[1041] Ankunft am Hof der Marmor-Prinzessin [Macario, SL]

[Macario]

Schon von weitem konnte Macario in dieser monderhellten Sommernacht die Villa Illuminata, die erleuchtete Villa, höher gelegen zwischen den Hügeln, im Hinterland der Stadt Genua, ausmachen. Das musste der Ort sein, den man ihm geheißen hatte. Der Schein von einigen Fackeln oder Öllampen verriet ein größeres Anwesen samt Haupt- und Nebengebäuden.

Macario hatte den Weg durch die Felder und Wiesen gewählt. Das Mondlicht war ein guter Wegweiser gewesen.

Die Vorstellung am Hof der weißen Prinzessin war der erste Schritt, die Eröffnung, für ein neues Spiel unter neuen Regeln, die Macario selbst bestimmen würde. Jedenfalls war dies die Prämisse. Selbstverständlich hatte der Neugeborene Vorkehrungen getroffen. Seine Gefogsleute würden ihn in dieser Nacht zurück erwarten. Falls Macario nicht zurückkehren sollte, so sollte ein von ihm vorgeschriebener Brief und ein Bote entsandt werden...

Der Trampelpfad wurde breiter. Der Lichtkegel der Öllampen kam näher. Macario wurden die Umrisse einer halbhohen Begrenzungsmauer, die den Komplex umgab und die Silhouetten zweier Personen im Schein der Lampen gewahr. Anscheinend die Nachtwache.
Macario, als der Mönch, der er war, trat in den Lichtkegel und blieb in einigem Abstand - das offene Feuer meidend - stehen, um den beiden Wachen den nächtlichen Gruß "Im Namen unseres Herrn, Jesu Christi, bonum Nocte, Soldaten" entgegen zu rufen. Dabei hob er die Arme etwas an und wandte die Handflächen in Richtung der Personen, als ob er einen Segen aussprechen wollte. Als Zeichen seines guten Willens schob er kurz darauf die Kapuze der Mönchsrobe zurück und sein Antlitz war zu sehen. Die Tonsur eines Mönches und der schwarze Spitzbart würden auffallen.

[La Cronista]

"Buona serata, Frater." erwiderte eine der Wachen, die einen Speer in der Hand hielt und sich schon bei dem Näherkommen des Mannes aufrechter hingestellt hatte. "Dürften wir euren Namen erfahren und was euch hier her führt? Ein Mönch wurde uns nicht angekündigt." sprach der Mann in dem hiesigen genuesischem italienisch weiter. Dabei klang seine Aussprache sehr geschliffen und wohlartikuliert.

[Macario]

"Und doch hat mich Gottes Wille hierher geführt", gab Macario mit deutlich fremdländischem Italienisch als Antwort. "Mein Name ist Macario. Ich bin entsandt, um der hohen Dame des Hauses in dieser Nacht im Gebet beizustehen, ihr Hoffnung zu geben in diesen dunklen Zeiten und bitte dafür um das Gastrecht", so fuhr er fort mit besonderer Betonung auf verschiedenen Worten. Die Wirkung seiner Wort abwartend, bevor andere Mittel in Erwägung zu ziehen wären.

[La Cronista]

Die Wache besah Macario mit einem skeptischen Blick.

„Wartet hier.“ wies er ihn daraufhin an und schlug mit der Faust gegen das Tor hinter sich, was sich sodann nach wenigen Sekunden von Inne öffnete und der Wachmann hereintrat, dort mit jemanden sprach und gleich darauf wieder vor das hölzerne Tor trat, dass sich wieder schloss.

„Es wurde nach jemanden geschickt, der euer Anliegen annehmen wird.“

Ein paar Minuten später öffnete sich das Tor dann auch erneut und ein rundlicher Mann in einer alten römischen Rüstung, die so massig war, dass man sie als Kessel nutzen konnte, trat heraus.
Er betrachtete Macario einen Augenblick.
Mit einem freundlichen Grinsen in dem rosigen Gesicht breitete er die Arme aus und wies mit einem Arm auch sogleich auf den Eingang.

„Willkommen werter Gast. Ich bin Lucio Il Onnivorno. Kommt herein und lasst uns eben über euer Gesuch sprechen.“

[Macario]

Dem skeptischen Blick der Wache begegnete Macario mit stoischem Gleichmut und ließ den Dingen freien Lauf.

Es bestand keinerlei Zweifel für ihn, dass er an der richtigen Villa stand. In Gedanken spielte er das sich öffnende Szenario bereits durch. Vermutlich würde er in wenigen Augenblicken mit einem Blutsdiener des Hauses sprechen, einem Herold der Domäne zugewiesen werden oder aber, und das wäre durchaus fraglich, ob es gut oder schlecht wäre, der Ventrue Prinzessin Aurore höchstselbst begegnen. Er würde gute, wohlüberlegte Antworten geben, wie er es gewohnt war. Dieses Spiel hatte er allzuoft durchlebt am Hof in Rhegium (Reggio), als dass er leichtfertig etwas allzu wertvolles preisgeben würde. Gewiss würde er einiges anbieten müssen, gewiss würde er eine Gefälligkeit leisten müssen. Vielleicht könnte er eine Wahl herbeiführen und das kleinere Übel erlangen. Mehr könne man nicht erwarten. Es würde Jahre, Jahrzehnte benötigen, bis...

Offen und recht wohlwollend begegnete er Lucio Il Onnivorno, als dieser im Torbereich erschien. "Habt Dank, werter Lucio Il Onnivorno.", gab er jenem als knappe Antwort, neigte das Haupt zur Begrüßung und folgte der Geste zum Eingang.

Ein wohl beleibter Mann in einer alten römischen Rüstung ließen für Macario zwei Schlüsse zu. Entweder war dieser Lucio ein Blutsdiener oder ein Abkömmling Aurores. Jedenfalls war zu vermuten, dass diese Person nicht der Gegenwart angehörte, wenngleich einige dekadente Herrschaften vermeintlich altehrwürdigen römischen Habitus imitierten...

Macario würde Lucio so weit ins Innere des Anwesens folgen, abwarten, bis dieser wieder das Wort an ihn richten würde.

[La Cronista]

Lucio führte den Fremden einige Meter durch den Innenhof, bis er auf dem mit Steinplatten ausgelegten Weg stehen blieb und sich Macario zuwandte.
"Man sagte mir, dass ihr vom Gastrecht spracht. So muss ich euch mitteilen, dass ihr diese Nacht keine Audienz bei meiner höchstverehrten Herrin erhalten werdet. Viel mehr wird sich einer der Herolde eurer annehmen und euch die Domäne näher bringen. Wie ist euer Name? So werde ich euch an entsprechender Stelle ankündigen."

[Macario]

Kaum hatte der Lucio Il Onnivorno geendet, entgegnete ihm Macario:
"Bedauerlich. Aber Gottes Wege sind für uns unergründlich." Nach einer kurzen Sprechpause fuhr er fort:
"Mein Name ist Macario." Eine neuerliche etwas längere Sprechpause.

Es wäre zu erwarten, dass Lucio das wie, das wo und das wann weiter ausführte, sich selbst offenbarte oder aber weitere Fragen stellen würde. Es wäre nicht an Macarios Stelle jetzt Fragen zu stellen, so war es gewiss.

Dem zufolge hatte Macario seine Hände vor seinem Körper zusammengeführt und übereinandergelegt, eine abwartende Haltung eines Mönches. Das Haupt hatte Macario jetzt demütig gesenkt und vermied es dem Gegenüber ins Gesicht zu schauen.

[La Cronista]

Lucio sah den Mönch einen Augenblick noch abwartend an ob da noch mehr gesagt werden würde, dann sprach er wieder:

„Keine Sorge, ihr könnt frei sprechen. Doch wenn ihr nicht wollt, steht euch das natürlich frei.

Ich bräuchte nur noch eine Adresse unter derer euch der Herold kontaktieren kann. Dies wird entweder Toma Ianos Navodeanu, Neugeborener vom Blute der Drachen sein oder Galeno Fiore, Neugeborener vom Blute Kappadozius.“

[Macario]

Ohne aufzublicken setzte Macario mit ruhiger Stimme fort: "Mein Name ist Macario, Neugeborener vom Blute Lasombras."

Macario müsste nicht mehr nachfragen, denn da sich Lucio nicht als Kainskind offenbarte, während er doch um deren Existenz wußte, blieb nur der Schluss, dass er einem Blutsdiener der weißen Prinzessin gegenüberstand. Es gäbe auch wenig, was Macario von diesem an weiterem Wissen erlangen könnte, ohne dass dessen Herrin nicht umgehend davon erführe und eine Antwort auf seine vielen Fragen, die er fürwahr hatte, ihn am Ende der Nacht mehr kosten würde, als er hätte dafür aufwenden wollen.

Zur Sache merkte Macario an: "Als Neuankömmling ist es uns nicht gegeben einem Herold die Würde zu Teil werden zu lassen. So bitte ich Euch, werter Lucio Il Onnivorno, beschämt uns nicht, fahrt fort und sagt, auf welchem Wege, an welchem Orte, die Herolde weilen. Es soll nicht Eure Last sein. Denn schon in Matthäus steht geschrieben: Voll Vertrauen zu Gott beten, bittet und ihr werdet bekommen, suchet und ihr werdet finden. Klopft an und es wird euch geöffnet!"

[La Cronista]

"Verzeiht. Es liegt mir fern euch zu beschämen. Im Gegenteil müsst ihr euch nicht die Mühe machen selbst um einen Termin zu bitten, dafür seid ihr ja hier." erwiderte der Guhl und neigte den Kopf entschuldigend.

"Die Herolde sind jedoch auch dafür verantwortlich neuen Gästen Unterschlupf zu bieten für eine gewisse Zeit. Ihr könnt es also am A Tarda Ora versuchen. Eine Villa im Zentrum von Broglio. Ihr erkennt es an Wachen die davor auf einem kleinen Platz Wache halten neben Feuerkörben. Dies ist jedoch auch das Haus an dem man den Seneschall der Domäne finden kann. Lydiadas, Ahn eures Blutes, Consigliere del padrone profondo, sanguigno cacciatore di Catania, Herr der Tiefen, aus der Linie Ahriman min alzilals. Ihr solltet also genau benennen wen ihr sprechen wollt."

Lucio betrachtete den neuen Lasombra abwartend, wie dieser weiter reagieren würde.