[1041] Asche, Sandelholz und Blut [Arash, Benedetto (SL)]

[Oktober '20]
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Arash
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[1041] Asche, Sandelholz und Blut [Arash, Benedetto (SL)]

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Langsam begannen seine Gedanken wieder zu dämmern. Langsam wie Honig schoben sie sich wieder in sein Bewusstsein. Träge öffnete er die Augen und sah an die steinerne Decke, die sich über ihm in der Dunkelheit der Kammer wölbte. Sein Körper fühlte sich seit einigen Nächten schwerer an, als sonst. Er kannte die bleierne Müdigkeit kurz bevor die Sonne aufging, aber diese schwere seiner Glieder war er nicht gewohnt. Wie als würden unsichtbare Ketten ihn behindern.

Er litt kein Hunger, sein Tier war ruhig und doch fühlte es sich seltsam an hier zu erwachen. Immerhin fühlte er sich heute nicht vollkommen phlegmatisch. Nicht wie gestern…war es gestern gewesen? Er war sich unsicher. Die Zeit zog sich wie zähes Bienenwachs und welche Nacht war…ob noch dieselbe oder dazwischen die Sonne aufgegangen war oder nicht, war nicht deutlich herauszufiltern.

Seufzend setzte er sich auf und schloss erneut kurz die Augen. Zwar gab es hier ein Bett, aber er nutzte es nicht. Normalerweise ruhte er in der Erde, aber der Boden hier war wie die Wände und die Decke aus Stein. Nichts in dem sein Körper versinken konnte. So bleib ihm nur der Boden…hinter dem Bett. Der Tür abgewandt.

Ohne Hast wanderten seine Gedanken zu jener Nacht zurück in der er mit Bendetto und einigen Männern Aurores von der Arena aus aufgebrochen war. Die Ereignisse hinter sich lassend und auf dem Weg nach San Marcellino. Die hohen Mauern der Abtei hätten ihn beinahe dazu gebracht zu fliehen…aber das war keine wirkliche Option. Und so schlossen sich schließlich die schweren Tore mit einem endgültig klingenden Ton hinter Benedetto und ihm. Sie hatten den ganzen Weg kein Wort miteinander gewechselt und auch nach ihrer Ankunft hatte er den Kappadozianer nicht direkt angesprochen.
Nun war er allerdings schon einige Zeit hier. Wie lange? Das wusste er nicht…auch nicht was ihn in dieser Nacht erwarten würde. Ein Gespräch mit Benedetto? Eine Behandlung? Unterricht von Citus? Er wartete. Wie lange eigentlich?
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Il Canzoniere
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Re: [1041] Asche, Sandelholz und Blut [Arash, Benedetto (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Kasimir wurde unruhig, also näherte sich jemand. Oder entfernte sich. Oder war nur in der Nähe. Über, unter oder sogar auf der selben Ebene. Er war nun bereits wie lange hier? Und er hatte diesen merkwürdigen Ort voller Türen noch nicht im Ansatz begriffen. Überall waren Türen. Manche so niedrig das man auf dem blanken Bauch hindurchrobben musste, manche in einer Höhe von einem Meter vierzig aus einer blanken Wand kommend. Manche öffneten sich ganz leicht und andere wirkten als ob sie seit Jahrzehnten, ja vielleicht sogar Jahrhunderten nicht geöffnet worden waren. Arash entging völlig der Sinn hinter solcherlei Dingen, aber ehrlich gesagt war er viel zu erschöpft um sich große Gedanken darüber zu machen. Die Prozedur die Benedetto mit ihm durchführte schlauchte ihn enorm. Am Anfang hatte er noch mitgezählt und vesucht ein Muster zu erkennen, in welcher Nacht er was tun musste, was trinken musste und was nicht tun durfte. Aber er hatte den Überblick verloren. Entweder der Kappadozianer machte es absichtlich dermaßen komplex das er gar nicht mitkommen konnte oder ihm fehlte überhaupt das Verständnis. So als ob man einer Geschichte folgen müsste die in einer alten, toten Sprache vorgelesen wurde. Mit regelmässigen Abfragen dazwischen während denen man nur immer wieder sagen konnte das man keine Ahnung hatte was vor sich ging.

Um einen gewissen Rythmus zu behalten, hatte er als nächstes versucht den Gebetszeiten der Mönche, die hier lebten, aufmerksam zu folgen. Wann die Mahlzeiten stattfanden, wann die Gebetszeiten abgehalten wurden... aber auch die Lebensweise der Mönche war ihm dermaßen fremd, das er in vielen der Tätigkeiten - zumindest inhaltlich - keinen Sinn gefunden hatte. Niemand hatte ihm etwas erklärt. Und meistens war er ohnehin zu müde um irgendetwas anderes zu tun als sich zusammenzukauern und versuchen die Nacht irgendwie hinter sich zu bringen.

Er hatte auch das Gefühl das Tia häufiger bei ihm gewesen war und sich versucht hatte mit ihm zu unterhalten, aber was genau sie gesagt hatte, das hatte er bereits vergessen. Oder hatte er es jemals gewusst? Hatte er ihr einfach nicht zugehört und sogar in dem Moment in dem sie sprach nicht verstanden? In den Nächten in denen es ihm etwas besser ging, kam meist Citus vorbei und nahm ihn mit unter den Sternenhimmel, wo sie dann zwischen den Pflanzen im Gemüsebeet der Abtei saßen, Citus vor sich hinplapperte und dabei Unkraut jätete und Arash sich sogar dann und wann dabei ertappte dabei zu helfen, einfach weil er etwas mit den Händen tun wollte und nicht nur dasitzen und in den Himmel starren.

Und dann gab es da noch die Nächte in denen Benedetto ihn abholte.
Der Kappadozianer in Benediktinerrobe schien kein übler Kerl zu sein, aber was er da mit ihm machte, das verstand Arash einfach nicht. Stundenlang besprach er ihn mit lateinischen Worten, ließ ihn Blut und Asche trinken und ihn sich immer und immer wieder übergeben. Er fühlte sich krank. Vergiftet. Nächtelang war ihm nach diesen Prozeduren übel, besonders in der ersten Zeit lag er nur da und versuchte zu schlafen, während Kasimir in herzergreifender Manier versuchte zu helfen und sich eng an ihn drückte.

Und so war es auch kein gutes Gefühl als er jene schwerfälligen Schritte hörte die sich, nachdem eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde, langsam näherten. Benedetto.
Also war es eine von diesen Nächten.

Kaum hatte er den Gedanken zu Ende formuliert, da öffnete sich die Tür die er von hier aus sehen konnte und der dunkel berobte Chronist zwängte sich in den engen Gang in den Eingeweiden San Marcellinos. Er wirkte, wie immer, bleich und kränklich, aufgedunsen wie eine Leiche und behäbig wie eine Kröte. Unmittelbar vor der Öffnung der winzigen Kammer in der Arash seine Tage verbachte, hielt er inne und nickte dem Gangrel freundlich zu. Meistens hatte er gute Laune. Arash verstand noch immer nicht wie jemand, der in solch einer Gruft lebte, ständig so gute Laune haben konnte.

"Guten Abend Arash. Ich sehe, du bist schon wach. Ich würde dich gerne mit hinauf ins Studierzimmer nehmen." eröffnete er mit seiner üblichen Begrüßung. Benedetto war kein schlechter Gastgeber, er redete viel mit Arash, meist in seiner Schreibkammer in der er wohl gelegentlich auch andere Gäste empfing. Ein guter Raum für Gespräche und voller Schreibutensilien, Folianten, Pergamente und Aufzeichnungen. Ein paar der Bebilderungen hatte Benedetto ihm auch bereits gezeigt. Und man musste sagen, davon verstand der Ancilla etwas.
Danach ging es meistens weiter mit dem weniger schönen Teil der Nacht, nach dessen Ende Citus oder Tia, manchmal auch beide, den Gangrel hinab in seine Kammer bringen mussten. Mal stützend, mal musste er gar getragen werden. Mal wachte er in einer oder gar zwei oder drei Nächte später einfach wieder in der Kammer auf, von Übelkeit erfüllt und schwächlich.

Er hätte erwartet, dass zumindest sein Tier dem Kappadozianer mehr Hass entgegenschleudern würde, nun wo er wieder sein halb erfreutes, halb beunruhigendes Lächeln aufgesetzt hatte und sich nervös über die dicken, bleichen Lippen leckte. Aber auch Arashs Tier schien von der Trägheit, die ihn gepackt hatte, eingehüllt zu sein. Kaum wacher als Arash selbst reagierte es langsam und fokussierte den beleibten Mönch.
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Arash
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Re: [1041] Asche, Sandelholz und Blut [Arash, Benedetto (SL)]

Beitrag von Arash »

Arash hatte die Schritte schon lange kommen hören. Sein Gehör war nicht schlechter geworden, während er hier war. Im Gegenteil hatte er das Gefühl das es noch schärfer geworden war, durch die sonstige Stille in den Hallen. Die Trägheit in seinen Gedanken veranlasste ihn aber länger über das Geräusch nachzudenken, bevor er es einordnen konnte.

Seine Hand kraulte unterdessen geistesabwesend Cazimir, der sich an ihn schmiegte, weil auch er die Schritte hörte. Er mochte den Mönch nicht. Er fand er roch ungesund und die vielen Steine um ihn herum machten den Otter auch nervös. Ihm fehlte das Wasser. Blut reichte ihm einfach nicht und Arash war das auch bewusst. Aber...bisher war er noch nicht dazu gekommen es dem Kappadozianer zu sagen.

Er konnte auch nicht einschätzen wie lange er die Schritte hörte, bevor der dicke Mönch die Tür öffnete. Aber als sie sich öffnete brauchte nicht nur sein Körper länger sich in die Richtung seines Gastgebers zu drehen, sondern auch seine Gedanken brauchten länger, um die Worte Benedettos zu verarbeiten. So dauerte es einen Moment, bevor er den Kopf umwandte, um den Chronisten anzublicken und noch einen Moment, bevor er antwortete.

"Guten...Abend...verehrter...Benedetto." begrüßte er ihn mit gedehnter Stimme. Tatsächlich fiel es ihm schwer die Worte in seinem Kopf zu formen und dann durch die zähne Gedanken auch noch seine Zunge und seine Lippe dazu zu bewegen diese auch auszusprechen. Träge blinzelte er. Das war ihm scheinbar geblieben, weil alles langsamer abzulaufen schien.

So drangen die Worte nur langsam in sein Bewusstsein vor. Schließlich aber nickte er langsam und hob Cazimir langsam von sich herunter. Der Otter fiepte und protestierte, wehrte sich aber nicht gegen die Hände seines Herren. Anschließend drückte er sich langsam hoch. Seine Kraft reichte dafür in dieser Nacht aus. Erst, als er gerade stand...oder was sein Körper dafür hielt, fühlte er sich so erschöpft wie nie, seit er die Nacht für immer betreten hatte. Das letzte Mal, als er so erschöpft war, war er aus dem Dorf gejagt worden. Damals war er hungrig gewesen, verletzt, müde und hatte sich mit letzter Kraft in die Höhle gerettet. Kurzzeitig war er wieder in dieser Höhle. In der Dunkelheit. Die tropfenden Steine, der heulende Wind. "Gut." war alles was er an weiteren Worten hervorbrachte.

Dann setzte er sich langsam in Bewegung. Folgte dem Chronisten in seine Schreibstube. Träge.
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Il Canzoniere
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Re: [1041] Asche, Sandelholz und Blut [Arash, Benedetto (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

"Benedetto reicht völlig." winkte der Kappadozianer ab. Er hatte noch nie sonderlich viel von der kainitischen Etikette gehalten und schien - insbesondere in einem solch persönlichen Rahmen - auch gut ohne auszukommen. Mit leicht schief gelegtem Kopf betrachtete er seinen trägen Gast und leckte sich über die Lippen. "Wie hast du geschlafen?" fragte er ihn mit einem teils echten, teils ehers wissenschaftlich anmutenden Interesse. Arash war sich dabei nicht sonderlich sicher ob dieses wissenschaftliche Interesse das andere nicht erst am Leben hielt.

Mit einer Geste bedeutet er dem Gangrel den Weg und schloss sich diesem dann an. Führte ihn durch die Gebeine San Marcellinos, die unwahrscheinlich tief in den Hügel auf dem das Kloster errichtet war hinabreichten. Er warf einen zweifelnden Blick zu Cazimir hinab und runzelte dann die Stirn ehe er sich wieder dem Gangrel zuwandte: "Von wo genau entstammst du eigentlich? Also ursprünglich? Deinesgleichen legt häufig lange Strecken zurück ehe sie sich hier oder dort einige Jahre niederlassen. Ich habe mich immer gefragt weshalb. Gerade für jene unter uns die ihren Instinkten nachgehen und Überleben eine hohe Tugend darstellt sollte doch klar sein das Städte mehr bieten als nur Nahrung. Sicherheit, Gesellschaft, geistige Beschäftigung. Naja zumindest Sicherheit. Dort draußen in den Wäldern lauern Wolflinge oder sogar tägliche Zollkontrollen - meiner Meinung nach der wahre Urfeind der kainitischen Rasse." gab er schmunzelnd zum besten, während er dem Gangrel eine so kleine Tür öffnete, das sich beide ducken würden müssen um den sehr engen und sehr schmalen, stickigen Gang dahinter zu passieren.

"Ich verstehe das deinesgleichen in der Wildnis den meisten anderen Clans überlegen ist. Von einem strategischen Standpunkt aus sicher eine gute Überlegung. Aber man kann nur etwas verteidigen was überhaupt erst angegriffen wird oder? Niemanden sonst verlangt es nach der Wildnis oder? Die Wanderer vielleicht? Bist du einmal einem von ihnen begegnet?" löcherte er den kaum völlig bei Sinnen befindlichen "Gast" mit einer Frage nach der nächsten. Beinahe plaudernd. Wieder eine Tür. Plötzlich standen sie auf einem Gang der höher war als der noch eben, beleuchteter, der viel bewohnter wirkte. Offenbar ein auch von Mönchen genutzter Teil des Klosters. Und da vorne war auch die Wendeltreppe hinab in jenes Studierzimmer, in das sie wollten. Benedetto blickte einmal hinüber und schloss dann die Tür hinter Arash, noch ehe Cazimir folgen konnte. Irgendetwas hatte dessen Neugierde geweckt, vielleicht hatte jemand dort unten ein Stück Fleisch drapiert. Oder gar ein Weibchen freigelassen, wer mochte das schon wissen. Sicher war das der Kappadozianer den Ghul beinahe beiläufig zurückließ und nun Arash einen erneuten, fragenden Blick zuwarf, wohl immernoch zu der gestellten Frage über die Wanderer.

Dann setzte er sich wieder in Bewegung.
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Arash
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Re: [1041] Asche, Sandelholz und Blut [Arash, Benedetto (SL)]

Beitrag von Arash »

Keine Titel...innerlich nickte der Gangrel. Er würde sich dessen nicht verweigern. Hatte er nun auch genickt? Er war sich unsicher. Sein Körper war einfach zu träge und seine Gedanken zu unzusammenhängend. Aber die Frage des Kappadozianers hatte er verstanden. Er schloss träge die Augen, versuchte sich zu erinnern. Geschlafen? War er überhaupt wach gewesen? Wirklich wach? Oder? So genau konnte er das nicht sagen. "Ich habe nicht das Gefühl geschlafen zu haben...es ist eher...als wenn ic ständig in einer Zwischenwelt gefangen wäre..." ein leises träges schnuren begleitete die Worte noch. "Es ist...nicht erholsam...wie...Schlaf."

Lange Gänge...oder waren sie gar nicht so lang? Er ging meist schräg hinter dem Mönch, denn dieser war schneller als er. Er konnte und wollte seinen Körper auch nicht zu höherer Geschwindigkeit anstacheln. So schienen sich tausende Gänge aneinander zu reihen. Ein jeder wie der Andere. Gingen sie im Kreis? Vielleicht. Wieder ein Frage über die er erst nachdenken musste. Deren Worte er erst langsam zusammenpuzzlen musste. "Ich komme von der Küste des schwarzen Meeres. Mein Dorf...ihr würdet es nicht kennen...es hatte nicht einmal einen Namen, bevor alle starben." ein leises fast Knurren untermalte diese Worte. Keine Aggression. Dazu war nicht einmal fähig. Aber vielleicht eine Art Genugtuung.

Dann schüttelte er langsam den Kopf, als auch die zweite Hälfte der Frage wie Honig in sein Bewusstsein gesickert war. "Sicherheit? Das Städte Sicherheit bieten...habe ich gesehen...als der letzte Krieg tobte und einige von uns von den Menschen vernichtet wurden. Ich habe gesehen was geschieht, wenn man die Stille bricht...was meistens in der Stadt passiert...ich...würde...das nicht als...sicher...bezeichnen." Während er sprach wurden seine Worte träger...er wusste was er sagen wollte und überlegte dann doch wie er seine Zunge und seinen Mund dazu bringen konnte die Worte zu formulieren. Für eine kurze Zeit. Oder war sie kurz? Folgte er nur Bendetto, bis er weiter sprach. "Die Wildnis bietet meinem Clan genug Nahrung. Genug Beschäftigung und mehr Sicherheit, als die Städte es könnten. Kann doch niemand unsere Zufluchten tagsüber in Brand setzen." Er zuckte mit den Schultern und folgte weiter Träge dem Ancilla.

"Ich jage und wenn ich mich nach Gesellschaft sehne treffe ich andere meines Clans. Mir leuchtet nicht ein...was die Statd mir geben würde, was die Wildnis abseits der Städte nicht geben würde...außer vielleicht mehr Menschen und Mauern und der Geruch nach Angst."

Das Cazimir ihm plötzlich nicht mehr folgte fiel ihm tatsächlich erst später auf. Wann war der Otter verloren gegangen? Hatte er sich ablenken lassen? Vielleicht hatte er Essen gerochen. Oder Tia. Der Gang sah anders aus, als die bisherigen. Sein müder Geist registrierte diese Information, aber eine richtige Verarbeitung fand nicht statt. War es überhaupt wichtig? Kurz blieb er stehen, um die neuen Eindrücke in sich aufzunehmen, aber Benedetto ging schon weiter und so folgte er ihm. Wieder eine Frage...wieder musste er überlegen wie er die Worte formte. "Wieso sollten wir einen Wald verteidigen wollen? Was wollt ihr erobern? Bäume? Gräser? Andere Clans streiten sich um Einfluss in den engen Städten. Wir haben die Freiheit zu wählen wo wir jagen." er zuckte träge mit den Schultern. "Ich empfinde es als einfacher dort draußen zu überleben wo ich mich nicht verstecken muss. Wo ich nicht tun muss, als wäre ich ein Mensch. Wir teilen unser Territorium mit den Wolflingen...aber ich habe noch nie einen gesehen..." Die Bewegung schien seinen Geist etwas munterer zu machen, aber seinen Körper über alle Maßen anzustrengen. "Die Einzige Wanderin die ich bisher traf war Sousanna...die Wanderer suchen doch immer wieder menschliche Nähe. Mein Clan tut dies...nicht." Träge blinzelte er noch einmal träge und sah dann zu Bendetto.
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Re: [1041] Asche, Sandelholz und Blut [Arash, Benedetto (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

"Zwischenwelt?" war offenbar ein Begriff der dem Kappadozianer derart gut gefiel, das er kurz inne hielt, ein kleines Wachstäfelchen und einen Griffel hervorholte und den Gangrel der ihn begleitete erwartungsvoll anblickte, ehe er sich über die bleichen Lippen leckte. "Wieso nutzt du ausgerechnet diese Vokabel? Sie ist nicht unbedingt sonderlich naheliegend oder? Wie fühlt sie sich an, diese Zwischenwelt?" Anstalten weiterzulaufen machte er keine, im Gegenteil, er ließ sich erst berichten was Arash hierzu zu sagen hatte, egal wie sehr ihn jede Überlegungen über dies oder das schon wieder anzustrengen schien. Der feiste Benediktiner war dabei zwar nicht unnachgiebig, aber auf seine Art dennoch kaum zu übergehen.

"Schwarzes Meer, soso... östliches Ufer? Was spricht man dort für eine Sprache? Könntest du mir eventuell ein paar Wörter aus deiner Heimatsprache übersetzen, wenn ich sie dir nennen würde? Das könnte in Zukunft hilfreich sein, falls ich über unbekannte Schriften stolpere. Du ahnst gar nicht wie häufig das vorkommt. Gerade wenn sie eine lange Reise hinter sich haben." kurz schien er über seine eigenen Worte nachzudenken dann gluckste er und schüttelte den Kopf "Naja, vermutlich hast du selbst schon eine gute Idee wie häufig das vorkommt."

Über den Gesichtpunkt mit den Städten schien er nun nur hier und da abwägend den Kopf hin und her zu rücken, dann nickte er, als ob er die Punkte Arashs für durchaus stichhaltig halten würde. "Aber wie ist es mit Nahrung? Menschliches Blut nährt uns viel besser als tierisches. Und Tiere sind dazu schwerer zu fangen, sensibler und seltener als Menschen in der Stadt. Ist das nicht ein Problem? Oder passt du dich den Jahreszeiten an? Erwachst im Winter niemals und erst im Frühling öffnest du wieder deine Augen?" offenbar schien ihn der Gedanke mal eines Jahreszeit auszusetzen ebenfalls anzusprechen. Zumindest wenn man den wehmütigen Blick aus den kleinen Äuglein richtig interpretierte.

Zu seinen Worten bezüglich Sousanna und den Wanderern nickte er. Offenbar schien es als ob er hochzufrieden war wie durchdacht der Gangrel trotz seiner Trägheit antwortete. Das war nicht in jeder Nacht so, umso mehr hellte sich die Stimmung des Ancillas auf, ausnahmsweise mal einem guten Gespräch entgegenblicken zu können als dem stumpfen Gestarre das den tierhaften in manchen Nächten einzuholen schien.

"Wenn du vom schwerzen Meer kommst, dann wirst du sicher ein gutes Stück Strecke zu Fuß hinter dich gebracht haben oder? Gab es einen Ort unterwegs an dem du längere Zeit verbracht hast? Irgendetwas das dich beeindruckt hat? Etwas zu dem du zurück möchtest? Das man einmal gesehen haben sollte?" hatte Benedetto bereits die nächsten fünf Fragen rausgefeuert, ehe er sich selbst einfangen konnte. Der Wissensdurst des Kappadozianers schien schier unermesslich zu sein.
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Arash
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Re: [1041] Asche, Sandelholz und Blut [Arash, Benedetto (SL)]

Beitrag von Arash »

Träge ging Arash noch einige Schritte weiter, bevor er bemerkte, dass der Kappadozianer stehen geblieben war. Er drehte sich nicht ganz um, sondern stand nur aufrecht, während er den Kopf leicht drehte und über die Schulter sprach. "Weil es ist wie in einer Welt zwischen dem hier...und der Finsternis des Schlafs." sprach er langsam. "Es ist wie ein Zustand des Schwebens. Kein oben, kein unten. Keine Richtung, keine Entfernung. Nur man selbst, der Körper und das Tier, im Einklang mit sich selbst."

Die Worte waren lang und gedehnt, aber es schien ihm einfacher zu fallen über diese Sache zu sprechen, als über andere Dinge nachzudenken. Fast, als wäre sein Kopf schon länger in diesem Stadium gefangen und er hätte sich daran gewöhnt.

"Mein Dorf liegt...lag...am nordöstlichen....Ufer." Kurz schien sein Kopf den Worten des Mönchs nicht folgen zu können, dann schüttelte er mit dem Kopf. "Не знам какво имате предвид.*" fuhr er dann in seiner Muttersprache vor, die ihm viel leichter über die Lippen zu kommen schien, als das Italienische. "Това е езикът на моите сънародници. Не знам дали си има име.**"

Langsam wandte sein Körper sich wieder ganz dem Kappadozianer zu. Scheinbar war der Befehl seines gehirns erst jetzt an die Muskeln übermittelt worden.

"Ich...kann versuchen...die Wörter zu...übersetzen...aber..." kurz brach er ab und starrte Benedetto nur stumm an, bevor er weitersprach. "Es gibt...für viele Worte meiner Sprache...kein Wort im Italienischen..."

"Tiere sind die bessere Beute...ihre Sinne fordern uns mehr heraus...wir werden bessere Jäger...und es gibt...genug Tiere...auch größere." Langsam schloss er die Augen. Schien mit der Antwor aber noch nicht fertig zu sein. "Auch einzelne Menschen...Wanderer, Händler, Jäger und Holzfäller findet man immer wieder..." erklärte er. Obwohl Benedetto noch mehr gefragt hatte, schien er einfach zum nächsten Thema zu springen, dem Kappadozianer zu folgen, dessen Verstand viel schneller funktionierte, als der des Gangrels.

Aber die Trägheit lies ihn lange über die letzte Frage nachdenken. Schließlich schüttelte er mit dem Kopf. "Nur die Wildnis...keine Städte oder Plätze mit Namen...es gab eine Höhle mit türkisem Wasser...sie war...schön." Zu mehr schien er derzeit nicht in der Lage und verfiel vorerst wieder in das Stumme brüten.

*Ich weiß nicht was ihr meint.
**Dies ist dies ist die Sprache meiner Landsleute. Ich weiß nicht, ob sie einen Namen hat.
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Re: [1041] Asche, Sandelholz und Blut [Arash, Benedetto (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Der Kappadozianer führte seine Notiz noch ein wenig weiter und nickte dann den Gang hinab, als ob er sagen wollen würde: "Dort entlang". Dann setzte er sich selbst wieder in Bewegung, bis sie an einer kleinen, sehr sehr schmalen Wendeltreppe ankamen die gerade mal breit genug für eine Person war und von hier hinab ins dunkle führte. Licht brannte keins. Es war eine dunkle, warme, pochende Finsternis die mehr verbarg als bloß ein paar alte Mauern. Arash kannte sie, konnte sich vage an sie erinnern. War sie schon ein paar mal hinabgelaufen... oder? Irgendwoher kam ein Erinnerungsfetzen an eine alte Geschichte über die griechische Unterwelt.
Wieder nickte Benedetto. Abwärts.

Unten angekommen standen sie in einer stickigen Kammer voller Regale, Schreibpulte und ein oder zwei dicken Wälzern an denen offenbar gerade gearbeitet wurde. In den Schränken türmte sich Pergament, Ingredenzien zur Farbherstellung und tatsächlich bereits angerührte Farben. Das Licht kam von einer einzelnen kleinen Kerze, doch Benedetto entzündete rasch einige weitere, so dass es hell genug war um mit Farben arbeiten zu können.

Irgendwoher kannte Arash dieses Spiel schon. Der Kappadozianer würde nebenbei an seinem aktuellen Folianten weiterarbeiten und dabei ein Gespräch mit seinem Gast führen. Wie viel Gespräche hatten sie mittlerweile geführt? Es müssen hunderte gewesen sein. Und nicht einmal ein Viertel davon konnte er sich aktiv ins Gedächnis rufen. Und die an die er sich erinnerte waren irgendwie alle gleich. Als ob ihn der Kappadozianer in Routine ersticken wolle würde. Als ob er die hohen Emotionen mit diesem Alltagstrott einfach glatt bügelte.

"Tiere sind vor allem Lebewesen die recht schnell merken, dass mit uns etwas nicht stimmt. Im Gegensatz zu Menschen sind sie Kainiten gegenüber sehr skeptisch oder gar angriffslustig. Und ihre Sinne sind um so vieles schärfer als die der Sethskinder. Sie tauchen also seltener gemeinsam auf, sind schwieriger zu erjagen und weniger nahrhaft. Wie schafft es dein Blut dennoch sie immer und immer wieder zu erwischen?" fragte er, einfach an das vor einigen Augenblicken unterbrochene Thema erneut anknüpfend.

Er griff in ein Fach eines Regals und holte ein Wachstäfelchen hervor, las einmal darüber und nickte dann: "Kannst du mir folgende Wörter übersetzen? Hunger. Ersticken. Totgeburt. Kalt. Herbst. Gegengift. Hakennase. Löwenzahn." dann sah er von dem kleinen Täfelchen auf und zückte einen Griffel. Als ob es ruhig jetzt auf der Stelle sein dürfte.
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Re: [1041] Asche, Sandelholz und Blut [Arash, Benedetto (SL)]

Beitrag von Arash »

Arash blickte den feisten Mönch lange stumm an, bis er registrierte, dass er weitergehen sollte. Langsam setzte der sehnige Körper des Gangrels sich in Bewegung und stieg schließlich auch die Treppen hinab. So tief. Kaum etwas von seinem Weg blieb in den Spinnenweben hängen, die sein Tier und seinen Verstand umschlungen hatten.

Wie klebriger Leim rannen sie durch seinen Verstand und nahmen die Eindrücke der Schreibstube erneut in sich auf. All das hatte er bereits gesehen und doch schien einiges ihm neu. Veränderte Benedetto diesen Ort jedes Mal, oder hatte er einfach vergessen, dass einiges hier schon war, als er beim letzten Mal hier war. Arash sah sich um, erkannte aber auf anhieb keine Sitzgelegenheit und blieb deswegen einfach stehen. Lauschte den weiteren Worten des Kappadozianers und blinzelte dann Träge.

"Wir passen uns ihnen an...wenn man weiß wie Menschen jagen, so kann auch ein Kainit die Tiere jagen...wir haben keinen Geruch der uns verraten könnte...wir sind...schneller...haben...bessere...Sinne...ihr könntet auch fragen...wie schafft ein Mensch es ein Tier zu erlegen....wir...nutzen...nur...unsere Fähigkeiten..."


Die Worte strafte Arash im selben Moment lügen in dem er sie aussprach. Roch er doch selbst wie ein wildes Tier nach Moschus und war er selbst nicht gerade einer Schildkröte näher, als einer wendigen Katze. Dann wiederum war klar, dass er sich vor dem Aufenthalt hier auch benommen hatte wie eine Katze...so falsch schien das mit Anpassen daher nicht zu sein.

Eine kleine Unendlichkeit verging, bevor der Gangrel weitersprach. Offenbar musste er est noch die weiteren Worte Benedettos verarbeiten. Dann begann er ohne Kontext wieder in seiner Muttersprache zu reden.

"Задушаване.... Мъртвородено... Студено.... Есен.... Противоотрова.... Нос с кука.... Глухарче...."

Als er geendet hatte sah er erneut zu dem dicken Mönch. "Wieso...tut ihr das?...wieso...wiederholen...ständig...dieselben Dinge?"

Tatsächlich nach langer Zeit ein Funken Widerstand der in Arashs grünen Augen aufglühte, aber schnell wieder von der Lethargie gelöscht wurde.
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Re: [1041] Asche, Sandelholz und Blut [Arash, Benedetto (SL)]

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Eilig kritztelte er zumindest die Lautsprache auf das Wachstäfelchen vor ihm. Las noch einmal darüber, verbesserte hier und da, blickte noch einmal darauf, nahm ein zweites Wachstäfelchen und schrieb es noch einmal, viel viel geduldiger und sorgfältiger ab. Dabei begann er bereits wieder mit dem Gangrel zu sprechen:

"Du beliebst zu Scherzen. Ich hörte einen Mönch fragen wieso es in diesem Kloster seit einiger Zeit so nach Kuh riecht und ich möchte wetten das euer Geruch noch nachdem wir diese Kammer einige Nächte nicht betreten haben, noch in der Luft liegen wird. Und diese... Marderkatze... kann dich über einen guten Kilometer erschnüffeln. Und ich? Ich rieche so nach muffigem Grabgeruch das mir manchmal selbst schlecht wird, wenn ich aus dem Badezuber steige. Wie auch all die anderen. Hast du nie den feinen Geruch nach Kirschen gerochen, den ihre Majestät verströmt? Der Weihrauch der an Ferrucio klebt? Kerzendocht an Ilario? Fleischgeruch an Toma? Eigentlich riecht jeder Kainit ziemlich individuell. Ich habe dazu schon einmal eine Testreihe durchgeführt. Wenn ich sie finde, kann ich sie dir zeigen." er kratzte sich am Kopf und sah sich einen Moment suchend um. Dann schüttelte er den Kopf das er sie ganz sicher nicht hier aufbewahrte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der benommenen Geissel zu. "Deine These ist also nicht plausibel. Zumal ich keinen Kainiten kenne der einen derart intensiven Geruch hat wie du. Wie kommt es? War das schon immer so?"

Die Frage Arashs, weshalb sie immer und immer wieder alles wiederholten, schien er dabei nicht einmal wahrzunehmen. Als ob sich Luftbläschen auf Arashs Lippen bildeten die dann wortlos verpufften ohne ein Geräusch zu erzeugen. Tatsächlich war er sich nicht einmal sicher ob er die Worte wirklich laut ausgesprochen hatte. Hatte er? Es wirkte nicht so. Hatte er nur seine eigenen Gedanken beim sprechen zugehört oder war das wirklich passiert? Hatte er den Kappadozianer gefragt? Hatte dieser reagiert? Hatte er italienisch gesprochen? Oder war er erneut in die Sprache seiner Heimat gerutscht?
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