[1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

[Juni '20]
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Signora Achilla
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

“Ich verstehe das wohl.”

Der Satz stand eine Weile allein im Raum. Die Signora hatte ihn leise gesprochen und stand vollkommen still, noch mit dem Handschuh in der verwesenden Hand. Doch um sie her wimmelten die Insekten. Es waren nicht dutzende, es waren hunderte winziger Leiber, die sich ihren Weg aus dem Stoff hervor bahnten, übereinander krochen und um sie her flatterten. Viele waren kaum so groß wie ein Daumennagel. Andere größer, dass die ausgebreiteten Flügel in die ganze Handfläche gepasst hätten. Sie schien nichts davon zu bemerken.

“Dann fällt mir nur ein, was im Zwist zwischen unsereins doch immer noch bleibt, solange wir nicht allen Anstand und Verstand verlieren: Der Grund eines Elysiums. Ich kann die Hüterin der Elysien bitten, uns eine Nacht zu gewähren, für die meinen und für Euch.”
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Alain le Beau
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

Der Tzimisce nickt langsam. "Ja, damit bin ich einverstanden. Aber ich sage euch jetzt schon, wie es laufen wird. Euer Ältester wird dieses Gespräch entweder ganz verweigern oder mich massiv einzuschüchtern suchen. Es wird das Verhältnis zwischen euch und mir zerstören. Sobald ich das Elysium verlasse, werde ich Freiwild für ihn sein, einfach weil er meine Taten als Angriff auf sich verstehen wird. Vielleicht sollte ich einige Sterbliche mit hübschen Beinen mitbringen, an denen er sich austoben kann..." Sein Grinsen ist bitter.

"Abgesehen davon: Der werte Dottore ist Vasall ihrer Majestät Aurore und somit unter ihrem Schutz. Ich werde diesen Vorfall melden müssen, schon alleine, damit mich am Ende nicht die langfristigen Konsequenzen treffen. Das wird der Sache zwischen mir und eurer Familie kaum helfen, solange der sehr verehrte Godeoc sie derart repräsentiert." Der Tzimisce faltet die feinen Hände übereinander. "Lasst mich euch versichern, dass ich weiterhin an eurer Freundschaft interessiert bin. Deswegen meine Ehrlichkeit euch gegenüber, werte Achilla, deswegen Zugeständnisse, die ich anderen nicht machen würde. Euch gehen zu lassen mag mein Schicksal besiegeln. Deswegen überlegt euch gut, was ihr weitergebt und wie." Er wirkt müde.
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Signora Achilla
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

“Ich denke wohl, dass sie es bereits wissen oder ahnen. Entweder durch den Dottore selbst oder durch das, wie er handelte und sich gab.”
Sie ließ die Worte eine Weile lang in der Luft hängen.

“Sagt mir, ist es einfach Eure Furcht vor unserem Ahnen, die Euch so sprechen und handeln lässt? Und wenn dies so sei, warum dann noch seinen Zorn erregen, durch den Dottore? Oder ist da mehr? Ein alter Zwist, von vor meiner Zeit hier in Genua oder sogar von vor Eurer? Ich muss diese Dinge verstehen, wenn wir sie zum Besseren wenden wollen.”
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Alain le Beau
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

"Ich habe mich stets um die Freundschaft der Nosferatu bemüht", sagt Alain ernst. "Und sicherlich habe ich keinen Zwist gesucht. Der werte Vergonzo hat diese Mauern gebaut und wir teilen den Weg auf dem wir wandeln. Ihr und ich, nun, ich denke, ich muss nicht bekräftigen, wie es um uns steht. Anastasia... sie muss lernen, was sie ist und wer sie ist. Ich hätte sie bestrafen können, aber ich habe es nicht getan. Der werte Dottore hat meinen Diener angegriffen, ich habe ihn gebunden. Es ist wie es ist. Ich hoffe trotzdem, ihn als Freund bezeichnen zu können. Euren Ältesten habe ich nie gesprochen und auch sein Kind nicht. Clavicula habe ich gemieden, die Grenzen seines Reiches respektiert. Ja, sogar das Attentat auf mich habe ich ruhen lassen, wie mit euch besprochen. Ich weiß von keinem Zwist."

Ein Schulterzucken. "Ob der werte Toma euren Ältesten verärgert hat, weiß ich nicht. Er neigt dazu. Aber wenn es so war, hat er nie davon erzählt."
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Signora Achilla
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

Die Signora musste den Kopf schütteln und hilflos lachen. Es klang brüchig, wie alter Ton und schlechtes Glas.
“Es ist eine Kunst, die Maskenschneiderei”, sagte sie dann, scheinbar auch völlig zusammenhanglos. “Kostüme, die für den Anschein und ein paar Auftritte gut sind. Masken, die die eine zur anderen machen, den Tölpel zum Ritter, den Krieger zum Gelehrten, den Priester zum König, den Herrscher zum Bettler. Alles lässt sich tauschen, wenn man nur weiß, wie.”

Sie zuckte ratlos mit den Schultern. “Und dann ist die Geschichte umgeschrieben, von einem Moment auf den anderen? Was ist wahr und was ist falsch? Was Ihr für absolut wahrhaftig denkt, kann für den nächsten etwas gänzlich anderes sein. Und wer hat recht? Was ist wahr und was ist falsch? Wie wird dies entschieden?”

Als wäre dies eine Antwort, hob sie die heile Hand, in der sie auch den Handschuh hielt, und ballte sie zur Faust wie eine Tyrannin, die die Zügel mit eiserner Hand hält. Ihr Zügel, allerdings, war nur ein lose baumelnder Handschuh.

“Würdet Ihr Euch auf so ein Treffen im Elysium einlassen, sollte es mir gelingen, es bei der Hüterin so zu erwirken?”
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Alain le Beau
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

"Natürlich", erwidert der Tzimisce und faltet die Hände. "Die Hüterin wird wohl kaum etwas dagegen haben, unterstreicht es doch ihre Bedeutung. Auch wenn ich wahrlich hoffe, dass sie uns bald eine Alternative zu San Donato bieten kann. Die Atmosphäre dort ist doch arg bedrückend." Alains Mund redet, aber seine Augen blicken in weite Ferne, planen vielleicht schon die nächsten Züge im ewigen Spiel der Nacht. "Gerade in diesen Nächten sollte unsereins doch die Orte des Glaubens meiden. Aber was weiß ich schon..." Er unterbricht sich, fährt mit der Zunge über seine Zähne.

Dann legt er den Kopf schief und sieht Achilla an. "Wir werden sehen, ob wir nicht zueinander passende Geschichten erzählen können, nicht wahr?"
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Signora Achilla
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

“Dann will ich sehen, ob die Hüterin zustimmt und ich uns alle an einen Tisch bekommen. Und ja, ‘s wär’ besser, wenn’s nicht gerade eine Kirche wär’. Ich werd’ noch dies’ Jahr vor den Herren Ferrucio treten müssen und kann damit schon recht wenig beginnen.”
Sie machte ein merkwürdiges, kleines Geräusch, halb erstickt unter der Maske.

“Der Baumeister gäb’ Euch wohl recht, was die Kirche angeht. Und ich würd’ denken, dass Anastasia auch nicht drauf erpicht ist. Hach… am liebsten würd’ ich uns alle versammeln wo das Blut frei fließen darf, wo die Luft schwer ist von süßem Rauch, wo die Menschen keine Unterschiede mehr zwischen sich und anderen machen und wo der Hunger in uns allen ruht, gesättigt und ergötzt… .”
Es klang verführerisch, so wie sie es aussprach, und es mit einer nun wieder sanfteren Geste untermalte.

“Doch Ihr lasst Euch vom Geschacher um Macht vereinnahmen, ja, wollt sogar mich zu diesem oder jenem treiben, bis vor den Magister und auf die Knie.” Das klang ein wenig schnippisch - offenbar gärte das noch immer in ihr.
“Für das anständige Benimm? Oder nur für seinen Anschein? Und was wär’ der Unterschied? Wohin zieht es Euch in diesen Nächten, schöner Herr? Wenn unsere Geschichten gemeinsam gehen, dann würd’ ich verstehen wollen, was für abenteuerliche Wendungen ihr hier einflechtet - und wo Euer Genuss daran ist. Vor allem das, denn dann würd’ ich dort auch meinen suchen.”
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Alain le Beau
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

"Eine wichtige Lektion der letzten Jahre war für mich, dass größere Genüsse oft kleinere Verzichte voraussetzen." Er schaut sie mitfühlend an. "Natürlich könnt ihr euch auch entscheiden, darauf zu verzichten und direkt für euer Wohlergehen zu sorgen. Ignoriert den werten Gasparo, sendet ihm eine vergoldete Motte, schickt euren... Schwarm in seine Zuflucht - es wäre ein trefflicher Scherz. Aber wäre es klug? Wäre es weise?"

Alain schüttelt den Kopf. "Meine Ratschläge erwachsen der Sorge um euch, werte Achilla. Nur allzu leicht kann die Aufmerksamkeit der Menschen auf jemand gelenkt werden, der sein Vergnügen sucht. Und wer will das schon im Nachhinein beweisen? Wenn ihr Feinde sucht, dann sucht sie dort, wo sie nicht allzu mächtig sind. Der werte Gasparo besitzt das Ohr der höchst verehrten Aurore, schon allein durch sein Blut, aber mehr noch durch seinen, hehe, untadeligen Ruf. Lasst es mich so sagen: Er steht..." Alain hebt die Hand weit über seinen eigenen Kopf "...hier und ihr, nun, ihr steht..." Alain beugt sich und hält die Hand neben seine Knöchel "...hier."

Mit einem kleinen Schulterzucken und einem fröhlichen Lächeln beschließt er sein Argument: "Ich glaube an die Freiheit, aber mit Freiheit geht auch immer einher, selbst die Konsequenzen zu tragen. Wenn ihr sie tragen, ertragen könnt, dann nur zu."
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Signora Achilla
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

Die Signora winkte ab. “Ich habe bereits gesagt, dass ich es tun werde - und sei’s nur, um den Magister zu sehen. Ob in seiner Leidenschaft für seine Studien oder im Zorn… ich mag es, ihn anzusehen.”
Es klang ein wenig melancholisch, ein wenig ironisch auch - so als würde sie über sich selbst lachen dabei.

“Doch Euer Stand darin, den wollte ich besser kennen. Ich frag’ mich, ab wann der Preis zu hoch wird? Ich kann die Gründe der Vernunft erkennen, all die klugen Entscheidungen, die ich hätte treffen können oder sollen - und die Ihr für Euren Teil sicher auch kennt. Doch mit jeder einzelnen davon zieht Ihr die Bande um Euch her enger, übt Euch in Zurückhaltung, wo der Hunger Euch aushöhlen will. Ihr seid ein Mann, der versteht, dass dieser Segen und Fluch unseres Daseins sich nicht mit strengen und noch strengeren Regeln halten lässt. Je härter die Selbstkasteiung, desto brüchiger die Fassung. Gebt nicht zu viel der Freuden auf, lasst Euch nicht zu tief knechten und binden und vor die Karren der hohen Politik spannen, die am Ende nur den Ältesten dienen werden, nicht Euch.”

Achilla hielt kurz inne, von einer jähen Idee angehalten.
“Lasst uns einen Handel machen”, sagte sie plötzlich. “Ich tue dies, wir’s besprachen. Und Ihr habt Euer Fest - und ich tu’ meinen Teil dazu! Doch wenn das alles getan ist, dann finden wir uns zusammen, zwischen Wein und süßem Mohnsaft, jungen Sterblichen im süßesten Rausch und wir kosten von allem, das uns in den Sinn kommt bis weder Ihr noch ich auch nur einen weiteren Tropfen trinken können. Dann, dort, in dem einen Moment des stillen Friedens, blicken wir auf all diese Dinge von nun zurück und lachen darüber.”
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Alain le Beau
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

"Es ist ein schwieriger Balanceakt, werte Achilla. Ihr müsst selbst in der Erniedrigung noch Vergnügen finden. Es klingt vielleicht seltsam, aber es ist möglich. Wusstet ihr, dass die Lasombra mit Worten Gehorsam erzwingen können? Es ist eine erschreckende Erfahrung, aber auch fesselnd, stimulierend, nicht Herrin eurer selbst zu sein." Der Tzimisce lächelt. "Ich stehe gerne bereit, wenn ihr es erproben wollt."

Dann nickt er. "Ich freue mich bereits darauf. Diese Nächte können fröhliches Lachen gebrauchen."
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