[1045] Circus [Achilla, Adamo]

[Signora Achilla]

Es war ein paar Monate nach dem Besuch Adamos am Hof der Wunder, dass er und Achilla sich wiedersehen sollten. Das Jahr mit seinem grauen Elend, dem ewige, hohlen Nagen des Hungers, zog sich lang und schien der Stadt die Pracht und Farbe zu stehlen. Nicht nur in Clavicula sondern auch andernortens sah man die Hungernden, die Elenden, die Bettler.

Achilla hatte sich in dieser Nacht mit einem kleinen Häuflein Leimsieder aufgemacht: die düstere, zerlumpte Gesellschaft sammelte den Unrat von den Straßen, Gelumpe und die Leichen von Mensch und Tier gleichermaßen, wo sie einfach liegengelassen worden waren - und wenn überhaupt. Meist ließ man sie einfach ziehen, während sie in der Nacht aufsammelten, was vom Tage übrig geblieben war.

Im Norden von Genua trennte Achilla sich von dem Häuflein, zusammen mit einer knappen Handvoll ihrer eigenen Leute. Die sonst eher frohen Farben der Schausteller waren in dieser Zeit zu Braun und Grau verwaschen - und in dieser Verkleidung ohnehin. Es war nicht einmal recht eine Verkleidung, wie man verzweifelt wohl zugeben musste: Sie sammelten tatsächlich auf, was vielleicht noch irgendeinen Nutzen hatte, oder was man bei den Leimsiedern vielleicht wieder loswerden konnte.

Achilla hatte schon viel gesehen, im Auf und Ab unter den Menschen, im eigenen Leben und im eigenen Tod. Auf und Ab ging es immer. Weder klagen noch trauern half und so blieb eben eine ganz handfeste Art, das beste aus den Dingen zu machen, was eben ging. Das half und es gehörte auch zum Wesen der Schausteller, die sich mal mehr und mal weniger um sie oder den Maestro Mauricio scharten.
Doch all der schlechten Zeiten zum Trotz waren sie alle gespannt, was sie wohl erwarten würde. Sicher hatte der eine oder andere am Tage schon einmal einen Blick auf den Bau erhaschen wollen, doch dies, nun, war etwas ganz anderes!

Und so trudelten sie am Ort des Baus ein, in einer vielleicht nicht eben prachtvollen Schar, doch auch nicht ganz mit leeren Händen. Auf dem kleinen Handkarren lag, durch ein Tuch vom aufgesammelten Unrat geschützt, ein Bündel bereit - ein Präsent wohl, sofern sie nicht sogleich von irgendwem fortgejagt wurden.

[Adamo Manacres]

EIne kurze Zeitspanne war vergangen, wenige Minuten bloß, Adamo war nicht zu spät, aber auch nicht viel zu früh. Er kam um eine Ecke geschlendert an welcher ebenfalls ein Haus gebaut wurde. Er sah die Truppe schon direkt, als er um die Ecke bog, und hatte einen Augenblick gebraucht, bis er erkannt hatte, um wen es sich bei den anwesenden Personen handelte. Viele von ihnen waren ihm unbekannt, jedoch die eine Person war eindeutig die wohlwerte Harpye Signora Achilla.

So näherte er sich der Gruppe mittels einen beschwingten Schrittes und mit einem erfreuten Lächeln im Gesicht. Als er die Strecke zurück legte sah er sich einmal mit wachen Augen in der Umgebung um und trat dann vor die Nosferatu.

" Seid gegrüßt, wohlwerte Signora Achilla. Es ist mir eine wahre Freude, euch in dieser Siedlung begrüßen zu dürfen." Während seiner Worte verbeugte er sich angemessen vor der Harpye.

Nachdem sie seine Worte erwiedert hat, deutet er auf die große Baustelle, welche in dem bald vergehenden Jahr deutliche Fortschritte gemacht hatte.

"Nun denn, dies ist es, wovon ich euch bei unserem letzten Treffen berichtete. "

Dem Betrachter zeigt sich ein großer Bau mit starken Mauern. Der Boden ist bereits deutlich erkennbar, einige Wände sind in den Grundzügen angedacht.

Die wohlwerte Signora erhielt ausreichend Zeit, sich umzublicken bevor der Toreador fortfahren würde.

[Signora Achilla]

Die Signora machte einen hübschen, kleinen Knicks, der nicht recht zu den Gewändern, die sie trug, passen wollte. Ihre Maske war dunkel, heute Nacht, und wohl aus Leder gemacht. Doch an ihren Rändern hingen kleine Perlen aus Holz und auch ein paar Muscheln, die das Werk einrammten und leise klirrten.

“Meinen Dank für Euer Willkommen”, meinte sie. Die Schausteller hielten sich zurück und im Hintergrund. Eine von ihnen, eine schlanke, aber immerhin nicht hungerdürre Frau sah über den braunen Schal hinweg, den sie um den Hals und bis über das Kinn geschlungen trug, sehnsüchtig zu Adamo hin. Hatte sie ihm etwa eben zugezwinkert?

Mit Adamos Geste dann sah sich auch Achilla um, folgte dem Deut mit ihrem Blick und dann auch mit wachem Interesse den Linien und Formen des Baus, so wie sie sich bereits zeigten.
“Ohh”, meinte sie beeindruckt. “Ich hörte einmal, das ein Bau, bei dem der feste Grund schon steht, nicht mehr allzu lange dauern kann. Wenn’s nicht gerade hoch hinaus gehen soll, denke ich mir.”

Sie sah zu Adamo herüber. “Wollt Ihr mir zeigen, was wo sein wird? Eine Führung durch ein Haus, das es bislang nur in Eurem Traum gibt?”

[Adamo Manacres]

Adamo hatte das zwinkern der Frau durchaus wahrgenommen und lächelte ihr zurück. Für solcherelei Schabernack hatte er immer Zeit und es war an der Zeit, nicht immer nur ein Monster zu sein.

" Nun, wohlwerte Anchilla, in der Tat ist dies nur der Grundstein oder in diesem Falle die Grundplatte." Er deutete auf das was den Boden des Bereiches angeht. " Tatsächlich werden noch einige Sitzreihen erweitert werden, so dass man durchaus 30, vielleicht 40 Spectatores in diesen kleinen Räumlichkeiten unterbringen kann. Aber dies ist ja nur der eine Teil."

Er deutet ein wenig weiter auf den Bauplatz.

" Wenn ihr mir bitte folgen würdet." Er geht ein paar Schritte in die Baustelle hinein und wartet, bis auch die Begleitung der Nosferatu die wenigen Schritte vollzogen hat. An dieser Stelle werden sich die hinteren Räumlichkeiten befinden, in aller erster Linie Lagerräume für die Darsteller, aber ebenfalls auch zwei Räume, in denen sich die Darsteller ausruhen und ein wenig erholen können."

Der Bau war weitläufig, so viel stand fest. Adamo schien nicht nur den Hauptraum, sondern auch diese Rückzugsmöglichkeiten bedacht zu haben. Zum einen zwar Rückzug für die Darsteller, zum anderen aber auch , um ungestörte Gespräche zwischen Kainiten zu ermöglichen, abseits von den anderen.

" Des Weiteren findet sich hier," er deutete auf einen Punkt, welcher sich nicht gänzlich an einer Ecke befand," ein Turm befinden, welcher mit einer Leuchte den geneigten Zuschauern verdeutlichen wird, dass das Haus geöffnet ist und zeitnah eine Vorstellung beginnen wird. Ist das Licht aus, ist die Zeit der Proben für die Darsteller, welche sich ohne Probleme schon in der Gewandung in das Haus begeben können, wenn ihr versteht was ich meine."

Er verdeutlichte auf dem Boden die Ausmaße des Turmes.

" Wie bereits gesagt, alles wird so angelegt, dass der Einlass von mindestens 4 Personen vollzogen werden kann und auch größere Mengen der geneigten Spectatores ohne Probleme abgewiesen werden können, wenn es denn notwendig ist. "

Er geht wieder in den Hauptraum zurück.

" So ist es denn angedacht, wohlwerte Dame. Zumindest was die äusseren Dinge angeht. Aber wir wissen beide, dass es auch auf die inneren Werte ankommt, nicht wahr?"

[Signora Achilla]

“Das ist wohl wahr, auch wenn ich die letzte sein will, die den äußeren Anschein schmäht und allzu gering achtet”, meinte die Signora darauf recht vergnügt. Sie und auch die Schausteller waren den Erklärungen gefolgt, staunend und manchmal auch untereinander flüsternd.
Ein Mann mit schon etwas Grau an den Schläfen erklärte gerade leise der schlanken, halb verhüllten Schönheit was er einst Arezzo gesehen hatte, das Rund, circus, was sie dort Aretium nannten. Die Schausteller verteilten sich ein wenig, sahen hierhin und dorthin und hielten vielleicht instinktiv oder aus angelernter Achtung heraus Abstand zu Adamo und Achilla selbst - auch wenn dies wohl eher die Achtung vor einem möglichen Gönner, Bauherrn und vielleicht sogar Edelmann war als die Achtung vor dem verborgenen Gesicht der Nacht.

“Sagt mir, kühner Herr Adamo, wenn ich mein Stück doch hier aufführen wollte, würdet Ihr es in Eurem Hause haben wollen? Würdet Ihr das wagen wollen? Und wäre Euer Bau früh genug fertig, dass ich das könnte? Wäre es also, kürzer gesagt, überhaupt eine Möglichkeit?”

[Adamo Manacres]

Adamo, welcher es sichtlich genoss, die Besucher auf seiner Baustelle herum zu führen, beobachtete das Verhalten der Darsteller der Nosferatu.

Auf die Frage der Signora brauchte er einige Momente, um sich eine Meinung zu bilden.

" Nun, dieses Haus wird ein Haus der Kunst und der darstellenden Künste. Ich, als Betreiber oder Besitzer, sollte ich denn zu dem Zeitpunkt noch Besitzer sein, stelle dieses Haus in die Dienste der Kunst und somit erscheint mir jedes Stück geeignet, solange das Publikum auf dieses Stück passend ist. Aus meiner Sicht wird somit nichts gegen dieses Stück sprechen, jedoch muss der Stille Genüge getan werden. Dies wäre somit eine Auflage, an welcher ich gerne bereit bin, mit euch zusammen zu arbeiten, um meinen Beitrag hierzu zu leisten."

[Signora Achilla]

Achilla tippte sich nachdenklich an das Kinn ihrer Maske, wiegte den Kopf und wägte ganz offensichtlich das Für und Wider ab.
“Ach, das ist nicht leicht. Dies Stück muss auf die Bühne, doch es ist nicht für sterbliche Augen bestimmt.”

Sie schnippte sachte mit den Fingern. “Wann könnte dies hier fertig sein? Und wenn ich Euch einen Ausblick gäbe, wenn Ihr die letzten Proben für das Stück sehen könntet, würdet Ihr es dann wagen, vorausgesetzt, es gefiele Euch?”

[Adamo Manacres]

"Ich denke, es wird noch ein, vielleicht zwei Jahre dauern, bis das, was ich geplant habe fertig gestellt ist. Aber dann sollte es so sein, dass es ohne Weiteres einem genauen Blick in Richtung Stille standhalten sollte. Das liegt natürlich daran, ob ich mir in dem kommenden Jahren noch Feinde schaffe, die versuchen, den Bau zu sabottieren oder ähnliches. "

Er grinste bei seinen letzten Worten.

" Ich wäre höchst erfreut, bei den letzten Proben als stiller Beobachter dabei sein zu können. Wenn ihr so etwas denn wollt. Ich will mich nicht aufrängen und euch die künstlerische Freiheit lassen."

[Signora Achilla]

“Hmh…”, machte Achilla da und sah zu den Schauspielern hin. “Dann lasst es uns so machen. Wenn die Zeit wirklich drückt, werde ich einen anderen Ort nehmen müssen. Doch so oder so: Ihr sollt die letzten Proben sehen und ich will mir gern anhören, was Ihr darüber denkt.”

Sie wiegte den Kopf. “Doch im Gegenzug dürft Ihr nichts davon verraten, was Ihr vor allen anderen sehen werdet. Erst dann, wenn das Stück aufgeführt wurde, sollt Ihr frei darüber sprechen. Was sagt Ihr?”

[Adamo Manacres]

" Wohlwerte Signora Achilla, ich denke einer solchen Übereinkunft steht aus meiner Sicht absolut nichts im Wege."

Er lächelt erfreut.

" Es wird mir eine Freude sein, Euer Werk zu beobachten und ich werde sicher Stillschweigen bewahren, egal ob es in diesen Räumlichkeiten oder in anderen aufgeführt wird."

Er deutet weiter auf die Baustelle.

" Möchtet ihr Euch noch ein wenig umsehen, kann ich Euch sonst noch etwas zeigen? Andernfalls würde ich vorschlagen, noch ein wenig zu flanieren, sofern ihr mögt. Wir könnten uns dabei auch noch über den neuen Gast in der Domäne unterhalten, eine Dame mit einer Galeere."