Noch im Winter, doch des neuen Jahres 1043, eilte ein Bote am Abend zu einem Kontor, den eine Schlange seit einiger Zeit sein eigen nannte.
Jener Herr hielt sich recht bedeckt und hielt sich nicht lange mit irgendwelchen Floskeln auf. Er habe eine Botschaft für den Herrn Valerios, welche nur ihm zu überbringen sei und keinem anderen.
Die Nachricht war nicht lang und mit vorsichtigen Zeilen verfasst.
"Geehrter Valerios,
gerne komme ich auf eure ausgesprochene Gastfreundschaft zu sprechen und hoffe auf eine Einladung in den kommenden Nächten.
Hochachtungsvoll
G.F."
Der Bote würde warten, ob er sofort eine Antwort erhalten würde, oder ob es Rückfragen gäbe. Erhielte er eine Nachricht, so würde er schnell mit einem Dank auf den Lippen davon eilen, um diese zu übermitteln.
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
Francesco lies sich die Nachricht vorlesen und gab dem Boten eine Einladung mit: In drei Nächten. Gerne Achtes Glasen der Abendwache, beziehungsweise Mitternacht - falls es dem Herrn genehm ist, aber auch später.
"Es ist nicht so sehr die Hilfe unserer Freunde, die uns hilft, als vielmehr das vertrauensvolle Wissen, daß sie uns helfen werden."
Etwa um Mitternacht traten zu den Lagerhäusern der Familie Spinola in Platea Longa zwei Gestalten, beide in warme, dunkle Umänge gehüllt, beinahe mit der Nacht verschmelzend. Wenn da nicht die eine Fackel wäre, die vorsichtig von dem einen gehalten wurde. Man erkundigte sich nach Francesco Mancini, bei welchem man angemeldet sei und wartete darauf eingelassen zu werden.
Beide trugen offensichtlich keine Waffen, doch wirkte einer etwas abgestumpft und müde. Nicht verwunderlich um diese Zeit. Sicherlich wollte er sich bald zur Nachtruhe begeben und nur noch schnell dies nächtliche Treffen hinter sich bringen.
Der andere war stämmig gebaut und wirkte aufmerksam. Er besass ein freundliches Gesicht, konnte aber durchaus auf Grund seiner Grösse und seines Umfangs imponieren. So besass er nicht ganz das Auftreten einer Leibgarde, sondern wie jemand, der dies neben all den anderen Pflichten als Diener wahr nahm.
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
Der Nachtwächter, ein ältere Herr, antwortet auf die Frage der beiden: "Mancini? Die fünfte Halle auf der linken Seite. Der ist glaub' ich noch da. Komischer Kerl, der bleibt oft lang. Und steht trotzdem wieder früh an seinem Stand. Dabei ist der fast so alt wie ich. Die Seeluft hält jung, sagt er immer."
Die Tür der Lagerhalle zu der er die beiden schickt, steht einen Spalt offen. Dahinter flackert ein Licht und man hört Stimmen. Jemand geht darin auf und ab.
"Es ist nicht so sehr die Hilfe unserer Freunde, die uns hilft, als vielmehr das vertrauensvolle Wissen, daß sie uns helfen werden."
Man bedankte sich für die Auskunft und lächelte milde bei der Bemerkung. Ja, manche Menschen seien gesegnet mit ungeheurer Energie. Die Glücklichen....
Der Herr unterdrückte ein Gähnen, ein Schauspiel für die Herren Wächter, um ihnen zu verdeutlichen, dass nicht alle solch ein Glück hatten. Des Herolds Rolle hier war eben eine solche. Und in seiner Rolle hatte er es eilig.
So gingen er und sein Begleiter weiter und warteten vor der Tür. Auch wenn sie einen Spalt weit geöffnet war, so traten sie nicht ein. Galeno liess klopfen. Zwei kräftige Schläge seines Dieners mit den Fingerknöcheln gegen den Türrahmen.
Tock...Tock...
Dann herrschte wieder Stille von ihrer Seite aus. Wartend, dass man sie herein bitten würde. Man polterte nicht einfach in ein Haus des anderen.
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
"Kommt herein, später Besucher" - langsam öffnet Valerios selbst die Tür des abgedunkelten Raumes und bittet den Herold herein.
Hinter der Tür befindet sich ein schlichtes Vorzimmer - eine weitere Tür an seiner Hinterseite: Ein Schreibtisch mit Abacus, zwei ausgefaltete Stühle mit geflochtener Sitzfläche, in Kisten verpackte Waren und eine große Waage. Und auf einer der Kisten ein Keramiktopf mit einem kleinen Zitronenbaum. An einem der Balken hängen verschiedene Kräuter zum Trocknen. Auf einer anderen Kiste, wie auf einer Werkbank liegt ein großes Stück Kork-Rinde.
Als er den Diener neben Galeno stehen sieht, huscht kurz Verwunderung über sein Gesicht.
"Es ist nicht so sehr die Hilfe unserer Freunde, die uns hilft, als vielmehr das vertrauensvolle Wissen, daß sie uns helfen werden."
Der Diener blieb draussen und wartete wohl ab, bis der Herr wieder zu ihm kommen würde und nach Hause geleitet werden wollte. Der andere trat derweil ein und schlug die Kapuze zurück. Seine Augen musterten den Raum, der wenig mit Licht ausgestattet war und in dem sich unzählige Schatten tummeln würden.
Ein Handelskontor, wie man es sich vorstellen konnte, oder wie man ihn bereits gesehen hatte. So schnell, wie sie in die Wahrnehmung gehuscht waren, so schnell waren die Einrichtungsobjekte auch wieder daraus entschwunden. Das Zitronenbäumchen dagegen wurde stärker bedacht und auch die hängenden Kräuter.
"Heute scheint die Zeit angebrachter," bemerkte der Besucher, dessen Kleidung selbst durch den Umhang edel hindurch blitzte. hier ein geschmückter Saum, dort eine feine Gürtelschnalle. "Ich danke für die Einladung in euren Kontor..." eine Floskel, mehr nicht. Er wirkte verhalten, doch nicht so skeptisch, wie einst am Strand. Ruhiger und nicht so irritiert. Dennoch war die Vorsicht erkennbar, was sicherlich nicht nur an dem noch fremden Valerios lag.
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
"Es ist mir eine Freude und eine Ehre euch in meinem bescheidenen Heim willkommen zu heißen, wohlwerter Herold", entgegnete Valerios mit einem tiefen Nicken.
Auch eine Floskel, aber gleichzeitig freundlich und ehrlich. Er trat zurück und öffnete mit einer langsamen Bewegung den Raum - und überlies es dem Gast, ob er die Tür schließen wollte oder nicht. Sichtlich bemüht dem misstrauischen Kappadozianer zu vermitteln, das dies ein gastfreundliches und sicheres Haus war.*
"Darf ich euch etwas zu trinken anbieten?", fuhr er mit ruhiger und warmer Stimme fort.
An dem Balken entdeckte der geschulte Beobachter Wacholder, Verbene und Lavendel. Das Bäumchen könnte durchaus auch ein Zedernapfel sein.
-- * Presence 1: Aufrichtige Friedfertigkeit - Today at 6:51 PM: 2 Erfolge - betrifft Diener und Galeno
"Es ist nicht so sehr die Hilfe unserer Freunde, die uns hilft, als vielmehr das vertrauensvolle Wissen, daß sie uns helfen werden."
Das Misstrauen schwand, doch lag es wohl an der Natur der Sache, dass dennoch eine Vorsicht stets vorhanden war. Kainiten untereinander waren keine Freunde und doch räumte er Valerios ein, dass dieser die Gastfreundschaft zu schätzen wusste. Dass es zumindest für diesen Moment hier sicher sei und kein Hinterhalt lauern würde. So trat er näher, etwas offener wirkend und mit einem Blick zurück und einem Nicken schloss der Diener dann auch die Tür hinter seinem Herrn und wartete draussen.
"Da kann ich nicht ablehnen..." meinte er freundlich und räumte damit Valerios ein recht grosses Vertrauen ein, eines, welches hoffentlich nicht enttäuscht wurde. Die Arme legte er auf den Rücken leicht übereinander und schritt weiter auf den Gastgeber zu.
"Eure Vorstellung zu jener Nacht vor der höchst Verehrten ist .... interessant gewesen..." meinte er dann ruhig, aber nicht mit Hohn oder Spott in der Stimme. Diese klang eher sehr neutral, wie die Worte eines Beobachters, der keine Partei ergriff, aber dennoch seine eigene Meinung dazu hatte. Wie die Worte gesprochen waren, trotz dieser Distanz zu Emotionen, so wirkten sie dennoch, als wollten sie dem Gastgeber schmeicheln. Nicht ihr Inhalt, sondern ihre Farbe...
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
