[1043] Ein Genuesischer (Alp-)Traum [Achilla, Benjamin]

[Dezember '20]
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Benjamin
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Re: [1043] Ein Genuesischer (Alp-)Traum [Achilla, Benjamin]

Beitrag von Benjamin »

Benjamin runzelt die Stirn bei den ersten Worten der Nosferatu, schmunzelt aber dann und schnippst mit dem Finger.

"Aaaah, ich war gerade etwas verwirrt. Aber Ich glaube wir haben uns falsch verstanden. Was Ich meinte war mehr die Frage nach der Bruchstelle, die jeder von uns unweigerlich hat. Ich wollte fragen, wo hört bei euch der Spaß auf, was ist nicht mehr nur interessant und ein nettes Spielzeug? Kurzum was müsste man anstellen um von euch nichts weiter als die Vernichtung zu bekommen? Habt ihr sowas überhaupt?"
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Signora Achilla
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Re: [1043] Ein Genuesischer (Alp-)Traum [Achilla, Benjamin]

Beitrag von Signora Achilla »

Die Verwirrung ließ da die Signora doch lachen. “Ai, ich geb’ zu, das war eine luftige Antwort von mir. ‘s ist nur eine schwere Frage, eh? Meine Antwort ist schon recht, aber vielleicht nicht gut verständlich.”
Sie schnalzte mit der Zunge, tippte sich nachdenklich an das hölzerne Kinn und überlegte wohl neu.

“Vielleicht wollt Ihr jene vorige Harpyie, Alain, als ein Beispiel nehmen”, sagte sie dann. “Er hat mir oft vieles abverlangt, das andere vielleicht an solche Grenzen getrieben hätte. Für die einen ist es eine Grenze des Stolzes gegen fremde Demütigung - doch ich halte Stolz für eine tatsächlich sehr teure Sache, die ich mir nicht leisten kann. Für andere wären’s Grenzen wie das eigene Territorium, die eigenen Leute, was auch immer man als den eigenen Schatz wähnt. Beides hat er bei mir angelangt und ohne jede Scheu.”

Sie neigte den Kopf ein wenig. “Natürlich hab’ ich’s mir gemerkt, doch derlei ist nicht genug, um Grenzen zu überschreiten und anderen an die Kehle zu gehen. Doch was mich dazu bewog, dass ich ihn verurteilt und tot sehen wollte, war, wie er gegen die meinen stand, immer wieder, in zu vielen Worten und Taten.”

Doch dann schüttelte sie den Kopf. “Es fühlt sich nicht an wie die rechte Antwort auf Eure Frage. Und doch ists wohl eine Antwort, die Euch so mancher von meinem Blut geben würde. Das liegt im Blut, in der Brut, in der Familie, im Überleben selbst.”
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Benjamin
Assamit
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Re: [1043] Ein Genuesischer (Alp-)Traum [Achilla, Benjamin]

Beitrag von Benjamin »

Benjamin macht eine abwehrende Handbewegung. "Oh mitnichten würde Ich behaupten das ihr die Frage unzureichen beantwortet habt. Und was ist schon unzureichend... wer definiert überhaupt was unzureichen bedeutet? Ihr als Harpyie... eine unzureichende Vorstellung? Ich als Liktore... ein unzureichender Schutz der Stille? Der werte Arash... unzureichende Klarstellungen das man keine Gefahr für Genua darstellt? Der sehr verehrte Seneschall... unzureichende Fähigkeiten? Oder gar unsere höchst verehrte Majestät... unzureichende Vasallen und Gäste Genuas?" er streckt den Zeigefinger nach oben und schüttelt ihn verneinend.

"Nein... nein... nein. Wer weiß das er alles in seiner Macht stehende getan hat, der braucht keine Reue mehr! Denn was hätte man denn noch machen sollen außer alles was ging und nötig war? Ihr habt die Frage nach euren Möglichkeiten beantwortet... viel mehr gibt es dazu nicht zu sagen, außer das es ein schmaler Grad ist auf dem man sich bewegt wenn man stehts darauf bedacht ist seine Entscheidungen so unabhängig von anderen zu treffen wie möglich. Auf der einen Seite ist die Abhängigkeit in die man rutschen kann wenn einen Angriffe von anderen zu sehr von den wichtigen Dingen ablenken. Auf der anderen Seite schützt man seine Unabhängikeit auch nicht wenn man die Taten von Anderen ungestraft lässt."

Er denkt einen Moment nach. "Und was eure Linie betrifft so existiert diese wohl an dem Punkt an dem der Angriff nicht euch selbst gilt sondern jenen die das gleiche durchgemacht und erlitten haben wie ihr. Ein verständliche Linie wenn Ihr micht fragt. Keine die Ich teile... aber eine mit der Ich sympathisieren könnte." er zwinkert und lächelt verschmitzt, wohl auch um seinen Worten ein wenig die Schweere zu nehmen.
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Signora Achilla
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Re: [1043] Ein Genuesischer (Alp-)Traum [Achilla, Benjamin]

Beitrag von Signora Achilla »

“Es ist ein schmaler Grad”, bestätigte die Signora da milde. “Und bei all den gelehrten Gedanken um dies und das kann doch alles in nur einem Augenblick den Bach herunterfahren, eh? Ein falscher Moment und wir kennen weder Freund noch Feind, nur Blut und Hunger und Überleben.”

“Doch wenn wir nicht Hals über Kopf derart weit getrieben werden: Wie zieht Ihr jene Grenzen, von denen Ihr sprecht? Es kann nicht leicht sein, wenn einer zugleich Richter und Henker ist, so denke ich mir.”
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Benjamin
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Re: [1043] Ein Genuesischer (Alp-)Traum [Achilla, Benjamin]

Beitrag von Benjamin »

Benjamin überlegt kurz. "Undankbarkeit, Doppelzüngigkeit, Selbstgerechtigkeit und die Bereitschaft mehr Menschenleben zu opfern als notwendig. Die Ersten drei Punkte sind natürlich abhängig davon in welcher Konstanz und wie extrem diese Eigenschaften gezeigt werden oder wie oft Ich und andere denen Ich nahe stehe davon betroffen sind. Die letzte ist eigentlich in keiner Weise verhandelbar weil es hier ein objektives Maß gibt."

"Ebenso ist es keine Option sich vom Tier übermannen zu lassen. Und in keiner Weiße kann man sich hier im nachhinein zu dem Gedanken hinreißen lassen. "Hätte Ich dies oder jenes anders gemacht dann wäre Ich nun besser dran." Man ist immer für alle Entscheidungen und Taten selber verantwortlich."

Benjamin wirkt bei allem gesagten sehr sicher, so als hätte er sich selbst diese Fragen mehr als nur einmal gestellt.
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Signora Achilla
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Re: [1043] Ein Genuesischer (Alp-)Traum [Achilla, Benjamin]

Beitrag von Signora Achilla »

“Dies sind harte Prinzipien für einen harten Mann.” Es klang nachdenklich, so wie die Signora das sagte.
“Und es sind welche, die Euren Pfad früher oder später mit dem von anderen kreuzen werden. Einige davon älter als wir beide gemeinsam.”

Sie neigte den Kopf.
“Das macht es zu einem steinigen und gefährlichen Pfad. Einem blutigen auch, früher oder später. Doch das wisst Ihr, eh? Ihr geht ihn mit sehendem Auge.”
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Benjamin
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Re: [1043] Ein Genuesischer (Alp-)Traum [Achilla, Benjamin]

Beitrag von Benjamin »

Benjamin schaut Achilla direkt an und zuckt mit den Schultern ehe er lächelt. "Ja Ich weiß. Wusste Ich schon immer, Ich habe ihn ja damals gewählt als Ich verwandelt wurde." dann schaut er erneut in die Ferne und meint "Aber Ich habe ja Zeit." während er gedämpft lacht als hätte er einen besonders bösen Scherz gemacht.

"Wobei Ich, wenn Ich die Wahl hätte mich für früher anstatt später entscheiden würde. Ich komme sowieso nicht darum herum. Wie steht es um euch, habt ihr schonmal jemanden getötet werte Achilla?" so wie er die Frage stellte, hätte er auch fragen können ob sie lieber Marmelade oder Honig auf ihr Brot schmieren würde. Was für ein Leben musste man bereits hinter sich haben um derart emotionslos ein solches Thema anschneiden zu können?
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Signora Achilla
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Re: [1043] Ein Genuesischer (Alp-)Traum [Achilla, Benjamin]

Beitrag von Signora Achilla »

Wohl ein ganz ähnliches wie die Signora, zumindest in dieser Sache. Die Frage schien sie nicht sonderlich mitzunehmen, denn die Antwort war recht pragmatisch: “Unsereins? Nein. Doch Menschen? Ja. ‘s ist wohl keinem hier gegeben, dass er oder sie durchs Leben in all seiner schillernden Hässlichkeit und Pracht geht ohne es auch mit Klauen oder Zähnen, Witz oder Faust zu behaupten.”
Sie machte eine Geste über den Hof und wohl auch Clavicula selbst hinweg.

“Ich denke, der Unterschied, nach dem man fragen sollte ist eher: Genießt einer das? Diesen einen Moment der vollkommenen Macht über ein ganzes Leben, ein ganzes Schicksal? Für einen, den letzten Herzschlag lang wird man zur wichtigsten Gestalt von einem ganzen Leben. Ich denk’, dass es solche gibt, die diese Macht, diesen Moment trinken wie süßen Wein, danach süchtig sind wie nach Mohnmilch.”
Sie studierte Benjamin bei diesen Worten.
“Wisst Ihr, wovon ich spreche?”
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Benjamin
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Re: [1043] Ein Genuesischer (Alp-)Traum [Achilla, Benjamin]

Beitrag von Benjamin »

"Ja Ich weiß von welchem Moment ihr sprecht, aber nein Ich genieße das töten in keiner Weise. Ich bin nur gut darin. Es braucht eine gewissen Schlag von Charakter um dazu fähig zu sein und nicht von den Schuldgefühlen aufgefressen zu werden. Mein Clan hat sich diese Schuld als ganzes aufgeladen. Und Ich hab definitiv schon Blutsbrüder unter der Last brechen sehen. Kennt ihr diesen Moment? Würdet ihr sagen es gibt euch etwas wieder was ihr mit diesem Leben verloren habt? Das gefühl Herr der eigenen Welt zu sein? Zu entscheiden wann jemand stirbt und wann jemand lebt?" Benjamins Haltung und seine Mimik unterstreichen seine Worte. Er scheint wirklich keinen Gefallen daran zu finden. Dennoch irgendetwas steckt hinter seinen Worten, Ihre Worte haben Ihn in irgendeiner Weise getroffen. Etwas an die Oberfläche geholt was ansonsten sehr tief vergraben ist. Gerade als er von der Schuld seines Clans spricht, liegt etwas steinernes in seinen Augen.
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Signora Achilla
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Re: [1043] Ein Genuesischer (Alp-)Traum [Achilla, Benjamin]

Beitrag von Signora Achilla »

So, wie die Signora dasaß, zog sie nun ihre Beine und Knie an sich heran. Sie schlang die Arme darum und wirkte mit einem Male verletzlich, menschlich, getroffen.
Behutsam stützte sie ihr echtes Kinn auf die Knie, so dass die Maske nicht verrutschte.

“Als ich das erste Mal einen umgebracht hab’, hatte ich all’ diese Gedanken. Er war so schnell tot. ‘s war nicht einmal gewollt. Ein zu schneller Moment, ein blöder Unfall, ein Leben verschwendet. Er hat mich in einer Gasse hier in die Enge gedrängt. Dachte, ich wäre leichte Beute. Ich hatte einen Stein in der Faust und keinen Ausweg.”
Sie neigte den Kopf ein wenig auf die Seite.
“‘s war nicht einmal ein richtiger Kampf. Er ist in der Scheiße ausgerutscht, fiel halb auf mich drauf, ich drehte ihm das Messer aus seiner Hand herum und er hat sich drauf aufgespießt. Ist ausgeblutet wie ein Schwein beim Schlachter. Dann lag er auf mir drauf, blutete alles voll, war schwer genug, dass er mir fast die Rippen gebrochen hat. So lagen wir in der Gosse.”

Achilla machte ein eigenartiges Geräusch, das durch die Maske verzerrt wurde. Ein Auflachen? Schluchzen? Schnauben? Wahrscheinlich etwas dazwischen, bitter, beißend selbstironisch.
“Keine Geschichte, die man für die Gesellschaft und mit den hohen Clans erzählt, eh? ‘Wiegenlied der Gosse’, hats mal wer genannt, dies auf und ab. Doch ich hab danach eine Weile gebraucht, um mit mir ins Reine zu kommen. Ich hab’ gelernt: Ich liebe das Leben zu sehr. Und die Lebenden, selbst den Hundsfott da aus der Gasse. Ich hab’ auch gelernt, dass es manchmal nicht geht ohne das Töten. Und dies ‘manchmal’ kommt schnell in einer Gegend wie dieser. Und dann tu ich’s eben, wenn’s nicht anders geht. Ich tu’s nicht aus Freude.”

“Ich hab’ mal eine junge Frau in den Armen gehalten. Sie hat ihren Liebsten verloren, da in Ravecca. Ich denk’, dass einer der Kappadozianer oder der Lasombra ihn sich geholt hat, schwer zu sagen. Irgendein feister, bleicher Mönch. Der Liebste war ein Spielmann, hatte eine Menge wilder Geschichten, mehr Mut als gut für ihn war, und eine junge Geliebte, die allein zurück blieb. Er war mit den Blutegeln irgendwie zusammen gekommen… .” Achilla zuckte mit den Schultern, kürzte wohl auch Teile der Geschichte ab.
“Er hat ein wunderschöne Lied gesungen, über die Jagd auf unsereins.”

Die Signora blinzelte ein paar Male. Es war schwer zu sagen, mit der Maske und ihren toten Augen, doch vielleicht blinzelte sie tatsächlich eine Träne fort. Ihre Stimme wurde dann flacher, härter. Sie wappnete sich.
“Jedenfalls war er wohl hinüber und seine Liebste kam zu mir. Erzählte mir die ganze Geschichte, Tränen und Leid, Racheschwüre, Heldenmut. Bei Blut und bei Asche, Ihr hättet sie sehen sollen! Sie hat gebrannt, in jener Nacht. Leidenschaft, Schmerz, Verlust, Opfer.”
Die letzten Worte waren beinahe ein Flüstern. War das Ehrfurcht?
“‘s war klar, dass sie jagen wollte, wer auch immer es nun war. Und es war klar, dass sie zu viel wusste und zu wenig klaren Verstand übrig hatte.”

Einen Moment schwieg Achilla. Als sie dann weiter sprach, klang es seltsam weich.

“Da habe ich ihr allen Wein zu trinken gegeben, den ich hatte. Wir haben zusammen gelacht, zusammen geweint, zusammen Rachepläne geschmiedet und einander die Herzen ausgeschüttet. Nicht, dass ich allzu viel im Herzen hätte, um es auszuschütten, doch es war genug.” Sie legte eine Hand über ihre Brust, wo wohl irgendwann einmal ihr Herz geschlagen hatte.

“Als dann langsam der Morgen kommen wollte, da habe ich sie in die Arme genommen, habe ihr einen letzten Kuss auf die Wange gegeben und dann habe ich ihr Leben ausgetrunken. Denn ich konnte sie nicht weitergehen lassen, nicht auf diesem Weg.”

Achilla senkte den Kopf, so dass nun ihre Stirn auf ihren Knien ruhte. “Ich glaube, das Töten muss manchmal getan werden. Doch es sollte niemals achtlos sein.”
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