[1040] Alte Gemme [Angelique, Iulia]

[Iulia Cornelia]

Es waren einige Monate vergangen seitdem sich die Ereignisse im Leuchthaus überschlagen hatten. Umso verwunderlicher war es, oder eben womöglich auch gerade deshalb nicht, dass Angelique die Ventrue eines Nachts nebst einem ihrer Wege stehen sah. Offenkundig wartete sie auf Jemanden oder Etwas, doch was es war, war auf den ersten Blick schwer zu sagen, denn sie stand völlig allein da.

Die weiße Seide ihrer Kleidung floss weich über ihren ansehnlichen und hochgewachsenen Körper. Abseits ihrer kunstvoll mit Silbernadeln hochgesteckten hellen Haare war ihre Kleidung jedoch frei von jedweder Verzierung. Womöglich fiel deshalb die alte Gemme, welche sie in ihrer Hand hielt, mehr auf, während sie neben dem niederen Bassin mit dem Springbrunnen in der Mitte stand, welcher schon seit Jahrzehnten bald kein Wasser mehr geführt hatte.

Nachdenklich strich ihr Daumen über den gravierten Rücken, während das Löwenabbild von ihrer Hand verborgen wurde. Ihre blaugrauen Augen lagen geduldig auf dem Raum, aus welchem die Malkavianerin kommen müsste. So sie es getan hätte, hätte die Ventrue sie mit einem respektvollen Nicken gegrüßt und mit ihrer freien Hand, eine zum Gespräch einladende Geste dezent andeutet, ihr jedoch die Wahl überlassen, ob sie diese annehmen oder sie diese ablehnen wollen würde.

[Angelique]

Angelique huschte auch nach einer Weile tatsächlich vorbei, wie immer um Unauffälligkeit bemüht.
Als die Ventrue sie allerdings zu sich winkte, eilte sie sogleich zu der Dame.

Angelique trug wieder mal einen ihrer tarnenden Umhänge, hatte darunter aber eins ihrer hübschen Kleidchen verborgen, dass sie sich angewöhnt hatte bei den Hohen Klanen zu tragen. Unter ihrem Schlapphut waren ihre wuscheligen Haare tatsächlich einigermaßen frisiert, wie von einem liebevollen Vater gekämmt und zu Zöpfen geflochten.

Das untote Mädchen verbeugte sich tief. "Schiavo, wohlwerte Iulia Cornelia! Ich wünsche Euch einen angenehmen Abend." DIe Art, wie sie sich verbeugte, war inzwischen etwas antiquiert. Die sterblichen Höfe, an denen so gegrüßt wurde, waren derweil Staub geworden oder hatten sich stark gewandelt.
Aber die ewig gestrigen Ventrue hatten noch nie an so etwas Anstoß genommen.

[Iulia Cornelia]

„Den wünsche ich euch ebenso, werte Angelique.“, erwiderte das Kind höflich, während sie ihr respektvoll zunickte. „Und ich hoffe ihr seid wohlauf.“, meinte Iulia, bevor sie einen Moment zögerte indem sie ihre Hände geradezu artig vor ihren Körper führte und dann erklärte: „Ich wollte mich gerne bei euch persönlich noch entschuldigen. Ich hätte euer beherztes Eingreifen, in den Vorfall mit dem Geschenk der Nosferatu, nicht in der Art und Weise übergehen dürfen, in der ich es getan hatte, auch wenn Arash eure Gesuch letztlich abgelehnt hatte.“

[Angelique]

Angelique lächelte und winkte ab.

"Ach, dafür müsst Ihr Euch doch nicht entschuldigen! Ich wollte nur zur Beruhigung der Lage beitragen. Es war ja schließlich ich, die sich ungefragt eingemischt hatte. Ich habe mich zu entschuldigen. Das war unbedacht von mir. Ich hätte kich gänzlich heraushalten sollen."

Sie verbeugte sich wieder vor der Ventrue. Sie hatte wirklich viel über Vorsicht und Etikette gegenüber den Hohen Klans gelernt.
Sich zu entschuldigen, selbst wenn man oder eher besonders wenn man selbst nichts falsch gemacht hatte, kam bei denen immer gut an.

[Iulia Cornelia]

Iulias Blick verfolgte ruhig das Betragen der Ewigjungen vor ihr, bevor sie nachdenklich bestätigte: „Es war eine gewagte Entscheidung von euch. Und doch, ich weiß sie zu schätzen. Gerade deshalb möchte ich bei euch auch um Entschuldigung bitten. Es ist keinesfalls selbstverständlich in unserer Gesellschaft zumindest zu versuchen den Frieden wahren zu wollen. Gerade wenn man selbst dadurch Aufmerksamkeit auf sich zieht.“ Die Ventrue schwieg für einen Moment, indem sie nachdenklich über die Rückseite der Gemme in ihrer Hand rieb, bevor sie sich erkundigte: „Ihr hattet damals ein Omen erwähnt. Darf ich euch fragen, was es damit auf sich hatte?“

[Angelique]

Angelique lachte verlegen und krazte am Kopf. "Ich weiß, dass manche von uns Blutopfer als besonders segensreich für ein Ereignis halten. Ich gehöre nicht dazu. In meinem Unleben waren tote Hunde immer ein schlechtes Omen und sagten vielfachen Tod voraus.
Nennt es einen Erfahrungswert, denn ich erlebte den Ungarnsturm noch mit. Der war auch durch einen toten Hund als Geschenk ausgelöst worden. Allerdings kann ich nicht sagen, ob die Episode nun segensreich oder unter keinem guten Stern für die Feierlichkeit war. Ich bin ja früh gegangen."

Sie sinnierte. "Andererseits töteten die Heiden oft Hunde und bestatteten sie unter der Türschwelle, um einen Geisterwächter für das Haus zu haben. Aber mit solcher Necromantia kenne ich mich nicht aus."

[Iulia Cornelia]

„Nun, ich denke ich kann euch zumindest dahingehend beruhigen, dass dieser Welpe weiterhin am Leben und trotz des erlittenen Schrecks wohlauf ist. Auch wird er bestmöglich umsorgt.“, erklärte die Ventrue der Malkavianerin mit einer angenehm warmen Stimme, bevor sie ergänzte: „Ich habe nicht vor ihn einem frühzeitigen Ende zuzuführen oder ihn gar zu opfern. Trotz allem was vorgefallen ist, war er noch immer ein Geschenk und entsprechend werde ich für ihn Sorge tragen.“

Dann schwieg sie einen Moment, während ihre blaugrauen Augen über den Brunnen und den dahinter liegenden Raum in der Ferne glitten, bevor sie an Angelique gerichtet meinte: „Ihr seid früh gegangen, wie so viele andere auch.“ Ein zartes Lächeln fand auf ihre Lippen, welches sie von Natur aus ungemein sympathisch wirken ließ, als sie milde sprach: „Doch ich respektiere diese Entscheidung und mache weder euch noch einem anderen einen Vorwurf daraus. Stattdessen bin ich dankbar dafür, dass ihr und auch sie überhaupt gekommen sind, auch wenn der Abend letztlich anders verlaufen ist, als ich es mir erhofft hatte.“

Iulia zuckte nur leicht mit den Schultern, bevor ihr Lächeln unbeschwerter wurde, als sie feststellte: „Wir werden sehen, was sich aus dem Ganzen letztlich entwickeln wird. Es ist nie einfach Dinge zum Guten zu verändern, doch ich habe nicht vor, mich von meinem Wunsch nach einer intakten politischen Bühne abbringen zu lassen, einerlei wie andere dazu stehen mögen.“

Die Haltung der jungen Ventrue war noch immer in sich ruhend und kerzengerade, während die weiche Seide sanft über ihren hageren, hochgewachsenen Körper floss. „Ich bin überzeugt davon, dass aus der kaitischen Gesellschaft Genuas weitaus mehr werden kann, deshalb gedenke ich auch, trotz allem was womöglich dagegensprechen mag, ein erneutes Treffen im nächsten Jahr anzubieten. Ihr seid hierzu sehr gerne eingeladen und euer Kommen würde mich freuen.“

Respektvoll neigte sich Iulias Haupt vor der Malkavianerin, dann wanderten ihre blaugrauen Augen zu der Gemme in ihrer Hand, dessen Rückseite nach oben in ihrer Hand sichtbar lag. Noch bevor Angelique sich dazu gezwungen sah, eine Antwort auf die Einladung zu geben, wechselte Iulia das Thema, indem sie meinte: „Ich wusste euer Geschenk in jener Nacht sehr zu schätzen. Bedauerlicherweise bin ich allerdings noch zu jung, um es vollkommen zu verstehen. Würdet ihr mir erklären, was die Inschrift darauf bedeutet, werte Angelique?“

[Angelique]

Angelique ging sofort auf die Einladung ein: "Oh, danke für die Einladung. Ich komme natürlich gerne. Dass ich so früh ging, hatte mit den schlechten Auren zu tun, die ich wie ein Miasma spüren kann und die mir fast körperlich Unbehagen bereiten. Ich bitte das zu entschuldigen. Angenehme Konversation betreibe ich immer sehr gerne, aber nicht, wenn sie in vergiftetem Ambiente stattfindet."

Sie verbeugte sich wieder, ganz das artige Kind.

Bei der Frage nach der Gemme lebte sie natürlich auf, da sie etwas erklären konnte. "Das ist das AGLA-Zeichen. Es steht im Jüdischen für 'Atah Gibor Le-olam Adonai* und bedeutet 'HErr, du bist auf ewig allmächtig'. Die Kreise und Kreuze verstärken den Schutz und die Barba... die sächsischen Herrscher meinen, sie bilden das Wort GOTT in ihrer Sprache, was im Sächsischem der Name des HErrn ist. Es ist ein mächtiges Glücksamulett, dass sowohl Heiden, als auch GOttesfürchtige schätzen. Das es auf einer Löwengemme ist, die die römischen Altvorderen schufen, mag einer Ventrue vielleicht gefallen."

[Iulia Cornelia]

„Auren?“, erkundigte sich das Kind hörbar leicht verwirrt über das Wort, bevor sie zögerlich meinte: „Ich fürchte ich kann euch hier nicht ganz folgen, werte Angelique, doch es ist mir offen gestanden ausgesprochen unrecht und unangenehm, so meine Gäste körperliches Unbehagen empfinden. Gibt es denn eine Möglichkeit wie ich diesen Umstand hinsichtlich eines nächsten Treffens beheben könnte? So ja, würde ich dies gerne tun, denn es würde mich sehr freuen, so ihr dann bleiben und angenehme Konversationen betreiben könnt.“

Gespannt hatte Iulia der Erklärung bezüglich der Gemme gelauscht und sie leicht zwischen ihren Fingern gedreht, als Angelique auf die Löwenseite zu sprechen gekommen war. Ihre Finger kippten die Gemme zurück, so dass sie erneut das AGLA-Zeichen zeigte, nachdem Angelique geendet hatte.

Ihr Daumen strich die einzelnen Buchstaben erneut nach, als sie mit leiser und gehauchter Stimme feststellte: „Sächsisch.“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie nickte und bestätigte: „Es ist ein wohldurchdachtes Geschenk, werte Angelique, und ich danke euch für eure Nachsicht darin, dass ich diese Sprache noch nicht ausreichend beherrsche.“ Erneut nickte Iulia, bevor sich ihre langen Finger geradezu zärtlich um die Gemme schlossen. Ihr Griff wirkte dennoch fest und sicher, ganz so als hielte sie eine Kostbarkeit in ihren Händen, die es zu bewahren galt und die sie nicht verlieren wollte.

[Angelique]

"Nun", gestand die Kleine, "das ist auch eine Sprache, die ich nicht wirklich beherrsche. Diese Leute schreiben nichts in ihrer Sprache nieder, außer vielleicht das Glaubensbekenntnis. Sie reizt mich also nicht. Wenn die anfangen, in etwas anderem zu schreiben, als in Latein, so werde ich auch ihre Sprache lernen. Aber ich fürchte, eher werden die Franken eigene Worte dichten, als die Tedesco. Das wird wohl nie ein zivilisiertes Land der Dichter und Denker werden. Die Sprache klingt aber auch, als wäre sie für das Brüllen von Befehlen in der Schlacht geschaffen und nicht für Liebeslyrik."

Sie winkte ab. "Ich fürchte, niemand vermag etwas gegen die Flut der Eindrücke und Visionen zu tun, die mich überkommen, wenn ich mit vielen Leuten gleichzeitig zu tun habe. Das ist oft sehr angenehm, wenn es sich um Menschen oder Schafe dabei handelt, aber nie, wenn es Vampire oder andere Bestien sind, die sich belauern. Die Schwingungen und Omen sind dann immer unangenehm. Stellt es Euch als ein Miasma aus Auren vor.
Laßt Euch davon also nicht irritieren, es soll Euch nicht beleidigen, wenn ich es nicht länger ertrage und früher, als es höflich wäre, gehe."