[1043] Der Hüter des Westens - Ein neuer Versuch [Galeno, Valerios]

[Nubis]

"So kennt ihr Ägypten nicht? Oder wart ihr schon zu Besuch? Fussen eure Erzählungen auf Wissen, Erlebtem oder nur auf Hörensagen?" wollte er wissen. Anders, als früher bei einem Toreador und seinen seltsamen Geschichten über Esel und Töchtern von Schankwirten, lauschte er hier mit sehr viel mehr Interesse. Andere Länder waren etwas, von dem man nicht immer erfuhr. Umso schöner, wenn jemand davon erzählte. Auch wenn einiges sicherlich zu hoch gelobt wurde.
"Doch wenn euch die Unversehrtheit des Körpers ebenso wichtig ist, dann arbeitet mein Clan in jenen Landen wohl oftmals anders, als hierzulande? Aber wahrscheinlich habt ihr eher wenig persönlichen Kontakt zu jenen gehabt, nehme ich an?"

Und noch etwas anderes schien sein Interesse geweckt zu haben. Die seltsamen Namen, die er nicht kannte.
"Wer sind jene, die ihr benennt? Imhotep, Chontamenti? König Ombos? Apophis? Gehört dies zur Geschichte Ägyptens oder...wenn ihr mit solch galanten Worten arbeitet, möglicherweise eher zu einem Glauben?"

[Valerios]

"Sie fußen auf dem Wissen, das innerhalb des Clans weitergegeben wird. Anders als andere wird es unter uns nicht geduldet, sich von seinen Brüdern und Schwestern fernzuhalten, Zusammenhalt und Austausch sind uns wichtig.

Wie sich die Studien der Euren zwischen Juden, Muslimen und Christen unterscheiden vermag ich nicht genau zu sagen. Aber ja, die Idee von der leiblichen Auferstehung wie sie Sarazenen und Juden vertreten, ist überaus befremdlich. Denn auch Ihr und Ich bewohnen ja noch den selben Körper, wie vor unserem Tod. Aber unser düsteres Dasein kann ja nicht die Auferstehung sein, von der die Bibel spricht. Im Gegenteil.

Aber ja, das wenige, was ich über euer Blut weiß, stammt aus meiner Zeit in Palermo. Der hoch verehrte Kephas, Ahn eueres Blutes auf Sardinien hat sich gänzlich aus der Gesellschaft zurückgezogen. Und die Verborgenen, die ihm dienen sind schweigsame Diener.

Imhotep ist der berühmteste Arzt der ägyptischen Geschichte, eine Autorität auf seinem Gebiet, so wie bis vor kurzem der Araber Abū Alī al-Husain.
Der Chontamenti ist im Volksglauben der ägyptischen Sterblichen einer der Wächter des Amduat, des Land der Todes. Er behütet die Gräberfelder und Nekropolen der Stadt Abydos.
Und das gewaltigen Ombos ist die Stadt in der Wüste Nubiens, die Set seit Anbeginn der Nächte beherrscht und in der er seine sieben Kinder gezeugt hat, die in seinem Namen über die sieben Linien des Clans herrschen.", stillte er die Neugier des Kappadozianers.

[Nubis]

"Ihr mutet etwas seltsam an... Zum einen sprecht ihr in hohen Tönen von eurem Clan und wie wichtig es doch ist, den Zusammenhalt zu wahren. Zum anderen haltet ihr euer Dasein für verdorben und nicht gesegnet? Und ihr habt in der euch seither geschenkten Zeit nur von Erzählungen gelebt und euch nicht nach Ägypten selbst aufgemacht? Hinderte man euch daran, hielten euch gar selbst gesetzte Fesseln oder seid ihr erst vor kurzer Zeit selbst des eigenen Handelns fähig? Hegt ihr die Absicht, euch irgenwann selbst ein Bild des Ursprungs eures Clans zu machen? Würdet ihr dort nicht sogar eher das finden, was ihr zu lernen gedenkt?"

Verwunderung lag in seinen Worten, deutlich erkennbar. Keine böse Absicht trug zu den Fragen bei, sondern schlichtes Erstaunen über sein Gegenüber.

[Valerios]

"Wie kommt ihr darauf, ich hielte unser Dasein für verdorben?" entgegnete der Setit verwundert.

"Ja, ich werde Ägypten mit eigenen Augen sehen, wenn die Zeit dafür reif ist. Im Moment gibt es hier im Westen viel zu tun.
Auf eine Weise ja, bindet mich die Verpflichtung für unsere Gemeinschaft hier in Italien. Auch hier gibt es etwas zu finden.
Und etwas wichtiges zu lernen. Alles andere hat seine Zeit.

Wo liegt euer Ursprung, wohlwerter Galeno. Wart ihr an der Quelle, aus der euer Blut entsprungen ist?"

[Nubis]

"Aber unser düsteres Dasein kann ja nicht die Auferstehung sein, von der die Bibel spricht. Im Gegenteil." wiederholte Galeno des Händlers Worte und legte den Kopf schief.
"Nun, ich nahm an, dass das Gegenteil von Auferstehung in Kombination mit eurer Wortwahl des Düsteren Daseins als solches gemeint ist. Wenn dies nicht so ist, wie sehr ihr euer Dasein?"

Er nickte dann aber und lächelte, denn die weitere Antwort von Valerios schien seine Zustimmung zu finden. Auf eine bestimmte Weise.
"Mein Ursprung? In einem Kloster... Ich habe dort meine Lebzeit verbracht und auch viele Stunden noch danach. Die Quelle meines Blutes war mir bislang noch versagt zu besuchen, wenn überhaupt möglich. Es ist nicht unbedingt so, dass die Alten gern das Gesicht eines jüngeren Mitglieds ihres Clans mit offenen Armen empfangen. Es wird also genug Gründe geben müssen, um dies zu wagen. Aber auch mich halten durchaus gewisse Pflichten hierzulande zurück."

[Valerios]

"Die Düsternis als etwas verdorbenes zu beschreiben - das hätte ich von jemanden, der meines Wissens im letzten Konflikt auf der Seite der Schatten stand - nicht erwartet.
Nein, die Finsternis ist für mich nichts Furchtbares. Wer, wie wir aus dem Licht tritt, wird niemals mehr geblendet und erblickt die Welt wie sie ist.
Aber die Zeit der Erlösung ist noch nicht gekommen."

[Nubis]

"Ich habe vieles schon gehört und vieles schon gesehen, so auch Meinungen unterschiedlichster Art zu der Dunkelheit und Düsternis oder gar zu unserer Existenz. Meine Vermutung fusst darauf, nicht auf eigenen Ansichten. Für gewöhnlich gibt es wenige, die von der Düsternis im positiven Sinne sprechen."

Er blickte sein Gegenüber prüfend an und schüttelte dann mit dem Kopf, langsam und bedacht.
"Auch spielt es keine Rolle, welche Seiten einst gewählt wurden, denn Düsternis ist nicht gleich Düsternis, Schatten nicht gleich Schatten..."

Dann aber nickte er abermals und schien Valerios Meinung zu akzeptieren. Nicht unbedingt für sich aneignend oder gleichstellend, aber seine Ansicht war eben die seine und daran wollte auch der Kappadozianer nicht rütteln. Hielt es wohl nicht für nötig.

"Es ist immer wieder erfrischend zu erfahren, wie andere vom Blute Kains über ihr neues Leben denken."

[Valerios]

"Nicht wahr." stimmte er zu.

"Als ihr mir rietet einen Fürsprecher für jede der beiden Seiten zu finden, klang es noch ganz anders, als wie ihr es jetzt formuliert. Ich bin neugierig - ich hoffe ihr verzeiht mir das - ich bin neugierig, was der eine Schatten an sich hatte, das euch damals für die Sache der See überzeugt hat.

Denn ihr habt recht, Düsternis ist nicht gleich Düsternis. Es gibt Schwarztöne unter den Magistern der Nacht und auch vom Blute Haquims, auf deren Wegen zu wandeln selbst für ihre Verbündeten mehr als gefährlich ist."

Mit einem nachdenklichen Ausdruck von Besorgnis studiert er Galeno.

[Nubis]

"Klang es das?" Sein Blick haftete wahrlich fragend an dem Setiten.
"Wir hatten nicht viel über Schatten gesprochen, soweit ich mich entsinne... und meine Beweggründe gehen euch nicht an, gdnausowenig das Wer!

Fakt ist, dass ich für die Schatten stand, doch herrscht nun eine andere Zeit, andere Machtverhältnisse..."

Auf Letzteres ging er nicht ein.

"Sagt, wie kommt ihr mit eurer Aufgabe voran? Wo ihr doch gerade unser erstes Treffen ansprecht."

[Valerios]

Ein breites Lächeln überspielte das stille Seufzen des Setiten, als der Kappadozianer wieder mauerte, auf seine forsche Frage. Hatte er mit Galeno doch mehr Worte gewechselt in den letzten Jahre als mit dem gesamten Clan des Todes auf Sardinien während aller seiner Jahrzehnte auf der Insel.

So bekümmerte es ihn nicht weiter und er gab dem Herold Report über seine bisherigen Fortschritte:

"Ich habe mir inzwischen ein Netzwerk in der Halbwelt Genuas aufgebaut und die erste Schmuggelroute über Pontedecimo aufgetan.
Für zwei der drei Zollstationen Savona, Bavari und Pontedecimo habe ich bereits den Weg freigemacht dort eine dauerhafte Einflussmöglichkeit aufzubauen.
Außerdem habe ich sehr wahrscheinlich eine Möglichkeit gefunden auf die Handelsgesetzgebung Einfluss zu nehmen.

Was haltet ihr von dem Gesetz, das fordert Särge bei Ein- und Ausfuhr aus und in die Stadt besonders gründlich zu untersuchen, nachdem eine dreiste Bande, vorzugsweise darin Schmuggelware verbarg?"