[1037] Ein Körnchen Wahrheit [Alain, Iulia]

[Iulia Cornelia]

Iulia schwieg nachdem Alain geendet hatte. Sie wartete einen Moment ab. Geduldete sich, ob ihr Gegenüber noch weitersprechen wollen würde.

Dann erst als sie sicher war, dass er geendet hatte, stellte sie mit gedämpfter Stimme milde fest: „Vielleicht werden wir in hundert Jahren hier erneut gemeinsam sitzen. Vielleicht nur einer von uns. Vielleicht auch keiner.“ Die Ventrue zuckte sanft mit den Schultern, als sie rhetorisch fragte: „Wer weiß das schon?!“

Sie schwieg für einen Moment, als sie dem Tzimisce ein Lächeln schenkte, einerlei ob er es sah oder nicht, denn ihre Augen verweilten im Gegensatz zu ihm auf ihrem Gegenüber: „Ich würde es euch wünschen, dass ihr feiern, tanzen und lieben könnt, solange ihr gedenkt. Deshalb möchte ich euch auch nicht länger davon abhalten, wohlwerte Harpyie.“, stellte Iulia in einem ruhigen Ton höflich fest.

Ihre freie Hand drehte sich leicht und deutete dadurch dezent in Richtung See, dem die Harpyie mehr Aufmerksamkeit schenkte als ihr, bevor sie meinte: „Ich denke ein guter Gast sollte wissen, wann es Zeit ist für ihn zu gehen. Deshalb würde ich mich gerne von euch verabschieden dürfen, wohlwerte Harpyie, jedoch nicht ohne euch für eure Ratschläge oder auch eure Zeit, die ihr mir gewährt hattet, zu danken. Es freut mich von euch empfangen worden zu sein und euch kennengelernt zu haben.“

[Alain le Beau]

"Schon?" Alain wirkt überrascht und ein wenig enttäuscht. "Nun, wie ihr meint. Ich hatte mich darauf eingestellt, euch und eure Männer hier zu beherbergen bis zur morgigen Nacht. Es ist ein weiter Weg zurück nach Genua." Er erhebt sich langsam von der Liege und blickt über das Meer. "Nun, dann folgt mir, Iulia. Wir nehmen, mh, den kurzen Weg."

[Iulia Cornelia]

„Das ist überaus freundlich von euch, wohlwerte Harpyie, doch dies wird nicht von Nöten sein. Unser heutiges Ziel ist nicht Genua.“, erklärte die Ventrue mit einem höflichen Lächeln nachdem sie sich erhoben hatte. „Zumal meine Männer darüber informiert sind, dass wir heute noch weiterreisen werden und ich mich einzig für ein kurzes Gespräch hier eingefunden habe. Sie erwarten deshalb ohnehin meine baldige Rückkehr.“, meinte Iulia mit einer gleichmäßigen, ruhigen und unaufgeregten Stimme.

„Würdet ihr mir denn auf dem Weg zum Tor noch eure Gartenanlage zeigen wollen, wohlwerter Alain?“, fragte die Ventrue höflich, als sie mit einer Hand dezent um das Gebäude herumdeutete, bevor sie charmant ergänzte: „Ihr hattet mir bereits so viel von der auserlesenen Schönheit im Inneren gezeigt, dass es mich freuen würde zu sehen, was ihr euch bei der Außengestaltung habt einfallen lassen. Schließlich muss ein solches Anwesen doch geradezu zu Festen im lauen Nächten im Freien einladen. Oder nicht?“

[Alain le Beau]

"In der Tat, in der Tat. Hier entlang, bitte!" Alain geleitet seine junge Begleiterin linkerhand - also auf der Westseite - um den Palast herum. Von dem kleinen Hafen kommen sie durch einige Blumenbeete, deren Pflanzen selbst in der Nacht noch einen angenehmen Wohlgeruch aussenden. Kleine Steinbänke laden zum Verweilen ein, aber Alain führt Iulia weiter, durch einige Blumenbögen, an einer Zypressengruppe vorbei, die offenbar als lauschiges Plätzchen dient. Einzig der Bereich direkt unter den großen Fenstern des Palastes sieht schlicht aus wie ein jüngst beackertes Feld. Vielleicht sind Alains Gärtner dort gerade beschäftigt?

"Durch die etwas abseitige Lage halte ich nur selten große Festivitäten ab", erklärt der Tzimisce freundlich. "Obgleich ich umso öfter und lieber Gäste im kleinen Rahmen empfange. Ich weiß, es ist sehr weit, jedoch hoffe ich, dass dies nicht euer letzter Besuch hier war, Iulia."

[Iulia Cornelia]

Die junge Ventrue betrachtete die Umgebung angetan, so gut es in der Dunkelheit überhaupt möglich war. Einzig der Acker sorgte für ein kurzes Stirnrunzeln, aber sie fragte nicht weiter nach. Als Alain sie auf einen erneuten Besuch ansprach, blieb Iulia kurz stehen und blickte geradezu überrascht auf den Tzimisce, als sie vorsichtig sprach: „So ihr dies überhaupt wünscht, wohlwerter Harpyie. Gerne. Ich hatte allerdings bisher eher den Eindruck gewonnen, dass ihr euch von meiner Anwesenheit hier eher…“ Sie zögerte kurz, bevor sie ergänzte: „Gestört oder gar schlimmer noch womöglich bedroht fühlt. Womöglich ist dies auch einem Missverständnis geschuldet?“

Fragend blickte sie auf den Tzimisce, als sie erklärte: „Ich hatte vorhin gemeint, dass ich sehr gerne auf einem eurer Feste zu Gast gewesen wäre. Ich mag es zu feiern. Es ermöglicht einem in einem entspannten Umfeld gute Geschäfte abschließen zu können. Zumindest war dem als Sterbliche so. Als Kainit gab es seit ich in Genua verweile, noch keine wirklichen Treffen oder auch Feiern abseits des Thronjubiläums. Etwas, was ich äußerst bedauerlich finde. Gedenkt ihr denn als Harpyie in Zukunft eine Veranstaltung für Kainiten abzuhalten? Womöglich einen Ball? Ihr hattet erwähnt euch gefällt es zu feiern und zu tanzen. Ich denke ein Tanz könnte eine gute Möglichkeit sein, um den Graben den die Nächte gerissen haben, etwas zu schließen und sich besser kennen zu lernen. Oder was denkt ihr, wohlwerte Harpyie?“

Interessiert blickte sie auf die Harpyie, bevor sie kurz schwieg und dann mit einer angenehm warmen und ruhigen Stimmfarbe feststellte: „Ich meinte im Übrigen vorhin tatsächlich was ich sagte, wohlwerter Alain. Ich glaube Nervi ist bei euch in guten Händen. Solltet ihr dennoch eines nachts Unterstützung benötigen, so zögert nicht einen Boten zu senden. Ich bin zwar hierhergekommen, in der Erwartung einen sterblichen Händler anzutreffen, was allerdings nicht bedeutet, dass ich abgeneigt wäre, auch mit euch Geschäfte zu betreiben oder auch zu helfen, so ich es vermag.“

Für einen Moment zögerte sie, als ihr Blick nachdenklich über den Tzimisce glitt und sie dann fragte: „Ich hoffe ihr fasst die Frage nicht falsch auf, denn ich bin nicht sicher, ob ihr den Händler womöglich einzig als Tarnung gewählt habt, doch in wie weit versteht ihr euch auf Handel und betreibt ihn mit den höheren Familien in Genua, wohlwerter Alain? Ich frage, weil ich einen talentierten Burschen habe, der sich für Handel interessiert, doch mir fehlt die Zeit, um ihn weiter zu unterweisen oder auch die entsprechenden Verbindungen, um ihn in einem der Häuser zu platzieren.“

[Alain le Beau]

"Dann muss ich mich bei euch entschuldigen, sollte ich diesen Eindruck erweckt haben", erwidert der Tzimisce und legt die Hand auf seine Brust. "Ich hoffe, dass ihr ein häufiger Gast in meinen Hallen sein werdet. Und ja, Festivitäten sind mein Ziel, wenngleich die Reise nach Nervi doch sehr beschwerlich ist. Gelegentlich aber unterhalte ich hier kleine, ausgewählte Kreise von... Freunden. Jungen Männern und Damen aus den reichen Familien Genuas, die hier Abwechslung von ihren Bibelstudien suchen. Vielleicht möchtet ihr einmal zu einer solchen Gelegenheit vorbeikommen? Musik und Tanz sind garantiert." Er lächelt.

Auf ihre Frage hin reibt sich Alain das Kinn. "Nun, ich bin sicherlich kein Händler, aber es ist möglich, dass ich einen oder zwei geschäftstüchtige Männer kenne, die euren Schützling anlernen könnten. In welchem Geschäft hat er denn seine ersten Erfahrungen gesammelt?"

[Iulia Cornelia]

Iulia war Alains ersten Worten mit einem freundlichen kleinen Nicken begegnet, bevor sie seine zweite Frage verbal beantwortet hatte.

„Julio ist noch sehr neu im Handel.“, erklärte die Ventrue geradezu mütterlich schützend ihrem Gegenüber, bevor sie ergänzte: „Er lernt erst seit etwa einem Jahr bei mir. Ich hatte ihm bisher vor allem ein angemessenes Benehmen angedeihen lassen, sowie die eher generellen Grundlagen des Handels. Er hat entsprechend noch keine endgültige Prägung durch mich erhalten. Er wäre deshalb noch sehr einfach in eine gewünschte Richtung zu formen.“

Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie dezent ihren Umhang auf dem Arm zurecht zupfte und dann sprach: „Ihr versteht sicherlich, wohlwerte Harpyie, dass sofern ich ihn nicht länger selbst unterweise, ich eine adäquate Fortführung wünsche, weshalb er nicht weniger, als in einem der hohen Häuser Genuas lernen soll. Ich will ein solches Talent wie ihn nicht in gewöhnlichen Kreisen verrotten sehen. Wenn ihr versteht.“

[Alain le Beau]

"Dann wird es schwierig. Ich kenne einen guten Sklavenhändler, aber das ist ein Geschäft, das zumindest anrüchig ist - und wohl nicht euren Vorstellungen entsprechen wird. Auch einen einigermaßen erfahrenen Tuchhändler könnte ich bieten, der zumindest entsprechende Verbindungen mit sich bringt." Er zuckt mit den Schultern. "Nicht gerade die Elite des genovesischen Handels."

Für einen Moment schweigt er, dann runzelt er die Stirn. "Vielleicht... gibt es da noch jemanden. Jemanden, der, wie soll ich sagen, die Öffentlichkeit scheut. Aber er ist extrem erfahren, was den Handel angeht, und hat gewisse Verbindungen, die gerade euch sehr nützlich sein könnten, angesichts... nun. Ich schlage vor, dass ihr mir euren Kandidaten einmal sendet, damit er sich ein Bild machen kann. Versprechen kann ich euch allerdings nichts."

[Iulia Cornelia]

„Das klingt durchaus nach einem interessanten Vorschlag will ich meinen. Darf ich denn nach einem Namen fragen, oder wäre eine solche Frage zu indiskret, wohlwerte Harpyie?“, erkundigte sich die junge Ventrue höflich bei ihrem Gegenüber.

[Alain le Beau]

Alain schüttelt den Kopf. "Nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Ich hätte seine Existenz nicht einmal enthüllt, unter normalen Umständen." Was genau jetzt diese Umstände geändert hat, lässt er ungesagt, obgleich Iulia sicher ein, zwei Faktoren einfallen könnten. "Aber ich werde schon einmal für euch vorsprechen."

Er zieht den Mundwinkel leicht hoch. "Und ihr, Kind der Ventrue, könnt euch vielleicht Gedanken darüber machen, was ihr ihm als Gegenleistung bieten könnt." Oder eben Alain. Mehr ungesagte Dinge.