[1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

[Juni '20]
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Signora Achilla
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

“Oh…”, machte die Signora, halb angetan, halb beeindruckt von Alains Worten. “Ihr seid ein Kenner der Freuden, auch der verborgeneren, verboteneren und gefährlicheren… .”
Sie neigte senkte kurz den Kopf, dachte wohl nach und als sie ihn wieder hob, meinte sie: “Es liegt in der Natur der Sache, für eine wie mich, dass ich auch diese Spielart der Freuden kenne. Die auf Knien, die der Hingabe, die der Ohnmacht. Es ist ein Tanz am Abgrund, denn dieser Beste aus Hunger und Wildheit in unserer Seele, unserem Herzen und unserem Willen gefällt es nicht. Doch es kann sie berauschen, manchmal… . Ha. Ich mag sogar diesen Tanz am Abgrund, bis die Ketten fallen, allesamt.”

“Ihr könnt Euch denken, dass eine wie ich, die Frau, die Heimatlose, die Ratte aus der Gosse Claviculas dieses Ende der Dinge nur zu gut kennt, eh?” Es klang ein wenig kokett und ein wenig melancholisch.
“Ich hab’ mich schon gefragt, ob ich deshalb jenen Herren Godeoc so verehre? Ist es eine Schwäche in meiner Seele, die er ausnutzt ganz ohne dass er dafür auch nur einen Finger krumm machen muss?”
Auf einmal war da beißende Selbstironie. Sie streute Salz in die eigenen Wunden, so wie sie hier sprach.

“Ich kann diesen Tanz tanzen, schöner Herr. Ich glaube sogar, dass ich noch viele mehr tanzen kann und ich versuche auch das - man sollte nie bei nur einer Kost und nur einem Genuss bleiben, eh? Man sollte sie alle kennen und lieben, auskosten bis zur Neige, bis zum Übermaß! Und wenn ich es tue, dann ist es nicht Maskerade und Falschheit. Nein, ich tanze meine Tänze wahrhaftig, wenn ich es mir nur irgendwie erlauben kann - denn wer eine Rolle spielt, der muss sein Herz hineinlegen oder sie bleibt hohl und leer, dumpf wie eine Strohpuppe. Und was hätte ich auch davon?”
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Alain le Beau
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

"Sousanna hat einst versucht, die Sünder Genuas für ihre Zwecke zu nutzen", sagt Alain nachdenklich. "Daraus ist nichts geworden. Denn wer, wenn nicht wir, versteht es, seine eigenen Interessen über die seiner Mitkainiten zu stellen? Allerdings ist Genua durch ihr Scheitern nun in einem gefährlichen Ungleichgewicht. Der... verehrte... Ferrucio hat das Ohr der höchst verehrten Aurore gewonnen und diese Beichterei ist die erste Folge davon. Es wird nur schlimmer werden, fürchte ich. Ich für meinen Teil werde alles tun, um die Vergnügungen dieser Welt zu erfahren, werte Achilla, ganz wie ihr es vorschlagt. Nur wird es immer solche geben, die uns diese Freiheit neiden, sie zu beschneiden suchen. Und wir Sünder stehen allein."

Er verschränkt die Arme. "Ketten, soweit selbst angelegt, sind vergnüglich, aber ihr solltet euch fragen, ob ihr die Ketten des sehr verehrten Godeoc aus eurem eigenen Willen heraus tragt. Ich wage das zu bezweifeln."
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Signora Achilla
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

Und jetzt konnte Achilla nicht mehr sondern musste lachen. Selbstbeherrschung ging eben nur so und so weit. Sie versuchte dennoch, sich dann wieder zusammen zu reißen und rang ein wenig hilflos mit ihren Händen und um Worte. Die Lage, wie sie nun einmal war, war zu verworren und seltsam.

“Doch er führt auch nicht meine Hand wie ein Puppenspieler die seiner Puppen”, sagte sie dann.
“Ich find’s schwieriger, der hohen Herrin Aurore zu folgen, deren Worte im Zorn ich nicht einmal verstehen kann.” Sie zuckte mit den Schultern. “Ich könnt’ ebensogut versuchen, den Mond zu begreifen. Ich war erschrocken und erstaunt, dass sie überhaupt meinen Namen genug beachtet hat, um ihn zu kennen. Auch genug, um in ihre Ungnade zu fallen, halbtrunken und berauscht von dem, was an jenem Abend um uns alle her geschah.” Mit ihren Armen - und dem Handschuh - zeichnete sie eine Geste um sich her als könnte sie auf diese Weise den vergangenen Moment wieder herauf beschwören.
Doch dann ließ sie die Arme wieder sinken.
“Und dann zum Beispiel Dinge wie dies, mit Ferrucio: Der Mann hat keine Furcht, die Maskerade und Stille zu brechen. Und doch wird er in einer Zeit, in der eben diese so brüchig sind, durch ihre Geste so erhoben. Ich will ihn mir ansehen, um’s zu verstehen, was dahinter stecken mag.”
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Alain le Beau
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

"Was geschah?" Alain sieht sie neugierig an. "Was ist geschehen? Ihr müsst daran denken, dass ich einen nebulösen Gangrel an den Hafen gejagt habe. Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung, was ich angestellt hätte, wenn ich ihn hätte fangen können..."

Bei der Erwähnung Ferrucios sieht Alain aus, als sei ihm übel. "Irgendwelche alten Verpflichtungen, vielleicht. Es wird ihn nicht ewig retten. Selbst seine eigene Clansschwester, die werte Angelique, hasst ihn aus tiefster Seele. Ich hoffe darauf, dass er in seinem Wahn irgendwann sich selbst verdammt. Ihn zu reizen könnte Erfolg haben. Und gefährlich sein. Aber wer nicht wagt, der gewinnt auch nicht."
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Signora Achilla
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

Achilla gluckste ein wenig. “Das fragt Ihr mich, gerade nachdem ich Euch sagte, dass ich rechtschaffen betrunken war, in jener Nacht”, stellte sie feixend fest und ließ sich dann vorsichtig wieder nieder wie zuvor, um zu erzählen wie sie die Dinge in etwa zusammen bekam:

“Nach all dem Aufruhr, mit dem Ihr auch verschwunden seid, um Nebel zu jagen, hatte die principessa bianca genug von uns und dem Aufruhr. Es war als risse sie einen Schleier beiseite und trat auf einmal ohne ihn zwischen uns… .” Achillas Stimme verlor sich als sie versuchte, ihre Erinnerung und ihre Gefühle miteinander zu vereinen.
“Ihr Zorn leuchtete heller als jedes Feuer, fuhr wie ein Blitzschlag zwischen uns ein.” Sie ballte die Faust und zog sie in einer ruckartigen Geste gen Boden wie Zeus, der seine Blitze schleudert.
“Ich hab’ kein Wort verstanden, denn sie sprach im alten Latein. Hier und da ist’s nah genug an unserer Mundart, dass man ein Wort verstehen kann, aber mehr auch nicht. Doch der Zorn… oh ja. Der war gut genug zu verstehen.”

“Im Nachhinein hab ich’s erfahren: Sie hat die Zunge des Baumeisters gefordert für dessen Rufen und wohl auch, weil er noch Aufträge mit Stein und Meißel zu erfüllen hat. Und sie war zornig über den falschen Wortlaut des Schwurs, der geleistet wurde, von mehr als einem von uns. Von mir ganz gewiss.”
Achilla wiegte den Kopf. “Nicht, dass ich ihn hätte fälschen wollen - oder dass ich ihn gerade zusammen bekommen hätte in jener Nacht.”

“So oder so, da hat sie wohl befohlen, dass wir mit dem falschen Schwur zu Ferrucio gehen sollen, um uns die Beichte abnehmen zu lassen und wohl auch, um die Hintergedanken zu erfahren, die hinter dem falschen Schwören steckten? Das ist wohl, was ich herausfinden werd’.”

Kurz schwieg sie und ließ dann die Erzählung wieder zu jener Halle und dem Zorn Aurores zurückkehren: “Wir alle duckten uns tief unter diesem Zorn, doch ich war gewiss nicht die Einzige, die nicht recht verstand. Da war Verwirrung und auch Aufbegehren in den Mienen, Angst und Zorn - es war ein Sturm, der über uns hinweg fegte und jeder geht mit solcher Gewalt wohl anders um.”

“Ich sah starres Entsetzen und tiefes Kriechen. Ich sah den leuchtenden Mut, sich selbst nicht zu verlieren unter alledem. Es war berauschend und ernüchternd zugleich!”

“Danach hat der Seneschall gesprochen und die Dinge geordnet, hat’s verständlicher gemacht. Ich hätt’s zuvor nie geglaubt, doch gegen den gleißenden Zorn war er mit einem Male die kühlende Milde. Doch das hieß nicht, dass er gnädig oder freundlich war. Er hat die Zunge, die der Baumeister sich selbst abbiss, eingefordert. Er hat die Gesetze gesprochen, die dann gelten sollten: Um die Ghule und Gebundenen und wer wie viele haben soll. Um die Gefahr durch das Wissen unter den Sterblichen und die Rolle der Liktoren bei der Jagd nach den Sterblichen und abtrünnigen Ghulen. Er hat Belohnungen für die Jagd ausgelobt und das hat sicher so manchen wieder aufgerichtet.”

Achilla stützte sich nun mit einem Arm zur Seite hin ab und erklärte den Rest recht schnöde:
“Danach auch all den Rest, den Ihr mittlerweile jetzt wohl kennt. Der Mondsenat aufgelöst, die Domänen ebenso, bis auf die der Totengräber und die des Herrn Paters Benedetto. Dann mehr zu Neuankömmlingen und ihren Fürsprechern für Genua, mehr zu den Liktoren, die noch ohne Blutvogt sind, mehr zur Jagd auf die Abtrünnigen Ghule… .”

Sie schien immer weniger Interesse an dem zu haben, wovon sie sprach, aber immerhin brachte sie die Dinge noch zusammen: “...der Rest war zur Hüterin der Elysien und den Hofgelehrten. Danach wurd’s aufgelöst, mehr oder weniger, und ich habe gesehen, dass ich wegkam.”

“‘s war mehr als klar, dass für die Verborgenen damit in Genua eine schlechte Zeit anbrechen sollte, eh? Da verzieht man sich besser und dann behält man den Kopf unten anstatt ihn noch empor zu recken und Speichel zu lecken. Dabei ist wenig zu gewinnen in Zeiten, da sie schon schweres Kriegsgerät auf unsere Dächer richten und ein ganzes Sestieri opfern mögen um sich eines Hindernisses zu entledigen.”
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Alain le Beau
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

Alain schweigt eine Weile, beißt sich auf seine Lippe. "Es scheint..." sagt er langsam "...dass ich nicht in allen Dingen vollständig beraten worden will." Man könnte meinen, er habe in eine Zitrone gebissen, so wie sich seine schönen Züge verkrampft haben. Aber dann lacht er. "Was soll es? Was wäre das Leben schon ohne Risiken?" Wenn sie das Lachen richtig einschätzt, dann ist Alain gerade aufgegangen, dass über ihm ein Damoklesschwert gigantischer Proportionen hängt - ja, dass er vielleicht gar selbst schon an dessen hauchdünnem Seil geschnitten hat.

Sein Kopf ruckt zu ihr herum. "Redet keinen Unsinn. Niemand führt Krieg gegen 'die Verborgenen'. Es ist euer Ältester, der die höchst verehrte Aurore mit seiner Illoyalität brüskiert hat. Und ihr, die ihr euch auf sein Geheiß gegen sie gestellt habt. Steht zu dem, was ihr getan habt, werte Achilla. Sucht euch bessere Freunde als ihn... und bessere Beschützer!" Sie hört das Grollen des Tiers in seiner Stimme, wenngleich sie recht sicher ist, dass sein Emotionsausbruch andere Gründe hat als Verärgerung über sie. "Ich hätte den Dottore niemals aus dem Palast fortgehen lassen dürfen. Wäre er hier geblieben, er wäre sicher gewesen vor..." Der Tzimisce schweigt, in seinem Geist dieselben Bilder wälzend, die auch in Achillas Hirn ungebeten in den Vordergrund drängen.

Fleisch, Schmutz - und Schmerz.
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

“Was ich getan hab? Ja, dazu stehe ich wohl”, murmelte die Signora und senkte den Kopf mit den Erinnerungen an den Schmerz, das Dunkel, die Schreie… . Oh, die Schreie.

“Ich hab gearbeitet, in jenen Tagen. Mehr oder weniger fleißig. Wir sind uns selbst begegnet, in einer Nacht. Ich habe für jene gearbeitet, die mir einen Lohn versprachen und ihn dann auch zahlten. Es ist einfach genug, so ein Handel mit einer wie mir.”

Wie um die dunklen Gedanken abzuschütteln, schüttelte sie einmal den Kopf. “Der Graf der Gosse ist nicht mein Freund und nicht mein Beschützer”, erklärte sie dann. “Er ist alt, mächtig und von meinem Blut. Er ist stark. Sich gegen ihn zu stellen, ist töricht. Also tue ich es nicht.”
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

"Und sich gegen die höchst verehrte Aurore und den sehr verehrten Seneschall zu stellen ist besser?" fragt Alain mit dem perversen Durchhaltevermögen eines versierten Provokateurs. "Denn das tut ihr ja. Ist es nicht im Endeffekt egal, welche Partei Clavicula hat bombardieren lassen? Sie stehen nun zusammen und euer sehr verehrter Ahn steht nicht an ihrer Seite. Ja, er ist schreckenserregend. Aber wer ist schrecklicher?"

Dann nickt er, freundlich. "Ich habe nicht vergessen, wie ihr den werten Gasparo vor dem werten Toma gerettet habt. Etwas, woran ihr ihn sicherlich erinnern solltet, so ihr vorstellig werdet."
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Signora Achilla
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Signora Achilla »

Achilla schnalzte einmal mit der Zunge. “Ai, fein. Lasst es uns dabei bewenden? Ich beginne, für Euer Fest vorzubereiten, was es geben soll. Mein lieber Maestro Mauricio sollte sich mit dem von Euren Dienern besprechen können, der die praktischen Dinge in die Hand nimmt.”

Sie erhob sich wieder. “Und ich werd’ sehen, ob die Hüterin der Elysien uns aushalten mag. Vielleicht… vielleicht kann der Giftstachel doch noch gezogen werden.” Es klang nach einer eher vorsichtigen Hoffnung, so wie sie es aussprach.
“Und ja, ich werd’ mich mühen mit dem Magister.” Sie strich ihr Kleid zurecht und machte dann einen tiefen, tiefen Knicks. Es knirschte und raschelte leise, trockene Nähte ächzten unter dem bunten Stoff.

“Und Ihr, schöner Herr? Irgendwann werdet Ihr Euch entscheiden, ob Ihr mir trauen wollt oder nicht. Bis dahin hält, was zwischen uns doch immer so gut ging, dies für das, die Freude an der einen oder anderen Tat ...und für meinen Teil doch auch der Genuss Eurer Gesellschaft, eh?”
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Re: [1037] Was ungesagt blieb [Achilla, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

"Achilla, Achilla..." sagt der Tzimisce mit gespieltem Vorwurf und unverkennbarem Spaß. "Ihr wisst doch, dass es in dieser Welt exakt eine Person gibt, der ich vertrauen kann. Und exakt eine Person, der ihr vertrauen könnt." Er zwinkert ihr zu. "Geteilte Freuden sind kein schlechtes Fundament, sogar eines der besten, würde ich meinen. Wäre da nicht dieser alte Schatten, wir beide würden uns ungestört in diesen Vergnügungen sonnen..."

Er denkt nach. "Nun, vielleicht nicht der beste Ausdruck, aber ihr wisst, was ich meine. Gehabt euch wohl, werte Achilla, und ich bin gespannt darauf, bald von euch zu hören!"
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