander und auf das Holz. Ja, das wäre wohl leicht genug. Und es wäre auch das einfachste. Sie wollte keine Scherereien mit der Herrin der Stadt, mit der Morgenröte - oder sonst jemandem, der die Macht und Herrschaft in den Händen hielt. Jemand musste dies tun, so dass sie den Raum für die Dinge hatte, die sie liebte ...und das waren unendlich viele.

Für eine Weile lauschte sie in das Dunkel des Beichtstuhl hinein, den Bewegungen Ferrucios nach, den nun gedämpften Geräuschen aus der Kirchenhalle. Eine Motte entfaltete ihre Flügel dicht bei ihrem Ohr, eine Larve ließ das Fleisch an ihrer Schläfe knistern.
Nein, beschloss sie dann. Das hatte er nicht verdient, dieser Ferrucio, der mutig und wahnsinnig genug war, Gesetze der Nacht zu überschreiten, weil er etwas anderes so sehr liebte. Der sich die Zeit nahm für eine wie sie.

Auf einmal kam alles, was sie sagen könnte, ihr vor wie billiges Schauspiel. Was hatte sie schon zu sagen? Wahrhaftig zu sagen? Sie seufzte erneut und erwog ein weiteres Mal, doch lieber die Maske zu behalten. Die Maske, die diese Umgebung ihr aufsetzte und wohl auch Ferrucio selbst, hätte er nicht die beinahe magischen Worte gesagt: s ist mir gleich wer du bist. Ob Bettlerin oder Königin. Dort drin zählt nur das du aufrichtig bleibst.
Die Maske? Damit konnten die schönsten Geschichten einhergehen. Für Achilla waren dies keine Lügen… es waren gefühlte Wahrheiten aus dieser Welt - nur nicht unbedingt ihre. Zumindest nicht, bis sie sie sich zu eigen machte. Oh, zum Teufel, das war schwierig!

Ein paar Worte von damals, vom alten Priester, kamen ihr in den Sinn: 'Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht. Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben, machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns. Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt. Wenn aber einer sündigt, haben wir einen Beistand beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten.'
Das war aus der Bibel, irgendwo. Der Priester hatte es gesagt.

Sie seufzte noch einmal tief und beschloss dann, den Schleier anzuheben. Nicht die Maske darunter, die aus Holz und Leder, nicht hier, wo Menschen gingen. Doch den Schleier immerhin. Motten, ihre ewigen Begleiter, begannen um sie her zu tanzen, in der Enge des Beichtstuhls. Nein, sie wollte sich nicht schämen für die eigene Eitelkeit, für die Oberflächlichkeit oder für die tausend Masken. Sie mochte all diese Dinge, sie liebte sich selbst und vor allem liebte sie diese Welt, die Nacht und all die Schrecken und Wunder darin.

“Vergib’ mir Herr, denn ich habe gesündigt”, begann sie. “Ich war so lang’ nicht mehr bei einer Beichte, dass ich mich kaum erinnere. Lebendig war ich da, jung wie der Frühling, zur Kommunion.”

“Vergib’ mir Herr, denn ich kann nicht so recht bereuen. Diese Welt ist zu schön, trotz all ihrer Schrecken und Finsternis. Doch ich will’s versuchen so gut ich kann, denn ich bin eine Sünderin.”

So weit so gut, befand sie. Es war immerhin wahrhaftig, was selten genug für sie war. So sehr, dass es sich ungewohnt anfühlte. Damit war auch klar genug, womit sie fortfahren konnte:

“Ich lege falsches Zeugnis ab, nachtein, nachtaus. ‘s ist mir zur Natur geworden, zum Wert, mit dem ich Geschäfte mache”, gestand sie. “Und wenn ich die Wahrheit spreche, dann weiß ich wohl, dass sie zur Waffe gebraucht wird. Auch das ist das Geschäft, solche Wahrheiten zu verkaufen, über die dann Blut vergossen wird, unseres und das der Menschen.”
Da waren ein paar Dinge aus der letzten Zeit, die sie nicht aussprechen konnte. Es würde sie den Kopf kosten. Doch sie zu behalten, das war keine Sünde. Es war das Geschäft.

“Eitel bin ich allezeit”, erklärte sie. “Ich schmücke mich ständig mit allerlei, Schönes zu Schönem, dass ich die hässlichen Dinge nicht zu sehr sehen muss, vielleicht. Vielleicht ist das auch eine Feigheit? Ha. Ja… und diese Feigheit, die kann und will ich wahrhaftig bereuen. Doch das ist wohl wieder eine Eitelkeit. So vergib mir Herr, denn ich weiß nicht recht, wo ich da überhaupt beginnen sollte.”
Das machte sie beinahe schwindelig, wenn sie zu viel darüber nachdachte. Also ließ sie es. Es war einfacher mit den handfesteren Dingen:

“Ich begehre die Frauen meiner nächsten, wenn ich denn sagen darf, dass die Menschen mir nahe sind. Und die Männer dieser Frauen wohl auch. Nicht, dass es mir viel nützt, aber so ist’s eben und ich nehm’ was ich kriegen kann. Letzte Woche hatt’ ich Glück und hab’ mit der schönen Sophia das Lager geteilt, denn sie war zu berauscht, um sich klar zu erinnern. Süß war ihre Lust und ihr Entsetzen.”
Sie gab sich kurz Mühe, wendete und drehte die Erinnerung in ihren Gedanken und versuchte, Reue aufzubringen. Nein, nichts. Sie seufzte tief.

“Ich begehre die süße Iulia Cornelia, die ein Kind unter den unseren ist und an die ich keine Hand legen sollte. Ich hab’s auch nicht getan, doch es ist unsäglich schwer! Ich hab’ mir schon Menschen gesucht, die ihr nur ähnlich sehen, dass ich mich besser zügeln kann. Und vielleicht mag ich’s nur deshalb, weil’s verboten ist.”
Das war heraus. Konnte sie es bereuen? Ja, ein wenig. Das verblüffte sie selbst genug, dass sie auch hier nicht mit ihren Gedanken verweilen wollte und besser fortfuhr:

“Ich stehle dann und wann. Erst gestern habe ich dem alten Wirt Andrejo das angeschlagene Fass Wein gestohlen, das so gut war, dass alle davon schwärmten. Und wir haben’s geleert, noch in der Nacht, und ich hab den Wein gekostet, aus den Adern der Trunkenen.”
Sie konnte ihn noch immer ein wenig auf der Zunge schmecken, so wie sie jetzt darüber nachdachte. Nein, diesen Teil konnte sie wirklich nicht bereuen. Der geizige Wirt hatte den guten Wein auf dem Weg zum Ausschank bis zur Unkenntlichkeit verwässert bis sie in seinen Keller gestiegen war und das noch gut halb volle Fass mitgenommen hatte. Daran gab es nichts zu bereuen.

Sie pausierte eine kleine Weile und dachte nach.

“Getötet habe ich”, meinte sie dann langsam. Die Erinnerungen waren etwas verschwommen und berauscht. “Von meinen eigenen Leuten, den Seppigio, der so schön sang - nur nicht schön genug. Er sah und er wusste zu viel von der Nacht und sollte doch schweigen. Doch das war nicht seine Stärke, also musste ich ihn stille machen. Sein Blut war süß, weich und etwas fade, wie sein Gesang. Das Messer über die Kehle für ihn, über die Zeit hinweg auch für Marijo und für Ilessandra.”
Das konnte sie bereuen, die von ihrer Hand abgeschnittenen Lebensfäden. Wie viele wunderschöne Blüten hätten diese Leben noch treiben können? Hier hielt sie an und wurde selbst still.
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Re: [1037] Sündenfall [Achilla, Ferrucio (SL)]

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"Der Johannesbrief." kam es erkennend und wohlwollend von der anderen Seite der dunklen Kammer. Die Zwischenwand war wirklich nicht mehr als Makulatur. Seine eindringliche, einfordernde Stimme hatte sich kaum ob der dazwischenliegenden Stoffe verfärbt.
Dann jedoch schwieg er und lauschte dem was sie zu sagen hatte, unterbrach sie nicht und wies Geduld auf, was wohl auch alles zu seiner aktuellen Rolle passen sollte.

Als sie geendet hatte schwieg er einen kurzen Moemnt, als ob er das gehörte erst vearbeitete und es in ihm arbeitete was er da gehört hatte.Schließlich kehrte die mittlerweile bereits ein wenig vertraut wirkende Stimme durchs Dunkel zu ihr zurück: "Joannes schreibt noch mehr in seinem Brief... Meine Lieben, ich schreibe euch nicht ein neues Gebot, sondern das alte Gebot, das ihr von Anfang an gehabt habt. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt. Und doch schreibe ich euch ein neues Gebot, das wahr ist in ihm und in euch; denn die Finsternis vergeht und das wahre Licht scheint jetzt. Wer sagt, er sei im Licht, und hasst seinen Bruder, der ist noch in der Finsternis. Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht, und durch ihn kommt niemand zu Fall. Wer aber seinen Bruder hasst, der ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiß nicht, wo er hingeht; denn die Finsternis hat seine Augen verblendet."

Wieder gab es eine kurze Pause, als ob er überrascht und erfreut zugleich war, das sie ausgerechnet diese Zeilen rezitiert hatte. "Er spricht von Kain. Der in der Finsternis wandelt und nicht weiß wo er hingeht, denn die Finsternis hat seine Augen verblendet. Und wie er in der Finsternis wandelt, wandeln alle seine Nachkommen, auch wir beide, durch die Finsternis - mit verblendetem Blick. Deshalb ist der Weg zurück ans Licht so schwer. Aber Gott hat uns ewiges Leben geschenkt, damit wir ewig suchen und irgendwann auch finden können. Hätte er nicht gewollt das wir den Weg zurück finden, wieso hätte er uns dann mehr Zeit geben sollen um den Weg zurück zu finden? Er möchte das wir den Weg zurück zu ihm finden. Und er hasst jene die es nicht versuchen. Diese handeln gegen Gottes Willen." leitete er eine kleine Exkursion zu dem ein was er draußen vor dem Beichtstuhl bereits begonnen hatte.

Aber auch die anderen Sünden, die weniger mit ihrem besonderen Zustand zu tun hatten, ließ er nicht außen vor. "Du sprichst die Wahrheit, denn du bist eine Sünderin und du bereust nicht. In deinen Worten höre ich nichts weiter als ein Summen und die Geräusche von pfeifendem Wind. Keine Spur vom rauschen einens Baches, ganz gleich wie nah oder fern er sein mag." die Worte fielen aus seinem Mund als hätten sie niemals dort hineingehört. Ergaben sie für irgendjemanden Sinn außer für ihn selbst? Ergaben sie für ihn selbst Sinn?

"Reue ist notwendig, für eine Beichte. Ohne Reue ergibt die Beichte nicht einmal Sinn. Denn wie soll man eine Entschuldigung annehmen, wenn sie niemals ausgesprochen wurde? Wie Reue vergeben werden wenn sie beinahe gänzlich fehlt?" es war eine Frage, direkt an sie gestellt und nicht rethorisch, wie man zuerst meinen sollte. Klar wurde jedoch das es nicht leicht werden würde von solch einem Mann die Beichte abgenommen zu bekommen. Er forderte ihre Gefühle ein, als ob er dies könnte. Als ob er dies dürfe.

Und er war sich keines Fehlers bewusst.
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