[1042] ...müssen Männer mit Bärten sein! [Achilla, Liutprand]

[November '20]
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Signora Achilla
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[1042] ...müssen Männer mit Bärten sein! [Achilla, Liutprand]

Beitrag von Signora Achilla »

Der Hafen. Sie liebte ihn, mit dem Gestank von faulendem Seetang, Möwendreck, Fischresten. Sie liebte ihn, mit dem Duft fremdländischer Gewürze, dem Prahlen der Matrosen und Fluchen der Schauerleute, dem Stolz der Kapitäne und Witz der Händler.
Wenn sie hier ging, war es schon spät. Die Matrosen verprassten ihre flüchtigen paar Scherben Reichtum in der einen Kaschemme oder einer anderen. Für die Spielleute, Tänzerinnen und Gaukler fiel hier oft genug etwas ab und darum waren sie hier - und darum war auch sie hier.

Die Signora war, so musste sie zugeben, ein wenig betrunken. Sie hatte von einem kräftigen Bootsmann gekostet, der kaum noch oben von unten hatte unterscheiden können. Er schnarchte jetzt in einem Hinterhof und sie bildete sich ein, ihn bis hierher zu hören. Die Nacht flaute langsam ab, die Menschen wurden müde. Der Morgen war noch nicht nah genug, doch die Mitternacht war vorbei - dies waren die toten, stillen Stunden.

Achilla hatte, nicht zum ersten Mal, ihre eigenen Leute irgendwo in der Nacht verloren. Es war hoch hergegangen, mit Seemannsliedern und irgendeiner Wette zwischen der Mannschaft des einen Schiffs und der eines anderen. Wein und Bier waren in Strömen geflossen, um das Nasenbluten und die anderen Schmerzen von der einen oder anderen Faust wegzuspülen, die geflogen war.
Sie erinnerte sich vage daran, irgend jemanden angefeuert zu haben und dann hatte sie den Bootsmann aufgegabelt oder der sie. Wen kümmert’s, wenn am Ende alle gewonnen hatten?

So suchte sie ihren Weg am Hafen entlang. Der Seewind war kühl und riss an dem bunten Flickenkleid, das sie trug wie so viele andere der Fahrenden auch. Ihr Kopftuch war weinbesudelt ohne dass sie sich erinnern konnte, wie das genau geschehen war, doch ihre Maske hielt. Natürlich hielt sie - es brauchte Gewalt oder Können, um sie zu lösen. Die Maske für heute Nacht war ein Kunstwerk aus bemaltem und gehärtetem Leder, auf das ein paar Muscheln aufgenäht und wilde Wellenlinien eingebrannt worden waren. An ihrem unteren Rand war sie nun auch dunkel, entweder von Wein oder von Blut. Die Mischung roch köstlich, doch die Signora war nüchtern genug, um zu wissen, dass sie sich so nicht unbedingt ins Licht begeben wollte und nicht unter die Augen von Wächtern.

Darum suchte sie ihren Weg langsam und mit Bedacht - und vielleicht auch, um noch ein wenig Zeit mit diesem wohligen, warmen Abklang des Rausches auszukosten. Er war ein lustiger Kerl gewesen, dieser Bootsmann.
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Liutprand
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Re: 1042 ...müssen Männer mit Bärten sein! [Achilla, Liutprand]

Beitrag von Liutprand »

Auf einem der hölzernen Stege, die weiter ins Wasser hinein reichten, stand eine unbewegliche Gestalt. Nun nicht ganz unbeweglich, denn der Wind, der vom Meer aus über Genua ins Landesinnere blies, zerrte und spielte mit dem dunklen Wollmantel, den Liutprand sich vermeintlich gegen den kühlen Seewind übergezogen hat. In Wirklichkeit wohl um das zu verbergen, was er darunter trug.

Der Blick war starr auf das dunkle Wasser in die Ferne gerichtet, der Mond, der hier und dort mal zwischen den sich schnell bewegenden Wolkenfetzen auftauchte, spiegelte sich glitzernd auf den tanzenden Wellen. Offenbar schien es, als würde er seine Umgebung kaum wahrnehmen, beobachtete er doch ein weit entferntes Ziel...oder erhoffte er dort in der Finsternis irgendetwas zu erkennen? Oder wartete er auf irgendjemand?

Kleine Wellen klatschten im regelmäßigen Takt gegen den Rumpf eines angetäuten Bootes. Etwas entfernt kreischte eine Möwe, die offenbar von irgendwas geweckt wurde. Aus einer Taverne etwas den Pier herunter scholl Gelächter, Geschrei herüber...irgendwer spielte eine Flöte. Die sich nähernde Gestalt der Signora, nahm der Ventrue zunächst nicht war.
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Signora Achilla
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Re: [1042] ...müssen Männer mit Bärten sein! [Achilla, Liutprand]

Beitrag von Signora Achilla »

Oh, das Flötenspiel…! Fast wollte sie schon dorthin driften. Die Flöte klang vertraut, vielleicht war das einer ihrer eigenen, für diese Nacht schon verloren geglaubten Spielleute! So oder so, die Melodie ging ins Blut und fuhr in die Glieder, zum Tanzen!

Es war die stille Gestalt am Kai, die sie innehalten ließ. Sie wirkte wie ein Kontrapunkt zum verlockenden Klang, starrte in die Ferne, während doch hier die Musik spielte.

Die Signora war neugierig, weil Neugier ihr im Blut lag. So einfach lagen die Dinge manchmal - und darum trat sie näher. “Ai”, sagte sie und machte auf sich aufmerksam. Ihre Stimme klang weich vom Wein und satten Blut und sie hatte eine Art zu sprechen, die klar und deutlich genug war, dass es um die Maske her noch gut gelang. “Sonst stehen hier die Händler und blicken bange in die Ferne, weil ihnen ein Schiff mit ihren ganzen Reichtümern im Bauch abhanden kam. Oder hier stehen die Mädchen, mit rundem Bauch, hoffend, dass der Seemann doch wiederkommt und sie nicht vergessen hat.”

Leise schnalzte sie mit der Zunge und näherte sich noch ein wenig weiter. “Doch Ihr seht nicht aus wie die einen oder die anderen und bei Nacht ists nicht weit her mit dem Blick zum Horizont. Nur die Gedanken reichen so weit, eh?”
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Liutprand
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Re: [1042] ...müssen Männer mit Bärten sein! [Achilla, Liutprand]

Beitrag von Liutprand »

Als die Worte der Nosferatu an sein Wort drangen drehte er den Kopf in ihre Richtung und schien sie zu betrachten. Es war zwar dunkel, aber am Glanz seiner Augen, die sich allmählich klärten konnte sie gut erkennen, dass sie ihn von einem weit entfernten Ort her geholt hat. Für einen Augenblick warf sich seine Stirn in Falten und es dauerte eine Weile, bis die Erinnerung an diese seltsame Gestalt mit der Maske in seine aktiven Gedanken einsickerte. Als dies geschah glättete sich seine Stirn wieder und er wandte auch seinen restlichen Körper der Signora zu.

"Gedanken...ja..."

Seine Stimme war tief und ruhig, wie das Meer bei einer Flaute.

"Ich grüßt Dich...verzeihen musst Du. Ich spreche dies Sprache gut nicht noch..."

Der harte Akzent in seinem Italienisch und die offensichtlichen Fehler darin schienen ihm keineswegs peinlich zu sein. Eine Schwäche, die er offen annahm und sie nicht verbarg in dem er schwieg.

"Wie Dein Name heißt?"
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Signora Achilla
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Re: [1042] ...müssen Männer mit Bärten sein! [Achilla, Liutprand]

Beitrag von Signora Achilla »

Beinahe hätte sie wieder einen Schritt zurück gemacht, als er sich umwendete. Dieser Mann war nicht die nächste Beute - sie kannte sein Gesicht und seine Gestalt. Und so musste sie sich einen kurzen Moment lang neu sortieren. Geschmeidig machte sie einen kleinen Knicks, nicht zu tief, nicht mehr als eben zu einem etwas verspielten oder vielleicht auch angetrunkenem kleinen Gruß.

“Achilla”, sagte sie simpel, doch fügte dann mit einem Augenzwinkern hinzu: “Den Namen habe ich von einem Helden aus einer anderen Zeit geborgt.” Die Augen der Nosferatu waren einmal dunkel gewesen, doch nun, im Tod, waren sie milchig geworden. Sie schien sich nicht daran zu stören, dass er offenbar noch mit der Sprache kämpfte. Aber immerhin sprach sie ein wenig langsamer und fiel nicht sogleich in das Stakkato der Mundart aus den Gassen und der Gosse.
“Ich habe Euch gesehen, in der Arena, an der Seite der schönsten Morgenröte.” Es war recht offensichtlich, dass sie sich hier scheute, allzu deutlich zu werden. Zu groß war die Möglichkeit, dass doch irgendein Wächter auf einem nachtdunklen Boot am Kai zuhörte oder betrunkene Seeleute etwas aufschnappen konnten. Worte konnten weit tragen, über das Wasser. Wie um sich zu vergewissern, sah sie sich auch einmal um und richtete das Tuch um ihre Schultern und den Kopf her neu. Ein gutes Dutzend Motten stoben aufgescheucht hoch als sie das tat - einige wurden gleich vom Wind davongezogen, die anderen suchten eilig wieder Schutz in den Falten des zusammengestückelten Flickenkleides der Signora.

“...doch daneben war kein Platz für Euren Namen?”, meinte sie vage als erinnere sie sich wirklich nicht genau. “‘s ist schwer, auf die zu sehen, die direkt neben solchem Leuchten stehen. Doch jetzt seh’ ich Euch klar und genau hier. Wer seid Ihr wohl…?”
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Re: [1042] ...müssen Männer mit Bärten sein! [Achilla, Liutprand]

Beitrag von Liutprand »

Liutprand verfolgte die fliegenden Motten einen Moment mit den Augen. Als sie schließlich vom Winde verweht oder in die Falten ihrer Lumpen zurückgekehrt waren, suchte er wieder ihren Blick.

"Es heißt mein Name Liutprand. Wer bin ich, Du musst finden alleine hervor. Doch wo Du kennst mein Platz, Du weißt, wessen Blut trage ich."

Er runzelte die Stirn, er schien nachzudenken...ob über die richtigen Wörter oder über das, was Achilla gesagt hat, war kaum zu erraten.

"Geborgt? Warum Du sprichst nicht in eigenen Namen...richtigen Namen... warum Du hast Namen vergessen?"

Auch wenn er teilweise große Schwierigkeiten hatte die richtigen Vokabeln zu finden und sie in eine verständliche Reihenfolge zu bringen, strahlte er eine große Selbstsicherheit und Erhabenheit aus, die nur ab und zu durch die Sprachschwäche verdeckt wurde. Die Signora merkte aber schnell, dass dieses Gespräch dem Ventrue nicht unangenehm war.
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Re: [1042] ...müssen Männer mit Bärten sein! [Achilla, Liutprand]

Beitrag von Signora Achilla »

Sie neigte den Kopf ein wenig. Auch wenn die Signora ein Kleid aus zusammengenähten Flicken aus verschiedenen Stoffen in verblichenen Farben trug, wirkte sie nicht grob. Gerade jetzt hatte es beinahe etwas vom Gebahren einer reichen Dame, so wie sie ihre Worte mit einer zarten Geste unterstrich:
“Ihr gebt ja selbst Antwort auf Eure Frage, noch dazu mit einer der schärfsten Wahrheiten: ‘Wer ich bin, das musst du selbst herausfinden’.” Als sie seinen Tonfall nachahmte, ließ sie das Ungelenke seiner Worte zurück, doch seinen Tonfall griff sie verblüffend treffend auf.

Dann aber lachte sie und wechselte in ihren eigenen Ton zurück: “Was ich meine, ist dies: Was wär’ mein richtiger Name, eh? Der, mit dem ein Kind mal getauft worden ist? Bin ich das Kind von dann? Oder das Mädchen danach, blutjung, bildschön, furchtbar dumm?”
Sie hob wie präsentierend ihre Arme einmal. “Seid Ihr noch derselbe wie einst, Herr? Hat der Tod Euch nichts gegeben und geschenkt? Ich kann mit Gewissheit sagen, dass ich eine andere geworden bin und hätte ich je versucht, mich für die Alte auszugeben, ich hätte Schrecken, Schreie und Entsetzen gesäht. Nein, ‘s brauchte einen neuen Namen.”

Damit senkte sie die Arme wieder und meinte kokett: “Dann sollte es auch einer sein, der einem den Weg weist.” Kurz zögerte sie hier und auch das war eine prägnant gesetzte Geste. Überhaupt waren ihre Gesten stark und betont wie um das starre, bemalte Gesicht der Maske auszugleichen.
“Eurer weist auch den Weg, wenn mich mein Ohr nicht täuscht. Ein Name, der sagt, er lässt die Herzen der Leute entbrennen? Oder ist’s Euer Herz, das brennt, so wie Ihr über das Meer starrt als gäb’s dort was, das so ein Feuer löschen kann?”
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Re: [1042] ...müssen Männer mit Bärten sein! [Achilla, Liutprand]

Beitrag von Liutprand »

"So Du hast gewählt neu Namen, um neu zu ... leben"

Er zögerte das Wort 'leben' auszusprechen, aber schließlich sprach er es aus. Wohl in Unkenntnis eines besseren Wortes und der gewissen Öffentlichkeit des Ortes, an dem sie sprachen.

"Mein Name ist der von Geburt...genommen von Vater an Sohn. Ob ich noch selber bin der aus frühen Tagen? Hmm...er ist noch da...aber so viel...größer...nicht neu sondern mehr."

In seinen Worten und in seiner Mimik schwang eine gehörige Portion Stolz und Selbstsicherheit mit. Vielleicht mochte es auf die Signora arrogant wirken...doch waren dies wirklich nur leere Worte?

"Meine Gedanken sich noch gewöhnen an dieses Genua...ist vieles anders. Und ich muss die Wörter der Sprache von Volk hier lernen. Was Du denkst? Brauchen Leute entflammte Herzen dieser Stadt?"
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Re: [1042] ...müssen Männer mit Bärten sein! [Achilla, Liutprand]

Beitrag von Signora Achilla »

“Ohne wären sie nur graue Schatten. Sie könnten ebenso gut tot sein.”
Die Düsternis in den Worten kam abrupt wie ein Wechsel im Wind.

“Doch ob sie jemanden brauchen, der es entzündet? Ha, das ist eine ganz andere Frage. Ich habe sie einmal gesehen, wie sie für etwas entbrannt sind. Und da war unsereins auf einmal Beute und sie waren die Jäger. Da hat auch einer mit den Herzen und den Seelen der Menschen gespielt… .”
Sie schnalzte leise mit der Zunge, ein dumpfes Klacken unter der Maske.

“Ich denke, es ist eine Gabe, wenn man das kann. Und wie so viele Gaben kann man’s hierfür und dafür gebrauchen. Doch so wie mit anderem Feuer auch ist’s schwer, es wieder zurück zu nehmen und auszulöschen, wenn man erst einmal einen echten Brand entfacht hat.”

Die Signora wiegte den Kopf. “Ihr habt wohl recht: Zeit braucht’s und ein paar mehr Worte, dass Ihr so eine Gabe hier gebrauchen könnt - wenn Ihr sie habt. Doch wenn Ihr sie habt? Ha - ich würd’ viel geben, um es mit an zu sehen!”
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Re: [1042] ...müssen Männer mit Bärten sein! [Achilla, Liutprand]

Beitrag von Liutprand »

"Du weißt, wer Spieler war?"

Er blickte sie prüfend an, versuchte sie einzuschätzen.

"Gehört, dass es vorher so geschehen...weil viele waren zu leichtsinnig und dumm. Und wenn Menschen Monster sehen, dann die Priester entfachen Wut und sie nehmen die Fackel. Doch ich nicht hier, um Bürger machen wütend oder zornig. Für uns ist besser, wenn sie arbeiten und leben friedlich...und unwissend."

Er machte eine kurze Pause und nutzte diese, um sich ruhig noch einmal umzusehen, bevor er wieder das Wort ergreift.

"Achilla sprich...was brachte Dich in Stadt Genua und wie lange Du schon hier?"

Die imperativen Worte standen im Widerspruch zu dem Klang seiner Stimme. Es war eine Frage aus einem Interesse heraus.
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