Den Hof der Wunder, so nannte ihn das Volk, sollte er meiden. So nah an Clavicula. So nah am "Feind". Doch hatte er jemals auf solche Worte gehört? Nein. Er hatte sich stets einen Einblick verschaffen wollen, einen eigenen, ungetrübt durch die Worte anderer. Und doch war er bisher hier dran höchstens vorbei gegangen. Er hatte sich hier nie wirklich aufgehalten. Wann auch? Die Zeit war knapp bemessen und so gab es immer wichtigere Orte, andere Angelegenheit und Geschäfte.
Doch nun, jetzt, da er einiges hier erreicht hatte und langsam auch einmal hier und da zur Ruhe kommen konnte, gönnte er sich ebenfalls einen genaueren Blick auf dies Geschehen hier. Er war nicht mittendrin, sondern abseits. Hatte sich auf ein leeres, altes Fass gesetzt, welches man aufgestellt hatte. Neben ihm ein gross gewachsener Mann in dunkler Kutte gehüllt und eine Fackel tragend. Beide hielten sich bedeckt, verborgen und genossen die Szenerie auf eine ganz andere Weise, als die grölenden und jubelnden oder mitsingenden Bürger dieser Stadt.
Schlanke, knochige Finger hielten einen Griffel, welcher elegant und geschwind über das Wachs gezogen wurde. Feine Linien wurden herausgeschabt und andere Stellen stehen gelassen. Immer wieder huschte der Blick zur Menge zu einer Frau, welche mit kleinen Schellen auf und ab sprang und zur Musik sich drehte und wandt. Ihre Bewegungen waren geschmeidig wie die einer Katze. Ihr Lächeln konnte so manchen verzaubern und ihre Kleidung wirkte wie die aus fernen Landen. Luftig, leicht und farbenfroh. Kleine Metallplättchen schwangen bei jeder ihrer Bewegungen mit und klimperten fröhlich dabei.
Zuvor hatte man einen Kerl vorgeführt, den man nicht als Mensch deklariert hatte. Was er aber dennoch war. Seine Statur klein und verdreht, seine Ohren etwas zu gross. Sein Gesicht deformiert. Ein wenig eine Version eines kleineren Vergonzos, doch nicht ganz so buckelig. Einen Zwerg hatte man ihn genannt. Und natürlich auch eine Geschichte um ihn gesponnen. Er sei einem Berg im Norden entsprungen, ja, aus Stein werden sie geboren. So sagt man und das muss doch wahr gewesen sein, denn hier stand einer leibhaftig vor ihnen. Man staunte und tuschelte. In dem Berg mögen sicher noch weitere von ihnen leben, doch habe man sich nicht zu weit dort hin gewagt. Ein Drache soll dort hausen und gar grässliches Gebrüll und Rauch soll dem Berg entstiegen sein. Wenn sich natürlich ein wackerer Held finden möge, der sich gegen Drachen zu wappnen weiss....
Natürlich hatte es auch im Publikum den einen oder anderen Wahnsinnigen oder Betrunkenen, der mehr in dieser Geschichte sah, als einfach nur das, was sie war. So hatte sich nun an der Seite eine kleine Gruppe gebildet, die eben jene Geschichtenerzähler belagerten. Mehr wollten sie erfahren von dem Zwerg, dem Berg und seiner Lage. Aber sie waren wenig von Interesse für den, der seinen Wachstafeln Bilder entlockte. Meisterhafte Bilder von einer wunderschönen Tänzerin*.
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