[1041] Im Gefolge einer Prinzessin [Iulia, Liutprand]

[Liutprand]

Die Nacht war klar und das Sternenzelt spannte sich von Horizont zu Horizont. Ein leichter Wind zog vom Meer her über das Land und ließ den Fellbesatz an dem Gambeson von Liutprand tanzen. Es war das einzige, was sich an dem Ventrue bewegte in diesem Moment. Einige Wachen liefen umher und bereiteten unaufgeregt aber zügig den Aufbruch in Richtung Luccoli vor. Sie grüßten Liutprand respektvoll, dieser beachtete sie aber kaum. Sein Blick war in Richtung Himmel gerichtet. Stumm und unbewegt starrte er in die Sterne und das Licht des halben Mondes reflektierte sich in den blass blauen Augen.

Das Licht einiger Fackeln, manche steckten in der Nähe in festen Halterungen, manche wurden in gebührenden Abstand von Bediensteten oder Wachen getragen, erfüllte die Szene in ein Schattenspiel.

Die Gedanken des Ventrue Liutpold waren träge, langsam...ganz langsam senkte er den Blick und beobachtete das Treiben. Die Stimmen der Männer drangen an sein Ohr, doch schien er sie nicht wirklich wahr zu nehmen. Er stand bei seinem Pferd, ein großer Schimmelhengst, welcher zwar nicht unbeweglich da stand, aber vor dem Monster, das in Gestalt von Liutpold direkt neben ihm stand, offenbar nicht scheute. In der Hand hielt Liutpold einen Speer. Er fühlte sich ungewohnt an...so anders, als die Waffe, die er gewohnt war.

Neue Eindrücke prasselten auf ihn ein, die er in sich aufnahm...er würde sich daran gewöhnen müssen.

[Iulia Cornelia]

Ein paar Meter von Liutprand entfernt stand seit einiger Zeit eine einzelne Person, die entgegen der Wachen und Diener sehr geduldig auf Etwas oder auch Jemanden zu warten schien. Ihr für eine Frau sehr hochgewachsener Körper war von einem hellen, sehr weiten und vorne doppellagigen Wollumhang von ihrem Hals an abwärts vollständig bedeckt. Die breite Kapuze war heruntergeschlagen und lag ordentlich auf ihren Schultern auf. Die Ränder des dicken und bodenlangen Stoffes waren mit weißem Lammfell gesäumt. Obwohl die Kleidung hochwertig war, wirkte sie doch durch die fehlenden Details sehr zurückhaltend, beinahe schlicht, was die Augen eines Betrachters unweigerlich weiter nach oben führten.

Ihr außergewöhnlich hübsches Gesicht war dort gut zu sehen, denn sie verbarg sich nicht, auch wenn sie sich abseits der Fackeln und Pferde hielt. Ihr Hautton sprach davon, dass sie wohl nie einer harten Arbeit im Freien hatte nachgehen müssen, denn im Schein des Mondlichts mochte er beinahe an weißen Marmor erinnern, so hell war er. Ihre anscheinend langen blonden Haare waren feinsäuberlich eingeflochten und kunstvoll hochgesteckt worden. Trotz der vermeintlichen Strenge, die ihrer Haarpracht ausstrahlte und dem in sich gekehrten Blick mit dem sie das Treiben in der heutigen Nacht schweigend beobachtete, wirkte sie dennoch auf ganz natürliche Art und Weise von sich selbst aus sehr sympathisch.

Ihre Haltung war aufrecht und kerzengerade, während ihre blaugrauen Augen ruhig über die gesamte Szenerie wanderten. Immer wieder blieben sie an dem gerüsteten Fremden hängen, den sie interessiert, aber auch mit einer gewissen Nachdenklichkeit zu mustern schien. Sofern sich ihre Blicke gekreuzt hätten, hätte sich ihr Haupt höflich vor ihm verneigt. Ein Lächeln hätte auf ihre Lippen gefunden und mit ihrem Blick hätte sie ihm dezent zu verstehen gegeben, dass sie sich wohl über ein Gespräch mit ihm sehr freuen würde, aber auch, dass sie die Wahl dafür oder dagegen, ihm überlassen würde.

[Liutprand]

Als sich ihre Blicke treffen, hielt er ihn...fixierte sie. Auch wenn sein Blick nicht unfreundlich war, so lag doch etwas prüfendes darin. Und er wanderte von ihren Augen über das Gesicht über ihre Gestalt bis hinunter zu ihren Füßen, wieder hinauf bis zu ihrem Gesicht. Schließlich legte er seinen Blick wieder in den ihren. Die Betrachtung war keinesfalls lüstern oder abwertend, aber durchaus prüfend. So als würde er jede einzelne Kleinigkeit an ihr betrachten, gewichten und bewerten. Einzig das Ergebnis war aus dem Gesicht nicht auszulesen.

Schließlich nickte er kaum merklich und seine freie Hand lud sie ein näher zu treten. Auch er stand abseits der Fackeln und drückte wortlos einem der Wächter die Zügel seines Pferdes in die Hand, der es wegführte. Offenbar war er bereit mit ihr zu reden.

[Iulia Cornelia]

Iulia zuckte unter dem auf ihr ruhenden prüfenden Blick des Fremden nicht zusammen, sondern ließ es geduldig geschehen. Erst als seine freie Hand sie zu sich einlud, nickte sie kurz. Dann ging sie auch bereits zügigen Schrittes in seine Richtung, ohne auch nur einen Moment zu zögern. Ihr Gang war dabei aufrecht und der sanft schwingende Umhang gab keinerlei Hinweise darüber, was sie wohl darunter tragen mochte. Offenkundig musste er jedoch durch sein Material, seine Form und Größe gut dazu geeignet sein, Pferd und Reiter sicher durch den Wald zu bringen, indem er sie vor kleineren Ästen und Gestrüpp schützte. Die aufliegende Kapuze und die Dicke des Stoffes hatte die wohl noch nicht einmal zwanzig Lenzen zählende junge Frau aus der Ferne deutlich breiter wirken lassen. Nun, da sie jedoch nähergetreten war, offenbarte sich wie regelrecht hager sie eigentlich darunter wohl im Vergleich zu ihrem Gegenüber sein mochte. Im angemessenen Abstand zu ihm blieb sie schließlich stehen und erneut senkte sie ihr Haupt länger. Sie wich seinem Blick, der in ihrem lag, nicht aus, ließ ihn jedoch gelegentlich bewusst sinken. Gerade auch bei der erneuten höflichen Verneigung, so dass ihr Gebaren alles andere als wie eine Herausforderung wirkte, sondern einen sehr respektvollen Charakter erhielt. Insgesamt machte sie einen wohlerzogenen Eindruck, als sie schwieg, bis er ihr erlaubte zu sprechen oder selbst das Gespräch eröffnen würde.

[Liutprand]

War nicht viel, was sich in seinem Gesicht veränderte...nur eine Nuance. Doch dies schien in seinem Ausdruck einen Unterschied zu machen wie Tag und Nacht. Er schien zufrieden und nickte...nicht aber in dem er einfach seinen Kopf kurz senkte, wie es jeder tun würde. Nein er hob seinen Kopf vorher leicht an, um dann von der erhobenen Kopfposition das sachte Nicken durch zu führen bis dann schließlich das Haupt wieder in der Ausgangsstellung angelangt war.

Als er schließlich das Schweigen brach und das Wort erhob klang es so, als würde die Stimme vom Boden eines großen Eichenfasses erschallen, so voluminös war sie. Iulia erkannt gleich, dass er eine hervorragende Singstimme haben musste, vermutete aber eher, dass dieser hier gewohnt war laut zu sprechen, ohne dass die Stimme brach. Doch was sie direkt irritierte war der harte Akzent in seiner Sprache, die offenbar Latein war.

"Du bist Tochter, wohl?"

Durch die schlechte Aussprache war schwer zu deuten wie er genau diese Frage meinte. Allerdings war offenbar, dass sie nicht herablassend oder missgünstig gemeint war.

[Iulia Cornelia]

Es wirkte, als wäre ihr der harte Akzent des Fremden offenbar nicht gänzlich unbekannt, denn als sie ihn hörte, spiegelte sich in ihren Augen einen kurzen Moment lang so etwas wie erkennen wider. In fließendem Latein, das in seiner Aussprache und Betonung bei einzelnen Wörtern deutlich älter wirkte, als sie selbst sein konnte, entgegnete sie mit einer angenehm warmen und melodischen Stimme: „Mein Name ist Iulia Cornelia, Kind vom Blut der Könige.“ Kein Erzeuger folgte und auch keine lange Ahnenlinie. Die Vorstellung selbst war kurz genug gehalten, damit alles gesagt war, was nötig war oder auch lang genug, so dem nicht so gewesen wäre.

[Liutprand]

"Iulia Cornelia...hmmm."

Liutprand sprach den Namen nach und sie konnte deutlich sehen, dass er seine hohe Stirn runzelte, als er versuchte ihre Worte zu verstehen.

"Liutprand....Wiedergeborener in Königblut."

Er überlegte noch einen Moment, als er die Worte gesprochen hatte, ob es auch die richtigen waren. Aber offenbar kannte er keine besseren.

"Verzeihen musst Du...die Sprache ich kann gut nicht noch sprechen."

Was ihr auffiel, dass er diese offensichtliche Schwäche der fehlenden Sprache aufrecht annahm, ohne sich zu schämen.

[Iulia Cornelia]

„Natürlich.“, antwortete die junge Ventrue freundlich, wie selbstverständlich und in einer Art und Weise, die nahelegte, dass sie es ernst meinte und sie ihm gerne verzieh. Offenkundig gefiel es ihr, dass er es überhaupt versuchte und lernte. „Es freut mich euch kennenzulernen.“, erklärte Iulia höflich, bevor sie sich in einfacheren Worten erkundigte: „Hattet ihr eine gute Reise nach Genua?“

[Liutprand]

Er lächelt leicht...das erste Mal, dass Iulia diesen Ventrue lächeln sah. Und wieder änderte es die Ausstrahlung des Mannes grundlegend. Die harten Züge eines militärischen Befehlshaber wurden weicher auch wenn sie nicht vertrauter wurden. Die Würde und eine gewisse Unnahbarkeit blieb erhalten, aber Iulia wusste, ohne diese EIgenschaften hätte Liutprand niemals das Geschenk des Kusses erhalten und somit die Aufnahme in die Reihen der Könige der Nacht.

"Lange Reise...aber nun hier bleibe ich."

Er sah sich bei diesen Worten um, spähte weit in die Dunkelheit hinein in Richtung der Stadt, bevor er wieder sie anblickte.

"Lange Du schon hier bist?"

[Iulia Cornelia]

Iulias Gesicht wurde nachdenklicher, als sie wohl kurz darüber sinnieren musste, wie lange sie eigentlich inzwischen schon in Genua war. „Zwölf Jahre.“, antwortete sie schließlich ohne eine hörbare Wertung darüber, ob sie dies selbst als lange empfand oder nicht. Für sie musste es sicher mehr als ein Drittel ihres Daseins sein. Für andere nicht mehr als ein weiteres duzend Jahre. „Es freut mich sehr, dass ihr hier seid und hier bleibt.“, meinte die Ventrue, bevor sie sich interessiert erkundigte: „Wie gefällt euch Genua bisher?“