[1042] Die schwarzen Schwestern [Achilla, Eleonora(SL)]

[November '20]
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La Cronista
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[1042] Die schwarzen Schwestern [Achilla, Eleonora(SL)]

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Man nannte sie die schwarzen Schwestern.
Drei Frauen aus dem Dörfchen Nord vor der Porta di San Pietro.
Manch einer nannte sie auch Huren, andere kannten sie als Händler und Hehler?

Vielleicht war alles davon wahr, vielleicht nichts.

Was jedoch wahr war, war der Umstand dass sie eines dieser immer wiederkehrenden Phänomene am Hof der Wunder waren. Seit einigen Jahren gehörten sie zu diesem bunten durcheinander gewürfelten Volk, wie der Schwertschlucker oder der Jongleur oder die Entstellten, die Musiker, die Einsamen und Glücksucher. Die Abgestürzten und die Träumer. Jene die sich nach einer zweiten Chance im Leben sehnten und jene die ihres einfach nur vergessen wollten.
Unter den wilden Gestalten und Freigeistern vielen selbst die mit Schleiern verhüllten Frauen nicht mehr auf.

Keiner kannte sie wirklich, doch so war es bei vielen hier. Dennoch war jeder Willkommen, auf dem Hof der Wunder, wo alles möglich war...wenn man nur genug trank oder rauchte und manchmal, manchmal fand man hier tatsächlich seinen Traum.

Die drei hatten immer einen Platz am Rande des Platzes in einer dunklen Ecke. Wo sie dennoch nie lange allein blieben. Sie suchten den Genuss wie viele Menschen hier und oft fanden sie ihn.

Es war eine warme Nacht im Sommer, als eine Gruppe von Schaustellern die drei Frauen zu sich ans Feuer einluden.

Die Frauen waren vorsichtig. Kamen zögernd der Einladung nach.
Sie alle trugen lange schwarze Kleider und Schleier die ihre Gesichter und Köpfe bedeckten.

Sie wirkten hier für einen Moment falsch. Doch was war es dass sie so zögern ließ?
Für einen Moment, dann ließen sie sich darauf ein. Setzten sich zu den Musikern und Schauspielern.
Eine zog Kräuter aus einer Tasche die sie dabei trug und bot sie dem lachenden feierndem Volk an. Die andere schmeichelte dem jungen Mann, der sie eingeladen hatte, doch die Dritte hielt sich zurück, wirkte verschüchtert in ihrer Haltung.

Währen die anderen beiden sich nach und nach mehr öffneten und sich an den jungen Mann und einen Musiker anschmiegten, blieb die Dritte am Rande der Gruppe bei der Herrin der Masken sitzen.

Der Geruch von Rauschkräutern schwang über die Gruppe hinweg und großzügig wanderte der Wein herum, während eine heitere Musik sich mit den Tönen von Lust und Lachen des Hofs der Wunder vermischte.
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Signora Achilla
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Re: [1042] Die schwarzen Schwestern [Achilla, SL]

Beitrag von Signora Achilla »

Es war eine bunte Runde am Feuer, die die drei Frauen gern willkommen hieß. Die meisten saßen in einem lockeren und weiten Rund darum her während ein kräftiger Tee aus Brennesseln und ein paar getrockneten Beeren darüber in einem Kessel vor sich hinköchelte. Der Feuerschein malte die Gesichter golden und rot und ließ die Schatten tanzen.

Der junge Mann, Mauricio der Jüngere, war um die Gesellschaft froh und vielleicht lockte ihn auch das Geheimnis des Schleiers. Die Fahrenden kannten genug von der Welt, dass sie wussten, dass es fremde Länder und Völker gab, bei denen sich die Frauen so verschleierten und verhüllten. Bis vor kurzem war noch ein Mädchen bei der Truppe gewesen, die es oft ebenso gehalten hatte. Mauricio jedenfalls schäkerte unverhohlen mit der ersten der drei Frauen und versuchte, sie mit getrockneten Trauben als Süßigkeit für sich zu gewinnen wo sein Charme vielleicht nicht ausreichen mochte - nicht dass er je Zweifel an seinem Charme gehabt hätte!

Wein und Rauschkraut wurde ausgetauscht. Ein Junge hatte eine Leier gestimmt und wob eine Melodie in den Hintergrund, halb Fingerübung und halb Unterhaltung für den Rest. Ein alter Mann saß direkt daneben und stieß den Jungen jedes Mal mit dem Ellenbogen an wenn ein Ton mißlang oder wenn der Rhythmus mit ihm davonlaufen wollte. Der alte Mann hatte dunkle Augen mit einem gewitzten Glitzern im Augenwinkel und wenn die zweite der Frauen nicht ganz abgeneigt war, dann war er es auch, der begann, Geschichten zum Besten zu geben. Es war recht offensichtliches Seemannsgarn, das er da sponn, doch das passte in die Runde und würde wohl noch wilder werden, je mehr der Weinschlauch kreiste. Er begann gerade die Geschichte vom glücklichen Trottel Lucilio und den guten Tagen, mit einigen Zwischenrufen von den anderen ums Feuer her, die die Geschichte gut genug kannten und ihr eigenes dazu taten, um sie auszuschmücken.

Achilla saß wie so oft ein bisschen abseits, nah genug, dass sie hören konnte was vor sich ging und dass der Lichtschein noch reichte, aber gerade jetzt nicht mitten im Rund. Sie hatte eine fast fertige Maske in der einen Hand und einen zarten Pinsel in der anderen und war dabei, ein verschlungenes Muster, das auf dem bereits hell getünchten Untergrund vorgezeichnet war, auszumalen. Es war eine feine Arbeit, die ruhige Hände und scharfe Augen brauchte. Doch als die dritte von den Schwarzen Frauen ein wenig schüchtern am Rande bei ihr stehen blieb, da hob sie den Blick und meinte: “Setz’ dich her. Hier ist’s noch warm genug aber du musst dir nicht zuende anhören wie Lucilio seine guten Tage findet, eh?”

Die Signora trug noch den bunten Mantel vom letzten Schaustück bevor die Truppe sich um das Feuer versammelt hatte. Er hatte zu einem der Weisen und Sterndeuter gehört, die dem findigen Kapitän aus der Geschichte den Weg in die geliebte Heimat gewiesen hatten, zurück nach Genua. Die Maske, die sie selber trug, gehörte auch dazu, mit maurisch dunkler Haut und weiß aufgemaltem und angeklebten Bart, der wohl ursprünglich einmal Ziegenfell gewesen war.

“Vielleicht hast du eine eigene Geschichte zu erzählen…?” fragte die Signora. Doch weil sie den scheuen Gast auch nicht vergraulen wollte, bot sie auch an: “Oder ich fang’ mit einer an, zum Tausch, und dann seh’n wir weiter.”
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La Cronista
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Re: [1042] Die schwarzen Schwestern [Achilla, SL]

Beitrag von La Cronista »

Die Schwester bei Mauricio hatte sich nah zu ihm gesetzt und schien auch nicht besonders schüchtern zu sein oder zurückhaltend.
„Du bist ein ansehnlicher Mann, Mauricio. Schauspieler oder Musiker?“ fragte sie.
Die süßen Trauben schien sie nicht zu interessieren. Statt diese anzunehmen, nahm sie seine Hand. Obwohl es warm war, trug sie dünne schwarze Handschuhe.
Sanft fuhren ihre Finger über seine und sie suchte deutlich seine Nähe.

Die zweite Schwester saß neben dem Musiker und dem alten Geschichtenerzähler und wirkte etwas unsicher, wie sie die Hände erst angespannt in ihrem Schoß hielt, doch dann holte sie das Rauschkraut aus ihrer Tasche und reicht es herum.
Etwas gelockert, vor allem durch die nette Aufnahme, nahm sie den Schleier ab und eine recht ansehnliche junge Frau kam dahinter hervor. Gut genährt und eher auf der Seite niedlich als auf der Seite schön oder verführerisch. Ihre Wangen waren leicht gerötet und mit einem herzlichen Lächeln nahm sie auch den Wein entgegen der ihr gereicht wurde und hob ihn an die Lippen. Drehte sich dazu ein wenig zur Seite und reichte den Schlauch dann weiter. Aufmerksam lauschte sie der Geschichte über den Trottel Lucilio.

Die Dritte setzte sich zu Achilla und sah, der Kopfneigung zu urteilen auf die Maske, die diese bemalte.
Für einen Moment schwieg sie. Rutschte etwas herum, richtete ihr Kleid, bis es wohl für sie passend war.
Alles an ihr steckte in schwarzem Stoff, wie bei den anderen, selbst die Hände, die sie vor sich auf dem Schoss zusammengelegt hatte.

Als sie sprach zeigte sich, dass sie eine schöne volle Stimme hatte. Eine die auch wohl artikulierte Worte formen konnte und den Zuhörer dazu brachte noch mehr von ihr hören zu wollen.
„Es war einmal ein junges Mädchen, dass nicht viel vom Leben wollte, als ein wenig Freude. Einen schönen Mann und eine liebende Familie. Doch der Herr legte ihr eine Prüfung auf. Er nahm ihr ihren Mann und ihre Kinder noch im Bette, in dem sie geboren wurden.
Sie weinte und darbte und gab doch nicht auf. Sie zog herum, sie lernte und holte sich zurück was ihr genommen wurde. Freude. Doch der Herr musste erbost gewesen sein über sie. Von ihrem Hochmut. Denn als sie nach dem höchsten Griff... da stieß er sie zurück.
Doch war sie davon zerbrochen? Ein weiteres mal? Nein. Sie hob den Kopf aus dem Matsch und erhob sich wieder.“
Es war nicht viel gewesen und als sie geendet hatte, ließ sie eine kurze Pause bevor sie noch fragte:

Ist das eine Geschichte die dir gefällt? Ist sie doch eine wie sie sicher viele hier erzählen.
Wie sie alle hier versuchen aus dem Schlamm zu kriechen oder der Herr oder Herrin des Schlammlochs zu sein.

Auch du wurdest zurückgestoßen nicht wahr? Oder nie empor gelassen.
Und doch hast du etwas das dir Freude bereitet.
Wie ist deine Geschichte?“
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Signora Achilla
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Re: [1042] Die schwarzen Schwestern [Achilla, SL]

Beitrag von Signora Achilla »

Da lachte die Signora und es war ein melodisches und hübsches Lachen, vielleicht von Natur aus, vielleicht wohl geübt, wahrscheinlich beides.
“Es ist ist eine schöne Geschichte, auch wenn’s keine so seltene ist”, stimmte sie zu. “Ich frag’ mich dann, was sie uns lehrt, die wir ihr zuhören?” Sie legte vorsichtig die Maske zum Trocknen beiseite, so dass sie nicht jetzt, beim Sprechen, einen falschen Strich setzte.

“Ich will mich immer gern entscheiden, es so zu sehen: Dass es nicht der Hochmut ist, für den man zurückgestoßen wird. Nein, denn das ist kein Hochmut, wenn man nach dem greift, was man auch erreichen, beim Schopf packen und sich eigen machen kann. Zurückgestoßen wird man wohl von anderen, weil die’s halt auch haben wollen, wonach man gegriffen hat. Und entweder gelingt’s ihnen oder eben nicht. Dann erzählt der Sieger die eine Geschichte und die Zurückgeschlagene erzählt die andere, eh?”
Sie wiegte den Kopf, mit einem kleinen Augenzwinkern.

“Nichts zu bereuen”, meinte sie dann. “Wenn man’s nicht versucht, dann hat man schon verloren, so seh ich’s. Und wenn man gar nichts mehr versucht, nur weil man’s nicht mag, dass einem der Gegenwind entgegenfährt… tja, dann hat man ganz und gar verloren in der Welt. Drum gibt’s nicht viel zu bereuen bei so einem hohen Schuss. Und schon gar nicht gibt’s was zum Schämen, ha!”

---

Mauricio derweil zwirbelte sich ein wenig prahlerisch den noch ein wenig weichen und nicht sonderlich prächtigen Bart. “Ich bin der, der den Schauspielern und den Musikern die Bühne bereitet”, erklärte er großspurig, doch er hatte eben auch die Stimme dafür. Das war die Stimme seines Vaters, mit der dieser sein Leben lang die Schaustücke, Possen und die Musik angekündigt und angepriesen hatte.
Mauricio überließ dann gern seine Hände denen der Fremden, denn die Liebkosungen gefielen ihm wohl. Er neigte sich ein wenig zu ihr und sagte: “Eine schöne Musik oder ein Kunststück, das den Atem raubt, das ist eine Sache und schon sehenswert genug. Doch wenn man die wunderbaren Dinge zusammen bringt, dass sich aus den kleinen Teilen ein noch viel schöneres Ganzes ergibt, dann kann man Träume spinnen und die Menschen verzaubern.”

Das ließ die Schausteller umher, die davon etwas mithörten, vielleicht lachen, doch keiner widersprach. Mauricio war vielleicht jung, doch er trat gar nicht schlecht in die Fußstapfen seines Vaters. Die waren vielleicht noch etwas groß, doch so war es eben - keiner blieb ewig auf der Höhe seiner Kunst und irgendwann kamen die Jungen, um an den Platz der Älteren zu treten.


---

Die Signora hatte sich ein wenig zurechtgesetzt, so dass sie ihren neuen Gast ein wenig besser betrachten konnte.
“Ich war einmal Herrin des Schlammlochs und einmal auch Herr, nur um eine Nacht drauf gestürzt zu werden. Hier bin ich Bettler oder König, Weise Frau und Närrin, der Trottel Lucilio und der tapfere Roaldo.” Sie hob einmal die halbfertige Maske an und hielt sie vor die eigene, ließ ein Gesicht durch das nächste abwechseln.

“Doch was mir Freude macht, das sind die Geschichten dahinter, solche wie deine. Und am meisten mag ich die, die so hell und wunderschön leuchten, dass sie alle anderen überstrahlen. Ich liebe die, in denen alles gewagt wird, in denen so tief gestürzt und dann doch unmögliche getan wird. Noch mehr liebe ich die, in denen alles gewagt wird, um auch tatsächlich zu gewinnen - doch man weiß ja vorher nie, was es nun wird, wenn man nicht die Geschichte selbst spinnt.”
Sie legte die Maske wieder nieder.

“Manche sagen wohl, ich wäre wie eine Motte, die einfach um das hellste Licht tanzt, das gerade im Raum scheint. Und wenn es so ist, dann sage ich darauf: Immerhin wage ich, zu tanzen! Und wenn’s mir die Flügel verbrennt? Tja, dann würd’ ich vielleicht verglühen, doch ich hätte getanzt wie keiner es sonst je gewagt hat. Lieber verglühe ich so, als ewig im grauen Zwielicht zu stehen und mich frierend und verzagt zu fragen, wie’s wohl wäre, so zu tanzen oder nach den hellsten Sternen zu greifen, von den besten Dingen zu kosten und wahrhaftig alles zu nutzen, was eine hat.”

Sie lehnte sich ein wenig zurück. “Meine größte Furcht ist, dass mir das graue Zwielicht, das leise Vergessen doch im Blut liegt und es mich einholt, irgendwann. Doch nicht heut’ Nacht.” Sie neigte den Kopf einmal, nur um dann noch einmal zu bestätigen: “Nicht heut’ Nacht.”
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La Cronista
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Re: [1042] Die schwarzen Schwestern [Achilla, SL]

Beitrag von La Cronista »

“Sie lehrt uns nie zu verzagen und nicht zu hoffen, sondern zu schaffen. Selbst die Dinge in die Hand zu nehmen. Oder?
Wenn es keine Strafe für einen Hochmut ist, dann ist es der schlichte Neid der anderen?”
Fragte die Frau bei Achilla und schwieg einen Moment. Vielleicht dachte sie darüber nach.
„Das mag für andere sicher so gelten, doch nicht für mich. Doch was bringt es darüber zu jammern. Ich kann nicht ändern was ich heute bin.“

“Du bist eine imposante Frau. Voller Energie und Leben.” Sie klang etwas wehmütig wie sie das sagte, nachdem sie Achilla weiter zugehört hatte.

„Diese Emotionen habe ich nicht mehr und vielleicht nie so gehabt wie du. Es ist erfrischend dir zuzuhören. Du sehnst dich nach dem Genuss, die Freude und Spannung, sowie Entspannung, so wie wir.“ Sie schaute zu ihren Schwestern, wenn sie das denn waren.

“Gibt es etwas, dass du am meisten begehrst und etwas, dass dich abstößt?”

---

"Träume. Hach. Die haben wir alle. Große und tolle und manchmal kleine." Erwiderte die andere schwarze Schwester bei Mauricio und lachte leicht.
"Und die Teile zusammenbringen, das würde mir gefallen.”
Sprach sie leiser und streichelte dabei über Mauricios Arm und ihre andere legte sich auf sein Bein.

Für einen Moment nahm sie die Hände von ihm und lüpfte auch ihren Schleier nun. Darunter kam eine hübsche zierliche Frau zum Vorschein mit lockigem Haar wohl, nach den Strähnen zu urteilen die ihr aus dem Dutt gefallen waren.
Trotz ihrer Schönheit wirkte sie auch angeschlagen. Blasse Haut, dunkle Augenringe unter den braunen Augen, die konträr dazu voller Leben und Gier aus dem kränklichen Gesicht starrten und sich in Mauricios Augen bohrten.
Sie lächelte.
"Du bist also der Anführer dieser Truppe und jener der sich die Kunststücke ausdenkt?
Du musst ein gescheiter Mann sein und mit besonderer Vorstellungskraft." schmeichelte sie ihm und rückte ihm wieder nah auf.

------

Die Dritte vergnügte sich derweil mit den anderen Schauspielern und Musikern und versuchte sogar mitzusingen, doch sie schien da leider kein Talent für zu haben. Mit einem schüchternen Lächeln versteckte sie sie spielerisch hinter ihren Händen und lachte doch mit den anderen. Dabei warf sie dem jungen Musiker neben sich immer wieder Blicke zu.
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Signora Achilla
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Re: [1042] Die schwarzen Schwestern [Achilla, SL]

Beitrag von Signora Achilla »

[am Feuer, mit Mauricio und einer der Schwestern]

Das Feuer, der Wein und die schmeichelnden Worte ließen Mauricios Wangen glühen und er lächelte, als er seinen Arm um die Frau neben sich legte. Er hatte geschickte Finger, dieser Mauricio der Jüngere, denn auch er hatte das Kunsthandwerk seines Vaters gelernt. Vor allem aber mochte er in diesem Moment die geschmeidige Form des Frauenkörpers direkt an seinem und er ließ seine Hand ein wenig wandern.

“Ja, das ist eine große Lust”, sagte er mit seiner samtigsten Stimme und strich mit seiner anderen Hand eine der losen Haarsträhnen aus dem Gesicht der Frau. “So ist es immer, wenn Menschen zueinander finden und etwas machen, das so viel schöner ist als was einer allein kann. Oder eine, hm?” Er zwinkerte ihr zu, für den Moment blind für ihre Blässe oder die dunklen Augenringe. Einen langen und harten Tag hat jeder einmal, nicht wahr?

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[am Feuer, mit der Dritten]

Man ließ Mauricio und seiner Schönen ein wenig Raum und ohnehin gab es Lieder genug. Dass dieser Gast ein wenig schief sang war nicht weiter schlimm - das galt für die meisten, die dazu stießen und nicht selbst zu den Musikanten gehörten. Oft genug galt es auch für den einen oder anderen Musikanten selbst, auch wenn das keiner je zugeben wollte.
Doch solche Dinge konnte man leicht auswetzen, mit einem Witz, einem Augenzwinkern und dann kam Lothario, der altgewordene Eisenbieger, auf die Idee, dass man auch tanzen könnte! So stand er auf und reichte der dritten Schwester eine Hand zum Angebot.

Nun war Lothario alles andere als ein begabter Tänzer, aber stark war er und wenn sie einwilligte, dann wurde sie gleich einmal im Kreis herumgewirbelt, so dass er nicht auf ihre Füße treten konnte.

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[ein wenig abseits, die erste Schwester und die Signora]

“Oh, das ist schwer”, meinte die Signora anerkennend und legte nachdenklich den Kopf in den Nacken. War auch das gespielt? Hatte sie die Antworten längst parat?
“Solche Fragen sind es immer. Die Antworten können sich ändern so wie man selbst sich ändert, mh? Wenn man sich noch ändern kann… .” Der letzte Satz klang ein wenig abgeschlagen, leiser und melancholisch.

Doch dann richtete sich die Signora im Sitzen etwas auf. “Was ich am meisten begehre? Die einfachste Antwort ist: Den Genuss und die Liebe für jeden Augenblick!” Sie lachte einmal, doch dann winkte sie ab und in der Geste flatterten ein Dutzend dunkler Motten auf.
“Doch das sagt einem wenig, eh? Und so etwas lässt sich nicht herbei zerren, schon gar nicht mit Gewalt. So will ich die Möglichkeiten dafür schaffen, die Bühne bereiten, wenn Ihr so erlaubt. Und das ist, wenn ich ohne Angst sein kann und die um mich her ebenso. Was ist das für ein Traum, eh? Wenn wir uns alle begegnen könnten ohne Furcht. Müssen dafür die Masken sein? Vielleicht. Doch wenn, dann sollen sie schön sein. Und vielleicht, eines Tages, braucht es sie gar nicht mehr. Was für ein wahnwitziger Wunsch, hm?”
Sie lachte wieder, doch diesmal leiser. Es verklang unter der Musik am Lagerfeuer.

“Und was mich abstößt? Auch das ist einfach. All die Verschwendung. Die Gewalt, das Pressen, das Reißen und Zerren. Liegt das in unserer Natur? All das Blutvergießen? Können wir nicht anders? Ich glaube wohl. Hat es nicht früher schon Völker und Städte und Reiche gegeben, die so viel schönes erdacht und errichtet haben? Man sieht noch die Reste und Ruinen davon, hier und da. Man hört es noch aus Geschichten und Liedern heraus, die älter sind als nur eine handvoll Jahre.”

“Es stößt mich ab, all die Gier um der Gier willen. Der Stolz um der Pracht willen, die Gewalt und das Gehabe, oft aus Angst dass einem sonst die Macht verloren gehen könnte. Dieses Ringen und Beißen und Würgen und Pressen als wäre das alles in der Welt - am Ende hat es gar keinen Zweck und selbst die Macht, die es bringt, hat keinen mehr, weil bereits alle Ziele erstickt worden sind. Und was bleibt dann außer einem Haufen scharfkantiger, blutiger Scherben, zerdrückte Schönheit, verblichene Hoffnung, zerrissene Träume? Und ich sehe doch mit meinen Augen diejenigen, die genau diesen Weg gehen. Das… ja. Das stößt mich ab! Es ist so furchtbar, furchtbar hässlich… .”
Danach war die Signora still und sah ihren Gast aufmerksam an. Sie schien die andere zu studieren, sah sich deren Miene und Haltung, ihre ganze Antwort genau an, ob sie nun laut gesprochen war oder sich nur in einer kleinen Regung zeigen wollte.
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Re: [1042] Die schwarzen Schwestern [Achilla, SL]

Beitrag von La Cronista »

Die junge Frau lächelte Mauricio angenehm und anregend an. In ihrem Blick, aus den müden Augen lag trotzdessen eindeutig ein Verlangen nach dem jungen Mann.
Ganz nah kam sie mit ihrem schmalen Mund, der weniger als bei manch anderen Frauen voll und ansehnlich war, seinem Ohr und hauchte leise: Willst du hier oder an einem...intimeren Ort?
Dann lehnte sie sich wieder zurück und sah ihn erwartungsvoll an.

---
Die zweite Schwester war zwar sichtbar etwas schüchtern doch kein Kind von Traurigkeit, so nahm sie die dargereichte Hand des Lothario und ließ sich von ihm wild im Kreis herumwirbeln, was sie zu einem verspielten Aufschrei verleitete und anschließendem Lachen.
Rundherum ging es, doch schien sie nicht besonders Schrittsicher, oder vielleicht schon betrunken, denn immer wieder bewegte sie sich auch entgegen dem Schwung. Nur nicht nah ans Feuer. Zog Lothario schließlich mit sich. Übernahm die Führung, Zog ihn raus dem Kreis der Feiernden und an sich herna und ehe er sich versah, drückte sie ihre Lippen auf seine.

---

Die dritte saß ruhig neben der Signora und lauschte ihren Worten. Sie war offensichtlich nicht so stürmisch wie ihre Schwestern.
Viel von dem was ihr durch den Kopf ging, konnte man durch ihren Schleier jedoch nicht sehen, auch eine deutliche Regung bis auf ein Nicken blieb aus.

„Das Ringen und Beißen...das Reißen und Zerren...Das ist die Welt wie sie ist, nicht wahr? Und was können wir schon tun? Entweder man macht mit oder man ist derjenige der zerrissen wird oder?
Doch manchmal, ja, kann man sich auch der Hoffnung hingeben, dass es auch etwas schönes gibt...die Liebe...Die wie lange kann die schon halten? Wie echt kann sie sein?
Manchmal reicht auch die Wärme.“
erwiderte sie nachdenklich und klang dabei auch melancholisch.

„Du sagst du begehrst die Liebe und den Genuss, sind diese auf Männer beschränkt?“ fragte sie dann weiter und man konnte sich durchaus ein angespanntes Lächeln unter dem Schleier vorstellen.
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Re: [1042] Die schwarzen Schwestern [Achilla, SL]

Beitrag von Signora Achilla »

Mauricio sah sich nun ganz offensichtlich als den glücklichsten Mann in dieser Nacht. Er warf zwar einen Blick zur Signora zurück, doch was zwischen diesen beiden war, war verworren und lang - länger als eine Nacht gewiss.
Und so schenkte er der Schönen trotz oder vielleicht genau wegen der Erschöpfung in ihrem Blick ein warmes Lächeln, das schon so manch eine hatte erröten lassen. Er legte den Arm um sie und machte eine verschnörkelte Geste zu dem kleinen Zelt hin, das die Truppe hier meist aufgestellt hatte. Das war groß genug, um ein paar Dinge trocken und von gierigen Fingern fern zu halten, wenigstens für ein paar Stunden, und auch für ein paar Kissen am Boden und manchmal Kartenspiel und Wetten. Doch heute Nacht war es auch sicher groß genug für zwei, die sich gefunden hatten.

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“Holla!”, lachte Lothario, aber ein Kind von Traurigkeit war er bestimmt auch nicht. Wahrscheinlich war es ohnehin für die Füße aller Anwesenden besser, dass sein Tanzen nun ein Ende fand. Er zog die zweite Schwester an sich heran und wollte einen zweiten Kuss oder einen dritten, während seine Hand schon ihre Hüften entlang wanderte.

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“Ohhh”, meinte die Signora verzückt zu der Frage. “So viel oder so wenig wie Lust oder Liebe vor solchen Dingen Halt machen.” Heiter klang das und sie hob die Hand um die Entfernung zwischen sich und ihrem Gast ein wenig zu überbrücken. “Die Welt ist zu schön, ihre Wunder zu vielfältig, ihre Schrecken zu tief und das Leben zu kurz, um ihre Gaben zu vergeuden.”
Etwas strich sanft und flügelschlagleicht am Schleier der ersten Schwester entlang. Eine Motte hatte sich darin niedergelassen.
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Re: [1042] Die schwarzen Schwestern [Achilla, SL]

Beitrag von La Cronista »

Die junge Frau in der Kleidung einer Witwe, die jedoch so gar nicht wie eine Trauernde sich zierte, folgte dem Maestro in das Zelt und was dort geschah blieb den anderen Augen verborgen, auch wenn jemand der unbedingt zuhören wollte, durchaus nach einigen Minuten Stöhnen vernehmen konnte.

Ihre eine Schwester ließ sich derweil darauf ein genau vor den Augen aller Anwesenden leidenschaftlichen Küsse mit diesem fremden Schausteller auszutauschen. Auch schien sie es gar nicht zu stören, wo seine Hände lagen und suchte selbst doch sichtlich seine Nähe.

Die Dritte bei Achilla, sah für einen Moment ihren Schwestern nach, bevor sie den Blick wieder auf Achilla richtete.
"Da habt ihr recht." sprach sie leise und schien doch gar nicht so forsch wie die anderen beiden sich der Signora nähern zu wollen.
Als die Motte am Schleier der Frau wackelte, schlug sie reflexartig die Hand dahin. Drehte den Kopf schnell hin und her. Presste sich den schwarzen Stoff ans Gesicht und die Säume unter den Rand schwarze Haube die sie trug. Strich sich mit den Händen darüber als würde sie noch mal sicher gehen wollen, dass alles richtig saß.
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Re: [1042] Die schwarzen Schwestern [Achilla, SL]

Beitrag von Signora Achilla »

Die Signore fächelte mit eher gelassener Geste die Motte und noch ein paar andere beiseite, mit mäßigem Erfolg. Am Ende ließ sie es und setzte sich nur zurecht, vielleicht ein kleines bisschen näher als zuvor noch.

“Ich glaube es auch”, meinte sie milde. “Vielleicht ist es der Ort hier, der das lehrt. Vielleicht habe ich die Lehren auch mitgebracht, von der Reise auf und ab durch das Land. Beides zeigt die schönsten Seiten, die die Welt einem zeigen kann. Und die hässlichsten.”
Hier war eine kleine Pause, als wäre sie sich ihrer Worte nicht sicher und dabei fast so schüchtern wie ihr verschleierter Gast. Natürlich war das nicht wahr, aber die Signora setzte ihre Worte hier behutsam und sanft.

“Ich glaube auch, dass beides Hand in Hand geht, dass Schönheit und Hässlichkeit zueinander gehören und nicht zu trennen sind. Weder verdient das eine Stolz im Übermaß noch das andere Scham.”
Sie ließ die Worte behutsam so in der Luft zwischen ihnen hängen, um zu sehen, was ihr Gast damit wohl tat.
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