[Fluff] Vor die Tugend haben die unsterblichen Götter den Schweiß gesetzt [Iulia]

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Iulia Cornelia
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[Fluff] Vor die Tugend haben die unsterblichen Götter den Schweiß gesetzt [Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

„Wer bei Kleinigkeiten keine Geduld hat, dem misslingt der große Plan.“, schrieb Jemand einst, doch Geduld ist nichts, womit man geboren wird. Sie muss einem durch harte Hand anerzogen und von einem selbst verinnerlicht werden. So lange bis sie durch unnachgiebige Übung in Fleisch eingebrannt und ins Blut übergegangen ist. Sie zur natürlichsten Sache der Welt wurde. Doch der Weg dorthin ist weit und nur allzu oft fragt man sich, weshalb man diesen beschwerlichen Weg überhaupt auf sich nehmen sollte. Ob es sich überhaupt lohnt. Denn Geduld wollte voll allem eines: Wieder und wieder geübt werden… und wieder… und wieder… und…

Ich kniete seitdem er mich verlassen hatte. Mein Kinn tief auf meine Brust gesenkt und meine blaugrauen Augen starr auf die Kreuzung der Steinplatten gerichtet. Der weiße Schleier bedeckte meinen ansonsten ungeschützten Nacken, während ich mein Körper nicht gestattete sich auch nur eine Handbreit zu rühren. Weder schluckte ich, noch atmete ich, noch blinzelte ich, noch zitterte ich.

Seine Anweisungen waren klar und unmissverständlich gewesen. Sie waren für sich gesehen nicht schwer zu verstehen gewesen. Doch waren sie gespickt mit Dingen, die man falsch machen konnte. Doch ich wollte nichts falsch machen. Also beschwerte ich mich nicht über die Härte des Bodens, die Kälte des Raumes, der damit verbundenen Einsamkeit, den Hunger oder der vermeintlichen Verschwendung von Zeit. Ich verzog nicht das Gesicht, einerlei der Schmerzen, welche die starre Haltung hervorrief. Der Verärgerung darüber, dass ich Wichtigeres tun könnte. Der abdriftenden Gedanken, die ich wieder und wieder zurück auf das Wesentliche zog, als sie auch nur einen Fingerbreit abwandern wollten.

In dem Raum indem ich mich befand war es ruhig. Beinahe zu ruhig. Von vor der Tür waren gedämpft die Bewegungen der Wachen zu hören, die ihr Gewicht von einen auf den anderen Fuß verlagerten. Die sich am Bart oder anderen Stellen kratzten. Personen, die vorbeigingen und miteinander sprachen. Doch im Inneren selbst war nicht mehr als das leise Knistern einer Kerze zu hören, die Stück für Stück abbrannte. Und so übte ich mich, obwohl ich es hasste in der wichtigsten Tugend überhaupt: Geduld.

Als das kurze metallene Pling die Stille zerriss, zuckte ich unweigerlich zusammen. Ich wusste, dass es erfolgen würde oder unweigerlich musste, doch die Unwissenheit, wann es geschehen würde, ließ mich wütend über mich selbst zurück. Es half jedoch nichts zu hart zu sich zu sein und so schluckte ich die Verärgerung über den Fehler herunter und ließ langeübte lateinische Worte über meine Lippen wandern.

Worte, die mir in Fleisch und Blut übergegangen waren und die meinem Gegenüber Aufschluss darüber geben sollten, zu was ich geworden war. Wer ich war, wo ich mich in der Gesellschaft befand und wessen Blut durch meine Adern floss. Worte, die mit jedem Mal, in dem ich sie bewusst aussprach, runder wurden. Wahrer wurden. Für mich und glaubhafter für jeden, der sie eines Nachts hören würde. Und doch schwieg ich danach erneut und versuchte mich zu konzentrieren, was mir deutlich besser gelang, denn tatsächlich ließ mich das Geräusch wenig später nicht zum wiederholten Male zusammenzucken.

Ich neigte meinen Oberkörper noch einmal dankend, bevor ich mich zurück auf meine Beine gleiten ließ, mein Gewand glattstrich, einige Schritte rückwärtsging, mich noch einmal verneigte und mich schließlich abwandte.

Nach einigen weiteren Schritten blieb ich stehen, drehte mich um und blickte hasserfüllt auf die mit kleinen Metallstücken versehene schmale Kerze. Ich fühlte die Verärgerung in meinem Körper, als es mir nicht gelungen war, mich nach der unbarmherzigen Zeit auf Knien, nicht von diesem plötzlichen Geräusch aus dem Konzept bringen zu lassen. Ich streckte mich und dehnte meinen Körper, während ich versuchte den Verdruss über mein Scheitern aus meinen Gedanken zu bekommen.

Es half nichts sich zu ärgern. Ich musste besser werden. Also spannte ich erneut meinen Körper an, ließ ein sanftes Lächeln auf meine Lippen finden, während ich meinen Kopf aufrecht und gerade hielt. Bewusst setzte ich meine Füße voreinander und schritt bis zu dem Punkt, an dem ich zuvor gekniet hatte. Nicht zu schnell, doch auch nicht zu langsam. Ich stand einen Augenblick lang, dann begleiteten meine Hände die Bewegung meines Körpers nach unten und mein Kopf fand erneut auf meine Brust zurück, während meine Augen die Stelle auf dem Boden suchten und fanden.

Ich kniete erneut schweigend und geduldig. Wieder und wieder durchlief ich dieselbe Routine, bis mein Kopf schließlich völlig leer war und ich vergessen hatte, wie lange ich bereits kniete oder das wievielte Mal es in dieser Nacht gewesen war. Kurz bevor das Licht der Kerze gnädig erlosch, öffnete sich die Tür und der Raum wurde von einer neuen Kerze erhellt.

Er war zurückgekommen und es war an mir zu beweisen, dass er seine Zeit nicht mit mir verschwendet hatte, sondern dass ich es ernst nahm. Dass ich dem Blut gerecht werden wollte, welches durch meine Adern floss und dessen Erbe ich gerecht werden wollte.

Also näherte ich mich ihm angemessen weit, sank erneut auf die Knie und harrte schweigend aus. Ihm meinen ungeschützten Nacken darbietend, während er über mich und meine Fortschritte richten würde.

Doch wie unter einem Peitschenschlag spannte sich mein Körper unweigerlich an, als ich verstand, dass er nicht gekommen war, um zu entscheiden, ob ich gut genug war. Und als er die Tür hinter sich schloss, wagte ich meinen Blick leicht zu heben, nur um es umgehend zu bereuen.

Er hatte eine neue mit Metall gespickte Kerze abgestellt. Doch nicht, um eine Routine in die Bewegung zu bekommen. Stattdessen waren die Abstände zwischen den einzelnen Metallteilen noch größer geworden. Bedeutend größer. Und während ich mein Kinn zurück auf die Brust zwang, versuchte ich meine unsteten Gedanken davon abzuhalten zu wandern. Stattdessen versuchte ich konzentriert und aufmerksam in Richtung der Kerze zu bleiben, auch wenn ich wusste, es würde unzählige Momente dauern, bis ich erneut sprechen oder mich gar erheben durfte.
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